Geschichte und Geschichtskultur der frühen Kaiserzeit: ein imaginärer Rundgang durch die römische Forenlandschaft im Jahre 14 n. Chr. Von Andreas Hartmann I. Zwischen Republik und Prinzipat Die caesarisch-augusteische Zeit stellte für Rom eine Epoche rapiden Wandels dar. Ein Wandel, der nicht nur abstrakt die politischen und gesellschaftlichen Strukturen betraf, sondern ganz konkret auch die Stadt selbst1. Bekanntermaßen war Augustus stolz darauf, Rom als eine Stadt aus Ziegeln vorgefunden und als eine Stadt aus Marmor zurückgelassen zu haben2. Doch die Bauprojekte dieser Zeit bedeuteten nicht einfach eine Ausschmückung des bereits Vorhandenen, sondern viele der urbanen Grundstrukturen Roms wurden damals überhaupt erst geschaffen: Neue Bautypen wurden in die Stadt eingeführt, eine neue Bildersprache entwickelt, die ausgehend von den öffentlichen Denkmälern bald alle Lebensbereiche durchdrang. Paul Zanker hat diesen Prozess in seinem Buch Augustus und die 1 2 Grundlegend für alles folgende sind die neueren Standardwerke zur Topographie des antiken Rom: Umfassende Informationen bietet Steinby, E. M. (Hg.): Lexicon topographicum urbis Romae. [6 Bde.], Rom 1993-2000. Die dortigen Artikel bieten den Forschungsstand und führen zur älteren Literatur, sie werden im Folgenden vorausgesetzt, aber nicht im Einzelnen zitiert. Als Handbuch ersetzt jetzt Richardson jr., New topographical dictionary, 1992 das ältere Werk von Platner u. a., Topographical dictionary, 1929. Letzteres ist zur Erstinformation natürlich immer noch geeignet und kann im Internet im Rahmen des Perseus Project (http://perseus.mpiwg-berlin.mpg.de/) konsultiert und durchsucht werden. Ein Bildlexikon zum Thema bietet Nash, Pictorial dictionary, 1961-1962. Mit Haselberger u. a., Mapping, 2002 ist jetzt auch ein exzellente Karten enthaltendes Handbuch speziell zur augusteischen Zeit verfügbar. Heranzuziehen ist stets auch der reich illustrierte Katalogband Augustus, 1988. Suet. Aug. 28,3. Vgl. das Lob der augusteischen Baupolitik bei Vitr. praef. 1-2 und – aus griechischer Perspektive – Strab. 5,3,8, sowie den Rechenschaftsbericht RgdA 19-21 mit den Nachträgen. Macht der Bilder mustergültig dargestellt3. Ich möchte im Folgenden einen kleinen Ausschnitt dieses Prozesses näher beleuchten, der exemplarisch die Beziehung zwischen politischen und städtebaulichen Entwicklungen erkennen lässt: Es soll um die Umformung des Forums in der frühen Kaiserzeit gehen, genauer – die wachsende Präsenz des Kaiserhauses auf dem alten forum Romanum und die Bedeutung der neuen dynastischen fora des Caesar und des Augustus. Um die Leistung des Augustus, aber auch die Wirkung seiner Bauten auf die Zeitgenossen richtig verstehen zu können, muss man sich vor Augen halten, dass die Späte Republik nicht nur politisch an ihrer Reformunfähigkeit scheiterte, sondern auch städtebaulich in eine Sackgasse geführt hatte4. Im Gegensatz selbst zu manchen italischen Landstädten war Rom urbanistisch unterentwickelt, und eine den hellenistischen Residenzstädten vergleichbare Repräsentationsarchitektur fehlte gänzlich. All das, was wir gemeinhin besonders mit römischer Zivilisation verbinden, hielt wesentlich erst mit der beginnenden Kaiserzeit in Rom Einzug5: eine hochentwickelte Infrastruktur6, Theater7, Bäder8. Davon abgesehen war Rom seit dem 2. Jh. v. 3 4 5 6 7 Zanker, Augustus, 1997. Eine Gesamtschau der Entwicklungen in Literatur und bildenden Künsten gibt Galinsky, Augustan culture, 1996. Zur Entwicklung des Stadtbildes in augusteischer Zeit ist jetzt auch heranzuziehen Favro, Urban image, 1998, mit zwei imaginären Rundgängen durch Rom in den Jahren 52 v. Chr. bzw. 14 n. Chr. Vgl. auch den Forschungsbericht Patterson, City of Rome, 1992, S. 186-215. Die Rezeption derartiger Bildeindrücke durch die antiken Betrachter beleuchtet Gregory, Powerful images, 1994, S. 80-99. Dazu Zanker, Augustus, 1997, S. 28-34. Zusammenfassend dazu Zanker, Der Kaiser baut, 1997. Typisch ist das Beispiel der Wasserversorgung: Erst Agrippa startete zunächst in privater Initiative so etwas wie ein gezieltes „Infrastrukturprogramm“. Nach seinem Tod erbte Augustus Aufgabe und bereitgestelltes Personal. Jetzt erst wurde das Problem als staatliche Zuständigkeit (cura aquarum) definiert und institutionalisiert (Frontin. aq. 98). Auch öffentliche Gebäude, Wege und Kanalisation mussten von Agrippa instandgesetzt werden (Cass. Dio 49,43,1). Das erste steinerne Theater Roms errichtete Pompeius, angeblich nach dem Vorbild Mytilenes, 55 v. Chr. (Plut. Pomp. 40,5 und 42,4). Statilius Taurus folgte 29 v. Chr. mit dem ersten dauerhaf- Chr. von einer hellenistischen Bildersprache überflutet worden, die zwar geeignet war, den Einzelnen im Wettstreit der Aristokraten zu verherrlichen, die aber nicht im mindesten dazu angetan war, Aussagen über das Gemeinwesen insgesamt zu machen. Damit aber stand sie in Widerspruch zu der römischen Fixierung auf die res publica. Die hellenistischen Bildschemata waren für Monarchen geschaffen worden, die als charismatische Herrscher den „Staat“ in ihrer Person aufgesogen hatten und sich als irdische Erscheinungen des Göttlichen verstanden. Dem hellenistischen Herrscher gehörte der Staat, er war der Staat, und er konnte den Staat auf privatrechtlichem Wege vererben. So weit haben es die römischen Kaiser nie gebracht, sie mussten sich bis in die Spätantike ihre Befugnisse formal vom Volk per Gesetz verleihen lassen9. Auf einen römischen Senator angewandt, ergab sich daher aus den hellenistischen Bildformeln ein eklatanter Widerspruch zwischen Gesagtem und Gemeintem10. Die Triumviralzeit brachte mit dem Höhepunkt des aris- 8 9 10 ten Amphitheater (Cass. Dio 51,23,1). Bezeichnenderweise gehört dieser Bau in die Frühphase des augusteischen Prinzipates und fand erst im flavischen Colosseum einen Nachfolger (dessen Errichtung Vespasian freilich als Ausführung von angeblichen Plänen des Augustus rechtfertigte, Suet. Vesp. 9,1). Da in den von Augustus deduzierten Kolonien durchaus Amphitheater eingerichtet wurden, ist darin eine bewusste politische Entscheidung zu sehen (Zanker, Augustus, 1997, S. 152-154). Die Ablehnung von Theaterbauten durch den Senat wird oft als politisch motiviert angesehen: Man habe die aus der Kaiserzeit geläufige Entwicklung des Theaters zum Ort plebiszitärer Willensäußerung durch das Volk gefürchtet. Tatsächlich zeigte die Plebs bereits in den Holztheatern der Späten Republik häufig ihre Sympathien bzw. ihren Ärger an (Abbott, Theatre, 1907, S. 49-56). Dem Apologeten Tertullian zufolge soll Pompeius sein Theater als bloße Substruktion für ein Tempelchen der Venus Victrix oberhalb des Zuschauerraums legitimiert haben (spect. 10,5; die Existenz mehrerer superiores aedes bestätigt Suet. Claud. 21,1, den Tempel der Venus Victrix erwähnt Plut. Pomp. 68,2). Wieder kommt hier Agrippa eine Pionierrolle zu: Plin. nat. hist. 31,41; ebd. 36,121; Frontin. aq. 9 und 116; Cass. Dio 49,43,3. Dig. 1,4,1 praef.: lex regia. Dazu Zanker, Augustus, 1997, S. 15-34. Zu Funktion und Rezeption spätrepublikanischer Portraitstatuen vgl. jetzt Tanner, Portraits, 2000, S. 18-50. tokratischen Konkurrenzkampfes auch einen Höhepunkt dieses Personenkultes in den Formen der hellenistischen Kunst11. Ein Beispiel mag das illustrieren: Nach der Schlacht von Mutina beschloss der Senat im Jahre 43 v. Chr., Octavian mit einer Reiterstatue auf dem forum Romanum, und zwar auf der Rednerbühne (rostra) zu ehren12. Der noch nicht Zwanzigjährige wurde damit auf eine Stufe mit Größen wie Sulla, Pompeius und Caesar gestellt13. Wie die Münzen zeigen, machte man sich einige Gedanken über die Form des Denkmals14: Zunächst war an eine Darstellung Octavians in der Toga auf stehendem Pferd gedacht – entsprechend dem Typus der Statue Sullas. Dann fügte man den lituus, ein das Recht zur Vogelschau und damit zur Ausübung der vollen militärischen Befehlsgewalt anzeigendes Kultgerät, hinzu. Letztendlich war der junge Triumvir dann aber auf einem galoppierenden Pferd in griechischer Kleidung und mit entblößtem Oberkörper zu sehen15. Kein römischer Amtsträger mehr, sondern ein neuer Alexander! Dieses Bild hatte nichts mehr mit dem überkommenen römischen Staatswesen zu tun, es stilisierte lediglich den im Ernstfall stets kränklichen Caesarerben zum charismatischen Kriegshelden, der die Institutionen der res publica nicht mehr brauchte. Das entsprach aber nur teilweise der Wirklichkeit, eine konstruktive politische Vision stellte es im Kontext der tief eingewurzelten politischen Kultur Roms nicht dar. Nach dem Sieg über seine Konkurrenten hatte diese Art von Selbstdarstellung ihren Zweck verloren, viele derartige Standbilder wurden eingesammelt und demonstrativ zu Weihegeschenken für den palatinischen Apollo umgeschmolzen16. 11 12 13 14 15 16 Dazu Zanker, Augustus, 1997, S. 42-90. Vell. Pat. 2,61,3; App. civ. 3,51. Vgl. Cass. Dio 46,29,2. Vell. Pat. 2,61,3; Cass. Dio 43,49,1. Sulla: RRC 381; Octavian: RRC 490/1 und 3, sowie 497/1. Dazu Mannsperger, Annos undeviginti, 1982, S. 331-337. RRC 518/2. RgdA 24; Suet. Aug. 52. Charakteristisch für die neue Bescheidenheit des Princeps ist auch, dass die ursprüngliche geplante Weihung des Pantheum als Augusteum und die Aufstellung einer Statue des Augustus im Tempel (vgl. das Verhalten der italischen Städte nach dem Sieg bei Naulochos, App. civ. 5,132) nicht ausgeführt wurde (Cass. Dio 53,27,2-3). Die Reiterstatue auf den Bedenkt man, welche Befürchtungen sich einst mit der Rückkehr der Pompeius aus dem Mithridatesfeldzug verbunden hatten, kann man sich vorstellen, wie gespannt man nach Actium auf die Rückkehr des Augustus wartete. Doch der Mann, dem man nach Ausweis seiner bisherigen Taten – etwa des kühlen moriendum est („Es muss gestorben werden.“) von Perusia17 – ein neues Schreckensregiment nach sullanischer Art hätte zutrauen können, erfand sich neu18. Nicht über Nacht im Januar 27 v. Chr., wie es die literarischen Quellen suggerieren, aber immerhin innerhalb der drei Jahre von 30 bis 27 v. Chr.19 An die Stelle halbnackter Statuen im Heroentypus traten nun Togadarstellungen, die den Princeps mit verhülltem Haupt (capite velato) beim Opfern zeigten20. Die pathetischen Haarwirbel Octavians wurden durch die klassisch abgezirkelten Haarzangen des Augustus ersetzt21. Und auch die Reiterbilder der folgenden 17 18 19 20 21 rostra freilich sah noch Velleius Paterculus in tiberischer Zeit (2,61,3). Suet. Aug. 15,1. Dazu Zanker, Augustus, 1997, S. 90-96. Dies zeigt jetzt deutlich der Neufund eines Aureus aus dem Jahr 28 v. Chr. mit der Reverslegende LEGES ET IVRA P(opulo) R(omano) RESTITVIT („Gesetze und Rechte hat er dem römischen Volk wiederhergestellt“). Publikation bei Rich u. a., Leges et Ivra, 1999, S. 169-213. Zum Motiv der pietas in der Selbstdarstellung des Augustus Zanker, Augustus, 1997, S. 108-140, zur Togastatue ebd. S. 132134. Die Toga galt als Friedensgewand. Daher legte sie Galba nach seinem Einzug in Rom erst an, als alle Aufstände niedergeschlagen waren (Suet. Galba 11,1). Der diesbezügliche locus classicus ist Cic. Pis. 72: cedant arma togae. Augustus inszenierte darüber hinaus das Tragen seiner angeblich von den weiblichen Mitgliedern der domus Augusta selbst gewebten Toga als politische Aussage, indem er auf extravagante Schnitte und Statusabzeichen verzichtete (Suet. Aug. 73,1). Dem Livius galt der Princeps als „Begründer oder Wiederhersteller aller Tempel“ (4,20,7). Grundlegend zu dieser religiösen Restaurationspolitik Gros, Aurea templa, 1976. Zanker, Augustus, 1997, S. 103-104. Die klassizistische Stilisierung wird deutlich an der berühmten Panzerstatue von Primaporta, die dem Schema des polykletischen Doryphoros folgt. Diesen beschrieb Quintilian indirekt als vir gravis et sanctus (inst. 5,12,20- Zeit kehrten zu traditionellen Bildformeln zurück22. In der Baupolitik verzichtete der Princeps weitestgehend auf Selbstdarstellung im engen Sinne des Wortes: Alle Anstrengungen wurden auf die Sanierung der Tempel und die Schaffung repräsentativer Platzanlagen gerichtet. Auch das machte natürlich eine politische Aussage, doch an die Stelle des ungezügelten Personenkultes trat nun die Propagierung eines Staatsmythos, in dem Augustus und sein Haus wohl eine zentrale Rolle spielten, aber auch sich selbst dieser übergeordneten Vision der res publica restituta unterwarfen. Derartige publica magnificentia war – im Gegensatz zu privatem Luxus – ein gut republikanischer Wert23. Wie Paul Zanker ausgehend von den Bildzeugnissen ganz richtig festgestellt hat, ging es Augustus nicht um die „Aufrichtung einer republikanischen Scheinfassade“24. Jedermann, der damals offenen Auges durch Rom ging, musste die außerordentliche Stellung des Princeps klar sein. Was Augustus gelang, und worin seine unbestreitbare politische Größe liegt, ist die Schaffung einer Staats- und Gesellschaftsvision, die auf den Konsens einer überwiegenden Mehrheit seiner Zeitgenossen rechnen konnte25. Modern gesprochen verband er hard power, über die er bereits absolut verfügte, mit soft power, die notwendig war, um sein politisches Überleben in Rom mittel- und langfristig zu garantieren. Alternativen gab es nicht, weil eine Ausrottung der Nobilität und eine Ausschaltung des Senates das Reich seiner Eliten beraubt hätte, und die plebs militärisch nicht zu kontrollieren war: Die Bevölkerung Roms übertraf für sich bereits zahlenmäßig die gesamte Armee des Imperiums. Die in augustei- 22 23 24 25 21). Das bezeichnet genau die Konnotationen des Ehrentitels „Augustus“ (Suet. Aug. 7,2). Dies zeigt die Darstellung einer im Zusammenhang mit der Straßenbautätigkeit des Kaisers an der via Flaminia errichteten Statue auf der Münze RIC I2 Aug. 362. Dazu Capodiferro, A., LTUR II (1995), S. 225 s. v. Equus: Augustus (?). Der locus classicus ist Cic. Mur. 76: „Es hasst das römische Volk den privaten Luxus, doch es liebt die Großartigkeit im öffentlichen Raum.