16 prävention - Universitätsklinikum Leipzig

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PRÄVENTION
Ausgabe 8 / 13. April 2012
Gesundheit und mehr...
N ZÖLIAKIE
Was tun, wenn der Körper nur glutenfreie Nahrung verträgt?
D
erzeit leidet etwa ein
Prozent der Gesamtbevölkerung an Zöliakie –
Tendenz steigend. Wie man
die Krankheit diagnostiziert
und in welcher Art und Weise
Betroffene ihr Leben umstellen müssen, erklärt Lars Selig,
leitender
Ernährungstherapeut am Universitätsklinikum
Leipzig.
Frage: Was versteht man genau unter Zöliakie?
Lars Selig: Die Krankheit Zöliakie ist eine Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten. Gluten ist ein
Bestandteil vieler Getreidesorten wie Weizen, Dinkel,
Roggen, Gerste und Hafer. Bei
betroffenen Patienten führt
die Aufnahme von glutenhaltigen Lebensmitteln zu einer
Immunreaktion im Darm mit
anschließender chronischer
Entzündung und Rückbildung
der Dünndarmzotten. Diese
Zotten dienen jedoch der
Nährstoffaufnahme, wodurch
bei Betroffenen die Nährstoffe
nur schlecht aufgenommen
werden können und Lebensmittel unverdaut zurück bleiben. Aus diesem Grund bezeichnet man die Zöliakie
auch als eine Autoimmunerkrankung, da sich das Immunsystem gegen körpereigene Gewebe richtet.
Was sind die typischen Anzeichen einer Zöliakie?
Die Zöliakie unterscheidet
man in vier Formen. Die typische Zöliakie tritt meist bereits im Kindesalter mit kennzeichnenden Symptomen wie
Durchfall, Wachstumsstörung
und Gewichtsabnahme auf.
Über ein Blutbild können bei
den Patienten Antikörper diagnostiziert und über eine
Dünndarmbiopsie die Zöliakie
charakterisiert werden. Bei
atypischer Zöliakie treten hingegen erst später Symptome
auf. Oftmals wird die Krankheit über andere Erkrankungen, wie beispielsweise eine
Viele Hersteller bieten speziell glutenfreie Lebensmittel an, von Brot, über Nudeln bis hin zu Tiramisu.
Anämie diagnostiziert. Die silente, schleichende Zöliakie
ist eine Form, bei der nur selten Symptome auftreten und
deswegen eher durch Zufall
entdeckt wird. Als latente Zöliakie werden Fälle bezeichnet
bei denen zwar positive Antikörper im Blut festgestellt
werden, die Darmbiopsie jedoch eine normale Darmschleimhaut aufweist. Unbehandelt kann eine Zöliakie zu
schwerwiegenden Komplikationen führen. Neben einer
Mangelernährung besteht im
schlimmsten Fall die Gefahr
Dünndarmgeschwüre
oder
Dünndarmkrebs zu bekommen.
Wie wird die Zöliakie diagnostiziert?
Bei Verdacht auf eine Zöliakie
wird bei einer Blutuntersuchung der Patient auf Transglutaminase-Antikörper untersucht.
Die
definitive
Diagnose kann allerdings nur
durch eine Dünndarmbiopsie
gestellt werden. Bei dieser
Biopsie wird ein wenig
Schleimhaut entnommen und
mikroskopisch
auf
einen
Schwund der Dünndarmzotten untersucht.
Wie kann die Zöliakie therapiert werden?
Leider gibt es bei der Zöliakie
nur eine Therapieform und
das ist eine lebenslange strikte
glutenfreie Ernährung. Nur so
kann sich die Dünndarmschleimhaut regenerieren und
können erneute Beschwerden
verhindert werden. Betroffene
dürfen demnach keine einheimischen Getreidesorten und
die daraus hergestellten Lebensmittel essen. Alternativ
werden betroffene Patienten
im Umgang mit den Mehlen
aus Buchweizen, Reis, Hirse,
Soja und Mais geschult. Diese
Lebensmittel sind preisintensiver und nicht in jedem Supermarkt erhältlich. Oft sind
in „normalen“ Lebensmittel
Spuren von Gluten enthalten
und für den Patienten schwer
zu erkennen, beispielsweise
wenn glutenfreies Brot in einer Backform von „normalem“ Brot gebacken wurde.
Deswegen schulen wir unsere
Patienten in der Lebensmittelauswahl, sowie der Koch- und
Symptome und Vorkommen
Zu den typischen Symptomen
der Zöliakie gehören:
Erbrechen, Durchfall, Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, Entwicklungsstörungen bei Kindern, geringe Muskelstärke,
Bauchschmerzen
Glutenfreien Lebensmittel sind
mit einem Logo versehen.
Als Folge der Zöliakie können
auftreten: Blutarmut, Eisenund Vitaminmangel, Osteoporose, Wachstumsstörungen im
Schulalter, Konzentrationsstö-
Küchentechnik, damit sie
selbst glutenfrei backen und
kochen können. Für viele Patienten ist die Diät jedoch sehr
einschränkend, oftmals auch
peinlich oder isolierend.
Was passiert wenn ein Patient
glutenhaltige Nahrung zu sich
nimmt bzw. die Erkrankung
nicht zeitnah erkannt wird?
Je länger die Krankheit unerkannt bleibt, desto kürzer
werden die Zotten und somit
sinkt die Kapazität der Nährstoffaufnahme. Betroffene leiden an Mangelernährung sowie an Folgekrankheiten,
verursacht durch fehlendes
Eisen und Calcium. Patienten,
die über Jahre hinweg immer
wieder ab und zu glutenhaltige Nahrung zu sich nehmen,
leiden an einem erhöhten
Darmkrebsrisiko.
Wieso ist die Zahl der Betroffenen steigend?
rungen und Depressionen. Außerdem besteht für Betroffene
eine erhöhte Darmkrebsgefahr.
Glutenhaltige Nahrungsmittel:
Weizen, Roggen, Gerste, Hafer,
Grünkern,
Dinkel,
Kamut,
Spelt, Triticale.
Daraus hergestellte Lebensmittel, wie: Mehl, Paniermehl,
Grieß, Graupen, Stärke, Teigwaren.
Fotos: Franziska Henkel
UKL-Ernährungsspezialist
Lars Selig.
Foto: fh
Wir vermuten, dass die zunehmende Zahl der Erkrankten an der mittlerweile sehr
guten Diagnostik liegt. Das
bedeutet, dass ein Hausarzt
bei den kennzeichnenden
Symptomen, wie beispielsweise unklares Untergewicht, mit
an eine Zöliakie denkt und ein
Blutbild sowie eine Darmbiopsie anweist.
Interview: Franziska Henkel
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