"Nicht alle suchen das Nirwana".

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TItelthema
unbekannte
rituale
Nicht alle
suchen das
Nirwana
Buddhismus ist nicht gleich Buddhismus. Wenn in Nepal
Väter ihre dreijährigen Töchter mit einem Gott verheiraten
und in Sri Lanka brokatgeschmückte Elefanten tausenden
Touristen den Zahn von Buddha präsentieren, hat dies nur
wenig mit dem Streben nach der seligen Ruhe zu tun.
Von Axel Michaels
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machen, Kinder, Männer oder Ahnen zu versorgen, Töchter und Söhne zu verheiraten, mit den
Mitmenschen klarzukommen und – auch dies –
das Leben angenehm zu gestalten. Die friedvolle Ruhe des Nirwana ist nicht das erste und
oberste Ziel der meisten Buddhisten, wohl aber
der Wunsch nach Liebe, Gesundheit, Arbeit,
Wohlstand oder auch nur bestandenen Prüfungen. Zwei Beispiele aus zwei »urbuddhistischen« Ländern zeigen, wie der Buddhismus
diesen Hoffnungen gerecht wird.
Nepal gilt als eine der Wiegen des Buddhismus. Gautama Siddhartha, der später zum »Erwachten« (Buddha) wurde, soll an den dortigen
Ausläufern des Himalajas geboren worden
sein. Seine Lehre beeinflusste später diejenige
in den Nachbarländern Indien, Tibet und China und wurde wiederum von den dortigen
Strömungen mitgeprägt.
Im fruchtbaren Kathmandutal, dem ehemaligen Seebecken rund um die heutige Hauptstadt des Landes, entstand vor rund 2000 Jahren eine Stadtkultur. Wir wissen nicht, woher
die Vorfahren der heute dort siedelnden Newars kamen. Fest steht, dass sich etwa seit den
frühen nachchristlichen Jahrhunderten auch
aus Indien eingewanderte Priester der obersten
Kaste, der Brahmanen, dort niederließen. Sie
brachten hinduistische Rituale mit und integrierten diese in die dortige Kultur – obwohl
Zu Ehren Buddhas wird in
Sri Lanka im Sommer jedes
Jahr das Esala Perahera
gefeiert. In Kandy, dem
religiösen Zentrum im
Hochland, finden an zehn
Tagen farbenprächtige
Prozessionen statt.
epoc 01/2010
Bildnachweis
A
us westlicher Sicht scheint es klar zu
sein: Der Buddhismus ist eine reine
Erlösungslehre. Sie predigt einen ausgewogenen Lebenswandel und Meditation, um
den Kreislauf von Leben und Sterben zu überwinden und das Seelenheil im Nirwana zu sichern. Doch so pauschal lässt sich die Lehre
Buddhas, der heute auf der ganzen Welt rund
380 Millionen Menschen angehören, nicht charakterisieren.
Der frühe Theravada-Buddhismus, eine der
drei Hauptrichtungen des Buddhismus (siehe
Kasten S. 17), kannte keine Götter, Tempel oder
Priester. Doch er war auch nicht bloß eine rei-
ne Befreiungslehre, wie die Forschung längst
gezeigt hat. Vom Mahayana-Zweig weiß man
aber, dass er sich im Lauf der Jahrhunderte
zu einer klassischen Religion entwickelte – mit
Buddha-Vergöttlichung, Reliquienverehrung,
priesterlichen und politisch-sozialen Aufgaben, die den Mönchen zufielen.
Der heute praktizierte, volksreligiöse Buddhismus ist bisher nur wenig erforscht. Seine
Rituale und Feste orientieren sich zum Teil
stark an den Sorgen des modernen Alltags, was
die Esoteriker gerne leugnen, die immer wieder
die großen Lehren und ihre Geschichte herausstellen. Im einfachen Volk stehen andere Dinge
als Erlösung und Seelenfriede im Vordergrund.