“ Zanker, Augustus, 1997, S. 105. Bezeichnend ist der Erfolg der augusteischen Bilderwelt auch in der privaten Sphäre, der eine Reichskultur erst eigentlich geschaffen hat (dazu Zanker, Augustus, 1997, S. 264-327). scher Zeit zudem noch außerhalb Roms stationierten Prätorianer halfen bei ernsthaften Unruhen, meist Hungerrevolten, wenig26. II. Forum Romanum27 Versetzen wir uns nun um knapp zweitausend Jahre zurück und machen wir im August des Jahres 14 n. Chr. einen imaginären Spaziergang vom forum Romanum über das forum Caesaris zum forum Augustum. Seit jeher war das forum Romanum mit der Rednerbühne, den rostra, und dem Versammlungsplatz, dem comitium, das Herz des republikanischen Rom gewesen. Was war nach vierzig Jahren Herrschaft des Augustus davon noch übriggeblieben? Schon Caesar hatte seit den 50er Jahren ein gigantisches Bauprogramm geplant, das eine wesentliche Umgestaltung des Forumsbezirkes vorsah28: Angrenzend an das alte forum Romanum sollte eine völlig neue Platzanlage entstehen, in die der vor der Schlacht von Pharsalos 49 v. Chr. gelobte Tempel der Venus Genetrix integriert werden sollte. Die curia Hostilia/Cornelia, das nach seiner Zerstörung während der Leichenfeier des Clodius 52 v. Chr. eben erst wiederaufgebaute Versammlungslokal des Senats, wurde demoliert, um einer 26 27 28 Vgl. nur Suet. Claud. 18,2. Die Zahl von 1 Mio. Einwohnern kann als grober Richtpunkt für die Größe Roms in augusteischer Zeit gelten. Für Polizeiaufgaben standen neun cohortes praetorianae (wohl 4500 Mann) und drei cohortes urbanae (1500 Mann), also insgesamt ca. 6000 Mann, zur Verfügung. Zum Vergleich: Für die Sicherheit im Großraum München mit 1,6 Mio. Einwohnern sorgen heute ca. 7000 Beamte. Dass dies trotz besserer technischer Ausstattung zur Kontrolle einer gewaltbereiten Masse nicht ausreicht, ist bei Großereignissen immer wieder zu erleben. Zur Umgestaltung des forum Romanum durch Augustus Zanker, Forum Romanum, 1972 und Coarelli, Foro Romano, 1985, dessen teilweise eigenwillige Theorien freilich nicht auf durchgängige Akzeptanz gestoßen sind. Suet. Iul. 44. Wie viele Pläne der cäsarischen Spätzeit nahmen auch diese Bauvorhaben immer gigantomanere Züge an: Gedacht war an eine Umleitung des Tibers und die Errichtung einer regelrechten „Neustadt“ (Cic. Att. 13,33a,1). Das Ungeheuerliche des Vorschlags wird deutlich, wenn man bedenkt, dass selbst kleinere Flussregulierungen zum Zwecke des Hochwasserschutzes aus religiösen Gründen abgelehnt wurden (Tac. ann. 1,79). neuen curia Iulia Platz zu machen29. Solche Namenssymbolik wurde durchaus stark empfunden: Nach der Ermordung Caligulas beriefen die Konsuln den Senat explizit nicht in die Kurie am forum Romanum, „weil diese ‚julische’ genannt wurde“30. Die Rednerbühne ließ Caesar nach Süden vor den Saturntempel verlegen31. Sie blieb jedoch ein wichtiger Ort der politischen Kommunikation, auch wenn diese sich nicht mehr vorrangig im Rahmen von contiones und comitia abspielte32: Die Triumvirn ließen Kopf und Hände des ermordeten Cicero hier ausstellen33 und Augustus’ Tochter Iulia feierte ausgerechnet hier ihre Orgien, um den Widerspruch gegen die moralische Erneuerungspolitik ihres Vaters zu inszenieren: Eben von den rostra aus hatte dieser vermittels der tribunicia potestas die lex Iulia de adulteriis coercendis eingebracht34. Die plebs legte hier nach der Ermordung Neros Puppen und Prophezeiungen seiner Rückkehr nieder, um ihre Anhänglichkeit an den gestürzten Kaiser zu zeigen35. Auch die altehrwürdigen Zwölftafelgesetze 29 30 31 32 33 34 35 Cass. Dio 44,5,1-2: Da die curia immer eine sakralrechtliche Weihe als templum besitzen musste (Gell. 14,7,7 nach Varro), konnte der Abriss nur gerechtfertigt werden, indem man an der Stelle der alten curia Hostilia/Cornelia einen Tempel der Fortuna errichtete. Noch im Jahre 46 v. Chr. fanden jedoch Senatssitzungen in der alten Kurie statt (Cic. Marc. 10). Wie Cass. Dio 45,17,8 (Beschluss über Wiederaufbau der curia Hostilia) zeigt, war der Neubau bis Anfang 43 v. Chr. immer noch nicht in Angriff genommen worden. Suet. Cal. 60. Cass. Dio 43,49,1; vgl. Asc. ad Mil. 12. Eine Darstellung der neuen rostra bietet vielleicht die Münze RRC 473/1 und sicher RIC I2 Aug. 407 (Augustus und Agrippa sitzen als Tribunen auf dem auf den rostra aufgestellten bisellium). Vgl. aber Suet. Claud. 12,3 (Volksauflauf vor den rostra infolge von Gerüchten über eine Ermordung des Claudius). Die zeitnahen Berichte des Livius, Cremutius Cordus und Bruttedius Niger sind überliefert bei Sen. suas. 17-21. Dasselbe Schicksal war wohl auch dem abgeschlagenen Haupt des Brutus bestimmt (Suet. Aug. 13,1), das jedoch auf dem Weg von Philippi nach Rom bei schwerer See verloren ging (Cass. Dio 47,49,2). Sen. ben. 6,32. Die Einbringung aufgrund der tribuncicia potestas (RgdA 6) bedingt eine Abstimmung durch die auf dem forum Romanum zusammentretenden comitia tributa. Suet. Nero 57,1. konnte man vielleicht nach wie vor an der Rednerbühne bewundern36. Das alte comitium, der ursprüngliche Ort der comitia tributa, wurde durch die neue Kurie teilweise überbaut37. Dies war nicht ohne Symbolwert, auch wenn die gesetzgebende Volksversammlung schon 145 v. Chr. ihren Tagungsort auf die andere Seite der rostra verlegt hatte, wo die informellen Versammlungen der plebs (contiones) seit jeher stattgefunden hatten38. Während das forum Caesaris zwar von Caesar begonnen, aber erst von Augustus fertiggestellt wurde, ist die curia Iulia zur Gänze ein Werk des jungen Caesar39. In jedem Fall verkörperte sie sichtbar den Anspruch des ersten Princeps, das politische Leben Roms auf eine neue, zukunftssichere Grundlage gestellt zu haben. So war in der curia der Augustus 27 v. Chr. vom Senat beschlossene goldene clipeus virtutis („Ehrenschild“) zu sehen, auf dem die hervorstechenden Tugenden des Princeps vermerkt waren: Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und Pflichtbewusstsein gegenüber Göttern und Vaterland40. Augustus ging noch einen Schritt weiter, indem er in der Kurie eine aus Tarent stammende Statue der Victoria aufstellen ließ, die mit den Symbolen seines Sieges über Ägypten dekoriert wur36 37 38 39 40 Diod. 12,26,1. Plin. nat. hist. 35,27. Cic. Lael. 96; Varr. rust. 1,2,9. Dies wurde freilich als revolutionärer Akt verstanden, der das Zerbrechen der Eintracht zwischen Senat und Volk auch räumlich sichtbar machte. Zuvor hatten das comitium und die curia eine aufeinander bezogene Einheit gebildet. Das Toponym „comitium” blieb erhalten. Der Ort diente jetzt allerdings beispielweise der Ausstellung von Kuriositäten, etwa einer Riesenschlange (Suet. Aug. 43,4; vgl. schon die Schaustellungen Caesars am selben Ort, Suet. Iul. 10,1). Die Bücherverbrennungen der frühen Kaiserzeit fanden in comitio ac foro statt (Tac. Agr. 2). Auch die ficus Ruminalis, der Baum unter dem angeblich Romulus und Remus von der Wölfin gesäugt worden waren, wurde hier weiterhin gezeigt (Tac. ann. 13,58). Entscheidend die Formulierung RgdA 19 im Vergleich mit ebd. 20: Augustus unterscheidet deutlich zwischen eigenen Bauprojekten einerseits (feci) und übernommenen bzw. Renovierungen andererseits (refeci/perfeci). Die Nachträge rechnen die curia Iulia explizit unter die opera nova. Vgl. Cass. Dio 47,19,1; Cass. Dio 51,22,1. RgdA 34. Eine Marmorkopie dieses Schildes wurde in Arles gefunden (Zanker, Augustus, 1997, S. 100 Abb. 79). de41. Sie stand auf der Weltkugel und dokumentierte so den Anspruch Roms auf Weltherrschaft ebenso wie denjenigen des Octavian/Augustus, Garant dieser Herrschaft zu sein42. Jede Senatssitzung in der curia Iulia begann für jeden einzelnen Senator mit einem Opfer vor dieser Statue43. Das Bild wurde also durch die Einbindung in das Ritual immer wieder neu vergegenwärtigt und mit Bedeutung aufgeladen. Freilich – gerade die Kurie liefert auch den besten Beleg, dass es verkehrt wäre, hinter jedem Bild eine politische Botschaft zu suchen: Augustus ließ hier zwei Tafelbilder aufhängen, welche die Nymphe Nemea auf einem Löwen sitzend einerseits und den Greis Glaukion mit seinem Sohn Aristonikos andererseits darstellten44. Dabei handelte es sich nach Ausweis des Plinius um ignobilissimi, d. h. „Personen niedrigsten Standes“. Dass ein derartiges Privatporträt in der Kurie aufgehängt wurde, war einzig der Kunst des Malers Philochares zu danken und folgte also rein ästhetischen Erwägungen. Die heute auf dem forum Romanum zu sehende Kurie stellt zwar einen weitgehenden Neubau aus diokletianischer Zeit dar, folgt aber dem Bauplan der augusteischen curia Iulia recht getreu. Den besten Eindruck von ihrem ursprünglichen Aussehen gibt uns vielleicht eine Münze, doch ist die Identifizierung des dargestellten Gebäudes nicht unumstritten45. Setzen wir nun unseren Rundgang im Uhrzeigersinn fort, so gelangen wir zur basilica Paulli, einem Bau aus spätrepublikanischer Zeit, der eng mit der gens Aemilia verknüpft war und das Andenken an alte Zeiten hätte wach halten können46 – wenn 41 42 43 44 45 46 Cass. Dio 51,22,1-2. Der enorme Symbolgehalt dieser Statue erhellt daraus, dass nach dem Tod des Augustus einige Senatoren vorschlugen, sie dem Leichenzug vorantragen zu lassen (Suet. Aug. 100,2). Zur Siegestheologie der Kaiserzeit vgl. Hölscher, Victoria Romana, 1967, bes. S. 6-47 und Fears, Theology of victory, 1981, S. 736-826, bes. S. 806-824. Suet. Aug. 35,3. Diese Prozedur bestätigt für die Zeit Elagabals Herod. 5,5,7. Vgl. ebd. 7,11,3. Plin. nat. hist. 35,27-28. RIC I2 Aug. 266. Cic. Att. 4,16,8: Vergabe der Bauarbeiten an einer neuen Basilika durch L. Aemilius Paullus 54 v. Chr.; Plut. Caes. 29,3 und App. civ. 2,26: Finanzierung dieser Basilika „an der Stelle der basilica er nicht durch die neue und prächtige porticus C. et L. Caesarum effektiv vom Forum abgeschirmt worden wäre47. Das neue Regime schob sich also buchstäblich vor die Relikte der Republik und dies mit einem offensichtlich dynastischen Monument. Die Porticus trug die Namen der als Nachfolger des Augustus ausersehenen, aber allzu früh verstorbenen Enkel und Adoptivsöhne des Herrschers. Zudem unternahm Augustus zusammen mit den Freunden des Paullus auch eine Wiederherstellung der Basilika selbst, die durch einen Brand 14 v. Chr. zerstört worden war48. Dies geschah zwar formal im Namen der gens Aemilia aber das Bildprogramm feierte die Erfolge der Dynastie im Osten: Statuen von Ostbarbaren aus buntem Marmor schmückten den Bau, ein eindeutiger Verweis auf den Parthererfolg des Augustus, von dem noch zu sprechen sein wird49. 