Organe um jeden Preis? Zur Frage der Alternativen der postmortalen Organspende Von Anja Haniel Kaum eine Therapieform hat in den letzten Jahren so immense Fortschritte erzielt wie die Organtransplantation. Die Zahl an Transplantationen ist beständig angestiegen und die Erfolgsquote konnte unter anderem durch neue Medikamente zur Verhinderung der Organabstoßung wesentlich verbessert werden. Im allgemeinen haben die Patienten nach der Transplantation eine deutlich höhere Lebensqualität als vorher. Vielfach ist die Organtransplantation die einzige lebensrettende Behandlungsmöglichkeit überhaupt. Auch für die Krankenkassen rechnet sich eine Transplantation oft, da beispielsweise eine jahrelange Dialyse bei Nierenpatienten auf die Dauer erheblich teurer kommt als Transplantation und Nachsorge. Doch gerade dieser Erfolg ist es, der zum größten Problem der Organtransplantation wird. Während der Bedarf an Organen ständig ansteigt, hat die Spendebereitschaft in der Bevölkerung eher nachgelassen. Aus diesem Grund werden die Wartelisten mit Patienten, die dringend ein Organ benötigen, immer länger. Allein in Deutschland fehlen jährlich etwa 1000 Nieren, 500 Herzen und 500 Lebern. Das Problem existiert auch in anderen Ländern, ist aber in Deutschland besonders gravierend. Welche Gründe für die niedrige Spendebereitschaft ausschlaggebend sind, kann hier nicht erörtert werden, sicher spielt aber die lange kontroverse Debatte um das Transplantationsgesetz und den Hirntod als Todeszeitpunkt eine wichtige Rolle. Das seit 1997 geltende deutsche Transplantationsgesetz hat unter anderem die Absicht, zu einer Steigerung der Spendebereitschaft beizutragen, indem es für eine erhöhte Transparenz der Abläufe sorgt. In dem kurzen Zeitraum seiner Geltung kann ein solcher Effekt bislang jedoch nicht festgestellt werden (Oduncu 1999). Die Knappheit an Spenderorganen führt zu der Situation, daß die Frage der Verteilungsgerechtigkeit zu einem zentralen Aspekt der ethischen Auseinandersetzung mit der Organtransplantation geworden ist. Die Organvergabe erfolgt derzeit nach Kriterien wie Gewebeverträglichkeit, Wartezeit, Dringlichkeit, Erfolgsaussicht u.a.. Problematisch hieran ist, daß sich nach diesen Kriterien nicht in jeder Situation eine eindeutige Entscheidung ergibt. So können die Erfolgsaussichten bei einem jungen Patienten am größten sein, während ein älterer dringender das Organ benötigt, da der Krankheitsverlauf bei ihm bereits weiter fortgeschritten ist. Angesichts dieser Situation erfolgt die Organvergabe nach einem System, bei dem jeder Patient für alle Kriterien Punkte erhält. Aus der Anzahl der erhaltenen Punkte errechnet sich dann, welcher Patient bei der Vergabe eines Organs den Vorrang erhält. Im Sinne des Gleichheitsprinzips kann diese Situation jedoch nicht restlos befriedigen, da es letztlich doch der behandelnde Arzt ist, der bewerten muß, welcher seiner Patienten beispielsweise die besseren Erfolgsaussichten hat. Völlige Objektivität ist dabei nicht zu erreichen. Selbst wenn diese gegeben wäre, bliebe die Tatsache bestehen, daß Patienten, denen möglicherweise mit einem Organ hätte geholfen werden können, versterben. Als einziger Ausweg aus dieser Dilemmasituation ist die Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe anzusehen. Da es als nahezu unwahrscheinlich gilt, die Spendebereitschaft der BevölkeZeitschrift für Evangelische Ethik, 44. Jg., S. 269 – 284, ISSN 0044-2674 © Gütersloher Verlagshaus 2000 269 rung in genügendem Ausmaß zu verbessern, werden in den letzten Jahren vermehrt alternative Wege gesucht, um den Organmangel zu bekämpfen. Zu nennen sind hier die Herstellung künstlicher Organe, die Xenotransplantation, also die Transplantation tierischer Organe, sowie der Versuch, aus embryonalen Stammzellen oder durch therapeutisches Klonen Organe und Gewebe zu züchten. Vielleicht mit Ausnahme von Blutdialysegeräten ist allen gemeinsam, daß es sich bislang noch um Verfahren handelt, die allenfalls im experimentellen Stadium sind, aber noch keine routinemäßig anzuwendenden Therapien darstellen. Darüber hinaus werfen sie eine Vielzahl unterschiedlicher ethischer Fragen auf, die im Vorfeld ihrer routinemäßigen Anwendung gesellschaftlich diskutiert werden sollten. Die beiden letztgenannten Verfahren sind außerdem zumindest in Deutschland gesetzwidrig. Ziel dieses Artikels ist es, zunächst einen Überblick über diese alternativen Wege der Organbeschaffung zu geben. Darüber hinaus soll die Frage erörtert werden, inwieweit die dafür zu betreibende Forschung durch das Anwendungsziel ethisch rechtfertigt werden kann bzw. welche ethischen Fragen bei der Anwendung selbst zu beachten sind. Bei dieser Betrachtung lege ich die folgenden, aus christlich-ethischer Perspektive wohl weitestgehend konsensfähigen Kriterien der ethischen Bewertung zugrunde: – Die Menschenwürde: Im Sinne einer medizinethischen Betrachtung, wie sie hier vorgenommen wird, umfaßt die Menschenwürde zwei Parameter: zum einen die Autonomie bzw. Selbstbestimmung des Patienten, der folglich nach umfassender Aufklärung durch den Arzt seine informierte Zustimmung zu einer Transplantation geben muß. Zum anderen ist das Recht auf Lebensschutz konstitutiver Bestandteil der Menschenwürde. – Das Berufsethos des Arztes: Das Berufsethos des Arztes verpflichtet ihn dazu, das Prinzip des Nicht-Schadens zu beachten. Der Arzt hat insofern die Verantwortung, die Therapieform anzuwenden, die bei dem potentiell größtmöglichen Nutzen das geringste medizinische Risiko beinhaltet. Er ist dabei aber nicht nur dem konkret vorfindlichen Patienten verpflichtet, sondern hat in sein Handeln auch Erwägungen der öffentlichen Gesundheit einzubeziehen. – Das Gleichheits- und Gerechtigkeitsprinzip: Dieses Prinzip spielt bei der ethischen Bewertung der verschiedenen Organersatz-Möglichkeiten insofern eine wichtige Rolle, als vermutlich keine der diskutierten Alternativen die Allotransplantation, also die Transplantation menschlicher Spenderorgane, in absehbarer Zukunft ganz wird ersetzen können. Es stellt sich dann die wichtige Frage, nach welchen Kriterien entschieden wird, welcher Patient welchen Organersatz erhält. Wie kann also eine wirkliche Verteilungsgerechtigkeit erreicht werden, wenn die verschiedenen Alternativen in ihrer Funktionalität, durch sie verursachten Begleiterscheinungen oder auch in Kostenhinsicht differieren? – Technikfolgenabschätzung: Neben den medizinischen Chancen oder Risiken sind denkbare andere Technikfolgen oder Risiken der Anwendung bei den verschiedenen Organersatz-Möglichkeiten in der ethischen Betrachtung bedeutsam. Dies bedeutet, daß der medizinische Zweck in einem vertretbaren Verhältnis zu möglichen, beispielsweise auch Dritte betreffenden Folgen stehen muß. – Öffentlichkeit der Wissenschaft: Insofern als die wissenschaftliche Forschung ein von öffentlicher Hand getragenes System ist, ist sie der Öffentlichkeit Rechtfertigung schuldig. In dieser Hinsicht sollte es grundlegendes Element des Wissenschaftsethos sein, daß sich die Wis270 senschaft trotz der grundgesetzlichen Garantie der Forschungsfreiheit keinen Forschungsmethoden und –zielen widmet, die nicht zumindest von einem überwiegenden Teil der Gesellschaft akzeptiert werden können. 