Suche nach der Zwillingserde

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Sternentstehungsgebiet
im Orionnebel
ASTRONOMIE
Suche nach der Zwillingserde
Wie viele fremde Himmelskörper sind belebt? Fast monatlich
finden Astronomen neue Planeten außerhalb des Sonnensystems. Mit jeder
weiteren Entdeckung erscheint die Erde einzigartiger – und selbst
diese Oase des Lebens wird viel früher unbewohnbar werden als bislang gedacht.
B
ei dem Weltuntergang im Sternbild
Wasserschlange kam niemand ums
Leben. Auf dem jungen Gesteinsplaneten waren noch nicht einmal erste
Mikroben entstanden, als er von einem benachbarten Gasplaneten aus seiner Umlaufbahn gestoßen wurde. Rot glühend
stürzte der kleinere Himmelskörper in den
Fixstern HD82943 und verdampfte.
Der Gasplanet überstand das kosmische
Billardspiel ohne größere Schäden. Allerdings taumelt er seither auf einer extrem
unregelmäßigen Umlaufbahn um seinen 90
Lichtjahre von der Erde entfernten Stern.
Auf die Spur der Planetenverbrennung,
die sich vor wenigen Millionen Jahren ereignete, kam jetzt Garik Israelian vom
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Astrophysikalischen Institut auf Teneriffa.
Als der Forscher aus dem Lichtspektrum
von HD82943 die chemische Zusammensetzung des Sterns herausfilterte, fand er in
dessen Gashülle überraschend hohe Mengen an Lithium-6 – ein seltenes Metall, das
gewöhnlich nur auf Planeten vorkommt.
Die erstaunliche Entdeckung dämpft die
Hoffnung der Himmelsforscher, überall in
der Milchstraße Zwillingsschwestern der
Erde zu finden. Ist es womöglich gar der
Normalfall, dass sich in einem neuen Sonnensystem die heranwachsenden Planeten
gegenseitig aus der Bahn schubsen und zerstören? Verdrängen vielerorts die großen
Gasplaneten die kleinen Gesteinsplaneten
und nehmen ihre Plätze ein?
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Das wiederum würde bedeuten, dass
die dauerhafte Existenz erdähnlicher Planeten doch unwahrscheinlicher ist als erwartet. Es wäre zugleich ein Rückschlag
für die Fahndung nach außerirdischen Lebensformen: Denn nur auf der festen
Oberfläche eines erdähnlichen Planeten
kann, wenn dieser moderat von seiner
Sonne beheizt wird, Leben entstehen und
sich zu immer höheren Formen emporentwickeln. Auf den weit schwereren
Gasplaneten hingegen, die ähnlich wie
die Sonne vor allem aus gewaltigen Mengen an Wasserstoff bestehen, herrschen
viel zu mörderische Temperaturen und
Drücke: Keine höhere Lebensform hält es
dort aus (siehe Grafik).
Wissenschaft
Fachmagazin „Astronomy“, „bei dem erdähnliche Planeten häufig aus dem SterGashülle
Gashülle
nensystem geschleudert werden und die
jupiterähnlichen Riesen übrig bleiben.“
gasförmiger
Wasserstoff
Eine neue Computersimulation hat gezeigt, dass es auch das irdische SonKern aus
flüssiger
nensystem beinahe zerrissen hätte.
Wasserstoff
schweren
Erdkruste
Wäre Jupiter nur etwas schwerer geElementen
metallischer
worden oder wäre in seiner NäWasserstoff
he ein zweiter Jupiter entstanden,
Erdmantel
wäre das ganze System instabil geRadius 71 492 km
Radius 6378 km
worden: Mit ihren geballten Graviinnerer Kern
tationskräften hätten die Gasriesen
Kern aus schweren
aus Eisendie kleinen Gesteinsplaneten MerNickel
Elementen
kur, Venus, Erde und Mars allesamt
Erdgröße im
in den interstellaren Raum katapulVergleich zu
tiert – und hätten deren Plätze an der
Jupiter
Sonne eingenommen. Das düstere
Szenario stimmt die Planetenforscher
nachdenklich. „Das planetare Kartenhaus,
das wir Sonnensystem nennen“, orakelt
Masse 318 Erdmassen ……………………………………………………..... 1 Erdmasse
Marcy, „gehört vielleicht zu den wenigen,
Druck innerhalb der Gashülle 1 bis 44 Mio. Erdatmospären …….. an der Oberfläche 1 Erdatmosphäre
die nicht in sich zusammengefallen sind.“
Temperatur innerhalb der Gashülle – 103°C bis + 20 000°C …..……......... an der Oberfläche –89°C bis +57°C
Der australische Physiker Charles Lineweaver hat jetzt ein Modell entwickelt, um
Die vorzeitliche Katastro- servatoriums entdeckte Begleiter von abzuschätzen, unter welchen Bedingungen
phe im Sternbild Wasser- HD80606 beispielsweise nähert sich sei- Planetensysteme instabil werden. Ihm war
schlange könnte zugleich hel- nem Stern einmal pro Umlauf bis auf 5 Mil- aufgefallen, dass die neu entdeckten Gasfen, ein Rätsel zu lösen, das lionen Kilometer, um dann wieder bis auf planeten fast alle um Sonnen kreisen, die
den Astronomen zunehmend 127 Millionen Kilometer Entfernung da- einen ungewöhnlich hohen Anteil schwerer
Kopfzerbrechen bereitet. War- vonzueilen. Zum Vergleich: Die Erde hält Elemente besitzen.