47 48 49 Fulvia“ durch Bestechungsgelder Caesars; Cass. Dio 49,42,2: Fertigstellung und Einweihung durch L. Aemilius Lepidus Paullus 34 v. Chr. Plin. nat. hist. 36,102 rechnet den Bau neben forum Augustum und templum Pacis unter die drei hervorragendsten Monumente Roms und des Erdkreises. Tatsächlich ist die Lokalisierung des nur bei Suet. Aug. 29,4 bezeugten (Cass. Dio 56,27,5 ist als ungesicherte Konjektur nicht relevant, Ackroyd, Porticus Julia, 1992, S. 196-199) Baues nicht völlig gesichert. Einen Anhaltspunkt geben nur Schol. ad Pers. 4,49, wo von einer porticus Iulia in der Nähe des Fabianum arcum (und damit der basilica Paulli) die Rede ist, und der Fundort der Inschrift CIL VI,36908, einer Dedikation für C. Caesar. Grundsätzlich stimmt nachdenklich, dass die porticus C. et L. Caesarum in den sonst so peniblen RgdA nicht erwähnt wird. Ackroyd, Porticus Gai et Lucii, 2000, S. 563-571 zieht jetzt die Existenz des Bauwerks grundsätzlich in Frage. Die bisweilen vorgeschlagene Identifizierung des vorspringenden östlichen Teils der Porticus mit einem von Cass. Dio 79,24,3 erwähnten Denkmal (mnêma) für C. und L. Caesar, in dem später Iulia Domna bestattet wurde, ist erst recht problematisch, da dies eine Beisetzung innerhalb des pomerium impliziert, für die eine eigene Privilegierung notwendig war. Iulia Domna aber war unter der Herrschaft des Macrinus nur eine unbequeme politische Altlast (vgl. dazu Chausson, Mausolée dynastique, 2001, S. 336-338). Cass. Dio 54,24,3. Die Aemilier fühlten sich aber weiterhin für das Bauwerk verantwortlich, und dies wurde auch respektiert (Tac. ann. 3,72). Plin. nat. hist. 36,102 mit der von Schneider, Bunte Barbaren, 1986, S. 115-125 vorgeschlagenen Emendation. An der Ostseite des Forums befand sich als neuer Platzabschluss auf hohem Podium die aedes Divi Iuli, der Tempel des vergöttlichten Iulius50. In das Podium einbezogen war ein Altar, der an die Stelle desjenigen getreten war, den einst die aufgepeitschte plebs auf Betreiben des falschen Marius an jener Stätte errichtet hatte, an der Caesar unter tumultuösen Umständen verbrannt worden war51. Außerdem hatte die plebs hier eine Säule mit der Inschrift „Dem Vater des Vaterlandes“ aufgerichtet, an der für einige Zeit Opfer dargebracht, Gelübde abgelegt und Eide geschworen wurden52. Der von den Konsuln Antonius und Dolabella entfernte53, aber auf Druck der Veteranen wohl von Octavian wiederrichtete Altar war kein lebloses Denkmal, sondern ein so beliebter Ort des Asyls, dass Augustus ihn in späterer Zeit absperren lassen musste54. Damit wurde auch einer ganz bestimmten, wesentlich von der plebs getragenen Form des Kaiserkultes eine Absage erteilt, und stattdessen der Senat zur entscheidenden Instanz für die Divinisierung. Die Abmauerung des Caesar-Altars durch Augustus bedeutete eine sichtbare Abkoppelung von den popularen Wurzeln seiner Machtstellung und ein Eingehen auf die Wünsche der Senatsaristokratie. Tiberius hatte das gut verstanden, als er für das Leichenbegängnis des Augustus Vorkehrungen traf, um ein erneutes Eingreifen der plebs zu verhindern – der maliziöse Kommentar des Tacitus darf über diesen ernsten Hintergrund nicht hinwegtäuschen55. Wie wichtig jedoch gerade in der Frühzeit der Rekurs auf die 50 51 52 53 54 55 Vom Senat 42 v. Chr. beschlossen (Cass. Dio 47,18,4), doch erst 29 v. Chr. dediziert (InscrIt XIII,2 p. 497; Cass. Dio 51,22,2). Zum Kult des Divus Iulius in Rom Weinstock, Divus Julius, 1971, S. 364-401. App. civ. 1,4; ebd. 2,148; ebd. 3,2. Dazu Montagna Pasquinucci, Altare, 1974, S. 144-155. Suet. Iul. 85. Der Konsul Dolabella ließ auch dieses Monument bald wieder entfernen, was Cicero, der die politische Sprengkraft des in Entstehung begriffenen Kultes wohl verstanden hatte, begrüßte (Att. 14,15,1; Phil. 1,5). Cass. Dio 44,51,2. Cic. fam. 11,2,1-2: Druck der Veteranen; Cass. Dio 47,19,2-3: Asyl und Absperrung. Die Abmauerung des Altars ist im archäologischen Befund deutlich erkennbar (Gros, P., LTUR III (1996), S. 118 s. v. Iulius, Divus, Aedes). Tac. ann. 1,8,6. Gefühle der plebs war, zeigt eine Münze Octavians von 36 v. Chr., auf welcher der Altar prominent neben dem geplanten Tempel und dem Kultbild zu sehen ist56. In der cella der aedes Divi Iuli stellte Augustus ein Bild des Apelles auf, das die dem Meer entsteigende Aphrodite/Venus darstellte, und spielte damit auf den göttlichen Ursprung der julischen Familie an57. Daneben wurden auch hier Beutestücke aus dem ägyptischen Feldzug gezeigt58. Wichtig ist, dass die römischen Podientempel nicht einfach nur als Haus der Gottheit eine Existenz für sich führten, sondern als Kulisse zur Inszenierung religiöser oder politischer Ereignisse dienten. Oft war in die Freitreppe vor dem Tempel der Altar integriert, an dem die Opfer dargebracht wurden. Im speziellen Falle diente das Tempelpodium als Rednertribüne und erhielt als solche sogar den Vorrang vor den alten republikanischen rostra59. Geschmückt war es wie diese mit Schiffsschnäbeln: Augustus parallelisierte damit den eigenen Sieg über Antonius mit jenem gegen die Antiaten im Jahre 338 v. Chr.60! Porticus C. et L. Caesarum und aedes Divi Iuli waren möglicherweise durch den Partherbogen des Augus- 56 57 58 59 60 RRC 540/1-2. Ov. trist. 2, 525-528; Strab. 14,2,19; Plin. nat. hist. 35,91. RgdA 21,2; Cass. Dio 51,22,2-3. So zu verstehen wohl Frontin. aq. 129,1; Dig. 1,2,2,43: rostra Augusti. Beim Begräbnis des Augustus hielten Tiberius und sein Sohn Drusus die Leichenreden – der eine von den rostra Iulia, der andere von den rostra vetera (Cass. Dio 56,34,4). Da jedoch Sueton die Rede des Tiberius pro aede Divi Iuli lokalisiert (Aug. 100,3), und Cassius Dio einerseits von der Anbringung der in der Schlacht von Actium erbeuteten Schiffsschnäbel am Podium der aedes Divi Iuli berichtet (51,19,2) und andererseits Augustus die Leichenrede für Octavia auch von dort halten lässt (54,35,4-5: auch bei dieser Gelegenheit hielt Drusus eine zweite laudatio von den rostra vetera!), ist mit den rostra Iulia wohl das Tempelpodium gemeint. Zum römischen templum rostratum ausführlich Ulrich, Sacred stage, 1994, bes. S. 157-202 für die Bauten des Augustus. Darstellungen der aedes Divi Iuli mit den rostra geben die Münzen RIC II Hadr. 639-641 und 695, sowie die Anaglypha Traiani. Auch mehrere zu Ehren Octavians errichtete columnae rostratae, mit Schiffsschnäbeln verzierte Säulen, nahmen ein altes republikanisches Denkmal, die Säule des Duilius, auf. tus verbunden61, falls dieser nicht an die Stelle des Triumphbogens für den Sieg von Actium auf der Südseite des Tempels trat62. Auf der Innenseite des Partherbogens wurden die neu redigierten Konsular- und Triumphalfasten angebracht63, und durch den Bogendurchgang gelangte nun der Triumphzug auf das forum Romanum64: Augustus präsentierte – wie auch im Bildprogramm seines eigenen Forums – die römische Geschichte als teleologisch-heilsgeschichtlich von Romulus auf ihn selbst hingeordneten Prozess der Erringung einer gottgewollten Weltherrschaft65. Der Parthererfolg des Jahres 20 v. Chr., der auch in der Münzprägung ausgiebig gefeiert wurde, stellte den Höhepunkt dieser Entwicklung dar, denn die einzig ernsthaft mit Rom konkurrierende Großmacht war gedemütigt worden66. In welchen weltgeschichtlichen Zusammenhängen Augustus 61 62 63 64 65 66 Cass. Dio 54,8,3. Abbildungen auf den Münzen RIC I2 Aug. 131137, vielleicht auch 359. Cass. Dio 51,19,1: Actiumbogen „auf dem forum Romanum“; Schol. Veron. ad Aen. 7,606: Partherbogen „neben dem Tempel des vergöttlichten Iulius“. Eine Darstellung des Actiumbogens oder – weniger wahrscheinlich – eines weiteren Triumphbogens aus Anlass des Sieges über Sextus Pompeius 36 v. Chr. (Cass. Dio 49,15,1) zeigt der Denar RIC I2 Aug. 267. Zum Grabungsbefund und zum Stand der Forschung Nedergaard, E., LTUR I (1993), S. 80-85 s. v. Arcus Augusti (a. 29 a.C.)/(a. 19 a.C.). Skeptisch hinsichtlich der Existenz eines Actiumbogens Gurval, Actium, 1995, S. 36-47. Allgemein zur augusteischen Bildpropaganda nach Actium Hölscher, Actium, 1985, S. 81-102. So Nedergaard, Fasti Capitolini, 1994-1995, S. 33-70 nach ausführlicher Besprechung des gesamten Quellenmaterials. Anders freilich Simpson, Fasti Capitolini, 1993, S. 61-81, der auch grundsätzlich die Existenz eines Partherbogens in Frage stellt (Simpson, Parthian arch, 1992, S. 835-842). Eine Umarbeitung des bereits existierenden Actiumbogens zu einem Partherbogen vertritt jetzt wieder Rich, Parthian honours, 1998, S. 97-115. Scott, Triple arch, 2000, S. 183-191. Dies entspricht völlig der Ideologie der vergilischen Heldenschau (Aen. 6,756-886). RgdA 29. Zu den archäologischen Aspekten der augusteischen Partherpropaganda Zanker, Augustus, 1997, S. 188-196 und umfassend Schäfer, Spolia et signa, 1998, sowie Rich, Parthian honours, 1998, S. 71-128. Die Verarbeitung bei den augusteischen Dichtern untersucht Wissemann, Parther, 1982. seinen Erfolg verstanden wissen wollte, zeigen die Spiele, die er anlässlich der Einweihung des Tempels des Mars Ultor im Jahre 2 v. Chr. ausrichtete, in dem die 20 v. Chr. wiedergewonnenen Legionsadler aufbewahrt wurden: In einem riesigen, eigens für den Anlass ausgehobenen Becken jenseits des Tiber stellte man die Seeschlacht von Salamis nach67. Wie einst die Griechen, so hatte nun Augustus „Europa“ bzw. „den Westen“ vor orientalischem Despotismus und Dekadenz bewahrt68. Der Partherbogen und seine Darstellungen auf den Münzen, Panzerstatuen nach dem Typus des Augustus von Primaporta69, das auf diesen Monumenten und den Münzen immer wiederkehrende Motiv des die Feldzeichen darreichenden Ostbarbaren – all dies hämmerte die gewollte Botschaft dem Betrachter ein: Aus dem historischen Ereignis „wird ein exemplarisches Geschehen der neuen Heilsgeschichte, in dem Götter bzw. die Gestirne den Ablauf garantieren, ohne noch eingreifen zu müssen“70. Doch zurück zu unserem Rundgang. Auf der Südseite des Forums gelangen wir zunächst zur aedes Castorum. Dieses den Dioskuren geweihte Heiligtum gehörte zum ältesten Baubestand des forum Romanum71. Augustus überließ die Neugestaltung dem Tiberius, der sie in seinem und seines verstorbenen Bruders Drusus Namen durchführte, – die kaiserlichen Prinzen konnten sich somit als neue Dioskuren profilieren72. Mancher mochte sich auch noch daran erinnern, 67 68 69 70 71 72 RgdA 23 (Beteiligung von ca. 3000 Kämpfern + Ruderern!); Vell. Pat. 2,100,2; Cass. Dio 55,10,6-8. Nach Suet. Aug. 43,1 wirkten diese Spiele so sehr als „Straßenfeger“, dass Augustus zusätzliche Wachen in der Stadt postieren musste, um Plünderungen vorzubeugen. Allgemein zu derartigen Spektakeln vgl. Coleman, Launching into history, 1993, S. 48-74. Zu dieser Kontinuität und ihrer Bedeutung für das moderne Europa-Konzept Hartmann, Im Osten nichts Neues, 2003, S. 31-77. Zur Deutung des Panzerreliefs vgl. Zanker, Augustus, 1997, S. 192-196 mit Hinweisen auf die ältere Literatur im Anhang. Zanker, Augustus, 1997, S. 195. Gelobt nach der Schlachtenhilfe der Dioskuren im Kampf gegen die Latiner 499 oder 496 v. Chr. (Liv. 2,20,12 und 2,42,5; Dion. Hal. 6,13). Ov. fast. 1,705-708: Weihung des Tempels für die „göttlichen Brüder“ durch „Brüder aus dem Geschlecht von Göttern“. Vgl. Suet. Tib. 20; Cass. Dio 55,27,4. dass der junge Octavian hier seine politische Karriere eigentlich begonnen hatte, als er sich offen gegen Antonius stellte und zu einer Caesarstatue auf den rostra gewandt schwor, die Ehrenstellungen seines Vaters erreichen zu wollen – zum Entsetzen Ciceros73. Weiter westlich erhob sich die von Caesar an Stelle der alten basilica Sempronia errichtete basilica Iulia, von Augustus als basilica C. et L. Caesarum neu erbaut und gegen Ende seines Lebens dediziert, doch setzte sich dieser Name nicht durch74. Dass der Princeps noch so spät ein dynastisches Denkmal für die verstorbenen Prinzen schuf, musste für die Zeitgenossen ein merkwürdiges Licht auf seinen neuen Adoptivsohn und Nachfolger Tiberius werfen, der nicht in den Genuss solcher Ehrungen kam75. Dieses Verhalten passt aber gut zu einer anderen politischen Taktlosigkeit der Spätzeit des Augustus, nämlich der Eingangsformulierung seines Testamentes: Dort hieß es, Tiberius sei als Erbe eingesetzt, „weil ein grausa73 74 75 Cic. Att. 16,5,3; App. civ. 3,41. Caesar war auf den rostra zweifach, als Retter der Bürger mit der corona civica aus Eichenlaub und als Befreier der Stadt von einer Belagerung mit der corona obsidionalis aus Gras, dargestellt (Cass. Dio 44,4,5). Zu diesen Ehrungen Weinstock, Divus Julius, 1971, S. 148-152 und 163167. RgdA 20,3; Suet. Aug. 29,4. Die allgemein übliche Datierung in das Jahr 12 n. Chr. beruht einzig auf Cass. Dio 56,27,5. Diese Stelle ist jedoch als bloße Konjektur (siehe Anm. 47) nicht beweiskräftig. Die den Erben gemachte Auflage, den Bau zu vollenden (RgdA 20,3), macht aber nur Sinn, wenn C. und L. Caesar bereits tot waren, und Tiberius daran gehindert werden sollte, das Andenken der ungeliebten Stiefsöhne nach dem Ableben des Augustus zu mindern. Das von Tiberius verfasste Gedicht Klage über den Tod des L. Caesar (Suet. Tib. 70,2) ist sicherlich in die Zeit zwischen 2 und 4 n. Chr. zu setzen, als er sich um das Wohlwollen des C. Caesar zu bemühen hatte (ebd. 13,2). Wie die Bezeichnung der basilica C. et L. Caesarum als basilica Iulia in den Nachträgen der RgdA zeigt, trat trotz aller Vorsorge genau der von Augustus befürchtete Fall ein: Nach dem Vorbild der