1. Herstellung künstlicher Organe Das bekannteste Beispiel für künstlichen Organersatz ist die sogenannte Dialyse, durch die bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen oder völligem Nierenversagen das Blut von Schadstoffen gereinigt wird. Es handelt sich dabei um ein technisches Gerät, das außerhalb des Körpers an den Blutkreislauf angeschlossen wird. Das Blut wird mittels Pumpen über eine Filtermembran geleitet, wodurch die Schadstoffe ausgefiltert werden. Die Prozedur muß zwei- bis dreimal wöchentlich über mehrere Stunden durchgeführt werden und ist für die Patienten mit hohen körperlichen Belastungen verbunden. Darüber hinaus führt das dauerhafte Angewiesensein auf ein sogenanntes Dialysezentrum zu einer verminderten Lebensqualität, da die persönliche Mobilität und freie Zeiteinteilung eingeschränkt sind (Bundesärztekammer 1999). Die »künstliche Niere« verhilft also dazu, das Überleben der Patienten relativ lang zu sichern, ihre Leistung ist aber mit der eines echten Organs nicht vergleichbar. Angesichts der Tatsache, daß nicht genügend Spendernieren für die Transplantation zur Verfügung stehen, ist die Dialyse aber die einzige lebensrettende Therapie für eine große Zahl an Patienten. Eine nicht geringe Zahl an Patienten entscheidet sich aber aus verschiedensten Gründen auch selbst gegen eine Transplantation und bevorzugt die Dialyse. In der aktuellen ethischen Diskussion spielt die Frage der Dialyse keine entscheidende Rolle. Sie wird offenbar im Rahmen des derzeitig verfügbaren medizinischen Know-how als Standardtherapie akzeptiert, ohne daß sie mit anerkannten ethischen Prinzipien konfligiert, solange sie nach angemessener ärztlicher Aufklärung und natürlich mit dem Einverständnis des Patienten durchgeführt wird. Allerdings scheint es vereinzelt Fälle zu geben, bei denen Patienten von ihren Ärzten nicht für die Wartelisten für Nierentransplantationen angemeldet wurden, obwohl dies aus medizinischen Gründen angezeigt wäre oder der Patient auch selbst den Wunsch geäußert hat. Es ist unklar, ob dies reine Fahrlässigkeit des behandelnden Arztes ist, ob die Chance auf Zuteilung eines Organs als sowieso zu gering eingestuft wurde oder ob hier möglicherweise auch finanzielle Interessenkonflikte bestehen, wenn die Praxis selbst über eine Dialyseeinrichtung verfügt. Jedoch ist dieses Problem eher eine Frage der Einstellung zum ärztlichen Berufsethos als eines, das aus der Verfügbarkeit der künstlichen Blutwäsche selbst resultiert. Auch an der Entwicklung anderer künstlicher Organe wird intensiv gearbeitet. Ein Beispiel ist eine künstliche Bauchspeicheldrüse, die Diabetikern implantiert werden könnte. Sie soll wie die menschliche Bauchspeicheldrüse den Blutzuckerspiegel kontinuierlich messen und je nach Bedarf Insulin ins Blut abgeben. Bislang scheinen sich die Erfolge hinsichtlich der Entwicklung dieses Geräts in Grenzen zu halten. Sollte das Gerät jemals auf den Markt kommen, so spräche aus ethischer Sicht wohl wenig gegen seine Anwendung. Für den Diabetiker könnte es zu einer erheblichen Erleichterung führen, da das belastende Messen des Blutzuckers und anschließende Injizieren des Insulins entfallen könnte. Darüber hinaus könnte das Gerät eine kontinuierlichere 271 Messung der Werte garantieren und damit eine wesentlich genauere Dosierung vornehmen. Gerade für Patienten, die eine relativ schlechte compliance haben, könnte ein solches Gerät einen immensen medizinischen Fortschritt darstellen. Probleme, die beispielsweise durch das zu späte oder falsch dosierte Injizieren des Insulins ausgelöst werden, wären vermeidbar. Allerdings müßte sichergestellt sein, daß das Gerät über einen genügend langen Zeitraum wartungsfrei arbeitet. Sollte das Gerät zu unzuverlässig sein, wäre es natürlich keine brauchbare Alternative zur bisherigen Praxis der Insulininjektion. Ob die Tatsache, daß der Patient auf ein implantiertes technisches Gerät, angewiesen ist, ein ethisches Problem darstellt, weil sich etwa das Selbstbild des Patienten oder die Einstellung Dritter ihm gegenüber ändert, kann wohl mit »nein« beantwortet werden. Solange sichergestellt ist, daß der Patient eine selbstbestimmte Entscheidung darüber trifft, ob er eine künstliche Bauchspeicheldrüse oder die herkömmliche Insulininjektion bevorzugt, dem ethischen Kriterium der Autonomie also Rechnung getragen ist, muß davon auszugehen sein, daß der Patient auch bereit ist, derartige Auswirkungen in Kauf zu nehmen. Abgesehen davon könnte ja gerade die künstliche Bauchspeicheldrüse dem Patienten zu einem leichteren Umgang mit seiner Erkrankung verhelfen und sich dementsprechend positiv auf das Selbst- und Fremdbild ebenso wie seinen selbstbestimmten Lebensvollzug auswirken. Auch zur Überbrückung eines Leberversagens, das unbehandelt sehr rasch zum Tod führt, sind technische Geräte in der Entwicklung, die allerdings nicht transplantiert werden sollen, sondern ähnlich wie die Dialyseapparaturen außerhalb des Körpers arbeiten sollen. Bislang basieren sie darauf, daß das Blut durch die Apparatur gepumpt und dabei etwa über Leberzellen von Schweinen geleitet wird. Die Leberzellen sollen dabei das Blut entgiften, das anschließend wieder dem Körperkreislauf zugeführt wird. Hierbei handelt es sich sozusagen um einen Übergang zur Xenotransplantation, wobei aber das tierische Organ eben außerhalb des menschlichen Körpers arbeitet. Die bisherigen Erfahrungen können nicht zufriedenstellen, denn die so behandelten Patienten überlebten maximal einige Tage, weil höchstwahrscheinlich viele physiologisch notwendige Funktionen nicht von den Schweineleberzellen erfüllt werden konnten. Andererseits könnten in einigen Fällen theoretisch wenige Stunden oder Tage schon zur Überbrückung hilfreich sein, bis eine geeignete Leber gefunden wäre. Welche spezifischen ethischen Fragen bei der Verwendung tierischen Materials relevant sind, wird im Kapitel Xenotransplantation erörtert. Weiterhin wird auch seit langem versucht, künstliche Herzen zu entwickeln. Bereits seit einigen Jahren gibt es Geräte, die außerhalb des Körpers arbeiten und eine Überbrückungszeit ermöglichen, bis sich ein erkranktes Herz erholt hat oder ein menschliches Spenderorgan gefunden ist. Allerdings sind diese Geräte bislang nur bei stationärer Behandlung einsetzbar gewesen. Eine ganz neue Entwicklung aus den USA wurde im Oktober letzten Jahres allerdings einem deutschen Patienten eingepflanzt. Das