Die nekrotisierende Fasziitis und schwere Weichteilinfektionen

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M E D I Z I N
AKTUELL
Peter Kujath
Christian Eckmann
Die nekrotisierende
Fasziitis und schwere
Weichteilinfektionen durch
Gruppe-A-Streptokokken
Diagnose, Therapie und Prognose
ZUSAMMENFASSUNG
Stichwörter: Weichteilinfektionen, nekrotisierende Fasziitis, Gruppe-A-Streptokokken, STSS (streptokokkenassoziiertes toxisches Schock-Syndrom), chirurgische Therapie
Der Zeitpunkt und das Ausmaß der operativen Intervention sind die entscheidenden prognostischen Faktoren in der
Behandlung der nekrotisierenden Fasziitis. Die Diagnose
wird primär klinisch gestellt. Um eine
frühzeitige und standardisierte operative Therapie zu ermöglichen, muß der diagnostische
Zeitraum effizient genutzt und möglichst klein gehalten
werden. Bei standardisierter Therapie läßt sich die ansonsten hohe Letalität deutlich senken.
Key words: Soft tissue infection, necrotizing fasciitis, STSS
(streptococcal toxic shock syndrome), surgical treatment
The similarities and differences between necrotizing fasciitis, streptococcal myositis and streptococcal toxic shock
syndrome in terms of diagnosis, treatment
and prognosis are presented. The differential
diagnosis and surgical as well as adjuvant treatment will
be discussed.
G
SUMMARY
ruppe-A-Streptokokken ge- krates eine „Rose“ Erwähnung findet, Pfanner 1918 das klinische Bild des
hören zu den wesentlichen deren klinische Beschreibung auffälli- „nekrotisierenden Erysipels“ und sah
weltweit verbreiteten human- ge Parallelen zum Symptombild der erstmals die Streptokokken als verurpathogenen Keimen. Eine weite NF aufweist (11). Der amerikanische sachenden Keim an (24). Für den angSpannbreite von konservativ
loamerikanischen Bereich fand
zu behandelnden ErkrankunMeleney 1924 den Terminus „heDiagnosekriterien der
gen wie zum Beispiel Scharmolytic streptococcal gangrene“
nekrotisierenden Fasziitis*
lach, Impetigo oder Erysipel
(23). Im Jahr 1954 prägte Wilson
wird durch diesen ubiquitär an- l Extensive Nekrose der Faszie mit Ausdehnung
den heutigen Begriff der nekroauf die angrenzende Haut
zutreffenden
Mikroorganistisierenden Fasziitis (39). Die
mus verursacht. Im Mai 1994 l Mittlere bis schwere Systemintoxikation mit ver1883 von Fournier beschriebene
mindertem mentalen Status
stieß eine gehäufte Anzahl inGangrän des Hodens ist ihrer
vasiver Streptokokkeninfek- l Fehlen einer primären Muskelbeteiligung
ätiologischen, klinischen und hitionen in der englischen Graf- l Fehlen von Clostridien im Wundabstrich
stologischen Parallelitäten wegen
schaft Gloucestershire auf l Fehlen eines ursächlichen Gefäßverschlusses
als anogenitale Manifestationsein großes Medieninteresse l Leukozyteninfiltration, fokale Nekrosen der Fasform der NF aufzufassen (8, 18).
(„flesheating bacteria“) (36).
Der vorliegende Artikel bemüht
zie und des umgebenden Gewebes sowie mikroDas neuerliche Wiederaufsich um eine Abgrenzung der
vaskuläre Thrombosen bei der histologischen Unkommen invasiver Gruppe-AKrankheitsbilder der nekrotisietersuchung
Streptokokkeninfektionen der * nach Fisher 1979
renden Fasziitis, der StreptokokHaut und des Weichteilgewebes
kenmyositis, des streptokokkenrichten die wissenschaftliche
assoziierten toxischen Schockund öffentliche Aufmerksamkeit auf Kriegschirurg J. Jones beschrieb 1871 Syndroms (STSS) sowie anderer
lebensbedrohliche Verläufe, die durch im Zusammenhang mit dem amerika- schwerer Weichteilinfektionen.
