Schilddrü Hausarzt Medizin Nicht nur das TSH zählt Bei der Abklärung der Schilddrüse kommt es nicht allein auf einen einzelnen Laborwert an. Vielmehr wird eine systematische Untersuchung durch Anamnese, Tasten, Labor, Sonographie und Szintigraphie angestrebt. Die Schilddrüse ist ein kleines, paariges ­Organ im Bereich der vorderen Halsregion, von dem man annehmen könnte, dass es seit Anbeginn der Medizin einer Untersuchung recht gut zugänglich gewesen sein sollte. ­Daher erstaunt es ein wenig, dass erst mit der Entwicklung des im Nahbereich hoch auflösenden Ultraschalls in den 1980erJahren­u. a. die Zahl der Publikationen über Schilddrüsenknoten massiv anstieg. Nachdem in den letzten Jahrzehnten durch teilweisen Ausgleich des Jodmangels die Häufigkeit von großen Schilddrüsen und großen Knoten deutlich zurückging, wird es immer wichtiger, eine Schilddrüsenuntersuchung nicht mit einem einzelnen Laborparameter abzutun, sondern dieses Organ systematisch zu untersuchen. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Diagnostik der Schilddrüse in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Anamnese Körperliche Untersuchung Die Schilddrüse beeinflusst bei Fehlfunktio­ nen, Blutdruck, Puls, Hauttemperatur und -feuchtigkeit. Das Tasten der Schilddrüse ist gegenüber der Ultraschalluntersuchung zwar in den Hintergrund getreten, bei Zys62 Der Hausarzt 17/2016 Foto: Sebastian Kaulitzki - Fotolia Es ist, wie überall, auch hier hilfreich, sich vorab mit dem Schilddrüsenpatienten über seine bzw. ihre Beschwerden zu unterhalten. Manchmal ist eine Erstbefragung schematisch durch Fragebögen möglich, der persönliche Eindruck ist allerdings durch kein verallgemeinerndes Schema zu ersetzen. Schwitzt der Patient, hyperventiliert er, sind die Bewegungen fahrig oder wirkt er eher verlangsamt? In der Anamnese geht es zum Beispiel um ein Druckgefühl im Halsbereich, Frieren, Schwitzen, Herzrasen, Extrasystolen, Atemnot, Heiserkeit, Stuhlfrequenz und andere Beschwerden. Auch die Familiengeschichte kann aufschlussreich sein (Autoimmunthyreopathien, Knoten, Schilddrüsenkarzinome). üse ten (prallelastisch?) und schmerzhaften Prozessen wie einer subakuten Thyreoiditis hat es durchaus seinen Platz. Auch die fehlende Verschiebbarkeit der Haut über Knoten oder im Bereich von Operationsnarben ist durch die tastenden Finger zu erkennen. Dagegen ist die Volumetrie der Gesamtschilddrüse oder von Knoten mit einem hohen Fehler­ anteil belastet. Bei einer die ganze Schilddrüse betreffenden Hyperthyreose lässt sich ein pulssynchrones Schwirren selten über dem Organ ertasten, oft allerdings bei der Auskultation mit dem Stethoskop hören. Hausarzt Medizin etabliert, bei der man davon ausgeht, dass maligne Knoten deutlich häufiger eine festere Konsistenz haben als benigne. Diese Methode wird allerdings nur von wenigen Zentren angeboten und muss weiter evaluiert werden. Labor Da die Schilddrüsenfunktion durch eine im technischen Sinn negative Rückkopplung von der Hypophyse aus gesteuert wird, ist ­eine erste Beurteilung der Schilddrüsenfunktion durch die Messung des TSH (Thyreoidea stimulating hormone) möglich. Dabei signalisiert ein hohes TSH eine (latente oder mani Sonographie feste) Hypothyreose, ein niedriges TSH umgekehrt eine Tendenz zur Überfunktion. Diese Zur Sonographie der Schilddrüse gehört Vereinfachung setzt allerdings voraus, dass nicht nur eine entsprechende