sogenannte Löwen-Herz scheint bei diesem Patienten bislang einwandfrei zu funktionieren, allerdings fehlen Langzeiterfahrungen. Experten zufolge könnten Kunstherzen in wenigen Jahren aber eine echte Alternative zu menschlichen Organen darstellen. Generell sind bei der ethischen Bewertung künstlicher Organe zwei Aspekte von Bedeutung. Der erste betrifft die Tatsache, daß die Entwicklungen sich derzeit in einem Stadium befinden, in dem nicht daran zu denken ist, daß sie ein genereller Ersatz für die Transplantation menschli272 cher Organe sein könnten. Derzeit kann also von ihnen kein wirklich relevanter Beitrag zur Lösung des Organmangels erwartet werden. Die prospektive Betrachtung gibt aber in der ethischen Bewertung ein weitgehend positives Bild. Sollten eines Tages künstliche Organe verfügbar sein, deren Leistung mit der transplantierter menschlicher Organe vergleichbar wäre, so könnte das Problem der Verteilungsgerechtigkeit bei der Vergabe von Transplantaten gelöst werden. Der zweite ethisch möglicherweise relevante Aspekt ist die Tatsache, daß die Transplantation eines technischen Geräts zu Persönlichkeitsänderungen führen könnte. Dies ist im Prinzip zwar unbestritten, doch ist dies bei Transplantation menschlicher Organe nicht minder der Fall. Zu dieser Persönlichkeitsveränderung trägt wohl allein schon die Tatsache bei, sich mit einer lebensbedrohlichen Krankheitssituation auseinander setzen zu müssen. Vermeintlich ethische Debatten darüber, ob die Transplantation eines künstlichen Organs ein zu tiefer Eingriff in das spezifisch menschliche ist, oder anders ausgedrückt, wieviel Maschine ein Mensch sein darf, ohne zur Maschine degradiert zu werden, gehen an dem eigentlichen Problem meiner Ansicht nach vorbei, denn die Würde des Menschen macht sich nicht an seiner nicht-maschinellen, menschlichen Körperlichkeit fest. 2. Xenotransplantation Die Xenotransplantation, also die Transplantation tierischer Organe auf den Menschen, ist ein anderer Forschungsschwerpunkt, durch den versucht wird, genügend Organe für die Transplantationsmedizin bereitzustellen. Am ehesten kommen hierfür nach heutigem Erkenntnisstand Schweine in Betracht, da ihre Organe in Größe und Physiologie denen des Menschen ähneln (Hammer et al. 1998) und sie im Vergleich zu Primaten sehr schnell und einfach zu züchten sind. Außerdem sprechen Artenschutzerwägungen gegen die Verwendung von Primaten. Während frühere Versuche, Tierorgane auf den Menschen zu verpflanzen, fehlschlugen, könnte mit Hilfe der Gentechnik auf diesem Gebiet bald ein Durchbruch zu erzielen sein. Das größte Problem bei der Übertragung tierischer Organe ist nämlich die Abstoßungsreaktion durch das menschliche Immunsystem, das die Oberflächenproteine als fremd erkennt und deshalb das Organ zerstört. Mit verschiedenen Strategien wird deshalb versucht, diese Abstoßungsreaktion zu verhindern. Eine Strategie basiert darauf, die Oberflächenproteine auf den Organen der Schweine denen des Menschen durch gentechnische Veränderung ähnlicher zu machen. Eine andere zielt darauf ab, Komponenten des menschlichen Immunsystems durch inhibitorische Proteine für das tierische Organ unschädlich zu machen. Beide Strategien werden höchstwahrscheinlich nur die sogenannte hyperakute Abstoßungsreaktion mildern können, die innerhalb von wenigen Stunden die Organe angreift und zerstört. Ob die chronische Abstoßung damit und unter Einsatz von Immunsuppressiva auch in den Griff zu bekommen ist, steht zwar nicht fest, doch könnte in vielen Fällen schon die Möglichkeit einer vorübergehenden Überbrückung der Wartezeit bis zur Verfügbarkeit eines menschlichen Organs Leben retten. Versuche zeigen, daß auf Paviane transplantierte Herzen oder Nieren gentechnisch veränderter Schweine bis zu zwei Monaten nicht abgestoßen werden und funktionstüchtig sind. Bislang ist nicht geklärt, ob die Abstoßung tatsächlich auch beim Menschen verhindert und die physiologische Funktionsfähigkeit gewährleistet werden kann. Die an der Entwicklung der gentechnisch 273 veränderten Schweine arbeitenden Pharmaunternehmen sind aber an der baldigen Erprobung der Xenotransplantation in klinischen Studien interessiert. Doch gibt es in Bezug auf die klinische Anwendung der Xenotransplantation derzeit noch massive Vorbehalte, die bei der ethischen Bewertung eine gewichtige Rolle spielen. Neben der ungeklärten Frage, ob die Abstoßung verhindert und die Funktionalität garantiert werden könnte (Bundesärztekammer 1999), sehen Experten das Risiko, daß mit dem tierischen Organ sogenannte Zoonosen (durch tierische Erreger ausgelöste Krankheiten) auf den Menschen übertragen werden könnten. Bislang sind im Zusammenleben zwischen Mensch und Schwein zwar keine gefährlichen Erreger übertragen worden, doch wäre das Risiko bei Transplantation eines lebenden Organs vermutlich ungleich größer. Beim Schwein sind eine Vielzahl sogenannter endogener Retroviren bekannt, die ins Erbgut integriert sind (Tönjes 1997). Sie scheinen für das Schwein selbst harmlos zu sein, doch ist bislang nicht der Nachweis gelungen, daß sie auch für den Menschen ungefährlich sind. Theoretisch wäre es denkbar, daß diese Erreger aufgrund des gedrosselten Immunsystems der transplantierten Patienten aktiv werden könnten. Darüber hinaus könnten diese Viren theoretisch mit menschlichen Viren rekombinieren, also eine völlig neue Virusvariante bilden. Wie groß dieses Risiko tatsächlich ist, ist derzeit nur unzureichend abzuschätzen. Es konnte zwar beispielsweise gezeigt werden, daß sich Viren des Schweins in menschlichen Zellkulturen vermehren können, ob sie dies aber auch im intakten Organ täten, ist damit nicht bewiesen (Patience et al. 1997). Eine 1999 in der wissenschaftlichen Zeitschrift Science veröffentliche Studie, in der 160 Patienten, die zu einem früheren Zeitpunkt kurzzeitig mit tierischen Zellen behandelt worden waren, untersucht wurden, hatte zum Ergebnis, daß keine Virusübertragung festgestellt wurde (Paradis et al. 1999). Allerdings ist die Anzahl der involvierten Patienten zu klein, als daß das Risiko gänzlich auszuschließen wäre. Es ergibt sich nun das Dilemma, daß klinische Studien an Menschen notwendig wären, um ein statistisch verläßlicheres Ergebnis zu erhalten. Die in diese Studien einbezogenen Patienten würden für sich das Risiko einer Virusübertragung möglicherweise in Kauf nehmen, da sie aufgrund eines fehlenden menschlichen Spenderorgans in dem Xenotransplantat eine Überlebenschance sähen. Es wäre aber möglich, daß gerade im Rahmen dieser Studie tatsächlich eine solche Virusübertragung stattfindet, die je nach Übertragungsweg auch das Krankenhauspersonal und sämtliche anderen Kontaktpersonen gefährdet. Dieser Gefahr könnte nur dann wirkungsvoll begegnet werden, wenn die Patienten höchsten Sicherheitsmaßnahmen, also etwa einer Quarantäne, unterliegen. Die