offiziellen Sprachregelung kam der von Augustus gewünschte Name außer Gebrauch. Zu überlegen ist freilich, ob der Neubau nicht mit dem Feuer von 9 v. Chr. in Zusammenhang steht. C. und L. Caesar hätten dann zur Zeit des Baubeginns noch gelebt, wären vielleicht sogar formal als Bauherren aufgetreten. mes Schicksal mir meine Söhne Gaius und Lucius entriss“76. Augustus hatte Tiberius zwar zum Nachfolger aufgebaut, ließ aber jedermann sehen und hören, dass es sich hier aus seiner Sicht nur um eine „Notlösung“ handelte77. Mittelfristig galten seine Hoffnungen wohl Germanicus, den zu adoptieren Tiberius gezwungen wurde. Dass dieser das hohe Alter von 78 Jahren erreichen und Germanicus überleben würde, war wohl nicht abzusehen. Die bei Sueton und Tacitus berichtete Unterstellung, Augustus habe Tiberius nur deshalb zu seinem Nachfolger gemacht, um im direkten Vergleich umso positiver abzustechen78, konnte einem Forumsbesucher im Jahre 14 n. Chr. nicht ganz so abstrus erscheinen wie den meisten modernen Historikern. Die basilica Iulia diente als Schauplatz kaiserlicher Freigiebigkeit79, als Sitz des vor allem für Erbangelegenheiten zuständigen Centumviralgerichtes80 und als Büro der Bankiers81. Danach folgte der von L. Munatius Plancus erneuerte Saturntempel und schließlich die aedes Concordiae. Die Eintracht musste nach der Erfahrung der Bürgerkriege ein zentrales politisches Schlagwort sein. Der Tempel der Concordia war ursprünglich im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und Plebejern um die Durchsetzung der leges Liciniae Sextiae gelobt worden82. Ein Neubau des Tempels wurde durch L. Opimius 121 v. Chr. nach der Unterdrü76 77 78 79 80 81 82 Suet. Tib. 23. Die bei Suet. Tib. 21,3-6 zitierten positiven Äußerungen des Augustus über Tiberius waren nur die eine Seite: Livia konnte später auch Briefe ihres Mannes mit gegenteiligen Wertungen vorlegen (ebd. 51,1). Augustus hat seinem Stiefsohn den als Pflichtverletzung empfundenen Weggang nach Rhodos 6 v. Chr. wohl nie ganz verziehen (vgl. die von bitterem Sarkasmus geprägte Bemerkung ebd. 11,5). Tiberius hatte seine Rolle in den Augen des Augustus im entscheidenden Augenblick eben nicht gut gespielt (vgl. Suet. Aug. 99,1). Suet. Tib. 21,2; Tac. ann. 1,10,7. Suet. Cal. 37,1: Werfen von Münzen aus dem Obergeschoss des Gebäudes. Plin. ep. 6,33,3-4; Quint. inst. 12,5,6 (die vier in dem Gebäude aufgestellten Tribunale entsprechen den vier Kammern des Centumviralgerichtes). CIL VI,9709 und 9711: nummularii de basilica Iulia. Ov. fast. 1,641-644; Plut. Cam. 42,4-6. ckung der Gracchen aufgeführt83. Er symbolisierte also seit jeher die – wenn auch bisweilen gewaltsam herbeigeführte – Überwindung von Spaltungen innerhalb der Bürgerschaft. Faktisch bildete genau eine solche Integrationsleistung, die Wiederherstellung eines consensus universorum in und nach den Bürgerkriegen, die wichtigste Legitimationsgrundlage des von Augustus neugeschaffenen politischen Systems. Aktuell wurde das wiederum im Vierkaiserjahr und nicht zufällig wählte daher Vitellius die aedes Concordiae als Schauplatz für seinen missglückten Versuch einer Abdankung aus84. Auch dieser Tempel erfuhr in augusteischer Zeit eine bauliche Erneuerung, wieder durch Tiberius, der die Dedikation wiederum auch im Namen seines verstorbenen Bruders Drusus vornahm85. Dass der Princeps sich nun als Garant der allgemeinen Eintracht verstand, wurde dadurch augenfällig gemacht, dass die Dedikation des Tempelneubaus auf exakt jenen Tag gelegt wurde, an dem Octavian einst zum Augustus geworden war: den 16. Januar86. Einen Anziehungspunkt stellte der Tempel schon wegen der reichen hier ausgestellten Kunstschätze dar87. Daneben stif83 84 85 86 87 Varr. l. l. 5,156; Plut. Gracch. 38,8-9; App. civ. 1,26; Aug. civ. 3,24-26. Tac. hist. 3,68; Suet. Vit. 15,2-4: Vitellius wollte die insignia imperii im Tempel deponieren. Da Augustus den Prinzipat eben nicht als blanke Militärdiktatur, sondern als verrechtlichte Herrschaftsform errichtet hatte, war eine Abdankung prinzipiell möglich – im Nachlass Neros fand sich eine entsprechende Rede (Suet. Nero 47,2), Claudius erwog angeblich ebenfalls einen solchen Schritt (Suet. Claud. 35,2-36) und Tiberius hielt sich die Möglichkeit eines Rückzugs im Alter offen (Suet. Tib. 24,2). Dass diese Möglichkeit mit der Ausnahme Diokletians faktisch nie erfolgreich durchgespielt wurde zeigt, dass der Prinzipat mit rechtlichen Kategorien allein nicht zu fassen ist. Ov. fast. 1,637-650; Suet. Tib. 20; Cass. Dio 55,8,1-2; ebd. 56,25,1. Eine Darstellung des Tempels findet sich auf den Münzen RIC I2 Aug. 55, 61 und 67. InscrIt 13,2 pp. 115 (fasti Praenestini) und 161 (fasti Verulani). Die enge Verbindung mit dem Kaiserhaus wird auch aus dem häufigen Zusammentreten der Arvalbrüder im Tempel deutlich (vgl. den topographischen Index der maßgeblichen Ausgabe der Arvalakten von Scheid, Commentarii, 1998). Plin. nat. hist. 35,66: Gefesselter Marsyas des Zeuxis; ebd. 35,131: Liber Pater des Nikias; ebd. 35,144: Kassandra des Theo- tete Augustus hier – explizit pro miraculo, also „als Wunder (zum Schauen)“ – vier Elefanten aus Obsidian88, und Livia dedizierte – si credimus, wie Plinius sagt – den Schmuckstein vom Ring des Polykrates89. Der Elefant war in Rom das herrscherliche Tier par excellence: Seit dem Alexanderzug und der daran anschließenden Ausbildung des Mythos vom Triumph des Dionysos mit Vorstellungen von Sieghaftigkeit und Apotheose verbunden, war Pompeius der erste, der versuchte, mit einer Elefantenquadriga zu triumphieren90. Seit Augustus gehört der Elefant dann fest zur Triumphalikonographie91. Jagd und Besitz waren dem Kaiser vorbehalten92, und Elefanten zogen bei den Prozessionen zu Beginn der Zirkusspiele Wagen mit den Statuen vergöttlichter Angehöriger des Kaiserhauses93. 88 89 90 91 92 93 ros; ebd. 34,73: Statuengruppe mit Apollo und Hera (Baton); ebd. 34,77: Statuengruppe der ihre Kinder Apollo und Artemis haltenden Leto (Euphranor); ebd. 34,80: Statuengruppe mit Asklepios und Hygieia (Nikeratos); ebd. 34,89: Statuengruppe mit Ares und Hermes (Piston); ebd. 34,90: Statuengruppe mit Demeter, Hera und Athena (Sthennis); Cass. Dio 55,9,6: Statue der Hestia/Vesta aus Paros. Dazu Becatti, Opere d'arte, 1973-1974, S. 30-43. Ein zugrundeliegendes Bildprogramm sucht Kellum, City adorned, 1990, S. 276-307 zu ermitteln, wobei der von Plinius genannte (s. Anm. 88) Aspekt des Staunens vielleicht doch ernster zu nehmen ist. Plin. nat. hist. 36,196. Plin. nat. hist. 37,3-4. Der Tyrann scheint eine gewisse Faszination auf die Mitglieder der Dynastie ausgeübt zu haben: Caligula plante den Wiederaufbau seines Palastes auf Samos (Suet. Cal. 21), und Nero spielte nach dem Verlust einiger Pretiosen in einem Schiffbruch auf den Ring des Polykrates an (Suet. Nero 40,3). Gran. Licin. 36,3-4; Plut. Pomp. 14,4. Das Vorhaben scheiterte daran, dass die porta triumphalis für das Gespann schlicht zu schmal war. Bereits am Ende des 2. Jh. v. Chr. war freilich Cn. Domitius Ahenobarbus auf einem Elefanten quasi inter sollemnia triumphi durch das unterworfene Südgallien gezogen (Suet. Nero. 2,1). Plin. nat. hist. 34,19; bestätigt durch die Münzserie RIC I2 Aug. 280-284. Ail. nat. 10,1 (Jagd erfordert Erlaubnis des Kaisers); HA Aurel. 5,6 (Besitz). Suet. Claud. 11,2. Abbildungen derartiger Prozessionsgefährte bieten etwa die Münzen RIC I2 Tib. 56, 62, 68 (Divus Augustus), RIC I2 Nero 6-7 (Divi Augustus und Claudius), RIC II Tit. 143- Welchen Eindruck musste man von diesem Architekturensemble mitnehmen? Ganz sicher wurde hier nicht der Anschein einer Rückkehr zu alten Zeiten erweckt, dafür hatte sich die bauliche Konfiguration zu stark gewandelt: Das neue forum Romanum war fast vollständig umgeben von Bauten, die in irgendeiner Form mit der julischen Dynastie verbunden waren. Mindestens ebenso wichtig wie der Blick auf die Veränderungen der Bausubstanz ist freilich die Frage nach dem Wandel der Funktionen, denn die Bedeutung des republikanischen Forums hatte nicht in seiner städtebaulichen Grandeur gelegen, sondern darin, dass es den Brennpunkt des politischen Lebens der Stadt darstellte. Hier ergibt sich ein ambivalentes Bild. Einerseits war der Bedeutungsverlust nicht zu übersehen94: Die Gerichtshöfe und mit ihnen der Praetor zogen von den gradus Aurelii (die dem Tempel des Divus Iulius weichen mussten) auf das Augustusforum95. Der Senat tagte oft genug nicht mehr in der curia Iulia am forum Romanum, sondern etwa im Tempel des Apollo auf dem Palatin96. Die Spiele wurden zunehmend im neuen Amphitheater des Statilius Taurus, den Saepta und später natürlich im Colosseum abgehalten97. Auf dem forum Romanum etablierten sich nach und nach Archive und Schreibstuben für die kaiserliche Verwaltung98. Andererseits aber behielt das Forum wichtige Funktionen: Nach wie vor traten hier die comitia 94 95 96 97 98 144 (Divus Vespasianus), RIC II Dom. 219-220 (Diva Iulia Augusta), RIC III Anton. Pius 1112-1113, 1140 (Diva Faustina). Hervorragender Überblick über die Funktionen des forum Romanum in republikanischer Zeit bei Purcell, N., LTUR II (1995), S. 325-336 s. v. Forum Romanum (the republican period). Noch 23 v. Chr. profilierte sich Marcellus durch die Anbringung von Sonnensegeln über dem Forum, um die Strapazen der dort Prozessierenden zu mildern (Plin. nat. hist. 19,24). Belege bei Thompson, Meetings, 1981, S. 335-339, Talbert, Senate, 1984, S. 113-120 und Palombi, D., LTUR I (1993), S. 334 s. v. Curia in Palatio. Suet. Cal. 18,1; Suet. Nero 12,4. Noch Strab. 6,2,6 berichtet jedoch als Augenzeuge von der auf dem Forum im Rahmen von Gladiatorenspielen inszenierten Hinrichtung des Räubers Selouros. Nach Cass. Dio 55,8,5 wurden die Leichenspiele für Agrippa 7 v. Chr. nur deshalb in den Saepta abgehalten, weil im Forumsbezirk ein Feuer schwere Schäden angerichtet hatte. Überblick und Quellen bei Purcell, N., LTUR II (1995), S. 340 s. v. Forum Romanum (the imperial period). tributa zusammen, um Gesetze zu verabschieden99. Die Kaiser vollzogen hier Adoptionen „um des Staates willen“, regelten also bei Fehlen leiblicher Nachkommen ihre Nachfolge100. Und hier spielte sich auch traditionsgemäß der letzte Akt eines erfolgreichen Herrscherlebens ab – die feierliche Leichenrede des Nachfolgers101. Verträge mit auswärtigen Königen konnten nach wie vor nach archaischem Fetialrecht auf dem Forum ratifiziert werden102. Und Nero krönte hier in einer feierlicher Zeremonie den Arsakiden Tiridates zum König von Armenien103. Alljährlich paradierten hier auch die sechs Turmen der römischen Ritter glanzvoll vor dem Kaiser.104 Das forum Romanum ließ sich also nicht einfach ersetzen oder auch nur marginalisieren. Augustus respektierte das und bewältigte einen Balanceakt zwischen Erneuerung bzw. behutsamer Umformung des Alten einerseits und Schaffung von Neuem andererseits. Gleichwohl: Der Princeps versteckte sich nicht, er monopolisierte Baupolitik und Gestaltung des öffentlichen Raumes geradezu. Aber abgesehen von den Denkmälern aus der Triumviralzeit, von denen oft unklar ist, ob sie die Purgierung vor 27 v. Chr. überdauerten, gab es kaum direkte Ehrungen des Princeps. Vor allem gab es keine Selbstverherrlichung, sondern nur Ehrungen durch gesellschaftliche Gruppen105. Der Princeps propagierte sich selbst nicht als Alternative zur staatlichen Ordnung, sondern als Exekutivorgan und Garanten dieser Ordnung. Dabei war die res publica restituta nicht einfach eine Wiederherstellung, sondern 99 100 101 102 103 104 105 Sen. ben. 6,32; Frontin. aq. 129,1. Suet. Aug. 65,1: Adoption des Tiberius durch Augustus. Bezeichnend für die weitere Entwicklung ist aber, dass die Adoption des Calpurnius Piso durch Galba zuerst in den Prätorianerkasernen verkündet wird (Tac. hist. 1,17; Suet. Galba 17). Cass. Dio 54,35,4-5: Begräbnis der Octavia; Suet. Aug. 100,3 und Cass. Dio 56,34,4: Begräbnis des Augustus; Suet. Cal. 10,2: Begräbnis der Livia; Tac. ann. 16,6,2: Begräbnis der Poppaea; HA Aur. 7,11: Begräbnis des Marcus Aurelius; Cass. Dio 75,4-5: Begräbnis des Pertinax. Suet. Claud. 