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Teilchenbeschleuniger
Handout zum Seminarvortrag im F-Praktikum im SS 2006
Referentin: Nadine Coberger
1) Motivation
Ein Grund, warum sich Physiker mit Teilchenbeschleunigern beschäftigen ist sicherlich das
Interesse an den Bestandteilen des Universums und damit dem Ursprung der Materie. Um
diese winzig kleinen Strukturen, deren Dimensionen teilweise noch weit kleiner als
Femtometer (10—15 m) sind, zu erforschen, benötigt man Strahlung, deren Wellenlänge noch
kleiner ist als die Dimension des zu beobachtenden Objekts. Nach dem Materiewellenpostulat
von de Broglie bedeutet dies, dass man den Teilchen hohe Energien zuführen muss, um so
kleine Wellenlängen zu erreichen.
Schon um Strukturen von der Größe 10-15 m (z.B. Proton, Neutron) zu beobachten, wird eine
enorme Energie von
h⋅c
E = h ⋅ν =
= 2 ⋅ 10 −10 J = 1,25GeV benötigt.
λ
Außerdem ist man in der Wissenschaft an der Erzeugung von Teilchen interessiert. Hierzu
benötigen die Stoßpartner allerdings eine Mindestenergie. Die Schwellenenergie liegt bei der
doppelten Ruheenergie des zu erzeugenden Teilchens, welches nie ohne sein Antiteilchen
erzeugt wird. Für das Proton beispielsweise liegt diese Ruheenergie schon etwa bei 938 MeV.
Dieser wissenschaftliche Anteil macht allerdings nur etwa 1 % aus. Hauptsächlich werden
Teilchenbeschleuniger in vielen verschiedenen Bereichen der Industrie eingesetzt. So etwa in
der Medizin bei Krebspatienten, als Treiber für Gaslaser und Freie-Elektronen-Laser, zur
Härtung von Oberflächen mit Ionen oder auch zur Sterilisierung von Nahrungsmitteln und zu
vielem mehr.
2) Grundprinzip
Wie schafft man es Teilchen zu beschleunigen und damit ihre Energie zu erhöhen?
Da die Teilchen in den meisten Beschleunigern Geschwindigkeiten von nahezu
Lichtgeschwindigkeit erreichen, muss man hier relativistische Formeln anwenden.
Für die relativistische Energie eines Teilchens gilt:
E = (m02 c 4 + p 2 c 2 )
Diese Formel zeigt, dass eine Energieerhöhung gleichbedeutend ist mit einer Impulserhöhung.
Weiterhin besagt das 2. Newtonsche Axiom, dass der Impuls geändert werden kann, wenn
eine Kraft wirkt. Die Natur stellt hierfür die Gravitation, den Elektromagnetismus und die
starke und schwache Kraft zur Verfügung. Allerdings ist die Gravitationskraft um
Größenordnungen zu schwach und die starke und schwache Kraft sind aufgrund ihrer
geringen Reichweiten technisch nicht nutzbar. Zur Teilchenbeschleunigung sind also nur die
elektromagnetischen Kräfte geeignet. Allerdings trägt nur das E-Feld zur Beschleunigung bei,
da das Bahnelement dr parallel zum Geschwindigkeitsvektor v ist. Für die Energieänderung
→
→
gilt:
r2
r2 →
→ →
→
→ →
∆E = ∫ F dr = q ∫ ( v × B + E ) dr = qU
→
r1
→
r1
Das B-Feld ist dennoch eine wichtige Komponente in Beschleunigern, da es zur Strahlführung
eingesetzt wird. Man könnte dafür ebenso das E-Feld einsetzten, da E- und B-Feld bei
relativistischen Geschwindigkeiten gleiche Wirkung haben, da gilt: E = c*B. Allerdings sind
B-Felder von 1 T sehr viel einfacher zu erzeugen als E-Felder von 3*108 V/m, die dieselbe
Wirkung hätten.
Zur Strahlablenkung werden magnetische Dipolfelder eingesetzt, die ein
konstantes Feld in der Ebene senkrecht zum Strahl haben und durch 2
parallele Pole erzeugt werden können.