Lineweavers Erklärung: Enthält ein Urum nur, so grübeln die Him- zur Sonne ziemlich konstant einen Abmelsforscher, bewegen sich stand von rund 150 Millionen Kilometern. nebel, aus dem sich ein Sonnensystem bilAuffallend ist zudem, wie nahe fast alle det, zu wenig schwere Elemente, so können
die außerhalb des irdischen
Sonnensystems gefundenen extrasolaren Planeten ihrem Stern kom- überhaupt keine Planeten entstehen; dann
Planeten meist auf so selt- men. Viele von ihnen benötigen nicht ein treibt der Stern ohne Begleiter durchs All.
Jahr wie die Erde, um ihre Sonnen zu um- Ist die Konzentration von schweren Elesamen Umlaufbahnen?
Bereits über 60 ferne Ster- runden, sondern nur wenige Tage. Ent- menten jedoch zu hoch, werden die hernenbegleiter haben die Astro- sprechend lebensfeindlich ist es auf diesen anwachsenden Gasplaneten zu schwer und
physiker in den letzten Jah- bis zu 2000 Grad Celsius heißen Himmels- bringen mit ihrer ungeheuren Gravitaren aufgespürt. Und in immer körpern. „Diese Röstöfen“, scherzt der tionskraft alles durcheinander.
In seiner vor wenigen Wochen erschiekürzeren Abständen gehen US-Planetenjäger Geoff Marcy, „sind ein
nenen Modellrechnung hat der Physiker
den Planetenjägern weitere guter Platz, um Hühnchen zu grillen.“
Für die Astrophysiker steht fest, dass die erstmals ermittelt, wie viele Sterne folglich
ins Netz. „Doch alle bisher
nachgewiesenen extrasolaren heißen Gasplaneten auf keinen Fall dort von erdähnlichen Planeten umkreist werPlanetensysteme“, wundert entstanden sein können, wo sie heute ihre den – und schränkt damit die Zahl möglisich der Schweizer Astronom Runden drehen. Denn sonst hätte der cher Zwillingserden weiter ein.
Nur bei jedem 100. Stern, hat LineweaWilly Benz, „scheinen voll- heiße Atem ihrer Sterne die planetaren
kommen anders zu sein als Gashüllen längst verdampft. Hat es also ver errechnet, können auch kleinere Geauch in anderen Sonnensystemen ein ähn- steinsplaneten wie die Erde dauerhaft exisunser eigenes.“
Weil die indirekten Nach- lich folgenschweres Planeten-Billard gege- tieren. Daraus ergibt sich aber immer noch
weismethoden noch zu grob ben wie bei HD82943?
eine phantastisch hohe Zahl: Allein in der
Nach dem neuen Modell der Planeten- Milchstraße wären das vier Milliarden Sonsind, finden die Forscher derzeit nur die
massereichen Gasplaneten. Für erdähnli- entstehung vertragen sich die großen Gas- nensysteme mit erdähnlichen Planeten.
che Himmelskörper, die allein als Oasen planeten und kleinen Gesteinsplaneten am
„Bei meiner Analyse kommt auch herdes Lebens in Frage kommen, sind die Anfang meist noch ganz gut. An vielen Or- aus, dass drei Viertel aller erdähnlichen
Suchtechniken vorerst nicht empfindlich ten der Galaxis bilden sie sich gemeinsam Planeten im Universum älter sein müssen
genug. Dennoch bietet sich den Forschern aus einem Urnebel, der von der Geburt als die Erde“, erläutert Lineweaver. Im
eine bizarre Vielfalt. So haben sie kürzlich der jeweiligen Sonne übrig geblieben ist: Durchschnitt hat die Schöpfung auf einer
einen Monsterplaneten entdeckt, der über die erdähnlichen Himmelskörper in der typischen Zwillingserde somit zwei MilliNähe des Sterns – die jupiterähnlichen in arden Jahre länger Zeit gehabt, um Flöhe,
5000-mal so viel wiegt wie die Erde.