25,5 (wohl ein Reflex der antiquarischen Interessen des Claudius). Suet. Nero 13 und Cass. Dio 63,1-5. Dion. Hal. 6,13,4. Diese Abstinenz ist typisch für die politische Kultur des augusteischen Prinzipats (Zanker, Augustus, 1997, S. 98). eine konstruktive Fortentwicklung, die das Goldene Zeitalter einleitete, wie man es offiziell bei den Säkularspielen des Jahres 16 v. Chr. verkündete. Noch nie hatte das forum Romanum, von Augustus durch den Goldenen Meilenstein als Zentrum des Reiches ausgezeichnet106, ein so prächtiges Gesicht gehabt. Noch nie konnte man sich in Rom so sehr als Herr der Welt fühlen wie jetzt. Für die plebs bedeutete das Teilhabe an den Früchten des Imperiums, für die Senatsaristokratie verbildlichte das neue Forum eine neue Zeit, in der Volksunruhen und Bedrohung ihres Status zunächst der Vergangenheit angehörten107. Der Senat zog in Rechtsprechung und Gesetzgebung, sowie bei Wahlen Kompetenzen an sich, die er in republikanischer Zeit nie gehabt hatte. Der Kaiser agierte mit seiner tribunicia potestas formal so, wie es die politisch korrekten Tribunen in den Hochzeiten der Republik getan hatten, als Ausführungsorgan des Senates: „Was der Senat damals durch mich ins Werk setzen wollte, habe ich vermittels der tribunizischen Gewalt durchgeführt“, so formulierte es Augustus später selbst in seinem Rechenschaftsbericht108. Der Ritterstand schließlich gewann gerade durch die Ehrenbeschlüsse für den Kaiser erstmals so etwas wie eine institutionelle Identität, und in Armee und Verwaltung begannen sich ganz neue Chancen zu eröffnen. Das neue Forum war die ideale Bühne für diese allseitige Zufriedenheit109. 106 107 108 109 Cass. Dio 54,8,4. Streng genommen stellte dieser Meilenstein nicht den Referenzpunkt für die Meilenzählung des italischen Straßennetzes dar (Dig. 50,16,154). Dass dies explizit klargestellt werden musste, zeigt aber, dass der Irrtum bereits in der Antike umlief (z. B. Plut. Galba 24,4). Plin. nat. hist. 3,66-67 gibt die Größe der Stadt Rom als Radius ausgehend vom milliarium aureum. Zum demokratischen Charakter der Republik North, Democratic politics, 1990, S. 3-21 und Millar, Crowd, 1998. RgdA 6. Auch Tiberius verkündete später, „ein guter und heilbringender Princeps habe dem Senat zu dienen (senatui servire)“ (Suet. Tib. 29). Dass dieses ganz auf Augustus zugeschnittene System schon unter dessen Nachfolger nicht mehr funktionierte, steht auf einem anderen Blatt. Zu den Mechanismen dieses Konsenses vgl. jetzt Rowe, Political cultures, 2002. III. Forum Caesaris110 Verlassen wir nun das forum Romanum und gehen weiter zum forum Caesaris. Wie bereits erwähnt, hatte Caesar schon in den 50er Jahren den Bau eines solchen Komplexes geplant und seine Geschäftsträger in Rom angewiesen, für Unsummen die nötigen Grundstücke aufzukaufen111. Vor der Schlacht von Pharsalos gelobte er dann der Venus den Bau eines Tempels112. Bei der Einweihung im Jahre 46 v. Chr. war das Forum noch unvollendet, und erst Augustus sollte die Arbeiten zu Ende führen113. Das neue Forum bot einen äußerst glanzvollen Rahmen für die Abhaltung von Prozessen114. Ganz offensichtlich stahl es dem alten republikanischen Zentrum die Schau, das ja niemals eine planmäßig gestaltete Platzanlage gewesen war115. Daran änderte auch die pietätvolle Titulierung des forum Romanum als forum magnum („Großes Forum“) durch Caesar nichts116. In der Mitte des neuen Platzes erhob sich eine Reiterstatue Caesars. Wie uns der Dichter Statius überliefert, handelte es sich dabei eigentlich um eine Alexanderstatue des Lysipp, der man ein Porträt Caesars aufgesetzt hatte117. Ob es sich bei einem von Sueton erwähnten Denkmal für das zehenhufige Pferd Caesars um dasselbe oder ein anderes Bildwerk handelte, muss dahinge110 111 112 113 114 115 116 117 Grundlegend zur Baugeschichte jetzt Amici, Foro di Cesare, 1991 und Ulrich, Forum Iulium, 1993, S. 49-80. Das Bildprogramm analysiert Westall, Forum Iulium, 1996, S. 83-118. Allgemein zu den Kaiserforen Anderson, Imperial fora, 1984. Cic. Att. 4,17,7: 60 Mio. Sesterzen; Plin. nat. hist. 36,103 und Suet. Iul. 26,2: 100 Mio. Sesterzen. Zum Vergleich: Das Mindestvermögen eines Senators betrug seit augusteischer Zeit 1 Mio. Sesterzen. Aus diesen Relationen wird auch die Bemerkung des Pompeius, Caesar habe den Bürgerkrieg gebraucht, um seine durch derartige Bauprojekte ruinierten Finanzen zu sanieren, verständlich (Suet. Iul. 30,2). App. civ. 2,68 und 102. Plin. nat. hist. 35,156: Aufstellung des noch unfertigen Kultbildes; RgdA 20,3; Cass. Dio 45,6,4. App. civ. 2,102 wird bestätigt durch Ov. ars 1,87-88. Ov. ars 1,81: goldene Bauornamentik. Plin. nat. hist. 36,103 vergleicht das forum Caesaris immerhin vorteilhaft mit den ägyptischen Pyramiden. Cass. Dio 43,22,2. Stat. silv. 1,1,84-87. stellt bleiben118. Doch die solchermaßen gezeigte Verehrung des eigenen Leibrosses erinnerte in jedem Fall deutlich an Alexander und seinen Bukephalos119. Die anekdotische Überlieferung über die Alexanderverehrung Caesars findet hier einen wenn nicht von Caesar selbst geplanten, dann doch von ihm sicherlich gebilligten bildlichen Beleg. Zudem befand sich auf dem Forum eine Panzerstatue Caesars120, an der späterhin offizielle Dokumente zur Kenntnisnahme angeschlagen wurden. In der kaiserlichen Verwaltung gab es dafür eigene Amtsträger, die liberti procuratores a Loricata121. Im Inneren der Tempelcella ließ Caesar zwei Bilder des Malers Timomachos von Byzanz aufstellen, auf denen Medea und Ajax zu sehen waren122. Beide dienten vielleicht als negative Folie, von der sich Caesars Verhalten positiv abheben sollte: Alle drei hatten nämlich eine Kränkung erfahren, doch während Medea ihre Kinder ermordete und Ajax sich selbst tötete, rächte Caesar mit Hilfe seiner göttlichen Ahnin das ihm zugefügte Unrecht123. Doch schon allein die öffentliche Aufstellung derartiger Kunstwerke war ein Politikum: Agrippa betrieb später explizit eine derartige Politik124, und in tiberischer Zeit führte die Verbringung des von Agrippa vor seinen Thermen aufgestellten Schabers des Lysipp in den Kaiserpalast zu Unruhen unter der plebs125. Seinen zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung prestigeträchtigsten 118 119 120 121 122 123 124 125 Plin. nat. hist. 8,155; Suet. Iul. 61. Die Details bei Plin. nat. hist. 8,154. Plin. nat. hist. 34,18. CIL VI,8688-8692; IK 13,736; IK 16,2061; IK 17,1,3046. Dazu Corbier, Statue de César, 1997, S. 11-40. Ov. trist. 2,525-528; Plin. nat. hist. 7,126 berichtet auch den enormen Kaufpreis von 80 Talenten (~ 1.920.000 Sesterzen); ebd. 35,26, 136 und 145; Philostr. Apoll. 2,22. Die antike Rezeption dieser Bilder ist in den ekphrastischen Gedichten Anth. Plan. 83 und 135-136 sowie 138-139 greifbar. So gedeutet von Sauron, Vénus entre deux fous, 2001, S. 187-199. Plin. nat. hist. 35,26 mit Zitat aus einer Rede des Agrippa, der dazu aufforderte, Gemälde und Statuen aus ihrem „Exil in den Villen“ herauszuholen. Plin. nat. hist. 34,62. Freilich führte die schiere Masse der aufgestellten Kunstwerke auch zu einer gewissen Gedankenlosigkeit der Rezeption (ebd. 36,27). Erfolg, die Erschließung des alter orbis Britannien für Rom126, machte Caesar durch Weihung eines Brustpanzers gegenwärtig, der aus dort gesammelten Perlen gefertigt war127. Auch die Konkurrenz mit Pompeius, der bei seinem dritten Triumph eine Büste aus Perlen gezeigt hatte128, wird eine Rolle gespielt haben. Schließlich übertrumpfte der Diktator seinen alten Gegner, der auf dem Kapitol das Ringkästchen des Mithridates dediziert hatte, auch durch die Stiftung von insgesamt sechs derartigen Daktylotheken129. Zunächst dachte Caesar bei der Versprechung des Tempelbaus wohl an die kriegerische Venus Victrix130, die schon Sulla und Pompeius beigestanden hatte, und von diesen entsprechend mit Weihungen bedacht worden war131. Nach dem Sieg im Bür126 127 128 129 130 131 Als Reaktion auf die Nachrichten von der ersten Britannienexpedition beschloss der Senat ein zwanzigtägiges Dankesfest (Caes. Gall. 4,38). Plin. nat. hist. 9,116. Mancher behauptete gar, die Britannienexpedition sei überhaupt nur der Gier nach Perlen wegen unternommen worden (Suet. Iul. 47). Plin. nat. hist. 37,14-16. Plinius kritisiert dies zwar als weibischen Luxus, gerade seine Erregung macht aber den Eindruck deutlich, den derartige Schaustücke auf die Öffentlichkeit machten. Pompeius wollte mit den Perlen wohl Assoziationen an den Persischen Golf, Indien und damit Alexander den Großen wecken, denn aus den genannten Gebieten wurden die besten Perlen importiert (ebd. 9,106). Dazu Westall, Forum Iulium, 1996, S. 90-91. Plin. nat. hist. 37,11. Die Leidenschaft, mit der Caesar solche und andere Pretiosen sammelte, war notorisch (Suet. Iul. 47). App. civ. 2,102. Caesar gab in Pharsalos „Venus Victrix“ als Losungswort aus, während Pompeius auf „Hercules Invictus“ setzte (App. civ. 2,76). Auch im Krieg gegen die Pompeiussöhne in Spanien diente „Venus“ als Parole der Caesarianer (ebd. 2,104). Gegen diese Tradition argumentiert jetzt freilich Westall, Forum Iulium, 1996, S. 99-109 auf der Grundlage der widersprüchlichen Aussagen bei Servius (ad Aen. 1,720 und 7,637). Sulla führte seinen Sieg im Bürgerkrieg auf die durch Orakel und Traum verheißene Unterstützung durch Venus zurück und ließ sich auch in offiziellen Kontexten Epaphrodîtos, Schützling der Venus, nennen (Plut. Sull. 34,2; App. civ. 1,97; vgl. Plut. Sull. 19,5). Auch auf seinen Münzen erschien Venus Victrix (RRC 359/1-2). Eine 44 v. Chr. geprägte Münze des wohl mit Sulla verwandten L. Aemilius Buca zeigt auf dem Revers den Traum gerkrieg mussten aber konstruktivere Lösungen gefunden werden, die dem Diktator und seiner gens einen bleibenden Platz im Gefüge des Staates sicherten. Aus Venus Victrix wurde Venus Genetrix, die Stammmutter des julischen Geschlechtes132: Mit dem Bild der gewappneten Stammmutter siegelte der Diktator133, und anlässlich seines Triumphes präsentierte er sich im Jahre 46 v. Chr. mit Sandalen und Blumenkränzen – wohl Anspielungen auf häufige Attribute der Venus – auf dem neuen Forum als Sohn der Göttin134. Diese Abstammungssage war von Caesar nicht erfunden worden, sie wurde schon lange von den Juliern vertreten und war verglichen mit anderen aristokratischen Genealogien der Zeit auch nichts besonderes. Caesar huldigte aber nicht einfach nur, wie Sulla oder Pompeius das getan hatten, einer privaten Schutzgottheit, sondern er übergab den Kult einem neu eingerichteten quasi-priesterlichen Kollegium und richtete bei der Einweihung des noch unfertigen Baukomplexes jährliche Spiele ein, die ludi Veneris Genetricis, die später als ludi Victoriae Caesaris weitergeführt wurden135: 132 133 134 135 des Sulla von 88 v. Chr., auf dem Obvers die Büste der Venus (RRC 480/1). Noch im Jahr der Ermordung Caesars gab es also eine Konkurrenz um die politische Instrumentalisierung der Göttin. Für den von Pompeius in Verbindung mit seinem Theaterneubau gestifteten Tempel der Venus Victrix siehe Anm. 7. Die Venusdarstellung auf einer Münze des Faustus Sulla von 56 v. Chr. (RRC 426/3) ist angesichts der drei Tropaia auf dem Revers – mit diesem Motiv siegelte Pompeius – wohl auf diesen zu beziehen. Allgemein zum Venuskult der großen Feldherren der späten Republik Schilling, Vénus, 1982, S. 272-346, zur caesarischen Venus Genetrix Weinstock, Divus Julius, 1971, S. 80-91. Cass. Dio 43,22,2. Cass. Dio 43,43,3. Cass. Dio 43,22,1. Nach Plut. Marc. 22,2 entspricht die Aufmachung Caesars in etwa derjenigen eines die ovatio feiernden Generals (Sandalen und Myrtenkranz), keinesfalls aber dem Triumphalgewand. Caesar muss also für die Zeremonie auf dem neuen Forum ein eigenes Gewand angelegt haben. Plutarch empfindet diese Tracht als „unkriegerisch und freundlich“. Obseq. 