eine nekrotisierende Fasziitis oder nischen Sezessionskrieg über 2 000 FälMyositis kompliziert werden können le, die mit dem Krankheitsbild der NF
(2, 5, 13, 17, 36). Berichte mit größeren vereinbar sind (15). Ebenfalls als FolDefinition
Fallzahlen über die nekrotisierende ge von Kriegsereignissen formulierte
Die nekrotisierende Fasziitis ist
Fasziitis (NF) haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen (7, 10, 14, 28, Klinik für Chirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. eine lebensbedrohliche Weichteilin34, 37). Die medizinhistorische For- H.-P. Bruch), Medizinische Universität zu fektion, die durch sich foudroyant ausbreitende Nekrosen der betroffenen
schung belegt, daß bereits bei Hippo- Lübeck
A-408
(36) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 8, 20. Februar 1998
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Faszien gekennzeichnet ist. Fisher definiert sechs Diagnosekriterien (Textkasten: Diagnosekriterien) (8). Es handelt sich um eine bakterielle Infektion,
die grundsätzlich alle Faszienstrukturen des Körpers betreffen kann. Eine
größere Anzahl aerober und anaerober Mikroorganismen wurden von
verschiedenen Autoren isoliert.
Guiliano, der über 75 verschiedene Bakterien nachwies, differenzierte
1977 zwei verschiedene Typen von nekrotisierender Fasziitis:
! Typ 1 beschreibt eine synergistisch wirkende, anaerob-aerobe
Mischinfektion.
! Bei dem Typ 2 werden Gruppe-A-Streptokokken (GAS) als alleinverursachender Keim gegebenenfalls in Verbindung mit Staphylococcus aureus oder Staphylococcus epidermidis nachgewiesen (10).
Streptokokken-induzierte Fälle
von nekrotisierender Fasziitis treten
etwa drei- bis viermal seltener auf als
polymikrobielle Infektionen. Besonders die stammnahen Fälle einer nekrotisierenden Fasziitis sind regelhaft
mit einer polymikrobiellen, zum Teil
anaeroben Flora vergesellschaftet.
Gruppe-A-Streptokokken lassen sich
hierbei in der Regel nur selten nach-
nen in den USA und Skandinavien Ende der 80er Jahre wurden wiederholt
Krankheitsbilder beschrieben, die im
Jahr 1992 als „streptococcal toxic
shock syndrome“ (STSS) definiert
wurden (siehe Podbielski et al.) (1, 6,
12, 28, 32, 33, 38). Das Syndrom ist gekennzeichnet duch ein schweres sepHäufig auftretende Befunde bei
nekrotisierender Fasziitis
l starker Schmerz (später durch
Zerstörung der Neurone
nachlassend)
l unscharf begrenztes Erythem
l ausgeprägtes, über Erythem
hinausreichendes Ödem
l livide, landkartenartige, nach
zentral zunehmende
Hautverfärbungen
l verminderter mentaler
Status (zum Beispiel
Desorientiertheit, Somnolenz)
l fehlende Lymphadenopathie
tisches Zustandsbild mit Hypotonie,
Nierenversagen und multiplen Organdysfunktionen bei Nachweis von
Gruppe-A-Streptokokken. Die durch
GAS verursachte nekrotisierende Fas-
Abbildung 1: Die mikroskopische Veränderungen bei einer nekrotisierenden Fasziitis (Fibrillolysen, lokale Abzidierungen). (Färbung des Präparates mit Hämatoxylin-Eosin, Vergrößerung 1 : 400).
weisen, finden sich jedoch häufiger in
den Fällen, in denen die Extremitäten
befallen sind (10, 14, 26).
Nach dem vermehrten Auftreten
von invasiven Streptokokkeninfektio-
ziitis muß heute als fakultative Untergruppe des strepotokokkenassoziierten toxischen Schock-Syndroms angesehen werden. Die Streptokokkenmyositis ist eine schwere Infektion
durch GAS, die initial im Muskelgewebe lokalisiert ist. Meist werden die
Keime durch ein Bagatelltrauma inokuliert. Es tritt eine rasche Myolyse
ein. Das nachfolgende Ödem führt
zur Kompression muskelversorgender
kleiner Gefäße.
Die Möglichkeit, dem steigenden
Gewebedruck durch Ausdehnung der
Weichteile zu entgehen, ist besonders
im Bereich der unteren Extremität
duch die umgebenden Faszien limitiert. Eine ausgeprägte Muskelnekrose folgt, die sich entlang der Muskelfasern ausbreitet und durch pathogene Komponenten der Streptokokken
unterstützt wird (3, 29).