Frage ist aber, wie lange dieser Zustand aufrecht erhalten werden könnte. An sich ist es ein grundlegendes Prinzip bei klinischen Studien, daß die Teilnehmer jederzeit und ohne Angabe von Gründen ihre Teilnahme an der Studie abbrechen können. In Anbetracht des ungeklärten Virusrisikos könnte es dagegen notwendig werden, die Patienten eventuell auch gegen ihren Willen in Quarantäne zu behalten. Das Selbstbestimmungsrecht der Studienteilnehmer wäre damit nicht nur eingeschränkt, sondern aufgehoben (Haniel et al. 2000). Ohne diese Sicherheitsmaßnahme bestünde aber die Möglichkeit, gerade durch die Studie, die das Infektionsrisiko abklären soll, eine solche Infektion auszulösen, die sich dann unter Umständen zu einer Epidemie oder gar Pandemie ausweiten könnte. Bei der ethischen Bewertung der Xenotransplantation müssen verschiedene Ebenen miteinander in Beziehung gesetzt werden. Ziel der Xenotransplantation ist es, genügend Organe für die Transplantation bereitzustellen. Angesichts des genannten Risikos von Zoonosen, die schlimm274 stenfalls zu einer weltweiten Epidemie werden könnten, stellt sich die Frage, ob das Ziel, einer im Vergleich geringen Anzahl von Patienten das Leben zu retten, vertretbar ist, wenn eine ungleich höhere Anzahl an Menschen Gefahr läuft, durch diese Epidemie ihr Leben zu verlieren. Auf dieses Problem läßt sich nach Eve-Marie Engels die sogenannte Minimax-Regel anwenden (Engels 1998). Sie besagt, daß unter verschiedenen Optionen jeweils diejenige zu wählen ist, die im schlimmsten denkbaren Fall den geringsten Schaden verursacht. Konkret bedeutet dies für die Xenotransplantation folgendes: Bei Verzicht auf die Transplantation tierischer Organe verstirbt eine bestimmte Anzahl an Patienten mit Organversagen auf den Wartelisten. Bei Anwendung der Xenotransplantation kann es im schlimmsten Fall zu einer Pandemie mit einer ungleich größeren Zahl an Todesopfern kommen. Auch wenn dieses Risiko hypothetisch ist, würde nach der Minimax-Regel der Verzicht auf die Xenotransplantation die zu wählende Option sein. Die Minimax-Regel ist allerdings nicht unumstritten, denn prinzipiell könnte mit ihr fast jeder technische Fortschritt verhindert werden, da eine völlig risikolose Technikentwicklung immer unmöglich ist. Insbesondere kann im Falle der Xenotransplantation die Eintrittswahrscheinlichkeit der jeweiligen Schadensfälle nicht genügend berücksichtigt werden, da sie nicht abzuschätzen ist. Diese ist aber konstitutiver Bestandteil des Risikos, das sich aus dem Produkt von Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit errechnet. Während die Wahrscheinlichkeit, daß Patienten versterben, wenn die Xenotransplantation nicht angewendet wird, derzeit in Folge des Organmangels quasi eine Sicherheit ist, kann die Eintrittswahrscheinlichkeit einer weltweiten, lebensbedrohenden Pandemie nicht beziffert werden. Es wird also eine Gewißheit mit einem hypothetischen Risiko verglichen, so daß die Regel allein im Falle der Xenotransplantation wohl nicht stichhaltig genug ist. Es scheint insofern angemessen zu fragen, ob die Xenotransplantation überhaupt die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen kann. Ziel ist es ja, den Organmangel zu beenden. Dieses Ziel ist aber nur dann zu erreichen, wenn die tierischen Organe eine vergleichbare Leistung erbringen können wie es ein menschliches Spenderorgan kann. Nur diese Verbesserung der medizinischen Versorgung ist es ja, die eine ethische Begründung zugunsten der Xenotransplantation darstellen würde (Beckmann 1998). Viele Experten sind aber der Meinung, daß auf absehbare Zeit menschliche Transplantate die geeigneteren sein werden. Einerseits ist die Abstoßungsgefahr höchstwahrscheinlich geringer als bei den tierischen Organen, andererseits sind eben die physiologischen Reaktionen auf den menschlichen Körper und Stoffwechsel optimiert, was bei den tierischen nicht der Fall wäre. Aus diesem Grund wird es als sehr wahrscheinlich eingeschätzt, daß ein tierisches Transplantat nur eine Überbrückungsfunktion erfüllen können wird, bis ein geeignetes Organ für den jeweiligen Patienten gefunden würde. Faktisch würden also die mit einem tierischen Organ transplantierten Patienten nicht von den Wartelisten verschwinden, sondern die Zeit, die sie trotz ihrer Erkrankung überleben, würde verlängert werden. Die Chance, ein passendes menschliches Organ zu finden, würde damit relativ gesehen für diese Patienten steigen. Letztlich wäre aber der absolute Bedarf an menschlichen Organen keineswegs geringer. Es bestünde im Gegenteil sogar die Gefahr, daß die Spendebereitschaft in der Bevölkerung aufgrund der vermeintlichen Verfügbarkeit tierischer Organe noch weiter abnimmt. Infolgedessen könnte sich der Organmangel sogar verstärken. Selbst wenn letzteres durch gezielte Aufklärungskampagnen abgewendet werden könnte, bliebe der Beitrag der Xenotransplantation zur Beendigung des Organmangels gering. 275 Darüber hinaus ergäben sich wiederum neue Fragen in Bezug auf die Verteilungsgerechtigkeit. Beispielsweise müßten neue Entscheidungskriterien dafür gefunden werden, welchem Patienten der Vorzug zu geben ist, wenn von zwei Patienten einer bereits ein Xenotransplantat erhalten hat, von dem unklar ist, wie lange es noch funktionstüchtig bleiben wird, der andere vielleicht aus Glaubensgründen ein Xenotransplantat ablehnt, nun aber anhand des Punktesystems für dasselbe menschliche Spenderorgan in Frage kommt. Wäre es gerecht, das Spenderorgan dem Xenotransplantat-Empfänger zu geben, da damit zu rechnen ist, daß dieses bald versagt? Oder müßte argumentiert werden, daß er ja bereits in den Genuß einer Behandlung gekommen ist, während der andere Patient bislang leer ausgegangen war und damit gerechterweise nun dieses Organ erhalten müßte? Hat aber nicht letzterer freiwillig auf ein Xenotransplantat verzichtet, so daß die Ungerechtigkeit in Bezug auf die bisher erhaltenen ärztlichen Leistungen möglicherweise gar keine Rolle spielt? Dieses Beispiel verdeutlicht, daß die Xenotransplantation, wenn wir davon ausgehen, daß sie die allogene Transplantation niemals ganz ersetzen wird können, auch das Problem der Verteilungsgerechtigkeit nicht lösen wird. Insofern wird auch die Frage des Risikos einer Virusübertragung wieder relevant. Eine Methode, die dazu entwickelt wird, den Organmangel und daraus resultierende Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Organe zu beenden, die diese Erwartungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erfüllen kann, statt dessen aber unter Umständen zu einer Bedrohung für die gesamte Menschheit werden könnte, scheint aus ethischer Sicht nicht vertretbar zu sein. Insbesondere gilt dies angesichts der Tatsache, daß denkbare Alternativen zur Organbeschaffung und zur Prävention von Organversagen noch nicht voll ausgeschöpft