68; Plin. nat. hist. 2,93; Suet. Aug. 10,1; App. civ. 3,28; ausführliche Beschreibungen der Spiele bei Suet. Iul. 39 und Cass. Dio 43,22,2-24,4; ebd. 45,6,4. Caesar knüpfte damit an Sulla an, der erstmals einen persönlichen Erfolg, nämlich den Sieg über die Samniten an der porta Collina 82 v. Chr., durch Einrich- Durch Spiele und Kollegium wurde Venus Genetrix gleichermaßen zur Stammmutter der Julier wie aller Römer. Nach den Iden des März wurde der Leichnam des ermordeten Diktators in einem dem Tempel der Venus Genetrix nachgebildeten Schrein auf den rostra aufgebahrt136, und bald fand ein Bronzestandbild des Divus Iulius im Tempel der göttlichen Ahnin Aufstellung137. Im Jahre 29 v. Chr. kam dann merkwürdigerweise auch noch eine goldene Statue der Kleopatra hinzu138. Zudem gelobte Caesar auch den Bau eines Tempels für Mars, der als Vater von Romulus und Remus der Stammvater des Römergeschlechtes war139. Mars und Venus aber gehörten in der Mythologie – wenn auch in ehebrecherischer Weise – zusammen140. Caesar verquickte auf diese Weise privaten und nationalen Abstammungsmythos zu einem neuen Staatsmythos, in dem sein Haus die zentrale Rolle spielte. Augustus nahm diesen Ansatz auf und spann ihn fort. Das forum Augustum ist in jeder Hinsicht eine logische Fortsetzung des forum Caesaris. IV. Forum Augustum141 Beenden wir also unseren imaginären Streifzug durch die römische Forenlandschaft des Jahres 14 n. Chr., der sich übrigens fast zur Gänze in den Ausgrabungsarealen des heutigen Rom nachvollziehen lässt, mit einem Überblick über das Augustusforum. Schon der Grundriss vermittelt eine wichtige Botschaft: Er spiegelt nämlich in seiner Unregelmäßigkeit dem Bericht Suetons zufolge die angebliche Zurückhaltung des Augustus bei der 136 137 138 139 140 141 tung jährlicher Spiele (ludi Sullanae Victoriae) im Festkalender der Stadt zu verewigen suchte (Vell. Pat. 2,27,6). Suet. Iul. 84,1. Der Schrein ist möglicherweise als Anspielung auf den ebenfalls einem Tempel nachgebildeten Leichenwagen Alexanders d. Gr. zu verstehen (Beschreibung bei Diod. 18,26-28). Plin. nat. hist. 2,93-94; Cass. Dio 45,7,1. App. civ. 2,102; Cass. Dio 51,22,3, der den Widerspruch zwischen den Niederlage der Königin und dieser Statuendedikation deutlich empfindet. Suet. Iul. 44,1. So schon im Gesang des Demodokos bei Hom. Od. 8,266-366 mit dem sprichwörtlichen „homerischen Gelächter“. Dazu grundlegend Zanker, Forum Augustum, 1968 und jetzt erschöpfend Spannagel, Exemplaria principis, 1999. Akquirierung der für den Bau erforderlichen Grundstücke142. Ob das der wirkliche Grund für die bauliche Eigenheit war, ist von der Forschung bezweifelt worden – doch dies ist im Rahmen unserer Fragestellung unerheblich. Entscheidend ist die antike Deutung des Befundes, und die gibt eben Sueton: Da einige Eigentümer nicht verkaufen wollten, sei das Forum eben kleiner gebaut worden. Eine bessere Illustration für Leutseligkeit und Gesetzestreue des Princeps hätte man kaum (er-)finden können. Nach Norden, zu den Armenquartieren der Subura hin, wurde das Forum durch eine monumentale Brandmauer abgeschlossen. Neben den praktischen Erfordernissen hatte diese Mauer auch eine wichtige symbolische Funktion, denn sie trennte zwei Welten: Weder mussten die Forumsbesucher auf die schmutzigen und verrufenen Slums der plebs blicken, noch konnte diese umgekehrt das Allerheiligste des neuen Regimes überhaupt einsehen143. Das forum Augustum wie überhaupt die neu gestalteten oder erbauten Foren und Theater waren nicht für jeden da! Augustus legte fest, dass nur mit der Toga der Zugang gestattet sei. Man stelle sich vor, im Berliner Regierungsviertel herrschte plötzlich für alle Besucher Krawattenzwang! Die Toga war ein unbequemes Kleidungsstück und die bequemere griechische Mode schon lange im Vormarsch begriffen144. Zahlreiche Angehörige der plebs waren ohnehin Freigelassene aus aller Herren Länder, vor allem aus dem Osten. Folglich musste schon unter Augustus das Tragen der Toga als „Dienstkleidung“ des römischen Bürgers auf den Foren und im Theater zwangsverordnet werden145. Gerade weil die Toga aber so un142 143 144 145 Suet. Aug. 56,2. Zanker, Stadtbilder, 1987, S. 483-486. Symptomatisch ist die Qualifizierung der Toga als necessitas („Notwendigkeit“), die einem während des Aufenthaltes auf dem eigenen Landgut erspart bleibe (Plin. ep. 5,6,45). Die toga feriata gilt dem Plinius geradezu als Gegenbild zu den Beschwernissen des Senatorendaseins (ebd. 7,3,3). Suet. Aug. 40,5: Der Formulierung positis lacernis nach zu urteilen, durften nicht einmal bei schlechtem Wetter Mäntel getragen werden. Schon Caesar hatte bei Gastmählern auf Status- und Kleiderordnung geachtet (Suet. Iul. 48,1). Das Anlegen des griechischen Pallium konnte vor Gericht sogar als „unrömisches“ Verhalten argumentativ instrumentalisiert werden (Cic. Rab. Post. 25-27). Für Verg. Aen. 1,282 sind die Römer die gens togata bequem war, brachte sie einen bestimmtes Auftreten mit sich146: Laufen war unmöglich, man musste gemessen schreiten. Heftiges Gestikulieren mit dem Arm rächte sich schnell durch Herabgleiten der Toga. Auf den Boden konnte man sich mit der Toga auch nicht setzen, da sie nicht nur schmutzig geworden wäre, sondern auch das Aufstehen ein sehr unziemliches Erscheinungsbild geboten hätte. Das Kleidungsstück erzwang also – wie heute ein guter Geschäftsanzug – einen gewissen Habitus, der wiederum Platzbild und Wahrnehmung beeinflusste147. Augustus inszenierte seine Vision von einem erneuerten Römertum als moralisch wiederhergestellter gens togata nach Vätersitte, und das forum Augustum lieferte die passende Kulisse dazu148. 146 147 148 schlechthin (vgl. auch Hor. carm. 3,5,10-11). Noch für Cassius Dio gehörten Toga und Forum zusammen (9,39,7). Umgekehrt war dem Verbannten der Gebrauch der Toga explizit untersagt (Plin. ep. 4,11,3). Der Grammatiker Nonius schließlich definiert die Toga geradezu als „das Kleidungsstück, das wir für das Forum anlegen“ (p. 406). Umso witziger war es dann, wenn im privaten Kreis verkehrte Welt gespielt wurde, und die Römer sich griechischer Kleidung und Sprache, die Griechen römischer Kleidung und Sprache bedienten (Suet. Aug. 98,3). Instruktiv auch ein Streit in claudischer Zeit, ob bei Prozessen um den Bürgerstatus die Toga oder das Pallium zu tragen sei (Suet. Claud. 15,2). Vgl. dazu Stone, Toga, 1994, S. 13-45. Erörterungen finden sich vor allem im Kontext der Rhetorik: Cic. Cael. 11; Sen. contr. 5,6. Das richtige Tragen der Toga erläutert ausführlich Quint. inst. 11,3,137-149. Vgl. Zanker, Augustus, 1997, S. 167-169 und Fredrick, Mapping penetrability, 2002, S. 250-252. Das Anlegen der pulla vestis, der grauen Alltagskleidung der einfachen Leute, war seit Augustus auch im Theater nur noch den Besuchern auf den schlechtesten Plätzen in summa cavea gestattet (Suet. Aug. 44,2). Für die Zeit des Plinius ist das Tragen der Toga durch die Zuhörer bei Prozessen vor dem Centumviralgericht konkret belegt (ep. 4,16,2). Hadrian schrieb für Ritter und Senatoren fast ständigen Gebrauch der Toga in der Öffentlichkeit vor (HA Hadr. 22,2). Noch Commodus musste vom Anlegen der Toga bei Gladiatorenspielen dispensieren (HA Comm. 16,6). Bei kaiserlichen Staatsbanketten scheint das Tragen der Toga ebenfalls lange Pflicht geblieben zu sein, das zeigt die Anekdote HA Sept. Sever. 1,7. Am Kopf des Forums befand sich der Tempel des Mars Ultor149. Octavian hatte ihn vor der Schlacht von Philippi gelobt, der Bau begann aber erst nach dem Parthererfolg von 20 v. Chr.150. Die Arbeiten sollten sich bis zum Jahr 2 v. Chr. hinziehen151. Der Princeps nahm damit die caesarischen Pläne für einen Marstempel auf und folgte der Tradition der Tempelweihung nach votum. Im Inneren befand sich als bildlicher Ausdruck des neuen Staatsmythos eine Kultbildgruppe aus Venus, Mars und Divus Iulius152. Außerdem wurden im Tempel die 20 v. Chr. wiedergewonnenen Feldzeichen aufbewahrt153, und Augustus legte fest, dass künftig alle wiedergewonnenen Standarten im Tempel des Mars Ultor deponiert werden sollten154. Hier weihte Caligula als Trophäe eigener Art die Schwerter seiner getöteten Feinde, zusammen mit einem Elogium155. Hier sollte künftig der Senat über Krieg und Frieden, sowie die Gewährung von Triumphen entscheiden, von hier die Statthalter in die Provinzen aufbrechen156. Hier wurden die Siegesmeldungen der Grenzheere verlesen157. Hier dedizierte der Triumphator von 149 150 151 152 153 154 155 156 157 Die ausführlichste antike Beschreibung des Forums gibt Ov. fast. 5,545-598. Grundlegend jetzt Ganzert, Mars-Ultor-Tempel, 1996 und Ganzert, Allerheiligstes, 2000. Suet. Aug. 29,2; Ov. fast. 5,569-578. Allgemein zum Kult des Mars Ultor und seiner Vorgeschichte vgl. Croon, Ideologie des Marskultes, 1981, S. 246-275. Ov. fast. 5,544-598; CIL I2 pp. 229 und 318 (beide 12. Mai); Vell. Pat. 2,100,2; Cass. Dio 55,10,1-8; ebd. 60,5,3 (1. August). Das Forum war bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Benutzung genommen worden (Suet. Aug. 29,1). Dass Augustus mit dem langsamen Baufortschritt unzufrieden war, geht aus einer Anekdote bei Macrob. sat. 2,4,9 hervor. Dazu jetzt ausführlich Fishwick, Iconography, 2003, S. 63-94. Vgl. Anm. 66. Cass. Dio 55,10,4. Dazu und zum Folgenden Bonnefond, Transferts de fonctions, 1987, S. 251-278 und der Beitrag von P. Herz in Ganzert, Mars-Ultor-Tempel, 1996, S. 266-293. Suet. Cal. 24,3; Cass. Dio 59,22,7. Suet. Aug. 29,2; Cass. Dio 55,10,2-3. Wie freilich Plin. pan. 5,2-3 zeigt, wurden die traditionellen vota der Imperiumsträger auf dem Kapitol beibehalten. Suet. Cal. 44,2. nun an Krone und Szepter dem Mars Ultor158. Barbarenfürsten leisteten hier ihre Treueeide159. Hier tagten die wichtigeren Gerichtshöfe und hier wurden die Richter ausgelost160. Sowohl die Arvalbrüder als auch die Salier, zwei archaische, von Augustus wiederbelebte Priesterschaften, vollzogen ihre Riten teilweise in dem neuen Heiligtum161. Im Tempel des Mars Ultor schlugen von nun an die für den Zensus verantwortlichen Magistrate zum Abschluss des lustrum einen Nagel ein162. Augustus transferierte damit wichtige politisch-religiöse Rituale auf das neue Forum. Erst so konnte das Bild mit Leben gefüllt werden. Wie die Tempelfassade als großartige Kulisse zur Inszenierung des Staatskultes und seiner Träger diente, spiegelt sich in einem Relief der claudischen ara pietatis Augustae163, sowie in einem der Silberbecher von Boscoreale. Vor dem Tempel des Mars Ultor legten aber nun auch die Knaben ihre Amulette und die toga paetexta ab und wurden so in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen164. Jeder männliche Römer erlebte 158 159 160 161 162 163 164 Suet. Aug. 29,2; Cass. Dio 55,10,3. Der den Triumph abschließende Gang auf das Kapitol blieb davon unberührt (Suet. Tib. 20,1; Cass. Dio 60,23,1; Ios. bell. 7,123-157; vgl. auch Suet. Claud. 24,3). Suet. Aug. 21,2. Suet. Aug. 29,1. Arvalbrüder: vgl. den topographischen Index der maßgeblichen Ausgabe der Arvalakten von Scheid, Commentarii, 1998; Salier: Suet. Claud. 33,1; CIL VI,2158 (mansiones der Salii Palatini). Cass. Dio 55,10,4. Dieser Ritus erinnerte an den auf dem Kapitol seit archaischer Zeit eingeschlagenen Jahresnagel (Liv. 7,3,5-8; dazu Eisenhut, W., KlP 1 (1975), Sp. 1220-1221 s. v. Clavus (1)). Eine Opfertätigkeit des Kaisers selbst bezeugt Suet. Claud. 13,1 für eine aedes Martis, womit wohl der Tempel des Mars Ultor gemeint sein dürfte. Cass. Dio 55,10,2. Wiederum trat die Zeremonie auf dem Augustusforum nicht an die Stelle der rituellen Handlungen auf dem Kapitol, sondern neben diese (abzuleiten aus Suet. Claud. 2,2). Ob sich aus dieser Funktion des neuen Forums mit Kellum, Phallus as signifier, 1996, S. 170-183 auf eine bewusste phallische Anlage des Grundrisses schließen lässt, ist fraglich. Wie Kellum immerhin selbst feststellt, ist der Abschluss des Forums gegenüber dem Tempel des Mars Ultor nicht ergraben – die vorhandenen Pläne spiegeln also eine tatsächlich nicht vorhandene Sicherheit über den Gesamtplan der Anlage wieder. also einen wichtigen Schritt seiner Sozialisierung auf dem forum Augustum165. Dazu passte, dass als einzige direkte Referenz auf den Herrscher wohl in der Mitte des Platzes eine monumentale Quadriga Aufstellung fand, deren Dedikationsinschrift Augustus als pater patriae, als „Vater des Vaterlandes“, feierte166. Schließlich knüpfte Augustus an das Vorbild Caesars an und verknüpfte die Einweihung des Forums mit großartigen Spielen – von der Seeschlacht war bereits die Rede167. Auch diese Spiele sollten zukünftig als staatliche ludi regelmäßig wiederholt werden und so die Erinnerung wach halten168. Schließlich war das Forum explizit gebaut worden, um Räumlichkeiten für die immer weiter anwachsende Flut von Prozessen zu schaffen. Aufgrund einer von Sueton berichteten Anekdote wissen wir, dass der Kaiser Claudius selbst auf dem forum Augustum zu Gericht saß169, und inschriftliche Zeugnisse bestätigen eine Verlagerung auch der praetorischen Jurisdiktion in den neuen Baukomplex170. Schließlich die beiden Porticus, die das Forum umschlossen: Zwei Exedren enthielten Statuen des aus Troja fliehenden Aeneas bzw. des die spolia opima tragenden Romulus171. Dieses Bildprogramm wurde offenbar als so befriedigend empfunden, dass man es später am Tempel des Divus Augustus wie165 166 167 168 169 170 171 Die freilich in anderem Zusammenhang in einem Traumgesicht geäußerte Klage des Jupiter Capitolinus, Augustus entziehe ihm durch seine Tempelneubauten Verehrer (Suet. Aug. 91,2), entbehrt nicht des Realitätsgehaltes. Vgl. dazu Fears, Cult of Jupiter, 1981, S. 56-66. RgdA 35. Die Verleihung des Titels ausführlich mit den Worten des Valerius Messala und des Augustus bei Suet. Aug. 58. Vgl. Anm. 67. Ov. fast. 5,597; CIL I2 p. 229 und 318; Cass. Dio 55,10,4-5; Durchführung für die claudische Zeit belegt durch ebd. 60,5,3. Zu unterscheiden sind die circensischen Spiele und die durch die seviri equitum, die Kommandanten der sechs Turmen der römischen Ritter, ausgerichteten Reiterspiele auf dem Forum selbst. Suet. Claud. 