Histologische
Veränderungen
Histologisch unterscheiden sich
die nekrotisierende Fasziitis und die
Weichteilinfektion beim STSS nicht.
Es zeigt sich zunächst eine massive
polymorphkernige Infiltration der
Faszie, die sich insbesondere perivaskulär fokussiert. Gelegentlich lassen
sich Bakterien nachweisen. In der
Folge thrombosieren dann Faszienkapillaren der durch die Faszie perforierenden Muskelgefäße. Primär ist
also die Muskulatur selbst nicht betroffen. Daraufhin entstehen eine
Kolliquationsnekrose der Faszie sowie destruierende Prozesse in Subkutis und Kutis, die das ursprüngliche
Gewebe nicht mehr voneinander differenzieren lassen (Abbildung 1) (20,
30). In Spätstadien kann dann auch
die Muskulatur befallen sein (8, 14,
18, 27, 29).
Bei der Streptokokkenmyositis
lassen sich die oben geschilderten
Veränderungen primär im Muskelgewebe nachweisen. Insbesondere finden sich gehäuft grampositive Kokken zwischen den Myofibrillen, die im
späteren Verlauf nekrotisch kolliquieren (21, 29).
Symptomatologie
Der entscheidende Schritt für das
Überleben der Patienten mit NF liegt
in der frühzeitigen Diagnose. Diese
beruht – da es keine beweisenden Laborparameter gibt – primär auf dem
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 8, 20. Februar 1998 (37)
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klinischen Bild (Textkasten: Häufig Schocks mit Multiorganversagen. Oft
Diagnose
auftretende Befunde) (18, 20). Die Er- ist dabei zunächst die Niere betroffen.
Primär wird die Diagnose einer
reger treten meist über kleinere Wun- Das Auftreten eines generalisierten
den nach zum Teil nicht erinnerlichen Flush ist nicht obligat (1, 2, 32, 40). In NF klinisch gestellt (Textkasten: Häufig auftretende Befunde). Wegen der
Traumen, über Ulzera oder
fatalen Konsequenzen einer verzöpostoperativ in den Fasziengerten Therapie muß der diagnostibereich ein. Charakteristische Zeitraum effizient genutzt und
sches Leitsymptom der nemöglichst klein gehalten werden. Eikrotisierenden Fasziitis ist
ne umfassende mikrobiologische
der außerordentliche lokale
Diagnostik ist erforderlich, um das
Schmerz („pain out of promeist weite Erregerspektrum zu erportion“), welcher durch die
fassen. Stamenkovics berichtet über
Ischämie der Faszie hervoreine Biopsie aus dem betroffenen Begerufen wird. Mit fortschreireich mit anschließender Schnelltender Erkrankung treten
schnittuntersuchung (31). Das Vermakroskopische Verändefahren findet in der übrigen Literatur
rungen der Haut auf (Abbilnur selten Erwähnung. Bei unseren
dung 2). Eine markante Abbildung 2: Fotografie eines makroskopischen Vollbilds einer nePatienten erwies es sich als insensitiv
Schwellung, die auf einem krotisierenden Fasziitis
und führte zu einer zum Teil erhebliGewebsödem beruht, wird
oft von einem diffusen Erythem be- etwa der Hälfte der Fälle geht chen Verzögerung (18, 20). Demgegleitet. Die typischen lividen, land- das streptokokkenassoziierte toxi- genüber läßt sich in der Sonographie
kartenartigen Hautnekrosen mit oder sche Schock-Syndrom mit einer ne- als jederzeit verfügbarem nicht inohne Bullae sind als ein Spätstadium krotisierenden Fasziitis oder – selte- vasiven Verfahren ein echoarmer
aufzufassen. Die Fasziennekrose ist ner – einer Myositis einher (2, 28). In Saum zwischen Subkutis und Muskudabei durchweg bei weitem ausge- der überwiegenden Anzahl der Fälle latur nachweisen, der morphologisch
dehnter als die kutanen Veränderun- handelt es sich um im ambulanten Be- der Kolliquationsnekrose der Faszie
gen (Abbildung 3). Eine Crepitatio ist reich erworbene Infektionen. Nur ein entspricht (Abbildung 5) (18, 19).
in der Hälfte der Fälle nachweisbar geringer Teil ist nosokomialen Ur- Röntgenaufnahmen der betroffenen
Region können den Nachweis von
und weist auf eine Mischinfektion hin sprungs (36).