Was die Forscher besonders verstört: größerer Entfernung, weil nur weiter Tintenfische und Fasane auszubrüten.
Während die eigenen Gasriesen Jupiter, draußen die Gasmassen kondensieren.
Allerdings reicht das bloße VorhandenSaturn, Uranus und Neptun auf relativ Werden nun aber im Laufe der Jahrmillio- sein eines Gesteinsplaneten noch bei weigleichmäßigen Kreisbahnen die Sonne um- nen zu viele oder zu schwere Gasgiganten tem nicht aus, um auch wirklich Leben
runden, bewegen sich viele der extraso- ausgebrütet, gerät das Planeten-Mobile aus hervorzubringen. Von den fünf Gesteinslaren Gasplaneten auf unregelmäßigen dem Gleichgewicht.
planeten im Sonnensystem hat es bekannt„Die Entstehung von Planeten ist offen- lich nur einer geschafft. Viele weitere
Ellipsenbahnen durch den Raum. Der
kürzlich von einem Team des Genfer Ob- bar ein chaotischer Prozess“, resümiert das Zutaten sind nötig, damit ein erdähnlicher
Gesteinsplaneten Beispiel Erde
ASTROPHOTO
Gasplaneten Beispiel Jupiter
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Erstickungstod auf der Erde
Wie die „bewohnbare Zone“ im Sonnensystem schrumpft
Vor 1 Milliarde Jahren reichte die „bewohnbare Zone“ noch von der Erde bis
zum Mars: In diesem Streifen sorgen Sonneneinstrahlung und planetarer
Treibhauseffekt für lebensfreundliche Bedingungen.
Sonne
Venus
Erde
Mars
b e w o h n b a r e
Z o n e
Gegenwart: Die bewohnbare Zone wird schmaler, weil die Leuchtkraft der
Sonne langsam zunimmt. Die Erde empfängt mehr Sonnenenergie. Das führt
zu einer stärkeren Verdunstung, dadurch wiederum wird immer mehr Treibhausgas CO2 aus der Atmosphäre herausgewaschen und lagert sich als
Kalkstein am Meeresgrund ab.
Quelle: PotsdamInstitut für Klimafolgenforschung
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In 500 Millionen Jahren wird die Erde für immer die bewohnbare Zone
verlassen, denn zu diesem Zeitpunkt ist die Sonneneinstrahlung so stark,
dass sämtliches CO2 aus der Atmosphäre herausgewaschen sein wird.
Die Folge: Pflanzen können keinen Sauerstoff mehr produzieren,
Menschen und Tiere ersticken.
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JAN PETER BOENING / ZENIT
Planet tatsächlich zu einer
Oase des Lebens wird. Hat er
eine zu geringe Masse, vermag
er keine schützende Atmosphäre zu halten. Rotiert er zu
langsam, werden die täglichen
Temperaturunterschiede zu extrem. Auch seine Sonne muss
die richtige Größe haben: Mas- Physiker Franck: 50 Millionen bewohnbare Planeten?
sereiche und helle Sterne beispielsweise sind schon nach wenigen Mil- nen Jahren Bakterien gefunden wurden,
lionen Jahren ausgebrannt, weil sie zu die noch extremste Bedingungen übersteverschwenderisch mit ihren Energievor- hen: kilometertief unter der Erde, in koräten umgehen; ein so kurzer Zeitraum chenden Geysiren oder im Eispanzer am
reicht nicht aus, um auf einem ihrer Pla- Südpol. Komplexere Lebensformen hingeneten den Lebensfunken zu entzünden.