technische der entsprechende Regelkreis seitens der HyAusrüstung mit hochauflösenden Schall­ pophyse exakt funktioniert. Solch eine Siköpfen und einer Dopplersonographie, die cherheit ist in vielen Fällen für die feinen intrathyreotrügerisch: idalen Gefäße geeignet ist, Es ist hilfreich, sich sondern auch die entspreHäufiger noch als Adenome ­vorab mit dem Schild­ chende Erfahrung des Unoder morphologische Verdrüsen­patienten über tersuchers. Es gilt regionale änderungen der Hypophyse seine Beschwerden zu Echoarmut einer Thyreoidisind Zustände und Situatiounterhalten. tis von Knoten abzugrenzen, nen, in denen die Hypophyse kleine Zysten von Gefäßsozusagen von sich aus zuverläufen zu unterscheiden rückbremst: Schwere nicht und szintigraphisch inaktive („kalte“) Knothyreoidale Erkrankungen (NTI), Hungerten unter den Gesichtspunkten einer potenund Fastenzustände, Schwangerschaft in den ziellen Malignität einzuschätzen (Tabelle 1). ersten Wochen, verschiedene Medikamente Wichtig ist eine gute Dokumentation des (Kortison, Metoclopramid, Dopamin, SalizylaUltraschallbefundes: Volumen und Strukte) und andere mehr. In diesen Fällen, genautur der Schilddrüsenlappen und sämtlicher so wie nach Operationen oder Teilinsuffizien­ Knoten, ggf. zusätzlich Maximaldurchmeszen der Hypophyse reicht die Bestimmung ser der Knoten. Für Nachuntersuchungen ist des TSH allein auf keinen Fall aus, die periauch eine möglichst gute Beschreibung der pheren Schilddrüsenhormone (mindestens Lage der Knoten entscheidend, insbesondedas FT4) müssen mituntersucht werden. re wenn zahlreiche Knoten vorliegen. Ferner Die Bestimmung der schilddrüsenspezifisollte eine Einschätzung der Durchblutung schen Antikörper setzt eine vorherige Ul(Rand- und Mittenbereiche) von Knoten ertraschalluntersuchung voraus, bei der sich folgen. Besonderheiten wie Verkalkungstypische Kriterien zeigen (Echoarmut, ggf. strukturen oder dorsale Schallschatten und Veränderungen der Blutzirkulation). Präope-verstärkungen sind ebenfalls zu erfassen rative Bestimmungen des Calcitonins zum und zu beschreiben. Ausschluss eines medullären Schilddrüsenkarzinoms sollten Spezialisten überlassen In den letzten Jahren hat sich als neue Unwerden. tersuchungsmethode die Elastographie Der Hausarzt 17/2016 Dr. med. Mathias Beyer Praxis für Endokrinologie, Nürnberg, E-Mail: info@ hormone-nbg.de Tab. 1: Sonographie: ­Malignitätsverdacht* ▪▪ Echoarmut ▪▪ Solide (nicht zystische) Knoten ▪▪ Kräftige Binnendurchblutung ▪▪ Unregelmäßige Rand­ begrenzung ▪▪ Mikroverkalkungen ▪▪ Vergrößerte Halslymphknoten ▪▪ Vermehrte Konsistenz * bei szintigraphisch hypo­funktionellen Knoten 63 Hausarzt Medizin Szintigraphie Literatur beim Verfasser. Mögliche Interessenskonflikte: Der Autor hat keine deklariert. Eine Szintigraphie der Schilddrüse ergibt kein wirklichkeitsgetreues Abbild des Organs, sondern eine bildliche Umsetzung der Aktivität einzelner Areale. Dadurch wird klar, dass die Szintigraphie nie eine Erstoder Einzeluntersuchung sein kann. Auch der Versuch einer „nuklearmedizinischen Volumetrie“ ist naturgemäß zum Scheitern verurteilt. Es muss vor der Szintigraphie ­eine Ultraschalluntersuchung möglichst vom gleichen Untersucher durchgeführt worden sein, zum anderen sollten spätestens zur endgültigen Beurteilung Laborparameter zur Frage des Funktionszustands vorliegen. Die Hauptindikation zur Schilddrüsenszintigraphie liegt in