(18, 20, 27, 30).
Bei der Streptokokkenmyositis Gasbildung ergeben, welche meist
Meist erkranken Patienten höhe- besteht primär ein isolierter Befall jedoch bereits gut palpabel ist. Eiren Alters (> 65 Jahre), grundsätz- der Muskulatur. Am häufigsten ist ne Computertomographie oder ein
lich kann die Erkrankung jedoch in je- die untere Extremität unter dem MRT bringt nur selten weitere diadem Lebensalter auftreten. Diabetes klinischen Bild eines Kompartment- gnostische Informationen von entscheidendem Wert.
mellitus, eine arterielle VerschlußBei differentialdiakrankheit und Vaskulitiden werden als
gnostischer UngeRisikofaktoren erwähnt. Gehäuft finwißheit im Frühdet sich die Erkrankung bei Patienten
stadium der Ermit chronischem Alkoholmißbrauch
krankung sollte eioder intravenösem Drogenabusus. Eine Probeinzision
ne Immunsuppression durch Kortikoibis zur Faszie
de, Chemotherapeutika oder im Rahdurchgeführt wermen einer HIV-Infektion wird in Beden.
Makroskorichten mit größeren Fallzahlen gefunpisch charakteriden (14, 18, 26, 34, 37).
stisch ist eine grünDem STSS gehen oft entweder
lich
zerfließeneine Pharyngitis oder ein Bagatellde Kolliquationstrauma der Haut oder Schleimhäute
nekrose der Faszie.
voraus (zum Beispiel Schürfungen
oder Insektenstiche). Dabei tritt das Abbildung 3: Bild des gleichen Patienten wie in Abbildung 2 nach mehreren radi- Leicht läßt sich
Syndrom oft aus völligem Wohlbefin- kalen Débridements. Zu beachten sind die sauber granulierenden Wundareale. entlang der zerstörten Faszie eiden heraus auf bei ansonsten völlig
gesunden Personen jeglicher Alters- syndroms betroffen mit lokaler ne manuelle Dissektion durchfühstufe. Insbesondere im Kindesalter ist Schwellung und extremen Schmer- ren. Thrombosen kleinerer Gefäße
eine abgelaufene oder aktuelle Vari- zen. Eine Pulslosigkeit findet man imponieren krähenfußartig (10, 14,
zelleninfektion mit dem Auftreten ei- erst als Spätsymptom. Metastatische 16, 18).
Das streptokokkenassoziierte tones STSS assoziiert (38). Frühzeitig Absiedelungen an anderen Muskelund rasch kommt es zum klinischen partien werden in der Literatur be- xische Schock-Syndrom wird durch
den Nachweis von Gruppe-A-StrepBild eines fulminanten septischen schrieben (2, 3, 21).
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(38) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 8, 20. Februar 1998
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tokokken in normalerweise sterilen
Körperhöhlen diagnostiziert. Dabei
treten die klinischen Zeichen eines
septischen Schocks hinzu (siehe Pod-
überleben. Kaiser und Cerra konnten nachweisen, daß bei einer verzögerten oder nur eingeschränkt radikalen chirurgischen Therapie die Le-
programmierten Redébridements,
ist als Standard in der chirurgischen
Therapie der NF anzusehen (Abbildung 3) (18, 34, 41). Nur die vollstän-
Tabelle 1
Differentialdiagnose schwerer Weichteilinfektionen
Krankheit
Bakterien
Schmerzen
Erythem
Lymphangitis
Tiefe der
Nekrose
systemische
Toxizität
Therapie
nekrotisierende
Fasziitis
an-/aerobe
Mischinfektion
oder GAS
+++
++
(+)
Faszie
+++
operativ
Gasbrand
Clostridium spp. +++
+
(+)
Muskel
+++
operativ
Streptokokkenmyositis
GAS
+++
++
++
Muskel
+++
operativ
Erysipel
GAS
(+)
+++
++
(Haut)
(+)
konservativ
STSS ohne
Myositis/
Fasziitis
GAS
(+)
+++
++
Haut
+++
konservativ
Staphylococcal TSS
S. aureus
(+)
+
+++
Haut
+++
konservativ
– = fehlend, (+) = selten, + = in der Regel nachweisbar, ++ = ausgeprägt, +++ = sehr stark ausgeprägt, GAS = Gruppe-A-Streptokokken
bielski et al.) (40). Im Anfangsstadium besteht bei der Streptokokkenmyositis eine massive Spannung
der Muskulatur, die durch erhöhte
Kompartmentdruckwerte nachgewiesen werden kann. Nach operativer
Freilegung zeigt sich eine bräunlichlehmige Muskelnekrose. Die Erkrankung kann durch den Nachweis
von Streptokokken in der Muskulatur
histologisch verifiziert werden (3, 29).