33,1; Gerichtstätigkeit des Kaisers Trajan auf dem Augustusforum berichtet Cass. Dio 68,10,2. AE 1969, 96-97: Der Prozessort wurde durch Nennung bestimmter Statuen bezeichnet; abgeschlossene Räumlichkeiten gab es nicht. Ov. fast. 5,563-566. Dazu Zanker, Augustus, 1997, S. 204-213. derholte: Statuen des Aeneas und des Romulus dienten als Seitenakrotere, während die Triumphalquadriga des Augustus den Giebel bekrönte172. Auf dem Augustusforum war Aeneas – erkennbar an der Tracht – bezeichnenderweise als römischer Patrizier dargestellt. Mit dem Vater Anchises auf dem Rücken und den Penaten im Arm verkörperte er die Grundtugend der pietas, auf die Augustus so stolz war173. In diesem Schlagwort bündelte sich immer wieder die Herrschaftslegitimation des Octavian/Augustus: Rache für den Adoptivvater und Vertretung der caesarischen Partei, Nahverhältnis zu den Göttern, Wiederherstellung der alten Kulte, Tempel und Sitten. Gleichzeitig wurde Aeneas auch durch die Verbindung mit seinem Sohn Ascanius/Ilus als Stammvater des julischen Geschlechtes vorgeführt, denn in den Nischen der westlichen Porticus waren Statuen der bedeutenden Mitglieder der gens Iulia zu sehen. Angesichts des geringen politischen Erfolges der Familie vor Caesar war es gewiss nicht einfach, würdige Vertreter zu finden. Das Forum konstituierte also ein neues, aufpoliertes Geschichtsbild, in dem die gens Iulia immer schon eine wichtige Rolle im Staat gespielt hatte. Romulus mit den spolia opima stand für die Römertugend der virtus ein174. Als Stammvater der Römer führte er die Reihe der summi viri, der bedeutenden Männer, in der östlichen Porticus an175. Auch hier manifestierte sich ein geglättetes Geschichtsbild, denn erbitterte Gegner von einst standen nun 172 173 174 175 Zu ersehen aus den Münzen RIC I2 Cal. 51 und besonders deutlich BMCRE IV Anton. Pius 2065. Dazu Hill, Monuments, 1989, S. 20-21. In Vergils Aeneis ist der Held regelmäßig als pius qualifiziert (z. B. 1,220). Prop. 4,10,17: Romulus als urbis virtutisque parens. Wenn ein Feldherr den gegnerischen Anführer im Zweikampf erschlug, durfte er dessen Waffen als spolia opima im Tempel des Jupiter Feretrius auf dem Kapitol weihen. Dies gelang nach Romulus nur A. Cornelius Cossus und M. Claudius Marcellus (Lammert, F., RE III A,2 (1929), Sp. 1845-1846 s. v. Spolia opima). Durch das Ansinnen des M. Licinius Crassus, wiederum die spolia opima zu dedizieren und damit Augustus zu übertrumpfen, gewannen die spolia opima in augusteischer Zeit noch einmal politische Bedeutung. Ov. fast. 5,563-566; Suet. Aug. 31,5; Gell. 9,11,10; HA Sever. Alex. 28,6. Zu den Statuen auf dem Augustusforum Lahusen, Ehrenstatue, 1983, S. 23-26. einträchtig als Wegmarken der Entwicklung hin zum Goldenen Zeitalter des Augustus nebeneinander176. Auf diese Weise vereinnahmte der Princeps gewissermaßen die gesamte römische Geschichte. Er soll sogar selbst die Elogien zu den einzelnen Statuen verfasst haben177. Die Statuen müssen von außerordentlichem Detailreichtum gewesen sein178. Ihre Abfolge ähnelte der Prozession der verdienten Vorfahren im Rahmen des aristokratischen Leichenbegängnisses, der pompa funebris, und erfüllte auch funktional ein ähnliches legitimatorisches Ziel. In seinem eigenen Leichenzug ließ Augustus dann tatsächlich eine riesige Galerie römischer summi viri aufmarschieren179: Es muss den Anschein gehabt haben, als seien die Statuengalerien seines Forums lebendig geworden. Als eine Art historia pauperum wird das Augustusforum das Geschichtsbild der weniger gebildeten oder informierten Menschen erheblich beeinflusst haben – ähnlich wie heute Historienfilme, Ausstellungen oder Museen. Wie sich so etwas politisch auszahlte, ist für uns in einem konkreten Fall aus republikanischer Zeit greifbar180: Ein L. Hostilius Mancinus ließ auf dem forum Romanum ein Bild aufstellen, das seine Rolle bei der Eroberung von Karthago zeigte. Den Passanten stand er selbst stets bereitwillig für Erklärungen zur Verfügung. Diese „Kampagne“ brachte ihm sogleich den Konsulat für das folgende Jahr 145 v. Chr. ein. Das Bildprogramm des Augustusforums steht als Versuch einer bildlichen Kanonisierung der römischen Geschichte neben den vergleichbaren Versuchen des Vergil und des Livius im literarischen Bereich181. Aber auch die Zukunft nahm Augustus in 176 177 178 179 180 181 Vgl. Zanker, Augustus, 1997, S. 213-217. Plin. nat. hist. 22,13. Die erhaltenen Fragmente gibt InscrIt XIII,3,1-59. Gell. 9,11,10: Statue des Valerius Corvinus mit Darstellung des Raben, mit dessen Hilfe der Römer im Zweikampf gegen einen riesenhaften Gallier gesiegt hatte. Cass. Dio 56,34,2: Die Folge der summi viri begann hier ebenfalls mit Romulus. Dazu Rowell, Funeral imagines, 1940, S. 131-143. Plin. nat. hist. 35,23. Dass die elogia des Augustusforum nachweislich in vielen Punkten von der Darstellung des Livius abweichen (dazu Luce, Livy, 1990, S. 123-138), ändert nichts an der strukturellen Parallele. Zu den Parallelen zwischen Vergils Aeneis und dem Bildprogramm des forum Augustum vgl. Rowell, Vergil, 1941, S. 261-276. Beschlag: Da alle Feldherren nun unter den Auspizien des Kaisers kämpften, konnten sie keine Triumphe mehr feiern. Agrippa hatte – obwohl durchaus mit selbständigem Imperium ausgestattet – den Präzedenzfall gesetzt. An die Stelle des Triumphes trat die Verleihung der ornamenta triumphalia und die Aufstellung einer Ehrenstatue auf dem Augustusforum182. Da freilich alle Nischen schon gefüllt waren, konnten diese Statuen nur noch an weniger prominenten Stellen aufgestellt werden. Die Botschaft war klar: Mit Augustus war eigentlich alles erreicht, die Geschichte hatte gewissermaßen ihr Ende erreicht183. Das ist aber nur die eine Seite: Indem Augustus sich solchermaßen aus der Geschichte legitimierte, erkannte er diese auch als Maßstab für sein Verhalten an. Ähnlich wie auf konstitutioneller Ebene der Staatsakt von 27 v. Chr. eine Rückbindung an das Recht darstellte, so unterwarf sich Augustus mit dem Bildprogramm seines Forums einer ganz bestimmten Prinzipatsideologie. Dieses Ideal konnten die senatorischen Eliten in der Zukunft den Nachfolgern des Augustus immer wieder vorhalten, an diesem Prüfstein wurde gemessen, ob ein Kaiser „gut“ oder „schlecht“ war. Und dies war auch keine unerwünschte Nebenwirkung, sondern wurde von Augustus ganz offen ausgesprochen184: Die Roman Revolution des Augustus, tat alles, um nicht als solche aufzufallen. Schon bald zeigte sich, dass nicht viele Herrscher in der Lage oder auch nur willens 182 183 184 Tac. ann. 15,72,1; Cass. Dio 55,10,3. Der inschriftlich dokumentierte Fall des L. Volusius Saturninus zeigt eine deutliche Rangordnung zwischen den Aufstellungsorten für Ehrenstatuen an: Triumphalstatuen wurden ausschließlich auf dem forum Augustum und in der neuen aedes Divi Augusti aufgestellt, im Tempel des Divus Iulius aber nur eine Konsularstatue, vor der Regia eine Augurstatue und vor den rostra eine Reiterstatue (AE 1972,174=AE 1982,268). Dazu Eck, Volusii Saturnini, 1972, S. 469-473. Für die auch in der Kaiserzeit weiterhin mögliche Aufstellung einer Ehrenstatue auf dem forum Romanum vgl. etwa Suet. Vit. 3,1. Zu den sich wandelnden Bedingungen senatorischer Selbstdarstellung grundlegend Eck, Senatorial self-representation, 1984, S. 129-167. RgdA 8,5: Wiederbelebung alter exempla und Setzung neuer durch Augustus; Zitat aus einer Rede des Augustus bei Suet. Aug. 31,5: summi viri des Augustusforums als Maßstab für Augustus selbst und zukünftige Principes. waren, diese Rolle auszufüllen. Bis auf Domitian bezahlten aber alle, die an dieser Aufgabe scheiterten, mit dem Leben. Die militärischen Leistungen des Augustus wurden auch ins rechte Licht gesetzt, allerdings in sehr zurückhaltender und geradezu verschlüsselter Weise: Das Attikageschoss der Porticus wurde von Karyatiden, genauen Kopien der berühmten Figuren vom Erechtheion in Athen, getragen. Zwischen den Statuen waren abwechselnd Reliefschilde mit einer Büste des Zeus Ammon bzw. eines Nordbarbaren angebracht. Diese imagines clipeatae verwiesen auf die militärischen Erfolge des Augustus in Ost (Ägypten, Parther) und West (Illyrien, Pannonien, Spanien, Gallien, Germanien). Hinsichtlich der Karyatidenfiguren erläutert uns der Architekturtheoretiker Vitruv anhand einer eher entlegenen Ursprungsgeschichte, dass diese stets für Knechtschaft standen – aber nicht eine unbegründete, sondern eine durch moralisches Fehlverhalten selbst verschuldete Knechtschaft185: Die Bewohner des griechischen Karyai hatten nämlich einst mit den Persern paktiert, weshalb von den anderen Griechen die Männer getötet und die Frauen versklavt wurden. Dabei mussten sie jedoch ihre bürgerliche Kleidung weiterhin tragen, um die Schande ihrer Heimatstadt dauerhaft augenfällig zu machen. Die Figuren auf dem Augustusforum wiesen also mutatis mutandis auf die moralisch-politische Berufung Roms zur Weltherrschaft und ihre Erfüllung durch Augustus, das Zitieren der Figuren vom Erechtheion stellte außerdem eine Verbindung mit den Perserkriegen her186. Verständlich war dies allerdings nur den Gebildeten, die über genaue Kenntnisse der griechischen Geschichte und Kunst verfügten. Wie Tonio Hölscher dargelegt hat, ist dies ein wichtiger Hinweis auf die vorrangige Zielgruppe der Bilder des forum Augustum: die senatorischen Eliten, denen gegenüber das neue Regime am meisten Legitimationsbedarf hatte187. Für die plebs wirkten Thermen- und Theaterbauten, die Sicherung von Getreide- und Wasserversorgung sicher attraktiver. Dies alles sind vergleichsweise zurückhaltende Bildchiffren, das wird besonders deutlich, wenn man berücksichtigt, was auf dem forum Augustum nicht zu sehen ist: Augustus spielte zwar auf seine militärischen Erfolge 185 186 187 Vitr. 1,1,5. Vgl. Anm. 67. Hölscher, Staatsdenkmal, 1984. an, doch nirgends wird die Armee, die Augustus doch seine Machtstellung erst verschafft hatte, sichtbar188. Hundert Jahre später sollte das auf dem Trajansforum schon ganz anders aussehen. Anders noch das forum Augustum: Keine Kampfszene stört das Bild der pax Augusta. Stattdessen eine klassizistische Monumentalität und Zeichen, die in steter Wiederholung auf Sieghaftigkeit und Heilsfunktion des Herrschers verweisen189. Der Rückgriff auf eine Mischung archaischer und frühklassischer Stilformen symbolisiert dabei die Rückkehr zum mos maiorum, also das moralische Erneuerungsprogramm des Augustus190. Freilich darf man diesen eine nach innen gerichtete pax Augusta beschwörenden Bildern nicht völlig erliegen: Dass ausgerechnet der Tempel des Mars das Zentrum des neuen Forums bildete, dass hier die Zeremonien der Außenpolitik – und das hieß eben meistens Kriegspolitik – konzentriert wurden, dass vorrangig militärischer Ruhm für eine Würdigung als summus vir qualifizierte, all dies macht die Militarisierung auch der römischen Zivilgesellschaft innerhalb der traditionell befriedeten Stadtgrenze des pomerium deutlich191. Der Princeps selbst war als Triumphator auf einer Quadriga dargestellt192. Schon die beim Bau des Forums verwendeten kostbaren Steinsorten aus Numidien, Phrygien und Ägypten führten die neue finanzielle Potenz und die ausgedehnte territoriale Erstreckung des Imperiums sinnlich vor Augen. Plinius rechnete das Augustusforum unter die drei beeindruckendsten Baudenkmäler Roms und des Erdkreises193. Die an sich zurückhaltende Bildchiffre der imagines clipeatae gemahnte den Kenner an die von Alexander nach der Schlacht am Granikos vorgenommene Dedikation goldener Schilde am Parthenon in Athen194. Dass Zeus Ammon und Alexander ohnehin eng zusammengehörten, war bekannt: Seit dem 188 189 190 191 192 193 194 Vgl. Zanker, Augustus, 1997, S. 192. Zanker, Augustus, 1997, S. 117-119. Dazu Zanker, Augustus, 1997, S. 240-265. Vgl. dazu Barchiesi, Martial arts, 2002, S. 1-22, bes. S. 19. Zu dieser Quadriga jetzt Rich, Parthian honours, 1998, S. 115-125 mit der These, es habe sich um einen bereits 19 v. Chr. beschlossenen Triumphalwagen ohne Statue gehandelt. Plin. nat. hist. 36,102. Marco Simón, Iconografía, 1990, S. 152-158. Orakelspruch von Siwas betrachtete der Makedone sich als Sohn der Gottheit. Im übrigen wusste jedermann – es war in der Dedikationsinschrift des Mars-Ultor-Tempels zu lesen und Augustus verkündete es stolz in seinem Tatenbericht –, dass der Baukomplex ex manibiis, d. h. aus Beutegeldern, finanziert worden war195. Vor allem die Eroberung Ägyptens und die Sicherung der Kontrolle über die spanischen Bergwerke hatten Unsummen in die Kassen des Princeps gespült. Krieg und Friede waren im