der Differenzierung von Knoten. Eine andere, seltenere Indikation stellt eine subakute Thyreoiditis dar, bei der als typisches Zeichen das Technetium trotz relativ hoher Schilddrüsenhormone nicht von der Schilddrüse aufgenommen wird. Auch die Frage nach ektopem Schilddrüsengewebe, einem Lobus pyramidalis oder einer Zungengrundstruma gehört zu den seltenen Fragestellungen an den Nuklearmediziner. Technisch läuft die Untersuchung so ab, dass ein Radiopharmakon (heute 99Technetium wegen der im Vergleich zu 123Jod kürzeren Halbwertzeit von ca. 6 Stunden) intravenös gespritzt wird und nach 15 bis 20 Minuten proportional zur Arbeitsleistung einzelner Schilddrüsenareale mit einer Gam- FAZIT ▪▪ Eine Schilddrüse lässt sich nicht durch die alleinige Bestimmung eines einzelnen ­Laborparameters ausreichend beurteilen. ▪▪ Es wird eine diagnostische Reihenfolge vorgeschlagen, die nach Anamnese und ­körperlicher Untersuchung den Ultraschall als wichtigste technische Methode ergibt. Knoten werden im Ultraschall bezüglich bestimmter Malignitätskriterien beurteilt. ▪▪ Die Labordiagnostik umfasst die Messung des TSH und in nicht seltenen Fällen auch der peripheren Schilddrüsenhormone, bei Hinweisen auf eine Autoimmunthyreo­ pathie die Bestimmung der entsprechenden Antikörper. ▪▪ Schilddrüsenszintigramme bedürfen einer strengen Indikationsstellung und zu ihrer Beurteilung einer zeitnah durchgeführten Sonographie. ▪▪ Szintigraphisch hypofunktionelle Knoten mit sonographischen Malignitätskriterien werden punktiert, sofern Lage und Größe der Knoten es erlauben. 64 makamera über der Schilddrüse gemessen und graphisch umgesetzt werden kann. Damit lassen sich hyper- und hypofunktionelle Knoten unterscheiden (früher „heiße“ und „kalte“ Knoten). Dies setzt allerdings voraus,­ dass der intrathyreoidale Jodgehalt der Schilddrüse nicht so hoch ist, dass sich das Radiopharmakon nicht an die entsprechenden Rezeptoren binden lässt. Auch manche entzündlichen Erkrankungen wie eine subakute Thyreoiditis behindern die Techne­ tium-Aufnahme. Das Ergebnis einer Schilddrüsenszintigraphie wird dahingehend interpretiert, dass ein hypofunktioneller Knoten potenziell­ bösartig sein kann und eventuell einer Punktion unterzogen werden sollte. Hyper­ funktionelle (nach früherem Sprachgebrauch „heiße“) Knoten hingegen sind praktisch nie maligne und können bei Entwicklung einer Hyperthyreose zum Beispiel durch eine Radiojodtherapie problemlos entfernt werden. Die Entscheidung, ob ein Szintigramm unter laufender Einnahme von Schilddrüsenhormonen durchgeführt werden sollte, ist mit dem durchführenden Spezialisten abzusprechen. Feinnadelpunktion Szintigraphisch hypofunktionelle ­Knoten ab einem Durchmesser von z. B. 1,0 cm sind insbesondere bei sonstigen positiven ­Malignitätskriterien einer ultraschallgesteuerten Feinnadelpunktion zugänglich. Deren Ergebnis ist allerdings nur im positiven Fall (bezogen auf den Malignitätsverdacht) zu verwerten. Auch diese (schmerzarme) Untersuchungsmethode erfordert einige Übung und ist unter anderem von der Qualität der nachfolgenden zytologischen Untersuchung abhängig. Zurzeit wird in Deutschland diskutiert, ob diese Punktionen sicherheitstechnisch in den Bereich der Blutentnahmen oder den der chirurgischen Eingriffe einzuordnen ist. Die Komplikationsraten sind bei richtiger Handhabung und Indikationsstellung verschwindend gering. Der Hausarzt 17/2016