sind. Wohlgemerkt kann diese Einschätzung durch weitere Fortschritte der Forschung auch ungültig werden. Angenommen im Tierversuch könnte mit hinreichender Sicherheit gezeigt werden, daß die xenogenen (also tierischen) Organe nach Transplantation einem allogenen (menschlichen) Transplantat vergleichbar wären und kein zusätzliches Infektionsrisiko bergen, sprächen dann dennoch gewichtige Gründe gegen die Xenotransplantation? Auch dann gäbe es möglicherweise ungeklärte Fragen bzw. solche, über die die Meinungen durchaus auseinandergehen. Hier wäre etwa die Frage zu nennen, ob es ethisch zu verantworten ist, daß Tiere, die wir ja als unsere Mitgeschöpfe zu achten haben, als Ersatzteillager für Organe benutzt würden. Allerdings wird hier wohl die Meinung vorherrschen, daß es vertretbar ist, Tiere zu töten, um menschliches Leben zu retten, zumal wir es auch zu Nahrungszwecken tun, obwohl dies nicht unbedingt notwendig wäre (Nuffield Council on Bioethics 1996; EKD und DBK 1998). Darüber hinaus warfen beispielsweise die beiden großen Kirchen in Deutschland in ihrer Stellungnahme die Frage auf, ob die Selbstwahrnehmung des Patienten und seine Fremdwahrnehmung durch andere aufgrund des Schweineorgans verändert wären und dies eine psychische Belastung darstellen könnte (EKD und DBK 1998). Auch die Frage, wie der sogenannte Chimärismus zu bewerten ist, wäre ungeklärt. Als Chimärismus wird das Phänomen bezeichnet, daß sich von Spenderorganen Zellen lösen und im ganzen Körper verteilen können. Dies geschähe bei tierischen Organen wohl ebenso wie bei menschlichen. Ob die Vermischung tierischer Zellen mit menschlichen hierbei anders zu bewerten ist als diejenige verschiedener menschlicher Zellen, ist fraglich. Zumindest ist aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnislage wohl nicht zu erwarten, daß tierische Zellen bis ins Gehirn vordringen, da die sogenannte Blut-HirnSchranke dies verhindert. Insofern wären psychische Veränderungen, die durch die Xenotrans276 plantation ausgelöst werden könnten, wohl eher nicht durch den Chimärismus bedingt. Daß sich einzelne Zellen des Transplantats lösen können, scheint mir dann für die ethische Bewertung eine untergeordnete Rolle zu spielen, wenn man generell der Ansicht ist, die Nutzung von Tieren für humanmedizinische Zwecke sei vertretbar. Sollten wie bereits ausgeführt weitere Forschungsergebnisse die weitgehende medizinische Unbedenklichkeit bzw. Vergleichbarkeit mit Allotransplantaten beweisen, so sprächen also keine prinzipiellen ethischen Einwände gegen die Xenotransplantation. 3. Therapeutisches Klonen Seit der Nachricht von der Geburt des Schafes Dolly, das aus der Euterzelle eines erwachsenen Schafes durch Klonen hervorgegangen ist (Wilmut et al. 1997), wird über die ethische Vertretbarkeit des Klonens auch beim Menschen diskutiert (Eser et al. 1997; NBAC 1997; Ach et al. 1998). Die zuvor in einen bestimmten Ruhezustand versetzte Euterzelle war mit einer entkernten Eizelle fusioniert worden. Das Erbgut aus der Euterzelle war somit in der Lage, die Entwicklung der Eizelle hin zu einem Schaf zu steuern, das genetisch identisch mit dem Schaf war, dessen Euterzelle verwendet worden war. Während die Methode am schottischen Roslin-Institut ursprünglich entwickelt wurde, um gentechnisch veränderte Säugetiere schneller und vor allem identisch vermehren zu können, wurden plötzlich Zielsetzungen diskutiert, die sich durch das Klonen von Menschen erreichen ließen. Allerdings überwogen hierbei Horrorszenarien von geklonten Herdenmenschen oder verspäteten Zwillingen, die als Organspender dienen könnten. Ebenfalls wurde die schon aus naturwissenschaftlicher Sicht abwegige Zielsetzung genannt, ein etwa bei einem Autounfall verstorbenes Kind sozusagen wiederauferstehen zu lassen. Abwegig ist diese Zielsetzung deshalb, weil genetische Identität nicht gleichbedeutend mit charakterlicher Identität ist. Die ethischen Argumentationen, die für oder gegen dieses »reproduktive Klonen« von Menschen sprechen, sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Für die Frage der Lösung des Organmangels in der Transplantationsmedizin ist das »reproduktive Klonen« wenig relevant, da es mit dem Persönlichkeitsschutz des jeweiligen Klons nicht zu vereinbaren wäre, ihn zu einer Organspende zu zwingen. Einen eigenständigen Menschen zum Zwecke der Organspende zu erzeugen, wäre deshalb abwegig. Darüber hinaus käme das Organ für den Patienten vermutlich aufgrund der langen menschlichen Entwicklungszeit sowieso zu spät. In der Frage des Organmangels könnte aber das so genannte »therapeutische Klonen« relevant werden (Rendtorff et al. 1999). Hierbei würde die mittels Kerntransfer in entwicklungsfähigen Zustand gebrachte, also totipotente Eizelle sich nicht bis zu einem eigenständigen Menschen hin entwickeln, sondern es würde versucht werden, aus ihr in Kultur einzelne Organe oder Zelltypen zu züchten. Bis jetzt handelt es sich hierbei lediglich um ein Gedankenexperiment, da weder die Technik des Kerntransfers beim Menschen etabliert ist, noch im einzelnen feststeht, wie sich aus den totipotenten Zellen spezialisierte Zellen erzeugen ließen. Es wäre aber denkbar, daß beide Verfahren technisch zu realisieren sind. Dann wäre es möglich, einem von Organversagen betroffenen Patienten eine Körperzelle zu entnehmen, diese in eine entkernte Eizelle zu transferieren und sie zu dem benötigten Organ oder Zellverband heranwachsen zu lassen. Auf 277 diese Art und Weise erhielte der Patient später ein Organ, das in allen Gewebemerkmalen mit seinen übereinstimmt, so daß das Problem der Abstoßung gelöst wäre. Ebenfalls in der Frage der Verteilungsgerechtigkeit ergäbe sich eine günstige Situation, weil im Prinzip der jeweilige Patient auch gleichzeitig sein eigener Organspender wäre. Aus medizinischer Sicht wäre das therapeutische Klonen also offenbar sinnvoll, wenn auch geklärt werden müßte, ob das transplantierte Material nicht etwa in unkontrollierter Weise weiterwächst und tumorartig entartet. Aus dem Blickwinkel der Ethik läßt sich aber gegen die Zielsetzung, Menschenleben durch voll kompatible Organe zu retten, wenig einwenden. Für die ethische Bewertung des therapeutischen Klonens ist vielmehr die Vertretbarkeit der zum Erreichen dieses Ziels notwendigen Mittel von Bedeutung. Die mittels Kerntransfer in totipotenten Zustand versetzte Eizelle ist einem durch Befruchtung einer Eizelle erzeugten Embryo in ihrer Potentialität, sich zu einem eigenständigen Menschen hin zu entwickeln, gleichzusetzen. Diese Potentialität galt dem deutschen Gesetzgeber bereits in vollem Umfang schützenswert. Aus diesem Grund hat man sich hierzulande entschlossen, im Embryonenschutzgesetz eine verbrauchende Embryonenforschung zu verbieten. Dem Embryo wurde damit vom Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle an die