talitätsziffern sprunghaft auf 75 bis
100 Prozent ansteigen (16). Inzision
und Drainage sind als Therapie für
die NF keinesfalls ausreichend. Eine
radikales Débridement, gefolgt von
Differentialdiagnose
Die wesentlichen differentialdiagnostisch abzugrenzenden Erkrankungen sind das Erysipel, die clostridiale Myonekrose (Gasbrand) sowie das streptokokkenassoziierte toxische Schock-Syndrom (Tabelle 1).
Chirurgische Therapie
Die nekrotisierende Fasziitis ist
eine foudroyant verlaufende Weichteilinfektion. Nur bei frühzeitiger
und radikaler chirurgischer Therapie
können die betroffenen Patienten
Abbildung 4: Bild des gleichen Patienten wie in Abbildung 2 und 3, nach Abschluß der plastischen Verfahren zur Deckung der Hautdefekte.
dige Beseitigung des nekrotischen
Gewebes inklusive der toxischen
bakteriellen Zerfallsprodukte kann
die Perpetuierung des toxisch-septischen Geschehens unterbrechen. Die
Radikalität des Débridements darf
dabei nicht aus Furcht vor der Schaffung größerer Defekte begrenzt werden. Eine Amputation ist zur adäquaten Therapie primär nicht indiziert. Nur in Spätstadien mit deutlicher Muskelbeteiligung ist eine Amputation unter Umständen unumgänglich (16, 18, 26, 29). Nach initialer intensivmedizinischer Therapie
folgen dann – sobald der Herd saniert und der septische Zustand des
Patienten überwunden ist – tägliche
Verbandwechsel auf der peripheren
Station. In unkomplizierten Fällen
kann nach etwa sieben bis zehn Tagen ein sekundärer Wundverschluß
erwogen werden. Bei Patienten mit
Fournierscher Gangrän kann die Anlage eines Ileo- oder Kolostomas erforderlich sein, um die Wundheilung
zu optimieren. Nach Abschluß der
Wundheilung kann dieses zurückverlagert werden. Häufig durchgeführte
plastische Verfahren zur Deckung
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 8, 20. Februar 1998 (39)
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der großen Defekte sind Sekundärnaht, Meshgrafttransplantationen sowie Schwenklappen (Abbildung 4).
Ein therapeutischer Algorithmus ist
in der Grafik dargestellt. Die eigenen
Ergebnisse zeigen, daß bei konsequenter Einhaltung der Therapieprinzipien sowohl die Anzahl der
Amputationen als auch die Letalität
niedrig gehalten werden kann (Tabelle 2).
Ein STSS ohne Weichteilinfektion muß unter intensivmedizinischem
Monitoring antibiotisch behandelt
werden (vergleiche Podbielski et al.).
Eine Indikation zur Operation besteht erst, wenn eine Fasziitis oder
Myositis den Verlauf weiter komplizieren.
Bei der Streptokokkenmyositis
ist mit dem Nachweis erhöhter Kompartmentdruckwerte primär die Fasziotomie indiziert. Sind bereits Nekrosen der Muskulatur hinzugetreten,
müssen diese weiträumig im Gesunden entfernt werden. Eine Amputation ist häufiger notwendig als bei der
nekrotisierenden Fasziitis (2, 3, 29).
Wie bei der NF sind programmierte
Redébridements nötig, um den Erfolg
der ersten Operation zu sichern oder
gegebenenfalls weitere nekrotische
Areale zu entfernen.
