MARKETING | MARKTREPORT Werben nach Bauchgefühl die sich eine Armbanduhr für mehrere Tausend Euro kaufen, ist klein – und extrem schwierig zu fassen. Die Marken werben oft nach Gefühl. Wer für eine Armbanduhr so viel Geld ausgibt wie andere für einen Gebrauchtwagen, muss irgendwie verrückt sein. Und wer zu diesen Verrückten gehört, die oft sogar mehrere Luxus-Zeitmesser ihr Eigen nennen, macht meist auch keinen Hehl aus seiner Eigenart. Die Zielgruppe erscheint wie eine exotische Tierart: Sie hat eine geringe Population, ist schwer zu entdecken, hat seltsame Verhaltensweisen und ist wenig erforscht. Frank-Michael Müller hat sich dieser Spezies angenommen. Der frühere Focus-Anzeigenleiter und spätere Chef des Burdaeigenen Marktforschungsinstituts Imuk hat die Firma Responsio gegründet und präsentiert derzeit in der Branche seinen Uhrenmonitor – eine umfassende, zusammen mit dem Heidelberger Responsio-Chef Frank-Michael Müller versorgt die Branche erstmals mit repräsentativen Daten. Institut Sinus erstellte Repräsentativ-Studie zum Uhrenmarkt. Neben einer allgemeinen Befragung von 20- bis 69-Jährigen haben die Forscher die Einstellungen von über 5000 Personen unter die Lupe genommen, die nach eigenen Angaben 1000 Euro und mehr für eine Armbanduhr ausgeben würden. Das sind immerhin gut acht Millionen Personen – ein Sechstel der Bevölkerung. Dabei hat sich die Eigenart der Spezies bestätigt. UhrenFreaks unterscheiden sich deutlich von den Premium-Zielgruppen, die man aus anderen Studien kennt. „Das ist eine ganz eigene Gruppe“, sagt Frank-Michael Müller über Liebhaber von Luxus-Zeitmessern. Die Forschungsergebnisse des gebürtigen Rheinländers stoßen in der Branche auf großes Interesse. „Wir brauchen fundierte Zahlen“, sagt Alexander Schwenck, Marketingleiter der zur Richemont-Gruppe gehörenden Marke IWC Schaffhausen. Schwenck spricht von einer „extrem spitzen Zielgruppe“. Speziell für den deutschen Markt habe Frank-Michael Müller Pionierarbeit geleistet, lobt er das Zahlenwerk Müllers, das er vor einigen Tagen dem Richemont Marketing Circle vorgestellt hat. In Zunehmende Nachfrage Swatch-Gruppe trommelt am lautesten Rolex ist spitze Uhrenimporte nach Deutschland Werbeaufwand von Uhrenherstellern (Auswahl) Stärkste Uhrenmarken im Brand Strength Index1 Wert in Mrd. Euro Unternehmen 1,72 1,37 1,12 1,13 1,19 1,08 0,98 2005 2006 2007 2008 2009 Quelle: Destatis. 16 | Werben & Verkaufen 5/2013 2010 ausgewählte Edelmarken Mio. € Käufer Gesamtbevölkerung Premium-Käufer 16,95 1 Rolex 1 Rolex 9,28 2 Breitling 2 Breitling IWC, A. Lange & Söhne, Panerai 7,00 3 Swatch 3 Glashütte Original Breitling 5,73 4 Omega 4 Omega LVMH TAG-Heuer, Hublot, Zenith 5,48 5 Casio 5 Cartier Patek Philippe D. Patek Philippe Swatch Group Omega, Longines, Breguet, Rado Rolex Deutschland Rolex, Tudor Richemont Breitling 4,32 6 Cartier 6 Lange & Söhne Chopard Deutschland Chopard 2,11 7 Fossil 7 TAG-Heuer Citizen Watch Europe Citizen 1,85 8 Seiko 8 IWC Schaffhausen Bulgari Group Bulgari 1,54 9 Junghans 9 Swatch TAG-Heuer 10 Junghans Armani Group Emporio Armani 1,50 10 2011 Gerhard D. Wempe Wempe 1,31 1Index unter anderem aus Bekanntheit, Sympathie, Kaufbereitschaft, Ausgabe- © Basis: Deutschland 2012 in Mio. Euro. Quelle: Ebiquity. bereitschaft, Conversion Rate. Basis: Gesamtbevölkerung mit Uhreninteresse und -kaufbereitschaft (n=1965) sowie Exklusiv-Segment (n=5075). Quelle: Uhrenmonitor, Sinus, Responsio. Foto: Andreas Pohlmann LUXUSUHREN Die Zielgruppe der Menschen, Sowohl in puncto Markenstärke als auch bei Werbeaufwendungen belegt Rolex Spitzenplätze. Die Schweizer Marke gilt als Inbegriff für Luxus. diesem