volle Menschenwürde und die damit verbundenen Schutzrechte zuerkannt. Aus rechtlicher Sicht ist damit hierzulande klar, daß das therapeutische Klonen verboten ist, denn der jeweilige Embryo würde ja zum Zweck der Züchtung von Organen verbraucht, anstatt sein Potential, ein eigenständiger Mensch zu werden, verwirklichen zu können. In der ethischen Diskussion ist die Frage der verbrauchenden Embryonenforschung jedoch umstritten (Knoepffler 1999). Welche Entscheidung bezüglich der Verwendung von Embryonen zu Forschungszwecken getroffen wird, hängt letztlich davon ab, welchen moralischen Status man dem Embryo zubilligt. Zu dieser Frage gibt es eine Reihe ganz unterschiedlicher Positionen. Eine ethische Position ist beispielsweise, daß der Embryo ab dem Zeitpunkt des Verschmelzens von Ei- und Samenzelle den moralischen Status einer Person habe und daher – wie es ja auch im deutschen Embryonenschutzgesetz verankert ist – nur als Zweck an sich, nicht als Mittel zum Zweck gelten darf (personale Option; vgl. Knoepffler 1999). Dagegen wenden Vertreter der Gegenposition ein, daß ein menschlicher Embryo zu keinem Zeitpunkt seiner Entwicklung als ein Lebewesen anzusehen ist, das personalen Wert besitzt. Für Personsein sind ihrer Auffassung nach Kriterien wie Rationalität oder Selbstbewußtsein relevant. Damit sprechen die Vertreter dieser antipersonalen Option menschlichen Embryonen keine höhere Schutzwürdigkeit als auch tierischen Embryonen zu. Darüber hinaus gibt es mittlere Optionen, die dem Embryo jeweils ab verschiedenen Stadien seiner Entwicklung einen moralischen Status zusprechen. Manche Vertreter sehen den 14. Tag der Entwicklung als Grenze für die Vertretbarkeit einer verbrauchenden Embryonenforschung an, da der Embryo zu diesem Zeitpunkt endgültig individuiert ist, eine Zwillingsbildung also nicht mehr möglich ist. Ebenfalls genannt seien Vertreter, die etwa Schmerzempfinden oder Beginn der genetischen Expression als einschneidende Zeitpunkte nennen, nach denen der Embryo die volle Schutzwürdigkeit genießt. Es würde hier zu weit führen, die gesamte Debatte über den moralischen Status des Embryos genauer auszuführen. Festzuhalten bleibt jedoch, daß jegliche Position auf bestimmten Grundannahmen basiert, deren Relevanz für den moralischen Status des Embryos nicht empirisch nachweisbar ist. Die Vertreter der personalen Position etwa setzen ja die Verschmelzung 278 von Ei- und Samenzelle als den Zeitpunkt an, an dem sozusagen die Personwerdung begonnen hat. Doch ist diese Annahme (wie alle anderen im übrigen auch) als willkürlich zu bezeichnen, wenn man sich den kontinuierlichen Vorgang der Befruchtung von naturwissenschaftlicher Seite her vergegenwärtigt und erkennt, daß das »Andocken« und anschließende Eindringen einer Samenzelle zu einer Aktivierung der Eizelle führt. Insofern könnte man mit derselben Berechtigung auch schon zu diesem Zeitpunkt, also vor dem endgültigen Verschmelzen von Ei- und Samenzelle, davon sprechen, daß die Potentialität, eine Person zu werden, gegeben ist, da bereits feststeht, welche Samenzelle in die Eizelle eindringen wird. Ebenso beruht natürlich die antipersonale Position darauf, daß man annimmt, menschliches Personsein sei von Rationalität oder Selbstbewußtsein abhängig, was einer zumindest ebenso willkürlichen Setzung entspricht. Bezogen auf die Frage des therapeutischen Klonens ergibt sich deshalb folgendes Problem. Die Frage, ob therapeutisches Klonen ethisch zu rechtfertigen ist, reduziert sich auf die äußerst umstrittene Frage des Embryonenschutzes. Während nämlich die Zielsetzung, durch therapeutisches Klonen Organe zu erzeugen, von den meisten Menschen wohl als positiv bewertet wird, stellt sich die Frage, ob wir für dieses Ziel Embryonen verbrauchen dürfen. Diese Frage wiederum läßt sich wie oben ausgeführt aus ethischem Blickwinkel nicht eindeutig beantworten. Birnbacher etwa ist der Meinung, die Frage des Embryonenschutzes sei auch weniger ein ethisches als ein kulturelles Problem (Birnbacher 1999). Zur Untermauerung dieser These führt er an, daß die Länder, die sich gegen eine verbrauchende Embryonenforschung wenden, teilweise dennoch antizipierend die Bereitschaft bekunden, die Ergebnisse einer solchen, andernorts an Embryonen durchgeführten Forschung medizinisch anzuwenden. Wäre der Embryonenschutz dagegen eine ethische Frage, so wäre nach Birnbacher nämlich auch eine solche antizipierende Delegation der Forschung ethisch sehr fragwürdig. Er ist der Meinung, daß in der fraglichen Periode der Embryonalentwicklung keine Interessen des Embryos verletzt werden könnten, da er noch keine Interessen habe. Das daher meist angeführte Potentialitätsargument, daß schon dem frühen Embryo das Potential innewohne, ein selbständiger Mensch zu werden, greife ebenfalls nicht. Dieses Argument führe nämlich zu dem paradoxen Zustand, daß wir auch einem Pflanzenkeimling oder einem Tierembryo dieselben Schutzrechte zugestehen müßten, wie wir sie ihren jeweils entwickelten Stadien zuschreiben. Birnbacher ist der Auffassung, daß dem menschlichen Embryo daher auch nur abgestufte Schutzrechte je nach seinem Entwicklungszustand zukommen (Birnbacher 1999). Birnbacher vertritt einen für deutsche Verhältnisse relativ exponierten Standpunkt, macht aber doch noch einmal das Dilemma, vor das uns die Embryonenforschung stellt, klar. Ich kann hier keine endgültige Entscheidung in diesem Fragekomplex herbeiführen. Die meisten Leser und Leserinnen werden mit mir übereinstimmen, daß es am besten wäre, einen Weg der Organzucht zu finden, der ohne den Verbrauch von Embryonen auskommt, einfach weil es aus ethischer Sicht wünschenswert wäre, ohne eine gesellschaftlich zumindest kontroverse Technik auszukommen. Rendtorff et al. plädieren in ihrer 1999 erschienenen Stellungnahme »Das Klonen von Menschen« ebenfalls dafür, nach Wegen des therapeutischen Klonens zu suchen, die ohne den Verbrauch von Embryonen zu bewerkstelligen wären, die Option des therapeutischen Klonens jedoch nicht vorschnell unter Fixierung auf eine sich »heute prominent anbietende Betrachtungsweise« abzulehnen (Rendtorff et al. 1999). Als denkbare Alternative nennen die Au279 toren beispielsweise aber eine Form des therapeutischen Klonens, bei dem die Eizelle, in die der Kerntransfer erfolgt, vorher derart behandelt wurde, daß sie nicht in einen totipotenten Zustand versetzt wird und also keinen Embryo bilden kann, sondern daß sie nur in einen pluripotenten Zustand überführt wird. Diese pluripotente Eizelle wäre dann möglicherweise in der Lage, bestimmte Zelltypen zu bilden, nicht aber sich in einen kompletten Menschen zu entwickeln. Mithin würde auch kein Embryo verbraucht. 