Will man den Strahl jedoch fokussieren, benötigt
man ein Feld, welches auf der Strahlachse
verschwindet und mit zunehmendem Abstand von der Achse linear
stärker wird. Ein solches Feld nennt man Quadrupolfeld; erzeugt werden
kann es durch vier Pole mit hyperbolischen Flächen, welche
abwechselnde Polung haben. Zur Fokussierung benötigt man allerdings
mindestens 2 Quadrupole, da ein in vertikaler Richtung fokussierender
Magnet gleichzeitig in horizontaler Richtung defokussierend wirkt.
3) Beschleunigertypen
3.1.) Gleichspannungsbeschleuniger
Der wohl einfachste Teilchenbeschleuniger ist der
Gleichspannungsbeschleuniger. In diesem werden geladene
Teilchen in einem elektrostatischen Feld zwischen 2
Elektroden beschleunigt. Die Energie, welche die Teilchen
beim Durchlaufen des Feldes erhalten, ist gegeben durch q*U
und ist begrenzt auf einige MeV. Oberhalb einer gewissen
angelegten Spannung werden die Elektronen und Ionen im Gas so stark beschleunigt, dass sie
weitere Gasmoleküle ionisieren, welche wiederum beschleunigt werden und weitere Moleküle
ionisieren, u.s.w. Es kommt also zu einer lawinenartigen Vermehrung von Ladungsträgern,
was zu einem Blitzüberschlag führt, der die Hochspannung zusammenbrechen lässt.
Ein Beispiel für einen solchen Gleichspannungsbeschleuniger ist der
Tandem-Beschleuniger, der 1936 von Van de Graeff mit seinen
Mitarbeitern gebaut wurde. Dieser ist so konzipiert, dass die
beschleunigende Gleichspannung gleich zweimal genutzt werden
kann.
3.2. Hochfrequenzbeschleuniger
a) Linearbeschleuniger
In diesem Beschleuniger wird das Problem des
Funkenüberschlags vermieden, indem statt einer
Gleichspannung ein elektrisches Wechselfeld benutzt wird und
das Teilchen in mehreren Schritten zu hohen Energien
beschleunigt wird.
Ein Teilchen, welches die Teilchenquelle verlässt wird zur ersten Röhre hin beschleunigt und
fliegt dann, wie in einem Faradayschen Käfig, kräftefrei durch die Driftröhre. Damit das
Teilchen bei Austritt aus der Driftröhre erneut beschleunigt wird, muss die HF-Spannung
entsprechend die Polung gewechselt haben. Die Länge der Driftröhren wird also so gewählt,
dass die Teilchen den Spalt immer nach der halben Periodendauer erreichen. Da die
Geschwindigkeit der Teilchen allerdings in den Spalten jeweils zunimmt, müssen die
Driftröhren in Bewegungsrichtung immer größer werden. Wenn n die Zahl der Driftröhren ist,
erhält man folgende Formel für die Länge der Driftröhren:
2⋅ E
n
ln =
m
2 ⋅ν
=
1
ν
⋅
n ⋅ q ⋅ U 0 ⋅ sin Ψs
2⋅m
Für Teilchen mit relativistischen Geschwindigkeiten müssten die Driftröhren sehr lange sein,
weswegen dieser Driftröhrenbeschleuniger hauptsächlich für Protonen und schwere Ionen
eingesetzt wird.
Um aber trotzdem Elektronen in linearen Beschleunigerstrukturen zu beschleunigen, werden
Hohlleiter benutzt. Diese haben zusätzlich den Vorteil, dass sie sehr geringe Verluste und sehr
hohe Leistungen erzielen können.
Löst man die Wellengleichung im Hohlleiter mit der Randbedingung, dass sich die Welle nur
in z - Richtung ausbreitet, so erhält man für die Wellenlänge im Hohlleiter
λz =
λ
1− (
λ 2
)
λc
λ: Wellenlänge im freien Raum
λc: Grenzwellenlänge
Benutzt man Wellenlängen, die kleiner sind als die Grenzwellenlänge breitet sich die Welle
ohne Dämpfung im Hohlleiter aus. Gleichzeitig ist dann allerdings die Phasengeschwindigkeit
der Hohlleiterwelle größer als die des Lichtes, was eine Energieübertragung auf das Teilchen
über längere Zeit verhindert. Aus diesem Grunde wird der Hohlleiter so modifiziert, dass die
Phasengeschwindigkeit der Hohlleiterwelle kleiner bzw. gleich der Lichtgeschwindigkeit ist.