Da gilt es die Ernte einzufahren, Geschäfte zu
epoc.de
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Eine Religion zeichnet sich
in der Regel durch Götter,
Priester, Tempel, Rituale und
heilige Schriften aus. Da
die Buddhisten Götter als
höchste Autorität leugnen
und Priester nur eingeschränkt zulassen, individuell nach ihrem Heil suchen,
gilt der Glaube einigen
Wissenschaftlern nicht als
Religion.
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kurzfristig und eher symbolisch geweiht. Daher wird der Newar-Buddhismus auch als Buddhismus ohne Mönche bezeichnet.
Obgleich also die Identität des göttlichen
»Ehepartners« im Ihi-Ritual rätselhaft bleibt,
gilt vielen Newars der Brauch, der wie ein
Volksfest über zwei Tage hinweg auf öffentlichen Plätzen zelebriert wird, als echte Hochzeit. Es heißt, dass die Mädchen so dem Schicksal der Witwenschaft entgehen. Denn Buddha
oder ein hinduistischer Gott werden – im Unterschied zum späteren menschlichen Ehepartner – nicht sterben.
che lassen sich nicht immer scharf von fremden Einflüssen zu trennen.
Durch Riten demonstrieren die Menschen
ihre Zuordnungen zu Kasten, Alters- und Geschlechtergruppen, zu Berufsgenossenschaften oder Religionsgemeinschaften. Und offenbar haben sie ein Bedürfnis danach. Die Lehren
Buddhas geben hierfür kaum brauchbaren Rat.
Sie rücken vor allem das Mittel der Weltentsagung ins Zentrum. Dementsprechend suchen
sich die Gläubigen aus den Nachbarreligionen
Rituale, integrieren sie und formen sie um. So
auch in Sri Lanka.
und August wird eine Nachbildung von Buddhas Zahn durch die Stadt getragen, begleitet
von bis zu hundert Elefanten. Alle Tiere sind in
prächtigen Farben geschmückt und werden
von Hunderten kleiner Glühbirnen beleuchtet.
Der Ursprung dieser mehrstündigen Straßenparade hängt mit der Legende der Zahnre­
liquie zusammen. Nach der buddhistischen
Überlieferung sollen bei der Verbrennung des
Leichnams Buddhas im 5. Jahrhundert v. Chr.
in einem kleinen indischen Dorf des heutigen
Bundesstaats Uttar Pradesh mehrere Körperteile nicht zu Asche zerfallen sein – außerdem
Wenn die kleinen Bräute
(links) in Nepal einen Gott
heiraten, halten sie eine Frucht
des Madjobaums (rechts). Die
Hände des Vaters umschließen dabei die des Kindes. Mit
dem Ihi-Ritual wird das
Mädchen in die Gesellschaft
aufgenommen.
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Buddhismus –
nicht für alle
Experten eine
Religion
die Bevölkerung damals weit gehend Buddha
oder lokale Götter verehrte.
Zwischen 879 und 1768/69 wetteiferten drei
Königreiche um die Vormachtstellung in dem
Tal, das etwa so groß ist wie die Stadt Hamburg
heute: das überwiegend buddhistische Patan,
das hinduistisch-buddhistische Kathmandu
und das vorrangig hinduistische Bhaktapur.
Diese politische Entwicklung hat auch religiöse
Spuren hinterlassen. Bei den Newars haben
sich bis heute Bräuche und Rituale erhalten
und entfaltet, wie es sie sonst in Südasien kaum
noch gibt – eine eigenständige Ausprägung
des Buddhismus, ja eine komplexe Synthese
zwischen Buddhismus und Hinduismus (siehe
Kasten S. 34).