4. Verwendung embryonaler Stammzellen Eine weitere denkbare Methode, mit der die Züchtung von Organen – ähnlich wie beim therapeutischen Klonen beschrieben – möglich sein könnte, ist die Verwendung sogenannter embryonaler Stammzellen (DFG 1999). Schon dieser Fachterminus deutet an, daß diese Technik mindestens ebenso kontrovers diskutiert wird, wie es beim therapeutischen Klonen der Fall ist. Embryonale Stammzellen können entweder aus der inneren Zellmasse durch In-vitro-Fertilisation gezeugter Embryonen gewonnen werden (sog. ES-Zellen) oder aber abgetriebenen Föten entnommen werden (sog. EG-Zellen). Beide Methoden der Gewinnung erzeugen Kontroversen. Bei der Isolierung aus künstlich gezeugten Embryonen ist wiederum problematisch, daß sie mit dem Verbrauch der Embryonen einhergeht. Nach deutscher Gesetzeslage ist diese Methode also verboten, ihre ethische Bewertung hängt jedoch aufs engste mit dem moralischen Status, der dem Embryo zugesprochen wird, zusammen. Dieser wird, wie im Abschnitt »Therapeutisches Klonen« klar geworden sein sollte, jedoch äußerst unterschiedlich bewertet. Es ist dennoch eindeutig, daß hierzulande diese Forschung zur Gewinnung embryonaler Stammzellen aus künstlich gezeugten Embryonen verboten ist. Erlaubt dagegen ist die Isolierung solcher Zellen aus abgetriebenen Föten, da in diesem Fall kein menschliches Lebewesen zum Zweck der Forschung verbraucht wird (DFG 1999). Der Grund der Abtreibung ist ja ein anderer als der Forschungsbedarf und andernfalls würde der tote Fötus verworfen. Allerdings gibt es auch hier ethische Bedenken. Zwar ist allgemeiner Konsens, daß die Entscheidung einer Frau zur Abtreibung unabhängig von der möglichen Verwendung des Fötus zu Forschungszwecken erfolgen muß. Diese Forderung soll sicherstellen, daß Abtreibung nicht aufgrund des vermeintlichen Bedarfs an embryonalen Stammzellen erfolgt, denn dies könnte zu einer Förderung der Abtreibung führen. Allerdings bezweifeln manche Ethiker, daß diese Unabhängigkeit der Entscheidung wirklich gegeben ist. Dies mag derzeit, da die Möglichkeit der Forschung an embryonalen Stammzellen in der Öffentlichkeit noch eher unbekannt ist, der Fall sein. Jedoch bezweifeln die Vertreter dieser Position, daß dies auch zukünftig so sein wird. Sie befürchten, daß Frauen sich daher zukünftig leichter zu einer Abtreibung entscheiden werden, da sie ja mit dem der Forschung zur Verfügung gestellten Embryo oder Fötus ein »gutes Werk« tun. Ich halte dies aber für ein äußerst schwaches Argument, das dem immensen Potential, das der Forschung an embryonalen Stammzellen innewohnt, nicht gerecht wird. Die angenommene Erhöhung der Abtreibungszahlen aufgrund der guten Rechtfertigung ist zunächst völlig spekulativ und wird vermutlich der persönlichen Auseinandersetzung, die eine Frau nach der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung führt, ehe sie sich zu einer Abtreibung entschließt, auch nicht gerecht. 280 Die Gewinnung embryonaler Stammzellen ist also wiederum aufgrund des Verbrauchs von Embryonen bzw. der genannten Abtreibungsproblematik ethisch umstritten. Ob die Anwendung der so gewonnenen Stammzellen zur Züchtung von Organen ebenso fragwürdig ist, hängt aufs engste damit zusammen, welches Potential den Stammzellen selbst innewohnt. Hier gehen die naturwissenschaftlichen Bewertungen teilweise auseinander. Es scheint aber inzwischen weitestgehend klar zu sein, daß die auf beide Arten gewonnenen Stammzellen nicht vollständig totipotent, also in der Lage wären, einen eigenständigen Embryo auszubilden, sondern daß sie nur pluripotent wären, sich also unter geeigneten Bedingungen in bestimmte Zellarten bzw. Gewebe weiter entwickeln könnten. Hierbei scheinen allerdings die aus Embryonen gewonnenen Zellen ein größeres Entwicklungsspektrum zu besitzen als die aus Föten gewonnenen. Es handelte sich bei der Verwendung embryonaler Stammzellen zum Zwecke der Organzucht also nicht um einen Verbrauch von Embryonen, sie wäre also weder rechtlich problematisch noch ethisch direkt mit der Begründung des Embryonenschutzes abzulehnen. Wiederum ergäbe sich aus deutscher Sicht allerdings das Dilemma, daß zumindest die embryonalen Stammzellen aus künstlich gezeugten Embryonen andernorts auf einem Weg gewonnen wurden, der hierzulande nicht konsensfähig ist, daß das Ergebnis dieser Forschung aber dennoch genutzt werden würde. Diese Situation der Delegation ethisch fragwürdiger Forschung an andere Länder kann auf Dauer nicht befriedigen, obwohl es andererseits mindestens genauso kritisierbar wäre, andernorts erzielte medizinische Fortschritte hierzulande nicht anzuwenden, da der Weg ihrer Erforschung als ethisch nicht zu rechtfertigen eingestuft wurde. Wäre dies unsere Einstellung, so dürften wir beispielsweise auch segensreiche Medikamente wie Antibiotika nicht verwenden, da diese ursprünglich an unwissenden Gefängnisinsassen getestet worden sind. Auch hier stehen wir also vor einem Dilemma, das letztlich nur durch eine Einigung den moralischen Status des Embryos betreffend zu lösen wäre. Der empörte Aufschrei zahlreicher gesellschaftlicher Gruppen anläßlich des Bekanntwerdens der »versehentlichen« Patentierung einer Methode, die zur gentechnischen Veränderung embryonaler menschlicher Stammzellen verwendet werden könnte, läßt allerdings vermuten, daß eine Lockerung des Embryonenschutzgesetzes, die eine verbrauchende Embryonenforschung zumindest in medizinisch immens wichtigen Fällen erlauben würde, keine gesellschaftliche Mehrheit finden würde. Vielleicht kommt aber auch Hilfe von naturwissenschaftlicher Seite, da sich derzeit Hinweise darauf mehren, daß es für verschiedene Organe spezifische Stammzellen gibt, die jeweils aus dem betreffenden Organ isoliert werden können und wiederum neue Zellen dieses Organs bilden können. Neuesten Ergebnissen zufolge könnte es sogar möglich sein, erwachsene Zellen zu dedifferenzieren und sich in verschiedenste andere Zelltypen entwickeln zu lassen. Bestätigten sich diese Ergebnisse, so könnten etwa aus der zirrhotischen Leber eines Patienten die entsprechenden Stammzellen isoliert werden und daraus wiederum eine mit den Gewebefaktoren des Patienten natürlich übereinstimmende Leber gezüchtet werden oder beispielsweise aus Hautzellen könnten Nervenzellen hervorgehen. In diesen Fällen wäre also ein Verbrauch von Embryonen nicht vonnöten. Selbst das hohe Ziel der Heilung von Menschen könnte die Nutzung embryonaler Stammzellen dann nicht mehr rechtfertigen, wenn es Methoden gibt, die keine verbrauchende Embryonenforschung voraussetzen, da ja der Status des Embryos ethisch zumindest umstritten ist. 281 5. Organe um jeden Preis? Die Forschung nach Alternativen zur Lösung des Mangels an menschlichen Spenderorganen ist unabdingbar, doch stellt sich die Frage, welchen Preis wir dafür bereit sind zu zahlen. Derzeit sind die beschriebenen Methoden großenteils im experimentellen Stadium, eine endgültige Entscheidung, welcher Methode möglicherweise der Vorzug zu geben ist, wäre