Adjuvante
Therapieformen
Initial sollten alle Patienten mit
NF, Streptokokkenmyositis oder
STSS intensivmedizinisch betreut
werden (2, 31, 34). Dies ergibt sich
einerseits aus dem häufig auftretenden Multiorganversagen der betroffenen Patienten. Dabei stehen eine
adäquate Oxygenierung, eine Aufrechterhaltung der Herzleistung und
eine Stabilisierung der Gerinnungssituation als Hauptziele in der Behandlung des septischen Schocks im
Vordergrund. Ferner besteht postoperativ durch die großen Wundflächen ein erheblicher Flüssigkeitsund Elektrolytbedarf, der in der
Regel auf einer peripheren Station
nicht kontrolliert ausgeglichen werden kann.
Die antibiotische Medikation sowie immunologische Ansätze einer
adjuvanten Therapie (ImmunglobuliA-412
ne, anti-TNF, IL-12) werden von Podbielski et al. ausgeführt. Die hyperbare Oxygenation (HBO) ist eine medizinische Behandlungsform, bei der der
zeitlichen Abstände zwischen den Behandlungen zu vergrößern (35).
Den möglichen pathophysiologischen Vorteilen stehen allerdings
Nebenwirkungen wie
Grafik
Barotrauma,
Lungenödem, PneumoRadikales Debridement und Nekrosektomie
thorax, Dekompressionskrankheit und selRedebridement
ten Letalität gegenüber (19). Der Nutzen
(Amputation)
Intensivmedizinische Therapie
der HBO wird kontrovers diskutiert. Sie
Nach Verbesserung des
scheint eine Rolle in
Allgemeinzustandes
der Behandlung der
Tägliche Verbandwechsel
clostridialen Myonekrose zu spielen. Ihr
Bei Granulation
Wert für die nekrotisierende Fasziitis ist
Meshgraft
Sekundärnaht
Schwenklappen
jedoch nicht gesichert. Studien, nach
denen die Anzahl der
Débridements und
Mobilisation und Entlassung
die Letalität unter einer HBO signifikant
Standardisiertes Therapieschema zur Behandlung der nekrotisierenden Fasziitis sinken, stehen solche
gegenüber, die das
Patient in einer Druckkammer reinen Gegenteil belegen (4, 25). Viele PatiSauerstoff bei einem höheren Umge- enten mit NF sind zum optimalen Apbungsdruck atmet als dem Luftdruck plikationszeitpunkt einer HBO so
auf Meereshöhe. Vorgeschlagen wird schwer krank, daß ihnen die Belabei nekrotisierenden Weichteilinfek- stung durch Transport und Behandtionen eine Behandlung von je 90 bis lung nicht zugemutet werden kann.
120 Minuten Dauer bei 2 bis 2,2 Insgesamt ist bei einer nüchternen
Atmosphären. Diese sollte möglichst Nutzen-Risiko-Analyse unseres Er-
Abbildung 5: Sonographisches Bild einer nekrotisierenden Fasziitis. Der Pfeil bezeichnet den echoarmen Saum
der Kolliquationsnekrose der Faszie. Die darunter liegende Muskulatur ist noch sicher abgrenzbar.
früh nach dem ersten Débridement
beginnen und initial mehrfach täglich
durchgeführt werden. Nach Verbesserung der Wundverhältnisse sind die
(40) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 8, 20. Februar 1998
achtens primär von einer HBO abzusehen. Dies gilt sowohl für die nekrotisierende Fasziitis als auch für die
Streptokokkenmyositis (4, 19).
!
M E D I Z I N
AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
Prognose
Während auch in neueren Arbeiten Letalitätsziffern von bis zu 73 Prozent beschrieben sind (26), liegt die
durchschnittliche Letalität der NF bei
etwa 30 Prozent (7, 22, 34, 37). Der be-
und unteren Extremität zeigt sich eine
verbesserte Prognose. Stammnahe
Lokalisationen wie auch die Fourniersche Gangrän verlaufen prognostisch
ungünstiger. Eine intraabdominelle
Ausdehnung der Infektion wird in der
Regel nicht überlebt (10, 26, 34).
