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aus Jahresbericht 2005
Abb. 1: Reinkultur des insektenpathogenen Bakteriums Photorhabdus luminescens, mikroskopisch
vergrößert. Eine Zelle ist etwa 0,005 mm lang.
Die leuchtende Pest – Biolumineszente Bakterien
terrorisieren Insektenlarven
Dr. Ralf Heermann
Es passiert alles im Dunklen eines
Erdklumpen, der sich sowohl im
Boden in der weiten Prärie als auch
in unseren Vorgärten befindet: kleine transparente, etwa 1 mm lange
juvenile Fadenwürmer mit dem lateinischen Namen Heterorhabditis bacteriophora sind auf der Suche nach
einem Opfer. In ihrem Vorderdarm
tragen sie eine todbringende Waffe
mit sich – Bakterien der Art Photo-
rhabdus luminescens (Abb. 1). Die
Bakterien sind nahe Verwandte von
Yersinia pestis, dem Erreger der todbringenden Beulenpest, welche im
Mittelalter Millionen von Menschen
den qualvollen „Schwarzen Tod“
brachte. Doch die todbringende
Waffe der Fadenwürmer, die auch
als Nematoden bezeichnet werden,
gilt nicht uns Menschen, sondern
nichts ahnenden Insektenlarven, die
im Boden verweilen. Die Nematoden
sind nicht wählerisch: ob Schmetterlings-, Käfer-, Fliegen- oder Ameisenlarve – kommen sie an einer solchen
vorbei, dringen sie in das Hämocoel
der Larve ein und würgen die todbringenden Bakterien direkt in die
Hämolymphe. Die Bakterien produzieren so genannte Insektizid-Toxinkomplexe, die zu einem schnellen
Tod der Larve führen, so dass diese
Abb. 2: Infektions- und Symbiosezyklus von Photorhabdus luminescens. Die Bakterien besiedeln den Vorderdarm von Fadenwürmern (Nematoden) der Art Heterorhabditis bacteriophora. Beim Befall einer Insektenlarve injizieren die Würmer die Bakterien in die Hämolymphe der Insektenlarven, worauf die Bakterien spezifische Bioinsektizide bilden, die zu einem schnellen
Tod der Larve führen. Durch die bakterielle Produktion von speziellen Abbauenzymen wird der Kadaver zerlegt und dient
sowohl den Bakterien als auch den Nematoden als Nährstoffquelle. Die Produktion von Antibiotika durch P. luminescens
schützt den Kadaver vor dem Befall anderer Bakterien. Zusätzlich wird die Reproduktion der Würmer durch P. luminescens
aktiv unterstützt. Weiterhin kommt es zur Produktion von Licht durch die Bakterien (Biolumineszenz). Hat die Larve als Nährstoffquelle ausgedient, reassoziieren die Würmer und die Bakterien, verlassen den Kadaver und der Zyklus beginnt erneut.
Abb. 3: „Quorum sensing“ in Photorhabdus luminescens. In P. luminescens wird
durch die vorhandenen „Quorum sensing“-Komponenten nicht wie bei anderen
Bakterien die Zelldichte der eigenen Art „gemessen“, sondern vermutlich die
Präsenz anderer Arten detektiert. Die von P. luminescens über die 37 LuxRRezeptoren wahrgenommenen Signalmoleküle, werden wahrscheinlich von den
Insektenlarven, den Nematoden und/oder anderen Bakterien gebildet. Welche
Eigenschaften in P. luminescens über dieses „Quorum sensing“ reguliert werden
und welche Signalmoleküle daran beteiligt sind, ist bisher nicht bekannt.
etwa 48 Stunden nach Invasion der
Würmer stirbt. In der noch sterbenden Insektenlarve beginnt eine rasche
Vermehrung sowohl der Bakterien
als auch der Nematoden, wobei die
Reproduktion der Würmer von den
Bakterien durch einen noch unbekannten Mechanismus aktiv unterstützt wird. Der Kadaver der Insektenlarve wird mit Hilfe von P. luminescens
durch die Bildung von Exoenzymen
(Proteasen, Lipasen) zu Nährstoffen
aufbereitet, die sowohl die Bakterien als auch die Nematoden nutzen.
Weiterhin produziert P. luminescens
Antibiotika, die den Kadaver vor dem
Befall anderer Bakterien (wie z. B.
Bodenbakterien oder insekteneigene
Darmbakterien) schützen. Eine als
Bodenbakterium einzigartige Fähigkeit von P. luminescens ist die Produktion von Licht durch ein spezielles
Enzym (Luciferase), auch Biolumineszenz genannt, welche ansonsten nur
für marine Bakterien bekannt ist.
Durch die starke Vermehrung der
Bakterien im Insektenkadaver beginnt
die tote Insektenlarve im Boden zu
leuchten, wobei die Bedeutung für
diese Eigenschaft bisher wenig verstanden ist. Es werden mehrere Möglichkeiten diskutiert: zum einen könnte die stark Sauerstoff-verbrauchende
Luciferase die Bakterien vor toxischen
Sauerstoffradikalen in der Hämolymphe schützen, zum anderen könnte
ein weiteres Opfer durch das Licht im
Boden angelockt oder kleine Säugetiere vor dem Verzehr der Larve abgeschreckt werden. Nach etwa 10 -14
Tagen, wenn der Kadaver als Nährstoff- und Reproduktionsort ausgedient hat, kommt es zur Reassoziation von Nematoden und Bakterien,
Abb. 4: Die Quantifizierung der Biolumineszenz
im Laboralltag. Im linken Bildrand sind Kolben mit
Flüssigkulturen von Photorhabdus luminecens zu
sehen. Die Biolumineszenz dieser Kulturen wird
im Luminometer (Bildmitte) quantifiziert.
und die ausschwärmenden Würmer
und ihre Waffen im Vorderdarm
machen sich auf die Suche nach
neuen Opfern (Abb. 2).