Kreis treffen sich in München die Marketingleiter der acht Premium- und Luxusuhrenmarken, die zur Schweizer RichemontGruppe gehören. Bisher wirbt die Branche oft eher Pi mal Daumen und nach Erfahrungswerten und weniger aufgrund von Leistungskennzahlen. Vor allem kleinere, unabhängige Manufakturen betreiben Marketing aufs Geratewohl – weitaus mehr, als die zu den Luxus-Konzernen Richemont, LVMH, PPR und der Swatch-Group gehörenden Marken. Rainer Brand beispielsweise, für dessen schnörkellose Panama 3200 Euro investiert werden wollen. Der Uhrmachermeister aus Heimbuchenthal hat aktuell die vierte Umschlagseite der Wirtschaftswoche belegt. „Aus dem Bauch heraus“, wie er offen zugibt. Sein Unternehmen nutzt keine Marktforschungsdaten, er arbeitet weder mit einer Kreativagentur noch mit einer Media-Agentur zusammen, wenn er Titel wie Mare und die Süddeutsche belegt. Klassische Markt-Media-Studien gehen bei der Erhebung der Ausgabebereitschaft für Uhren kaum über den Wert von 1000 Euro hinaus. Die Fallzahlen sind zu klein. Ein Uhren-Afficionado jedoch würde angesichts dieses bescheidenen Betrags müde abwinken. Interessant wird es für ihn erst ab dem Mehrfachen dieses Preises. Etwa ein Sechstel der von Müller befragten Uhren-Freaks meint, eine Uhr dürfe auch mehr als 10 000 Euro kosten. Überproportional hohe Werbeausgaben Auch Anne-Katrin Strömer bestätigt, dass es bisher „recht wenig“ Aufschlussreiches über die investitionswilligen Interessenten für Luxusuhren gibt. Strömer leitet das Marketing von Breitling in Deutschland. Breitling ist eine der wenigen Manufakturen, die keinem der großen Konzerne angehören. Gleichwohl ist die im schweizerischen Grenchen beheimatete Marke mit großem Mediadruck präsent (Caspari Media, Genf) und erreicht in dem von Frank-Michael Müller enwickelten Markenstärke-Ranking einen hervorragenden zweiten Platz (siehe Tabelle) hinter dem Platzhirsch Rolex. Im Vergleich mit anderen Branchen gehören die Uhrenfirmen zwar nicht zu den Big Spendern bei den Brutto-Ausgaben für Werbung. Trotzdem: Für den Kommunikationsmix wird überproportional viel ausgegeben“, sagt ein Branchen-Insider und berichtet von Etats, die bei über 15 Prozent des Netto-Umsatzes liegen. Für Publikumszeitschriften sind Swatch Group, Richemont und Co. sogar die fünftwichtigsten Kunden – mehr als 60 Prozent ihrer Spendings entfallen auf Magazine. Bei Heften wie Spiegel oder Focus sind die Unternehmen neben Autofirmen und Bekleidungsherstellern gar die wichtigste Klientel. Mehr über die Kunden zu wissen, wäre allein deshalb sinnvoll, weil das Marketing der Luxusuhrenfirmen nach eigenen Gesetzen funktioniert. Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Konzessionären, also den Uhrenhändlern, die meist Juweliere sind. Neue Uhren von Marken wie Rolex, Breitling oder IWC kann man nicht legal online kaufen. Ohnehin wollen die meisten Kunden direkte Ansprechpartner, berichtet Rainer Brand, der mit 25 Vertriebspartnern kooperiert und dabei Nischen gefunden hat abseits der Vertriebskanäle der Großkonzerne. So kann man seine Uhren beispielsweise bei einer Kunstgalerie in Nürnberg kaufen. Wie gesagt: Uhrenliebhaber sind eine eigenartige Spezies. Wirbt massiv mit Stars wie David Beckham: Die eigenständige Schweizer Manufaktur Breitling. Klassisch: Im Uhrenmarketing der Luxuklasse läuft viel über HändlerKooperationen wie zwischen Glashütte Original und Juwelier Rüschenbeck. Bauchgefühl: Der Uhrmachermeister Rainer Brand wirbt ohne Werbe- und Media-Agentur und ohne Marktforschung in Zeitungen und Zeitschriften. Rolf Schröter, Christof Wadlinger | [email protected] Werben & Verkaufen 5/2013 | 17