Diese Modifikation geschieht bei Linacs (Linear Accelerator) mithilfe von Irisblenden, die in
den zylindrischen Hohlleiter eingebaut werden und so, je nach Abstand der Blenden, die
Phasengeschwindigkeit auf im Prinzip beliebige Werte bringt.
Der größte Linearbeschleuniger SLAC (Stanford Linear Accelerator Center) befindet sich in
Kalifornien und bringt die Teilchen in einer Länge von 3 km auf Energien bis zu 50 GeV.
b) Kreisbeschleuniger
Das Zyklotron ist der erste Beschleuniger, bei dem Teilchen auf einer Kreisbahn
beschleunigt werden und ein und dieselbe Beschleunigerstruktur mehrmals hintereinander
durchlaufen. 1932 bauten E.O. Lawrence und Livingston das erste Zyklotron. Dieses war zum
ersten Mal auch für praktische Experimente nutzbar und konnte Energien bis zu 1,2 MeV
erzeugen.
Das Zyklotron besteht aus einer flachen, zylinderförmigen
Vakuumkammer, die senkrecht von einem Magnetfeld
durchdrungen wird. Die Kammer besteht aus zwei D – förmigen
Elektroden, zwischen denen eine Hochfrequenzspannung
anliegt.
Gelangen die Teilchen im Zentrum der Anordnung in das
Zyklotron, so werden sie aufgrund der anliegenden Spannung je nach Ladung des Teilchens
in Richtung einer zylinderförmigen Hälfte beschleunigt. Innerhalb einer solchen Hälfte spüren
die Teilchen wie in einem Faradayschen Käfig keine elektrischen Felder mehr. Sie erfahren
hier also lediglich die Wirkung des Magnetfeldes und beschreiben innerhalb der Dose eine
Halbkreisbahn. Die Frequenz, mit der die Teilchen diese Kreise durchlaufen erhält man zu:
q
ω z = Bz
m
Diese so genannte Zyklotronfrequenz ist für v << c konstant und hängt nicht von der
Geschwindigkeit der Teilchen ab. Wählt man die anliegende Hochfrequenz so groß wie die
Zyklotronfrequenz, werden die Teilchen nach Durchlaufen des Halbkreises innerhalb der
Dose immer wieder zu dem Zeitpunkt am Spalt ankommen, bei dem die richtige Polarität der
Beschleunigungsspannung anliegt.
Beim Durchlaufen der Spalte erhöht sich die Energie der Teilchen jeweils um q*U, was die
Teilchen immer schneller werden lässt. Durch diese größere Geschwindigkeit nimmt der
Radius der Kreisbahn immer weiter zu, denn:
m⋅v
r=
q⋅B
Die Teilchen durchlaufen das Zyklotron also insgesamt auf einer spiralartigen Bahn.
Werden die Energien allerdings zu groß, bleibt die Zyklotronfrequenz nicht mehr konstant, da
dann die relativistische Massenzunahme berücksichtigt werden muss. Die Teilchen umlaufen
die Kreisbahn dann mit einer geringeren Frequenz und sehen somit irgendwann die falsche
Phase der Hochfrequenz und werden abgebremst.
Um bei großen Energien nicht allzu große Magnetdimensionen in Kauf nehmen zu müssen,
kam es zur Entwicklung eines Beschleunigers mit ortsfester Bahn, dem Synchrotron. Hier
sind nur kleinere Magnete entlang der Teilchenbahn notwendig.
Um nun diese ortsfeste Bahn, d.h. konstanten Radius zu
realisieren, muss das Magnetfeld bei jedem Umlauf synchron
p
zum Impuls geändert werden, d.h. = const.
B
Damit die Teilchen in der Beschleunigungsstrecke tatsächlich
beschleunigt werden können, muss der Umfang der Umlaufbahn
der Teilchen gerade ein Vielfaches der angelegten HFWellenlänge betragen.
Außerdem muss für eine Phasenfokussierung innerhalb des
Synchrotrons gesorgt werden. Hier muss der Fall v = c von v << c unterschieden werden.