römischen Verständnis eben kein Gegensatz, sondern das eine setzte das andere voraus. Die bella iusta Roms zähmten den furor impius, den „frevelhaften Wahnsinn“, seiner Gegner, brachten „Friede“. Die von Beutegeldern kündende Bauinschrift des Mars-Ultor-Tempels evozierte daher durch ihre vergoldeten Bronzelettern gleichzeitig die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters, der aurea aetas196. Der gefesselte furor mit seiner blutstarrenden Fratze wurde nicht nur von Vergil in der Aeneis als Personifikation bemüht197, sondern war in bildlicher Form auch auf dem Augustusforum präsent198. Wie Pompeius in dem von ihm errichteten Theater oder den angrenzenden Bauten199, ließ Augustus auf seinem neuen Forum ebenso wie in der porticus ad nationes Personifikationen aller (unterworfenen) Völker aufstellen200. Auch der von Pompeius und Caesar her bekannten Alexandernachahmung versagte sich Augustus nicht: Er konnte sich schon deshalb als neuer Alexander fühlen, weil 195 196 197 198 199 200 RgdA 21,1. Diese Art der Finanzierung hatte schon Caesar den Bau seines Forums ermöglicht (Suet. Iul. 26,2), und auch die Renovierung der aedes Castoris und der aedes Concordiae durch Tiberius erfolgte de manubiis (Suet. Tib. 20). Dazu Alföldy, Inschriften, 1991, S. 294-299 mit Rekonstruktion der Inschrift. Verg. Aen. 1,294-296. Serv. ad. Aen. 1,294. Plin. nat. hist. 36,41; Suet. Nero 46,1. Zum Bildprogramm der Bauten des Pompeius auf dem Marsfeld Sauron, Complexe pompéien, 1987, S. 457-473. Forum Augustum: Vell. Pat. 2,39,2; CIL VI,31267 (Dedikationsinschrift einer goldenen Statue der Provinz Baetica, dazu Alföldy, Inschriften, 1991, S. 309-310); porticus ad nationes: Serv. ad. Aen. 7,821. Ein derartiger Figurenzyklus ist uns im Sebasteion von Aphrodisias erhalten (Smith, Simulacra gentium, 1988, S. 5077 mit einer Diskussion des Genres). seine Größe durch ein Vorzeichen bestimmt war, das auch der Makedonenkönig erhalten hatte. Während des Opfers in einem thrakischen Heiligtum des Dionysos entzündete sich bei der Trankspende der Wein, und die Flammen schossen über das Tempeldach hinaus in den Himmel201. In Alexandria zog es Augustus zum Grab des großen Makedonen, dessen einbalsamierte Leiche er kultisch verehrte und offenbar auch unbedingt berühren musste – dabei brach die Nase ab202. In der Folgezeit siegelte er mit dem Bild Alexanders203, und auf dem Augustusforum ließ er zwei Tafelbilder mit Darstellungen Alexanders aufstellen204. Der so nur angedeutete Konnex AlexanderAugustus war Claudius später nicht mehr explizit genug und er ließ das Gesicht Alexanders aus den Bildern herausschneiden und durch Porträts des Augustus ersetzen205. Direkt vor dem Mars-Ultor-Tempel schließlich fanden zwei Statuen Aufstellung, von denen man sich erzählte, sie hätten einst als Pfosten das Zelt Alexanders gestützt206. Der Rechenschaftsbericht des Augustus schließlich eröffnete in den offiziellen Kopien mit der Überschrift: „Bericht über die Taten des vergöttlichten Augustus, mit denen er den Erdkreis der Herrschaft des römischen Volkes unterwarf“207. Das erinnert stark an die von Pompeius in seinem Theater angebrachte Triumphalinschrift, in der er für sich reklamierte, die Grenzen des römischen Reiches mit denen des Erdkreises in Übereinstimmung gebracht zu haben208. Augustus konnte und wollte also auch die Tradition der republikanischen Kriegsherren nicht verleugnen, denn hier lag der Ursprung seiner Machtstellung. Hier wie dort diente die Idee der Weltherrschaft dem Ziel der innenpolitischen Legitimation: Dabei ist die Sieghaftigkeit des Herrschers als Folge seiner pietas transzendiert. Die Weltherrschaft ist Voraussetzung und Ausdruck des wiederge201 202 203 204 205 206 207 208 Suet. Aug. 94,5. Suet. Aug. 18,1: kultische Verehrung; Cass. Dio 51,16,5: Abbrechen der Nase. Plin. nat. hist. 37,10. Plin. nat. hist. 35,27 und 93. Plin. nat. hist. 35,94. Plin. nat. hist. 34,48. RgdA praef. Diod. 40,4. wonnenen Einklangs mit den Göttern. Der Sieg ist daher auch nicht mehr eine Sache der Leistung im Einzelfall, sondern wird prästabiliertes, dauerhaftes Attribut des Princeps209. V. Fazit: Bilder als althistorische Quellen Was lässt sich aus dem hier vorgeführten Fallbeispiel allgemein für die Verwertung von Bildquellen in der Alten Geschichte gewinnen? Welche spezifischen Probleme sind zu erwarten? Zwei Aspekte fallen besonders ins Auge: Unsichtbare Quellen! – Anders als der Historiker neuerer Epochen hat der Althistoriker sehr häufig mit unvollständig überlieferten und daher rekonstruktionsbedürftigen Bildern zu tun. Der eben versuchte imaginäre Rundgang durch die römische Forenlandschaft des Jahres 14 n. Chr. sollte die Aussagekraft der ursprünglich vorhandenen und auf den antiken Betrachter wirkenden Bilder verdeutlicht haben. Wer selbst schon als ratloser Tourist inmitten der Trümmer des forum Romanum gestanden hat, weiß um die Schwierigkeit, diese Wirkung anhand der heute noch sichtbaren Überreste nachzuvollziehen. Diese sprechen nur zum Fachmann, d. h. hier zum Archäologen, und schon der Althistoriker ist in der Regel auf dessen Interpretationen und Rekonstruktionen angewiesen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass schon die Identifikation vieler Baustrukturen nur über die genaue Lektüre der literarischen Quellen und die Beschäftigung mit dem inschriftlichen Fundmaterial zu bewerkstelligen ist. Dies gilt noch mehr für die vielen Bestandteile des ursprünglichen Bildeindruckes, von denen uns überhaupt keine Fragmente mehr erhalten sind. All die Statuen und Bilder, die doch wesentlich die Aussage der frühkaiserzeitlichen Foren bestimmten, von ihnen wissen wir nur durch Notizen der antiken Historiker und Fachschriftsteller. Der Althistoriker kann daher keinesfalls Bild- und Textquellen gegeneinander ausspielen, denn viele Bildquellen sind gewissermaßen in Textquellen „versteckt“. Kontexte machen Bilder – Die Aussage eines Bildes wird in mehrfacher Hinsicht durch den Kontext bestimmt, in dem es betrachtet wird: 209 Zanker, Augustus, 1997, S. 189 und 195-196. (1) Ein Bild existiert nicht für sich, sondern steht mit seiner Umgebung in einem Beziehungsgeflecht. Es ist daher in seiner Aussage entscheidend mitbestimmt durch diese Umgebung und kann nicht isoliert betrachtet werden. (2) Ein Bild braucht Betrachter und kann für unterschiedliche Betrachtergruppen jeweils verschiedene Bedeutungen annehmen. Rituale und Zeremonien sind in besonderer Weise geeignet, Bildern Betrachter zuzuführen, sowie die Auswahl der Betrachter und die Betrachtungshaltung zu steuern. Das „Gesamtkunstwerk“ Augustusforum kann in seiner Aussagekraft für die Prinzipatsideologie nur in Zusammenschau mit den dort gefeierten religiös-politischen Riten und dem von den Besuchern geforderten Habitus richtig verstanden werden. Diese Aspekte können aber in den Ausgrabungsarealen nicht mehr unmittelbar erlebt werden, sondern müssen wiederum über Textquellen erschlossen werden. (3) Entscheidend für die Interpretation eines Bildeindruckes durch den Betrachter ist nicht nur – und nicht einmal vorrangig – das, was objektiv mit den Sinnen wahrgenommen wird, sondern mindestens ebenso der Verstehenshorizont, vor dem sich die Deutung des Wahrgenommenen vollzieht. Die Wirkung der Neubauten auf dem forum Romanum auf die Zeitgenossen des Augustus kann nur abschätzen, wer nach den mit den einzelnen Bauwerken verbundenen Assoziationen fragt. Diese wiederum speisen sich jeweils aus der Geschichte und den jeweiligen Funktionen der Örtlichkeiten. Ebenso verlangt das Verständnis des komplexen Bildprogramms des Augustusforums gute Kenntnisse insbesondere der römischen Frühgeschichte. Auch hier gilt, dass ein solcher Verstehenshorizont nur aus einer möglichst breiten Kenntnis anderer Quellen zu ermitteln ist. Bilder stellen niemals ein unproblematisches „Fenster in die Antike“ dar, weil wir als moderne Betrachter einen völlig veränderten Verstehenshorizont an sie herantragen und so leicht anachronistischen Deutungen erliegen. Aus diesem Grund sind Bilder – es kann nicht deutlich genug gesagt werden – auch nicht geeignet, die notorischen „stummen Gruppen“ der Geschichte zum Sprechen zu bringen. So bleibt festzuhalten, dass Bildquellen gerade in der an Primärquellen armen Alten Geschichte zwar eine wichtige Berei- cherung darstellen, aber auch besondere Anforderungen an den Historiker stellen. Ihre Interpretation erfordert oft eine eingehende Beschäftigung mit der archäologischen Spezialforschung, um die Zuverlässigkeit vorgeschlagener Rekonstruktionen abschätzen zu können. Gleichzeitig stellen Bilder keinen Ersatz für schriftliche Quellen dar, sondern ihre sachgerechte Deutung setzt vielmehr deren Existenz und Kenntnis voraus. Nimmt man die skizzierten Mühen allerdings auf sich, winken erhebliche Erkenntnisgewinne: In einer hermeneutischen Spirale vermögen sich Bild- und Textquellen wechselseitig zu erhellen. Zudem fügen sich Bildeindrücke, die als Chiffre komplexe Sachverhalte in sich aufnehmen können. Man kann den augusteischen Prinzipat nicht allein aufgrund der römischen Forenlandschaft des Jahres 14 n. Chr. verstehen, aber die dort zu gewinnenden Bildeindrücke vermögen einen aus vielfältigen Quellen gewonnenen Gesamteindruck zu bündeln und zu versinnlichen. Abbildungen Geeignetes Bildmaterial zu den obigen Ausführungen findet sich in den folgenden gedruckten und elektronischen Publikationen: (1) Zanker, P.: Augustus und die Macht der Bilder, München 1997 (3. Aufl.). [Reich illustrierte Referenzdarstellung der augusteischen Bilderwelt, erhältlich als preisgünstige Sonderausgabe] (2) Hill, P. V.: The monuments of ancient Rome as coin types, London 1989. (3) Numismatische Bilddatenbank Eichstätt (NBE): http://www.gnomon.ku-eichstaett.de/LAG/nbe/nbe.html. [Frei zugängliche Bilddatenbank zur antiken Numismatik; durch Kooperation mit einigen wichtigen Auktionshäusern kann eine breite Auswahl selbst wertvollster Stücke in hochauflösenden Digitalphotographien präsentiert werden] (4) Münzsammlung des Seminars für Alte Geschichte an der Universität Freiburg: http://freimore.ruf.unifreiburg.de/muenzen/index.html. [Frei zugänglicher Bildkatalog] (5) VILLE - Architecture, Urbanisme et Image Virtuelle: http://www.unicaen.fr/rome/. [Projekt zur Erfassung des in Caen befindlichen Holzmodells der Stadt Rom von Paul Bigot, sowie zur Entwicklung einer dreidimensionalen Rekonstruktion der Stadt im Computer] (6) Fototeca Nazionale: http://fototeca.iccd.beniculturali.it/. [Fotoarchiv des italienischen Kultusministeriums] (7) Roma Antiqua – Der virtuelle Rundgang zu den antiken Stätten Roms: http://www.romaantiqua.de/index_intern.html. [Bietet Erläuterungen, Fotos und Pläne zu den einzelnen Monumenten] (8) Ancient Rome – Images and Pictures: http://bellarmine.lmu.edu/~fjust/Rome.htm. (9) VRoma – A virtual community for teaching and learning classics: http://www.vroma.org/, besonders auch http://www.vroma.org/~forum/forum.html. [Ermöglicht einen virtuellen Rundgang durch das antike Rom, erschlossen über eine Fülle von Materialien] (10) Capitolium.org: http://www.capitolium.org/eng/virtuale/virtuale.htm. [Offizielle Hompage der römischen Kaiserforen mit virtuellen Rekonstruktionen] (11) Rome Reborn: http://www.cvrlab.org/projects/real_time/realtime_projects. html. [Projekt zur Erstellung von dreidimensionalen Computerrekonstruktionen bedeutender Baudenkmäler in Rom; das virtuelle forum Romanum soll bis 2005 im Rahmen des Perseus Project (http://www.perseus.tufts.edu) zugänglich gemacht werden] (12) Das Alte Rom. Virtuelle Tour durch die berühmtesten Bauwerke – im Originalmodell von damals bis heute, München (United Media Soft) 2001. [DVD mit reichem Bildmaterial (Detailaufnahmen des von Italo Ghismondi angefertigten Modells des kaiserzeitlichen Rom im Museo della civiltà romana!) und begehbaren 3D-Rekonstruktionen, u. a. des Augustusforums und der basilica Paulli, erhältlich im Buchhandel und über die Wissenschaftliche Buchgesellschaft] Literaturliste Kaiser Augustus und die verlorene Republik. Eine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Berlin, 7. Juni-14. August 1988: Mainz 1988. Abbott, F. F.: The theatre as a factor in Roman politics under the republic, in: TAPhA 38 (1907), S. 49-56. Ackroyd, B. G.: Porticus Julia or Porticus Liviae? The reading of Dio 56.27.5, in: Athenaeum N. S. 80 (1992), S. 196-199. Dies.: The porticus Gai et Lucii. The porticus Phiippi. The porticus Liviae, in: Athenaeum N. S. 88 (2000), S. 563-580. Alföldy, G.: Augustus und die Inschriften: Tradition und Innovation. 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