absolut verfrüht. Meiner Ansicht nach sollte die Erforschung keiner der Methoden vorzeitig beendet werden. Doch erscheint mir an der Diskussion der ethischen Fragen in Bezug auf die Beschaffung von Organersatz eines bemerkenswert. Obwohl es bezüglich der Xenotransplantation und ihrer Anwendung am Menschen wegen des Risikos der Übertragung von Zoonosen eine Vielzahl warnender Stimmen aus Expertenkreisen gibt, wird ihre Erforschung vorangetrieben. Die Methoden, die auf die Verwendung von Embryonen angewiesen sind, sind vom deutschen Gesetzgeber dagegen weitgehend verboten und Möglichkeiten der Erhöhung des Aufkommens menschlicher Spenderorgane sind nicht ausgeschöpft. Gerade angesichts der Erfahrungen mit dem HI-Virus, das offenbar von Primaten auf den Menschen übergegangen ist, ist dies nicht ganz nachvollziehbar, zumal es als ziemlich gesichert gelten kann, daß ein menschliches Ersatzorgan wohl immer die bessere Lösung als ein tierisches darstellen wird. Eine weltweite Epidemie mit einem tierischen Virus wäre gewiss ein zu hoher Preis für die Lösung des Organmangels, zumal dies wohl nur den Industrienationen zugute käme, die Bedrohung durch Zoonosen sich aber nicht an Landesgrenzen hielte. Diese Bemerkung soll keineswegs so verstanden werden als plädierte ich für die Einstellung der Erforschung der Xenotransplantation. Denkbar wäre ja, daß die weitere Forschung zu dem Ergebnis führt, daß das Zoonoserisiko denkbar gering ist, eine Anwendung am Menschen also vertretbar wäre. Doch ist es meiner Meinung nach zumindest hinterfragbar, wieso eine Technik, die schlimmstenfalls zu einer weltweiten Epidemie mit tierischen Erregern führen könnte, relativ gesehen hierzulande gegenüber zumindest für unbeteiligte Dritte sicheren Techniken wie therapeutischem Klonen oder der Verwendung embryonaler Stammzellen bevorzugt wird, gerade wenn die Frage des Embryonenschutzes, wie die sehr heterogene ethische Diskussion gezeigt hat, so eindeutig nicht zu beantworten ist und bislang auch kein gesellschaftlicher Meinungsbildungsprozeß stattgefunden hat. Die Tatsache, daß ja die spätere Verwendung der andernorts erzeugten embryonalen Stammzellen auch hierzulande nicht ausgeschlossen wäre, kann da nicht wirklich überzeugen. Angesichts des immensen therapeutischen Potentials, das in der Forschung an embryonalen Stammzellen liegen könnte, sind beispielsweise amerikanische Ethiker der Meinung, daß im Gegensatz zur bislang gängigen Praxis auch eine staatliche Förderung der Forschung möglich sein soll, die der Isolierung der Zellen dient, also mit der Zerstörung von Embryonen einhergeht (NBAC 1999). Bislang waren solche Experimente nur mit privaten Geldern möglich. Eine erneute Abwägung in der Frage des Embryonenschutzes erscheint mir auch in Deutschland dringend erforderlich. Eine Doppelmoral, bei der die spätere Verwendung von auf ethisch als verwerflich betrachtete Weise erhaltenen Forschungsergebnissen quasi im Voraus als legitim betrachtet wird, läßt sich meines Erachtens auf Dauer nicht halten. Ob der Verbrauch von Embryonen also ein wirklich zu hoher Preis für die ausreichende Beschaffung von Organersatz wäre, sollte geklärt werden. Allerdings sollte ebenfalls verstärktes Gewicht auf die Erforschung des angedeuteten Potentials auch der Reprogrammierung 282 erwachsener (Stamm-)Zellen gelegt werden, da hier der ethisch umstrittene Verbrauch von Embryonen unnötig wäre. Darüber hinaus sollten aber auch die vielversprechenden Ansätze der Herstellung technischen Organersatzes weiter verfolgt werden. Diese scheinen in der Gesellschaft wenig kontrovers zu sein und sind auch in der ethischen Bewertung in einem vergleichsweise klaren positiven Licht zu sehen, da letztlich höchstens die Fragen des Selbstbildes und der Fremdwahrnehmung durch andere für die betroffenen Patienten relevant sind, diese aber wohl bei hinreichender Verbesserung der Lebensqualität in Kauf genommen werden würden. Der möglicherweise darüber hinaus zu bezahlende Preis, also das Risiko, daß etwa bei Ausfall des technischen Organs Komplikationen auftreten, bliebe auf das behandelte Individuum beschränkt, wäre also angesichts des anzunehmenden Nutzens vertretbar, wenn die informierte Zustimmung vorliegt. Es stellt sich natürlich weiterhin die Frage, ob hinsichtlich des Aufkommens an menschlichen Spenderorganen tatsächlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Hält man sich die Tatsache vor Augen, daß nur etwa 3 % der deutschen Bevölkerung einen Organspendeausweis besitzen, so erscheint eine Steigerung der postmortalen Spende durch gezielte öffentlichkeitswirksame Aktionen zumindest denkbar. Ebenfalls überdenkenswert könnte eine Regelung des deutschen Transplantationsgesetzes sein, die besagt, daß Lebendspende von Organen nur unter verwandtschaftlich oder persönlich nahestehenden Personen erlaubt ist. Die altruistische Spende nicht lebensnotwendiger, weil beispielsweise paarweise vorhandener Organe wie der Niere durch eine nicht verwandte oder nahestehende Person ist damit verboten. Begründet wird dieses Verbot damit, daß etwa die Entnahme einer solchen Niere für den Spender ein nicht geringes Risiko darstellt, der Spender deshalb vor etwaigen Gesundheitsschäden zu schützen ist. Darüber hinaus soll diese Regelung der Verhinderung des Organhandels dienen. Nach Meinung von Juristen ist diese Regelung mit dem deutschen Rechtssystem nicht wirklich nachvollziehbar, zumal die Freiwilligkeit einer solchen Spende und der Verzicht auf eine Bezahlung sogar leichter zu kontrollieren wären als es bei nahestehenden Personen der Fall sein mag (Schroth 2000). Ob es ein zu hoher Preis für die Bereitstellung von größeren Zahlen menschlicher Transplantate ist, freiwilligen Spendern ein höheres Maß an Selbstverantwortung zuzugestehen, bleibt dahingestellt. Doch scheint es angesichts der langwierigen Diskussionen um die Transplantationsgesetzgebung zweifelhaft, ob vom deutschen Gesetzgeber diesbezüglich eine Öffnung in nächster Zukunft erwartet werden kann. Dr. Anja Haniel Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften (TTN) an der Ludwig-Maximilians-Universität München Marsstraße 19 80335 München Email: [email protected] 283 Abstract: As there is a permanent shortage of human organs for transplantation purposes new methods to provide organs are being developed. The author deals with these new developments as there are artificial organs, genetically engineered animal organs (i.e. xenotransplantation) and therapeutical cloning or embryonic stem cells to cultivate human organs. The goal of the article is to give an overview on these approaches and to summarize ethical aspects related to research, development and application of these methods. Literatur Ach, J.S., Brudermüller, G., Runtenberg, C. Hg.: Hello Dolly? 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