Mein Forschungsprojekt beschäftigt sich mit dem „Quorum sensing“
von P. luminescens. Als „Quorum
sensing“ wird die Fähigkeit von Bakterien bezeichnet, miteinander zu
kommunizieren. Sie erlaubt es den
Zellen einer Suspension durch Autoinduktion die Zelldichte der Population zu messen und darauf zu reagieren. Bakterien, die das „Quorum
sensing“ nutzen, produzieren und
sekretieren Signalmoleküle (Homoserinlactone), die als Autoinduktoren
bzw. als Pheromone wirken. Diese
Signalmoleküle werden kontinuierlich
ins Medium abgegeben. Je höher
also die Zellzahl ist, desto höher ist
auch die Konzentration dieser Signalmoleküle. Wenn die Konzentration
einen Schwellenwert überschreitet,
setzt über einen spezifischen Rezeptor (LuxR) die Autoinduktion ein und
es werden verschiedene Gene aktiviert. Durch solche Systeme wird
bei anderen Mikroorganismen z. B.
die Biolumineszenz, die Biofilmbildung, Virulenz oder die Synthese
von Antibiotika gesteuert. In P. luminescens gibt es in Bezug auf ein solches „Quorum sensing“-System zwei
Besonderheiten: zum einem ist die
die Anzahl an LuxR-Rezeptoren mit
37 ungewöhnlich hoch (gewöhnlich
findet man einen oder zwei LuxRRezeptoren), und zum anderen synthetisieren die Bakterien kein eigenes
Signalmolekül (Homoserinlakton).
Das könnte bedeuten, dass die Bakterien keine eigene Sprache „sprechen“, aber dafür viele „verstehen“
können. Eine Möglichkeit wäre, dass
Signalmoleküle der Nematoden und
Insektenlarven wahrgenommen werden können, so dass P. luminescens
stets „weiss“, in welchem Wirt er sich
befindet, um sich optimal anpassen
können. Zum anderen könnten aber
auch Signalmoleküle von anderen
Bakterien, wie Bodenbakterien oder
insekteneigene Darmbakterien,
wahrgenommen werden (Abb. 3).
Um das „Quorum sensing“-System
von P. luminescens besser zu verstehen, inaktivieren wir gegenwärtig die
37 luxR-Rezeptorgene. Somit wollen
wir durch Analyse der Phänotypen
dieser Mutanten Eigenschaften finden, die von den LuxR-Rezeptoren
reguliert werden. Wir haben bereits
ein Infektionsmodell etabliert, in dem
die Pathogenität von P. luminescens
direkt in Wachsmottenlarven durch
die Mortalitätsrate der Insekten bestimmt werden kann. Somit kann der
Phänotyp „Pathogenität“ der einzelnen Mutanten später direkt im lebenden System analysiert werden. Ausserdem etablieren wir gerade ein
Testsystem, mit Hilfe dessen die in
Insektenlarven und Nematoden regulierten Gene allgemein identifiziert
werden sollen. Zukünftig soll dann
die Frage mit Hilfe der P. luminescens luxR-Mutanten geklärt werden,
welche dieser Gene durch die LuxRRezeptoren reguliert werden.
Weiterhin untersuchen wir gegenwärtig die Biolumineszenz von P.
luminescens. Dabei sollen zunächst
die Fragen geklärt werden, inwiefern
und wie die Produktion von Licht auf
genetischer Ebene reguliert, welches
Signal zur Steuerung der Lichtproduktion verwendet wird und inwiefern hier „Quorum sensing“-ähnliche
Regulationsmechanismen beteiligt
sind. Um Lumineszenz zu detektieren und quantifizieren zu können,
wurde das Projekt von der Münchener Universitätsgesellschaft durch
die Finanzierung eines Luminometers unterstützt (Abb. 4). Gegenwärtig wird die Wachstumsphasenabhängige Lumineszenz sowie der
Einfluß von Hämolymphe bzw. Larven-/Nematodenhomogenisat auf
die Lumineszenz untersucht, um
mögliche Signalmoleküle, welche die
Lumineszenz beeinflussen, zu finden.
Es ist sicher, dass in P. luminescens
die Biolumineszenz anders als in
anderen Bakterien reguliert wird. Hier
könnten eukaryotische Signalmoleküle (von den Insektenlarven und/
oder den Nematoden) an der Regulation beteiligt sein. Somit wollen wir
ein bisher noch unbekanntes und
neuartiges Kommunikationssystem
zwischen Bakterien und Eukaryonten, welches die Biolumineszenz
reguliert, beschreiben, um zur Aufklärung der Frage „Warum leuchten tote
Insektenlarven im dunklen Boden“
beizutragen.
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Department Biologie I
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