Tabelle 2
Eigene biographische und klinische Daten
l Zeitraum
01. 05. 1990 bis 30. 10. 1997
l Anzahl NF
n = 40
l Anteil GAS-Infektionen
n = 12
l Durchschnittsalter
56,8 ± 23,6 Jahre
l Geschlechtsverhältnis
19 : 21 (m : w)
l Letalität
n = 9 (22,5 Prozent)
l Anzahl Débridements
n = 158 (3,9 pro Patient)
l Anzahl Meshgraft
n = 41
l Anzahl Sekundärnaht
n = 18
l Anzahl Schwenklappen
n=9
l Anzahl Amputationen
n=6
deutendste prognostische Faktor liegt
in der zeitlichen Verzögerung zwischen Symptombeginn und der ersten
chirurgischen Intervention. In der
Durchsicht der internationalen Literatur ergibt sich eine durchweg signifikant oder hochsignifikant erhöhte Letalität bei verspätet einsetzender operativer Therapie (7, 10, 14, 16, 18, 26).
Ebenfalls erhöht sich die Sterblichkeitsrate mit zunehmendem Ausmaß
des Organversagens als Ausdruck der
systemischen Ausdehnung der Infektion. Umgekehrt führen radikale und
standardisierte Therapiekonzepte zu
einer Senkung der Letalität auf zum
Teil unter 20 Prozent (18, 34).
In Arbeiten mit einem erhöhten
Anteil von Infektionen der oberen
Patienten höheren Alters (> 65
Jahre) besitzen eine durchweg erhöhte
Letalität im Vergleich zum Gesamtkollektiv. In der Literatur kontrovers
diskutierte Determinanten der Letalität sind Diabetes mellitus, eine arterielle Verschlußkrankheit sowie ein
primärer oder iatrogen induzierter immunsupprimierter Zustand. Einheitlich findet sich allerdings eine ansteigende Sterblichkeit mit der Erhöhung
der Anzahl der assoziierten Erkrankungen. Zwischen der GAS-induzierten und der polymikrobiellen NF bestehen keine gesicherten Unterschiede
bezüglich der Letalität (7, 10, 14, 18).
Der plötzliche Krankheitsbeginn
und die rasant fortschreitenden systemischen Krankheitszeichen füh-
ren zu einer hohen Letalität des
STSS. In Deutschland verstarben in
den letzten fünf Jahren 68 Prozent
der Patienten (17). Im internationalen Vergleich zeigen sich ähnliche Letalitätsziffern (6, 32, 33). Tritt eine NF
oder eine Myositis hinzu, verschlechtert sich die Prognose weiter. Das
STSS ohne Weichteilinfektion ist eine Domäne der Intensivmedizin. Treten Weichteilinfektionen hinzu, gelten die gleichen operativen Kriterien
wie bei der NF.
Die Streptokokkenmyositis ist eine seltene Erkrankung, über die bisher
nur in Form von Kasuistiken berichtet
wurde. In Publikationen der letzten
zehn Jahre nahmen Berichte über Infektionen, die überlebt wurden, deutlich zu. Eine Amputation der betroffenen Extremität mußte allerdings fast
regelhaft durchgeführt werden (2, 21,
29). Insgesamt handelt es sich bei der
nekrotisierenden Fasziitis, der Streptokokkenmyositis und dem streptokokkenassoziierten toxischen Schock-Syndrom um lebensbedrohliche Krankheitsbilder, die eine sofortige multimodale Therapie erforderlich machen.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-408–413
[Heft 8]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de)
erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Peter Kujath
Klinik für Chirurgie
Medizinische Universität zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Endoskopische Therapie des Ösophagus- und Magen-Frühkarzinoms
Die japanischen Endoskopiker
verfügen über umfangreiche Erfahrungen bei der endoskopischen Behandlung von mukosalen Krebsen
des oberen Verdauungstrakts.
Die Autoren der Studie berichten über ihre Ergebnisse bei 145 Patienten, beziehungsweise 155 Läsionen, mit Ösophagus- und Magenkar-
zinom, bei denen eine kurative Resektion des auf die Mukosa begrenzten Tumors erfolgreich praktiziert
wurde. Ernstere Komplikationen
konnten nicht beobachtet werden;
die Abtragungsstelle war innerhalb
eines
Monats
reepithelialisiert.
Außerdem wurden keine Rezidive
beobachtet. Bei 40 Prozent der be-
troffenen Patienten erfolgte eine
fraktionierte Abtragung in mehreren
Teilschritten.
w
Takeshita K, Tani M, Inoue H, Endo M:
Endoscopic treatment of early oesophageal or gastric cancer. Gut 1997; 40:
123–127.
Department of Surgery I, Tokyo Medical
and Dental University School of Medicine, Tokyo, Japan.
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 8, 20. Februar 1998 (41)
A-413
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