Dazu zählt auch das rätselhafte Ihi-Ritual,
bei dem ein Mädchen der Newars einen Gott
oder Buddha heiratet. Die Bräute sind zwischen
drei und zehn Jahre alt. Im entscheidenden
Moment des Rituals halten die Mädchen eine
Frucht des Bel-Baums in den Händen, die wiederum in denen des Vaters ruhen. Gleichzeitig
heftet die Mutter ein goldenes Plättchen auf
die Stirn des Kindes und legt eines aus Silber
auf die Frucht. Für den Fremden bleibt es ein
Geheimnis, welchem Gott der Mann seine
Tochter zur Frau gibt: Widmet er die Frucht des
Bel- oder Madjobaums den hinduistischen Göttern Schiwa oder Wischnu oder gar Buddha,
wie manche Newars annehmen?
Man könnte vermuten, dass die alten Ritualtexte in Sanskrit und Newari hier eine klare
Antwort geben. Sie nennen aber nur Suvarna
Kumar, den »Goldjungen«, den die Hindus als
Schiwa oder Wischnu und Buddhisten als Buddha ansehen. Ohnehin fällt auf, dass sich viele
rituelle Handlungen in hinduistischen und
buddhistischen Kontexten gleichen – obwohl
sie auf unterschiedlichen religiösen Hintergründen basieren. Fragt man einen Newar, ob
er Hindu oder Buddhist sei, kann es passieren,
dass er nur Ja sagt.
Und doch kennzeichnen den Newar-Buddhismus besondere Merkmale. So kennt er
viele Rituale – wie Götterdienste, kalendarische
Feste, lebenszyklische Übergangsrituale, Wagenfeste, Tänze und Gelübde –, aber nur wenige Doktrinen. Auch gelten die Bodhisattvas –
Wesen, die auf ihre Erleuchtung verzichten, um
anderen zum Nirwana zu verhelfen – als Götter, zu denen die Menschen nach dem Tod auf
die andere Seite gelangen. Besonders ist zudem
das erbliche Priestertum. Ihre Vertreter bilden
eher eine Kaste denn eine Bruderschaft; sie
werden im Rahmen ihrer Knabeninitiation nur
Tatsächlich entsprechen einige Szenen des
Rituals einer richtigen Hochzeitsfeier: Das
Mädchen wird als Jungfrauengabe vom Vater
an den Heiratspartner übergeben, es trägt einen Hochzeitssari, umrundet das heilige Feuer
und macht sieben rituelle Schritte in ihr neues
Leben. Dieser Brauch stammt aus dem Hinduismus, doch die buddhistischen Newars übernehmen ihn ohne Probleme.
Aufnahme in die Ahnenwelt
Darüber hinaus wird mit dem Ihi-Ritual die Ankunft der werdenden Frau in der Gesellschaft
und in ihrem Lebensraum – der Stadt – gefeiert.
Es handelt sich demnach eher um eine Initiation, um die Aufnahme des Mädchens in die Welt
der Erwachsenen und Ahnen, als um eine Hochzeit. Die Rituale geben hier Ordnungen vor, über
die selten weiter nachgedacht wird und werden
muss. Die religiöse Ausdeutung, ob hinduistisch oder buddhistisch, schmiegt sich, wenn
überhaupt, nur darum herum. Religiöse Bräuepoc 01/2010
Auch dieses Land gilt als eine Wiege des Buddhismus. Schon im 3. Jahrhundert v. Chr. kam
die Lehre auf die Insel und wurde dort bald zur
dominanten, von den Herrschern geförderten
Religion. Die religiöse Form, die sich hier entwickelte, unterscheidet sich aber grundlegend
von der in Nepal. Herrscht dort ein stark rituell
ausgelegter, von verheirateten Priestern verwalteter Vajrayana-Buddhismus vor, dominiert
in Sri Lanka ein von Ritualen weit gehend befreiter, beinahe »protestantischer« und von
Mönchen verwalteter Theravada-Buddhismus
(siehe Kasten S. 17). In beiden Ländern gibt es
aber auch viele Bräuche, die sich zum Teil mit
hinduistischen und volksreligiösen Elementen
vermischen oder ergänzen.
