101 arznei-telegramm 10/96 Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Korrespondenz SPÄTDYSKINESIEN UNTER MOCLOBEMID Clozapin: LEPONEX (A, CH) Seit Sommer 1995 behandelte ich eine 45jährige Patientin erfolglos wegen einer agitierten Depression mit verschiedenen Antidepressiva. Vorher hatte sie allenfalls einmal vor Jahren Neuroleptika erhalten, wies jetzt aber bei Behandlungsbeginn definitiv keine Spätdyskinesien auf. Erst als ich sie Ende des Gentamicin: Jahres auf Moclobemid (AURORIX), zunächst 300 mg, dann 600 mg täglich einREFOstellte, kam es nach 10 Tagen zu Hyperkinesien der Zunge, die sie in typischer BACIN Weise verleugnete und auf den schlechten Sitz ihrer Zahnprothese zurückführte. (A) Bei Konsultationen am folgenden Tag und nach 5 Tagen war diese Symptomatik CIDOMYCIN unverändert; danach erschien die Patientin nicht mehr, so daß der weitere Ver(CH) lauf ungewiß bleibt (NETZWERK-Bericht 8674). Spätdyskinesien sind nach Angaben der Herstellerfirma Hoffmann-La Moclobemid: Roche und der maßgeblichen Literatur (z.B. BENKERT 1) bisher nicht als NebenAURORIX wirkung von Moclobemid bekannt. Moclobemid soll keine dopaminantagonisti(A, CH) sche Wirkung haben, ist aber ein Benzamid (wie z.B. der Dopaminantagonist Sulpirid [DOGMATIL u.a.]) und kann den Prolaktinspiegel erhöhen (wie alle NeuMoxaverin: roleptika außer Clozapin [LEPONEX]). Die Vermutung liegt nahe, daß einer der in zahlreichen Metabolite von Moclobemid ein Dopaminantagonist und als solcher HEDONIN für diese Nebenwirkung verantwortlich ist. (A) Im übrigen sind meiner Erfahrung nach auch unter Sulpirid Spätdyskinesien keineswegs so selten, wie die Literatur und die Herstellerfirmen glauben maNetilmicin: chen wollen. Sie sind allerdings in der Regel diskret, was nicht unbedingt nur CERTOdem besonders günstigen Nebenwirkungsprofil der Substanz, sondern auch ihrer MYCIN geringen neuroleptischen Potenz zuzuschreiben sein mag. (A) #23 NETROMYCIN (CH) Papaverin: in MYOCARDON (A) SPASMOSOL (CH) Sulpirid: DOGMATIL (A, CH) 1 BENKERT, O., H. HIPPIUS: „Psychiatrische Pharmakotherapie”, 6. Aufl., Springer, Berlin 1996 J. F. GRÜNER (Arzt f. Neurologie und Psychiatrie) D-60318 Frankfurt In unserem NETZWERK kennen wir zwei weitere Verdachtsberichte zu Neuroleptika-typischen Bewegungsstörungen unter Moclobemid: Bei einer 59jährigen fallen nach zweitägiger Einnahme Torsionsdystonie im Mund/Gesichts-Bereich und nach erneutem sechstägigem Gebrauch orofaziale Automatismen unter Beteiligung des Halsmuskels Platysma auf (Bericht 6507). Ein 46jähriger entwickelt ab drittem Einnahmetag ein PARKINSON-Syndrom mit leichtem bis mäßigem Rigor, vermindertem Mienenspiel, verlangsamter Diadochokinese, leicht beeinträchtigter Sprache und einem deutlich parkinsonoiden Gangbild – Beschwerden, die der Patient selbst als „fast wie bei FLUANXOL” (Flupentixol) beschreibt (8681). Die Störungen bessern sich jeweils nach Absetzen des reversiblen MAO-A-Hemmers, –Red. AMINOGLYKOSIDE – EINMALDOSIERUNG BEI NIERENINSUFFIZIENZ? #24 #25 Die tägliche Einmal-i.v.-Anwendung von Aminoglykosid-Antibiotika ist bei Nierengesunden etabliert. In der Intensivmedizin ist die eingeschränkte Nierenfunktion ein häufiger Befund, deshalb folgende Fragen: Gibt es ein erprobtes Einmal-täglich-Dosierschema für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion? Wie sollte in einem solchen Fall das „drug-monitoring” konzipiert sein, insbesondere welcher Talspiegel ist anzustreben? Dr. H. HÜRTER (Oberarzt, Städt. Krankenhaus) D-31134 Hildesheim Nach zwei aktuellen Metaanalysen von 13 bzw. 21 randomisierten Studien mit nierengesunden Patienten erzielen Aminoglykoside bei Einmaldosierung mindestens ebenso hohe Heilungsraten wie bei Verteilung der Tagesdosis. Einmal täglich infundiert schädigen die Antiinfektiva das Innenohr nicht häufiger als bei konventionellem Schema, wirken aber wahrscheinlich weniger nephrotoxisch.1,2 Aussagekräftige Untersuchungen zur Einmaldosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion sind uns nicht bekannt. Ein erprobtes Regime fehlt daher für die im übrigen bei Niereninsuffizienz