2000 39. BAYERISCHER INTERNISTEN-KONGRESS © 2001 W. Zuckschwerdt Verlag München 1 Biventrikuläre Stimulation bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz Walter Notheis Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universität Regensburg Die chronische Herzinsuffizienz mit ihrem klinischen Symptomenkomplex wie Müdigkeit, Minderung der Leistungsfähigkeit, Atemnot bis zu Erstickungsanfällen, Wassereinlagerungen im Gewebe, schweren Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod u. a. ist heute nach wie vor eine Hauptursache für die stationäre Krankenhausbehandlung. In der Bundesrepublik Deutschland leiden derzeit ca. 1,3 Millionen Menschen an dieser Erkrankung mit einer jährlichen Neuerkrankungsrate von ca.200 000 Patienten (Tab. 1). Die durchschnittliche Krankenhausverweildauer beträgt ca. 28 Tage/Jahr mit einer Wiederaufnahmequote von 20% innerhalb von 30 Tagen. Des weiteren ist die chronische Herzin- suffizienz mit einer extrem hohen Sterblichkeit behaftet; so sterben ca. 57 000 Patienten pro Jahr an dieser Erkrankung, womit sie die Haupttodesursache bei Patienten im Alter von über 65 Jahren darstellt. Die Überlebensrate nach Diagnosestellung beträgt im 1. Jahr ca. 85%, im 5. Jahr nur noch ca. 50% und variiert mit dem Schweregrad (New York Heart Association (NYHA) Klassifikation) der Erkrankung. Die bisherigen Therapieverfahren sind überwiegend medikamentöser Art. So konnte für die Therapie mit Digitalis, ACE-Hemmern, AT1-Antagonisten, Diuretika und Betablocker in großen Studien eine positive Wirkung auf die Hospitalisierungshäufigkeit und insbesondere auf die Sterblichkeit nachgewiesen werden. Erst bei Versagen dieser „konservativen“ Maßnahmen Tabelle 1: Epidemiologie der Herzinsuffizienz im internationalem Vergleich (mod. nach Wilkerson Group Survey, kommen therapeutische Optionen der Herzchirurgie wie die 1998, New Medicine Report 501, 1997). Implantation von „Cardiac AsNeuerkrankun- Anzahl der Sterblichkeit sist-Devices“ und die Herzgen pro Jahr Patienten pro Jahr transplantation als Ultima ratio USA 400 000 5 000 000 250 000 in Betracht.Letztere ist ein sehr EU 580 000 6 500 000 300 000 Kosten aufwendiges Verfahren, D 200 000 1 300 000 57 000 welches aufgrund mangelnder Spenderorgane nur für eine kleine Patientenanzahl in Frage kommt. Trotz Optimierung und differenziertem Einsatz der medikamentösen Therapie zeichnet sich die chronische Herzinsuffizienz durch eine nahezu unaufhaltsame Progredienz mit Verlust an Lebensqualität aus. Nach über 10-jährigen Grundlagenforschung steht nun ein neues Therapieverfahren zur Behandlung der schweren Herzinsuffizienz zur Verfügung: die Biventrikuläre StiAbbildung 1: Schematische Übersicht der Venenanatomie mulation. Im Jahre 1990 konnsowie der Schrittmachersondenlage bei biventrikulärer Stite erstmals im Tierexperiment mulation. durch die biventrkuläre Stimulation eine Verbesserung der kardialen Hämodynamik nachgewiesen werden. Erste positive Ergebnisse dieses neuen Verfahrens am Menschen mit Verbesserung der Belastbarkeit und der funktionellen Kapazität wurde von Bakker 1993 berichtet und von Cazeau später bestätigt (4, 5). Ebenfalls Anfang der neunziger Jahre wurden Untersuchungen zur Stimulationstherapie (Zweikammer) bei Herzinsuffizienz mit der Frage des optimalen AV-Intervall durchgeführt, deren Ergebnisse jedoch kontrovers blieben.So fanden Hochleitner und Aurricchio für die herkömmliche Zweikammerstimulation mit kurzer AV-Zeit positive Effekte, im Gegensatz dazu konnten Gold und Linde keine Verbesserung bei den Patienten dokumentieren (3, 6, 9, 11). Bei der biventrikulären Stimulation werden im Gegensatz zur herkömmlichen Herzschrittmacher-Therapie nicht nur rechter Vorhof und Kammer stimuliert, sondern ebenfalls die linke Herzkammer. Dies erfolgte initial über eine zusätzliche Stimulationselektrode, welche über eine kleine Thorakotomie auf dem linken Ventrikel angebracht wurde und mit einem zweiten Aggregat verbunden war. Gleichzeitig war an diesen Schrittmacher eine zweite transvenösen Vorhofsonde konnektiert, so dass die linke Herzkammer vorhofgetriggert stimuliert werden konnte. Durch die Entwicklung neuer transvenöser Schrittmacherelektroden ist nun die Stimulation der linken Kammer über eine in den Koronarsinus platzierten Sonde unter Wegfallen des zweiten Aggregates möglich, was zur deutlichen Reduktion der Patientenmorbidität geführt hat (Abb. 1). Die erste kontrollierte Studie, welche zeigen