Besonders gut kann man das bei einem der
größten und schönsten Feste Asiens beobachten, das heute gerne als buddhistisch bezeichnet wird: das Esala Perahera in Kandy, der alten
Königsstadt und dem religiösen Zentrum im
Hochland Sri Lankas. An zehn Tagen im Juli
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auch vier Zähne. Über diesen Reliquien wurden Hügelgräber errichtet, die teilweise zu
großen und aufwendig gestalteten Kuppelbauten, den Stupas, ausgebaut wurden. Archäologische Befunde zeigen, dass die buddhistische Reliquienverehrung mindestens bis in
die Regierungszeit von Aschoka (siehe vorherigen Beitrag, S. 19) (um 270 – 230 v. Chr.) zurückreicht. Sie wurde zu einem der beliebtesten
Bräuche im Buddhismus.
Wie aber gelangte der Zahn von Buddha
nach Sri Lanka? Hierzu gibt es verschiedene erklärungen, von denen einheimische Chroniken
berichten. Um die Reliquie vor den Hindus zu
beschützen, soll König Siri Meghavanna (um
301 – 328) den Zahn, versteckt im Haar einer
Prinzessin, aus dem ostindischen Orissa nach
Sri Lanka geholt haben. Dann sei er zunächst in
die Hauptstadt Anuradhapura im Norden Sri
Lankas gebracht worden, wo Meghavanna ihm
zu Ehren einen Tempel errichtete und jährlich
eine Prozession veranstaltete.
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Hinduismus versus Buddhismus
Im Hinduismus gibt es Götter, Brahmanen und andere
Priester, viele Opfer und
Rituale, ein Kastensystem
und den »Veda« (Sanskrit
Wissen) als heilige Schrift.
Buddha hat all dies geleugnet oder zumindest nicht
als höchste Quelle des Heils
anerkannt. Stattdessen
predigte er, dass das Leben
Leid sei und nur Meditation
und ein mönchisches Leben
ins Nirwana führten. Dieser
Zustand, der sich der Sprache und dem Bewusstsein
entzieht, gilt als Erlösung
vom leidvollen Kreislauf der
Wiedergeburten.
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Den Höhepunkt bilden die großen Elefantenprozessionen vor dem Zahntempel (Dalada
Maligava) ab dem fünften Tag. Die Insignien
der Götter und die Nachbildung des Zahns
werden in kleinen tempelartigen, festlich geschmückten Konstruktionen auf die Elefanten
gebunden und durch die Stadt getragen. Tausende zieht es nach Kandy, um das Fest mitzuerleben.
Die Umzüge sind genau choreografiert. Nach
den Peitschenknallern, Tanz- und Akrobatengruppen folgt auf einem Elefanten der Gajanayaka Nilame, der Chef der ehemals königlichen
Elefantenställe. Als einer von etlichen Würdenträgern verleiht er der Veranstaltung Ansehen.
In der Prozession mitgehen zu dürfen ist eine
große Ehre. Diese Ämter werden meist innerhalb von Familien vererbt, heute sind sie teilweise auch käuflich.
Schaulustige und Gläubige erheben sich, sobald der Hauptelefant mit der Buddhareliquie
den Zahntempel passiert. Beleuchtet von den
vielen Glühbirnen bildet das mit Brokatdecken
geschmückte Tier den Höhepunkt des Zugs. In
dieser Funktion unterstreicht es den Vorrang
des Buddhismus in dieser vielschichtigen Prozession.
Reinigung des blutigen Speers
Am letzten Tag ziehen ausschließlich Vertreter
der vier Göttertempel von Natha, Wischnu,
Kataragama und Pattini zum Mahaveli-Fluss.