nicht zugelassene Einmaldosierung. Bakterizide Wirksamkeit und Dauer des sogenannten postantibiotischen Effektes der Aminoglykoside hängen unter anderem von der erreichten Spitzenkonzentration ab. Um die Toxizität kleinzuhalten, sollen die Serumspiegel möglichst täglich nahezu auf Null sinken. Erhielten Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion die für Nierengesunde empfohlene Einmaldosis, müßten bis zum Erreichen von Serumspiegeln nahe Null mehrere Tage abgewartet werden. Ein optimaler bakterizider Effekt würde so mit erhöhter Giftigkeit erkauft, und der zeitlich begrenzte postantibiotische Effekt könnte das Bakterienwachstum bis zur Folgeinjektion nicht ausreichend hemmen. Unter Berücksichtigung der spärlichen Daten zur Einmaldosierung von Aminoglykosiden bei Patienten mit Nierenfunktionsstörung wird derzeit empfohlen, ein Intervall von 24 Stunden beizubehalten, die Dosis aber so zu verringern, daß die Talspiegel z. B. von Gentamicin (REFOBACIN u.a.) und Netilmicin (CERTOMYCIN) sicher unter 1 mg/l, möglichst sogar nahe Null liegen.3,4 Die Spitzenspiegel bleiben dann jedoch deutlich niedriger als beim Anwendungsregime für Nierengesunde, –Red. 1 2 3 4 HATALA, R. et al.: Ann. Intern. Med. 124 (1996), 717 BARZA, M. et al.: Brit. Med. J. 312 (1996), 338 ROTSCHAFER, J. C., M. J. RYBAK: Ann. Pharmacother. 28 (1994), 797 KUMANA, R. C., K. YUNG YUEN: Drugs 47 (1994), 902 MOXAVERIN GEGEN OHRGERÄUSCHE? Wie beurteilen Sie das u.a. in der Bild-Zeitung beworbene Moxaverin (CERTONAL) zur Therapie von Tinnitus? Der Beipackzettel des rezeptfrei verkäuflichen Arzneimittels beschreibt keine Nebenwirkungen, obwohl derartige (Kopfschmerzen, Schwindel etc.) für Moxaverin in der Literatur u.a. im „MUTSCHLER”1 beschrieben werden. P. HEIFT (Apotheker) D-50374 Erftstadt 1 MUTSCHLER, E.: „Arzneimittelwirkungen”, 6. Aufl., Wissenschaftl. Verlagsges., Stuttgart 1991, Seite 276 Das mit dem spasmolytisch wirkenden Opiumalkaloid Papaverin (PAVERON u.a.) strukturverwandte Moxaverin (CERTONAL, KOLLATERAL) wird gegen Durchblutungsstörungen z.B. der Hirn- oder Herzkranzgefäße angeboten. Zugrunde liegen veraltete Vorstellungen über die Bedeutung von Gefäßspasmen bei Ischämien. Kontrollierte klinische Studien, die einen Nutzen belegen, gibt es nicht. Ohrgeräusche sprechen in der Regel unzureichend auf Spasmolytika und andere „Durchblutungsförderer” an (a-t 5 [1988], 42). #54 UMCKALOABO: EIN PFLANZLICHES ANTIBIOTIKUM? In der letzten Zeit kamen zwei Mütter mit der Frage auf mich zu, warum ich nicht ein pflanzliches Antibiotikum, nämlich UMCKALOABO, verschreiben würde. Sie verstanden „pflanzlich” als nebenwirkungsarm... Was ist von dieser Substanz zu halten, die in der Roten Liste als erstes Medikament unter der Rubrik „Antibiotika” steht? A. RÖMHILD (Kinderarzt und Anästhesist) D-22299 Hamburg Die als „natürliche Alternative bei Atemwegsinfektionen” beworbenen UMCKALOABO Tropfen erscheinen 1995 erstmals unter den 2000 meistverordneten Arzneimitteln (Rang 1891).1 In mehrbändigen Nachschlagewerken wie dem HAGER finden die enthaltenen Auszüge aus den Wurzeln der südafrikanischen Geranienart Pelargonium reniforme/sidoides keine Erwähnung. Die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Beobachtungsstudien 2-4 auf der Basis subjektiver Einschätzungen ohne Kontrollgruppen erlauben keine Rückschlüsse auf einen Nutzen. Wer akute und chronische bakterielle Infektionen der Atemwege und des HNO-Bereiches mit nicht standardisierten Pflanzenpräparaten behandelt, riskiert einen Kunstfehler. Wegen mangelhafter Wirksamkeit sind Patienten, beispielsweise mit Streptokokkenangina, nicht vor Spätfolgen geschützt. Die Droge enthält verschiedene Cumarine,5 die Störwirkungen durch Hemmung der Blutgerinnung verursachen könnten, –Red. #26 #27 1 2 3 4 5 SCHWABE, U., D. PAFFRATH (Hrsg.): „Arzneiverordnungs-Report ‘96”, Fischer, Stuttgart, 1996, Seite 60 und 72 KÖNIG, I.: Therapiewoche 45 (1995), 1123 DOME, L., R. SCHUSTER: Ärztez. f. Naturheilverf. 3 (1996), 216 HEIL, C. et al.: TW Pädiatrie 7 (1994), 523 KOLODZIEJ, H., O. KAYSER: Dtsch. Apoth. Ztg. 135 (1995), 853