Haben Teilchen schon Lichtgeschwindigkeit, so muss die Sollphase größer als π/2 gewählt
werden. Denn hat ein Teilchen größeren Impuls als das Sollteilchen, so ist auch seine Bahn
länger als die Sollbahn und es kommt später am Cavity an. Dort sieht es dann die Phase ψ =
ψs + ∆ψ, wodurch es nicht so stark beschleunigt wird wie das Sollteilchen.
Betrachtet man den Fall für v << c, so muss die Sollphase kleiner als π/2 gewählt werden.
Hierbei muss beachtet werden, dass ein Teilchen mit höheren Impuls zwar eine längere Bahn
beschreibt, aber trotzdem früher am Cavity eintrifft, das seine Geschwindigkeit größer
geworden ist.
Für Protonen kann man in diesem Synchrotron Energien bis über 1000 GeV erreichen, wobei
es für Elektronen meist nur für Energien unterhalb von 10 GeV eingesetzt wird. Dies liegt
daran, dass die Elektronen bei ihrer Beschleunigung Energie in Form von
Sychnrotronstrahlung verlieren. Diese Energieabstrahlung nimmt mit der 4. Potenz der
Teilchenenergie zu und ist bei Energien um 10 GeV so dominierend, dass sich die
Kompensation über höhere HF-Leistung kaum lohnt. Bei Protonen kann man diesen
Energieverlust in Form von Synchrotronstrahlung vernachlässigen.
Ein weiterer Beschleunigertyp, bei dem größere Ströme und damit mehr Messergebnisse pro
Zeiteinheit möglich sind, ist das Mikrotron. Im klassischen Mikrotron werden die Teilchen
so beschleunigt, dass der Energiegewinn pro Umlauf so dimensioniert ist, dass der Umfang
der Umlaufbahn immer um ein ganzzahliges Vielfaches der HF-Wellenlänge zunimmt.
Betrachtet man die Umlaufzeit und den Biegeradius für die i-te Umlaufbahn, und beachtet,
dass die Geschwindigkeit schon annähernd Lichtgeschwindigkeit erreicht hat, so erhält man
den notwendigen Energiegewinn pro Umlauf zu:
q ⋅ c2 ⋅ B
∆E = k ⋅
2 ⋅ π ⋅ν HF
Die Endenergie der Teilchen im klassischen Mikrotron ist allerdings begrenzt auf etwa 20 –
25 MeV, wodurch sich das Racetrack - Microtron entwickelt hat. Der Magnet des
klassischen Mikrotrons wird dabei in der Mitte aufgetrennt und im
Zwischenraum befindet sich nun ein Linearbeschleuniger. Dadurch
können zum einen höhere Energien erreicht werden und zum
anderen kann die Strahlqualität durch die zusätzlichen
Fokussierungsmagnete verbessert werden.
Das weltweit größte Mikrotron ist das Mainzer Mikrotron (MAMI), welches in 3 Stufen
Energien bis zu 850 MeV liefert. Bei einem Magnetfeld von 1,28 T und einer HF von 2,45
GHz ist der Energiegewinn pro Umlauf in der dritten Stufe 7,5 MeV.
Schon in diesem Jahr soll noch eine 4. Stufe in Betrieb gehen, die dann sogar Energien von
1,5 GeV liefert. Bei diesem Harmonic - Double – Sided – Microtron (HDSM) werden 4 statt 2
Magnete benutzt und es gibt 2 statt 1 Linearbeschleuniger.
4) Literatur
WILLE, Klaus: Physik der Teilchenbeschleuniger und Synchrotronstrahlung,
Eine
Einführung - 2. Überarbeitete und erweiterte Auflage - Stuttgart: B.G. Teubner,
1996
DEMTRÖDER, Wolfgang: Experimentalphysik 4, Kern-, Teilchen- und
Astrophysik - Berlin Heidelberg: Springer - Verlag, 1998
BLASCHE, K. und BOINE-FRANKENHEIM, O.: Physik und Technik der
Ionenbeschleuniger – GSI Darmstadt –
http://www-linux.gsi.de/~boine/vorlesung/skript/ss02.pdf
POLJANK, K.: Unterlagen zur Spezialvorlesung Teilchenbeschleuniger– TU Wien –
http://www.ati.ac.at/~amedphys/
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