Bei Sonnenaufgang vollziehen die vier Oberpriester die Wasserschneidezeremonie Diya
Kepeema. In der Flussmitte teilen sie dabei das
Wasser mit dem Streich ihres symbolischen
Schwerts. Die Priester füllen Wasser in vier
Töpfe, die sie bis zur nächsten Esala Perahera in
ihren Tempeln aufstellen.
Die symbolische Hiebwaffe des Kataragama-Tempels hat dabei die Form eines Speers.
Nach hinduistischer Überlieferung wird bei
dieser Zeremonie der blutige Speer gereinigt,
mit dem der Gott Indra oder Kataragama den
bösen Dämon Vritta besiegte. Nach verbreiteter
buddhistischer Vorstellung jedoch wird so die
Verbindung zwischen materieller und geistiger
Welt hergestellt. Junge Männer baden im Fluss,
weil dies Glück bringen soll, und Lautsprecher
beschallen die Zuschauer mit Gebeten.
Wie deuten Religionshistoriker ein solches
Fest? Ist es überhaupt noch eine buddhistische
Zeremonie? Politische Einflüsse – etwa bei der
Propagierung des Buddhismus durch den König und heute den Staat – lassen sich ebenso
ausmachen wie die Orientierung am Erntekaepoc 01/2010
Geschmückt mit unzähligen
roten Glühbirnen ziehen die
Elefanten der Esala Perahera
ab dem fünften Tag durch das
erleuchtete Kandy. Das Haupttier (Mitte) trägt Symbol des
Buddhismus, die Zahnreliquie
Buddhas, durch die Straßen.
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Schließlich gelangte der Zahn aber in den
Tempel Dalada Maligava im neuen Machtzentrum Kandy. Die ehelichen Verbindungen der
singhalesischen Herrscher mit den hinduistischen Tamilen aus Südindien und der spätere
Kolonialismus hatten den Einfluss des Buddhismus jedoch seit etwa 150 v. Chr. zurückgedrängt. 1775 ließ König Kirthi Sri Rajasinghe
eine Prozession veranstalten, bei der vier Festzüge, die ursprünglich hinduistischen Göttern
gewidmet waren, integriert wurden. Auf diese
Weise leitete er ein erneutes Erstarken des Buddhismus ein. So wurde der Zahn zu einem Symbol der Herrschaftslegitimation in Sri Lanka,
dessen sich auch die gegenwärtigen Machthaber bedienen, indem sie das Fest für ihre politischen Zwecke nutzen.
Die Feiern beginnen mit kleinen Umzügen
an den Tempeln der Götter Natha, Wischnu,
Kataragama und Pattini. Diese haben eindeutig einen hinduistischen Hintergrund, der
Großteil der heutigen singhalesischen Bevölkerung hält die Götter aber für buddhistische
Wächtergottheiten.
Im Rahmen der Vorrituale des Fests tragen
Gläubige an fünf Abenden Insignien dieser
Götter jeweils um deren Tempel. Seit Jahrhunder-ten wurden sie vermutlich in einer eigenen
Prozession gefeiert, ohne dass sie mit dem Buddhismus in Verbindung gebracht worden wären. Erst König Kirthi Sri Rajasinghe hatte im
18. Jahrhundert dafür gesorgt, dass diese Festzüge zu einem – zumindest von Herrscherseite
aus – überwiegend buddhistisch geprägten Ereignis wurden.
Bei den kleinen und großen Umzügen ist die
streng geregelt, in welcher Reihenfolge die Teilnehmer durch die Stadt ziehen. So geht bei der
Kataragama-Prozession der Träger einer buddhistischen Fahne voran, gefolgt von dem Träger einer weißen Fahne mit einem Pfau, dem
Reittier Kataragamas, einem Schalmeispieler
und Trommlern sowie Träger von Weihrauch.
Unter einem Baldachin folgen anschließend
die verdeckten Insignien des Gottes.