gen gibt es nach Ansicht der beiden ForIst der Planet Erde also doch einmalig, scher weitaus seltener: „Sind wir eine Basentstanden aus einer unfassbaren Kette von tion höheren Lebens inmitten eines mit
Zufällen? „Wir sind nicht der Mittelpunkt Mikroorganismen durchsetzten Ozeans?“
des Universums“, schreiben der Geologe
Nicht ganz so niederschmetternd erPeter Ward und der Astronom Donald scheint indes, was nun Wissenschaftler
Brownlee in ihrem soeben erschienenen vom Potsdam-Institut für KlimafolgenforBuch „Unsere einsame Erde“*. „Aber wir schung (PIK) herausgefunden haben. Das
sind auch nicht so gewöhnlich, wie die Team um den Physiker Siegfried Franck
westliche Wissenschaft uns in den letzten hat errechnet, dass es doch erstaunlich vie2000 Jahren glauben machen wollte.“
le bewohnbare Planeten in der Milchstraße
Brownlee und Ward gehen davon aus, geben dürfte.
dass Mikroben viel häufiger im Universum
Mit ihrem ursprünglich für die Simulavorkommen als angenommen; die Forscher tion der irdischen Biosphäre entwickelten
verweisen darauf, dass in den vergange- Computermodell haben die PIK-Forscher
durchgespielt, unter welchen Bedingungen
ein Planet gerade noch einfache Lebens* Peter Ward und Donald Brownlee: „Unsere einsame
formen beherbergen kann. Entscheidend
Erde“. Springer-Verlag, Berlin; 374 Seiten; 49,90 Mark.
ist der richtige Abstand zum jeweiligen
Stern, damit auf der Planetenoberfläche
weder (wie beim Mars) ewige Eiszeit noch
(wie auf der Venus) eine Treibhaushölle
herrscht. Ebenso wichtig wie moderate
Temperaturen ist aber auch eine Mindestmenge an Kohlendioxid in der Planetenatmosphäre: Pflanzen benötigen eine gewisse Konzentration dieses Treibhausgases, um wachsen und gedeihen zu können
– und so für Tiere und Menschen die Luft
zum Atmen zu produzieren.
Sonneneinstrahlung und CO2-Konzentration stehen zudem in einem komplexen
Wechselspiel miteinander: Empfängt ein
Planet mehr Strahlungswärme von seinem
Stern, so verdunstet mehr Wasser und
wäscht das Treibhausgas aus der Atmosphäre heraus – was dann automatisch zu
einer Abkühlung führt.
„Das Klima eines Planeten wird wie von
einem natürlichen Thermostaten reguliert“, erläutert Franck, „allerdings bricht
diese naturgegebene Klimaanlage zusammen, wenn nicht mehr genügend CO2 in
der Atmosphäre vorhanden ist.“ Unter
Verwendung ihres Klimamodells haben die
PIK-Forscher für die verschiedenen Sternentypen der Galaxis durchgerechnet, ob
diese für ausreichend lange Zeit über solche „bewohnbare Zonen“ verfügen. Das
erstaunliche Ergebnis: „Nach unseren Berechnungen“, sagt Franck, „könnte es in
der Milchstraße rund 50 Millionen bewohnbare Planeten wie die Erde geben.“
Eine böse Überraschung erlebten die
Potsdamer allerdings, als sie simulierten,
wie es mit der bewohnbaren Zone im eigenen Sonnensystem weitergeht. Das Problem besteht darin, dass die Sonne immer
stärker scheint. Alle einhundert Millionen
Jahre nimmt ihre Leuchtkraft um ein Prozent zu. Durch diesen Effekt wird die bewohnbare Zone immer schmaler. Die Folge: Das Ende für jegliches Leben auf der
Erde kommt weit früher als angenommen
(siehe Grafik).
Bislang erwarteten die Astronomen
frühestens in fünf Milliarden Jahren eine
Art solares Fegefeuer: Dann nämlich bläht
sich die Sonne unaufhaltsam zu einem
„Roten Riesen“ auf und verschluckt die
innersten Planeten Merkur und Venus. Auf
der Erde verdampft das Wasser der Ozeane. Schließlich schmelzen auf ihrer staubtrockenen Oberfläche die Berge wie Butter.
Doch diese Apokalypse wird kein Erdenwurm mehr erleben. Nach den neuen
Klimaberechnungen wird die Erde bereits
in rund 500 Millionen Jahren unbewohnbar
werden. Denn zu diesem Zeitpunkt ist das
Treibhausgas CO2 so gut wie vollständig
aus der Atmosphäre herausgewaschen.
Die Folge: Erst verkümmern alle Bäume
und Sträucher, dann wächst auf der Erde
auch kein Gras mehr. Menschen und Tieren geht die Luft zum Atmen aus. „Bevor
uns die Sonne röstet“, sagt Franck, „werden wir längst erstickt sein.“ Olaf Stampf
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