konnte,dass die elektrische Stimulationstherapie bei einem selektionierten Patientengut mit Herzinsuffizienz 2 P = 0,005 19 P = 0,111 P = 0,003 P < 0,001 460 430 P = 0,682 P = 0,016 6 Minuten Geh-Test 17 400 n = 15 Mean ± SEM 13 Startpunkt 4 Wochen Stimulation 4 Wochen keine Stimulation 4 Wochen Stimulation P < 0,0001 20 340 30 10 0 NYHA: 0 4 Wochen Stimulation 4 Wochen keine Stimulation 4 Wochen Stimulation Startpunkt 4 Wochen Stimulation 4 Wochen keine Stimulation 4 Wochen Stimulation P < 0,001 20 10 Startpunkt n = 32 Mean ± SEM Abbildung 3: Verbesserung der Belastbarkeit im 6-Minuten-Gehtest (PATH-CHF-Studie, NASPE 1999 Aurricchio et al.). Anzahl der Patienten Anzahl der Patienten Abbildung 2: Verbesserung der Sauerstoffaufnahme (PATH-CHF-Studie, NASPE 1999 Aurricchio et al.). 30 370 Meter ml/min/kg 15 NYHA: Startpunkt 4 Wochen Stimulation 4 Wochen keine Stimulation 4 Wochen Stimulation Abbildung 4: Reduktion der NYHA Klasse (PATH-CHF-Studie, NASPE 1999 Aurricchio et al.). traktilität und der Auswurfleistung des Herzens, eine bessere Sauerstoffaufnahme, eine Erhö25 hung der körperlichen Belast20 barkeit im 6 Minuten-Gehtest 15 sowie eine Verbesserung der Lebensqualität mit Reduktion 10 der NYHA Klasse. Darüber hin5 aus zeigte sich ein deutlich rückläufiger Trend in der Häufigkeit 0 und Dauer der Hospitalisierun1 Jahr vor 1 Jahr nach Implantation Implantation gen pro Jahr (Abb. 2–5). Zu ähnlichen Resultaten führte die INAbbildung 5: Reduktion der Krankenhaustage (PATH- SYNC-Studie, in der ein ähnliCHF-Studie, NASPE 1999 Aurricchio et al.). ches Patientengut untersucht wurde (7, 10). (NYHA-Klassifikation III-IV, Ejektionsfraktion <35% und QRS-Verbreiterung Für Patienten mit einem erhöhtem Risi>120 msec) signifikante klinische Vorteiko für den plötzlichen Herztod durch le brachte war die PATH-CHF Studie Kammertachykardien steht auch ein (2, 3). Hierbei fanden sich bereits nach 4 biventrikulärer Schrittmacher mit voller Wochen Stimulation sowie auch in der Funktionalität eines Kardioverter/DeFolgezeit eine Verbesserung der Konfibrillators zur Verfügung. Krankenhaustage 30 Dieses neue Therapieprinzip scheint nach der aktuellen Datenlage besonders geeignet zu sein für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz in den NYHAStadien III–IV, die trotz optimierter medikamentöser Therapie eine klinische Progredienz aufweisen und im EKG einen Linksschenkelblock zeigen. Die potentiellen Mechanismen dieses Verfahrens liegen in verbesserten Füllungszeiten, einer reduzierten Mitralregurgitation, einer optimierten AV-Zeit auf der linken Herzseite und in einer verbesserten Aktivierungssequenz mit gleichmäßigerer Verteilung des WandStresses.Trotz dieser viel versprechenden Daten bleiben noch einige offene Fragen. So gibt es über die Ergebnisse bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und Rechtsschenkelblock zur Zeit noch uneinheitliche Berichte. Des weiteren ist eine Aussage über die Langzeitwirkung 3 dieser Therapieform noch nicht möglich, so dass die Resultate laufender Studien abgewartet werden müssen. Es ist auch noch nicht klar, in wie weit Patienten mit Vorhofflimmern oder geringerem Ausmaß der Herzinsuffizienz (NYHA II) von dieser Therapie profitieren. Die obengenannten Studien waren auch nicht dazu ausgelegt, den Einfluss der biventrikulären Stimulation auf die Sterblichkeit dieser Patienten zu untersuchen. Durch Untersuchungen von Saxon in der VIGOR-CHF-Studie sowie Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie von Hamdam konnte eine Minderung der Sympatikusaktivität bei Patienten mit biventrikulärer vs rechtsventrikulärer Stimulation nachgewiesen werden. Da die Sympatikusaktivität mit den Serumspiegeln von Noradrenalin positiv korrelieren und dieser wiederum mit der Mortalität bei herzinsuffizienten Patienten, könnte möglicherweise bei Bestätigung der Ergebnisse nach Langzeitstimulation eine Reduktion der Sterberate resultieren (8, 12). Neu initiierte Untersuchungen und Anschluss-Studien wie die PATH-CHF II-, PACMAN- und CARE-HF-Studie sollen nun an einem größeren Krankengut u. a. auch dieser Fragestellung nachgehen. Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Auricchio A, Sommariva L, Salo RW, Scafuri A, Chiariello L. Improvement of cardiac function in patients with severe congestive heart failure and coronary artery disease by dual chamber pacing with short AV delay. Pacing Clin. 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