Ihm folgen drei buddhistische Mönche, ein
hinduistischer Priester und weitere Würdenträger. Sie umkreisen den Tempel dreimal. Obgleich singhalesische Buddhisten die Rituale
im Gebäude leiten, werden die zahlreichen
Gottheiten in der Umgebung des Tempels von
einem tamilischen Brahmanen versorgt, wobei die Mönche nur zuschauen. Wieder vermischen sich die Religionen, deutlich markiert
durch ethnische Grenzen etwa zwischen Singhalesen und Tamilen.
lender. Wie viele Feste in Südasien finden die
Prozessionen während des Monsuns statt. »Regen muss während der Esala Perahera fallen«,
sagen die Einheimischen, und der nach dem
Mondkalender berechnete Monat Esala, der
sich über Teile von Juli und August erstreckt, gilt als Regenmonat. Vieles ist auch zu einem
touristischen Ereignis geworden.
Vor allem mischen sich aber genau wie in
Nepal volksreligiöse, hinduistische und buddhistische Elemente. Dieses Phänomen zeigt
sich fast überall, wo der Buddhismus an Einfluss gewonnen hat – von Indien bis Japan, von
Tibet bis Sri Lanka. Ist der Buddhismus so lückenhaft, dass er darauf angewiesen ist, bestimmte Bedürfnisse auf andere religiöse Elemente zurückgreifen?
Forscher sprechen von Synkretismus, wenn
sich Religionen mischen. Doch haben der Göttinger Indologe Heinz Bechert sowie der Buddhismusforscher Richard Gombrich aus Oxford und der Ethnologe Gananath Obeyesekere
aus Princeton/Kandy in verschiedenen Publikationen zu Recht darauf hingewiesen, dass
dieser Begriff in Bezug auf den Buddhismus in
Sri Lanka unzutreffend ist: Buddha hat nicht
geleugnet, dass es Götter gibt. Er hat sie aber einer niederen Sphäre zugeordnet, auf der sie
nicht die Allmacht wie im Hinduismus besitzen. Die Lehre des Buddhas gilt nach wie vor
auf einer höheren Ebene, auf der die Götter
und die ihnen gewidmete Rituale keinen Platz
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haben und in der es hauptsächlich um Erleuchtung geht. Aber das hindert die Gläubigen nicht
daran, Götter und andere Wesen – ohne Anspruch auf Erlösung – um Beistand zu bitten.
Gewissermaßen wird damit für die meisten
die hohe Lehre Buddhas erst möglich.
Zugleich bietet diese auch den Hintergrund
und die Rechtfertigung für andere und neue
Formen der religiösen Betätigungen. Buddha
hat ja gelehrt, dass jeder die Erleuchtung in sich
selbst suchens soll. Nicht ganz in seinem Sinn,
aber doch in einer individualistischen Tendenz
gestalten sich buddhistische Gemeinschaften
ihre jeweils eigenen lokalen und regionalen Religionsformen.
In Nepal werden deshalb hinduistische
Bräuche übernommen. In Sri Lanka erfüllen
hinduistische Götter und Volksgottheiten in­
dividuelle Wünsche und das Bedürfnis nach
andächtiger Hingabe. In Japan können bei vielen Schinto-Schreinen, aber inzwischen auch
an buddhistischen Tempeln Amulette oder
Schutzzeichen gekauft werden. Dabei handelt
es sich um kleine bestickte Stoffbeutel mit
schützenden Schriftzeichen für durchaus weltliche Ziele: Schwangerschaft, glückliche Ehe
oder unfallfreies Autofahren. Der Buddha hätte bei dergleichen vermutlich geschwiegen und
milde gelächelt. Ÿ
Axel Michaels ist Professor für Indologie an
der Universität Heidelberg.
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Bildunterschrift Feugait praessequisi bla consequisi. To odolore raesto odolum iustinit ipit praesto eugiat ad et
Pullquote Feugait praessequisi bla consequisi. To odolore raesto odolum iustinit
ipit praesto eugiat ad et
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