BLUMEN UND BAUTEN ALEXANDER SIN FEI ESSEN VORDIPLOMHAUPTTHEMA APRIL 2006 BLUMEN UND BAUTEN KÖLN INTERNATIONAL SCHOOL OF DESIGN ALEXANDER SIN FEI ESSEN 6. SEMESTER MATRIKELNUMMER: 11041127 1 8 LEHRGEBIET: ÖKOLOGISCHES DESIGN BETREUT VON PROF. GÜNTER HORNTRICH BLUMEN UND BAUTEN INHALT 1. 1 EINLEITUNG 05 2. 2. 1 2. 2 BIONIK - EIN ÜBERBLICK DEFINITION KLASSIFIKATION 08 11 13 3. 3. 1 3. 2 3. 3 ÜBERLEBENSSTRATEGIEN VON BAUTEN ERDBEBEN ÜBERSCHWEMMUNGEN HURRIKANE 16 18 27 33 4. 4. 1 ALLGEMEINE ARCHITEKTURPLANUNG SZENARIO ALS PLANUNGSGRUNDLAGE 39 41 5. 1 5. 2. 1 5. 2. 2 SZENARIO: HURRIKAN AUF WEITER FLUR DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 41 43 55 6. 0 6. 1 6. 2 ANMERKUNGEN ZUM BUNGA_LOW BUNGA_LOW BUNGA_TOWN 69 72 80 7. 1 7. 1. 1 7. 1. 2 7. 1. 3 7. 1. 4 7. 1. 5 7. 1. 6 7. 1. 7 MATERIAL EXTENSIVE BEGRÜNUNG MISCANTHUS GFK KOHLEFASER HURRIKANSICHERES GLAS I LOTUS SOLARENERGIE KONSTRUKTIONSANSATZ 87 88 93 95 97 99 101 102 8. FAZIT 104 INHALT 9. QUELLENANGABEN 107 10. GLOSSAR 111 11. DANKSAGUNGEN 113 INHALT 1. EINLEITUNG 1.0 EINLEITUNG „Der Klimawandel ist das einzige, das die Zivilisation beenden könnte. Bill Clinton Seit Jahrzehnten steigen die Temperaturen auf der Erde. Polkappen und Gletscher schmelzen. Der Meeresspiegel steigt. Wetterkapriolen werden zum gewohnten Bild, schlimme Naturereignisse wie der Hurrikan Katrina häufen sich in den letzten Jahren enorm. Hinzu kommen andere, natürliche Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis. Menschen müssen vor den Folgen geschützt werden. Und auch ihre teuren Hüllen: Die Architektur. Diese Arbeit begibt sich auf die Suche nach ungewöhnlichen Bauten, die sich mit unkonventionellen Mitteln und Formen den Naturgewalten entgegenstellen oder sich einer veränderten Klimasituation anpassen müssen. Gezeigt werden offensichtliche und gerade deswegen überraschende Prinzipien, die dem Gebäude seinen Reiz und seine Funktion verleihen. Vom Hochhaus bis zum Erdhaus gibt es vielerorts architektonische Nischenlösungen, die einem örtlich oder klimatisch bedingten Zweck dienen sollen. Die vorgestellten Bauten haben einen Mitstreiter im Kampf gegen Naturkatastrophen: Die Natur. Architekten, Ingenieure, Materialforscher und Designer, die auf der Suche nach „neuen Lösungen für Pro- 1.0 EINLEITUNG 06 bleme jeglicher Natur sind, wenden ihren Blick der Bionik zu, nachdem diese in den letzten Jahren stetig wachsenden Erfolg verbuchte. Grund genug für einen Exkurs in diese Materie im Kapitel 2. Im dokumentarischen Kapitel 3 werden - neben den Beschreibungen der Naturkatastrophen - einige Bauten vorgestellt, die von ihren Architekten mit außergewöhnlichen Maßnahmen gegen ungewöhnliche Ereignisse gewappnet wurden. Auch werden sie auf ihren bionischen Gehalt hin ausgewählt und abgeklopft: Wurden formenhafte oder funktionale Elemente aus der Natur verwendet? Anhand dieser Blumen und Bauten kommen Fragen auf, die dann auch im Entwicklungsteil der Arbeit gestellt werden: Wie kann man Gebäude schützen? Wo kommen die Ideen für die Mechanismen, die das Gebäude schützen sollen, her? Aus der Natur, oder aus der Technik? Und kann Form Funktion haben? Mit dieser Recherche im Hinterkopf werden anhand eines Szenarios einige Wege probiert, den Hurrikan auszutricksen. Diese Wege führen vom Vogelflug über Blumen und Bauten bis zum „bunga_low . 1.0 EINLEITUNG 07 2. BIONIK EIN ÜBERBLICK 2. GESCHICHTE BIONIK Das alte Prinzip der Nachahmung der Natur wurde bereits von den geistigen Vätern der Fluggeschichte Leonardo da Vinci (1452 - 1519) und Otto Lilienthal (1848 - 1896) zur Konstruktion der ersten Flugzeuge verwendet. Leonardos und Lilienthals Bestrebungen gingen dahin, die Flügelform und die Bewegung von Vögeln zu dokumentieren, nachzuahmen und in ihre Flugapparate zu integrieren. Die Geschichte verleiht dem Gedanken, sich die Natur als Lehrmeister zu nehmen, Flügel: Die von Leonardo da Vinci und Otto Lilienthal nachgeahmten Grundformen ihrer Fluggeräte haben die Evolution des Flugbaus maßgeblich vorangetrieben (Brinkmann 1999, S. 154). (Abb. Brinkmann 1999, S. 12) 2. ÜBERBLICK BIONIK 04 2. BIONIK HEUTE Die heutige Bionik untersucht und bildet nicht mehr nur die Formen der Natur ab, sondern adaptiert die Funktionen dahinter. Am Beispiel des Flugzeugs bleibend: „Winglets sind die nach oben abstehenden Flügelenden eines Flugzeugs. Im Gleitflug spreizen bestimmte Vogelarten ihre Handschwingen derart ab, so daß sich mehrere kleinere Luftwirbel statt einem großen bilden und somit zu einem geringeren Energieverbrauch führt, genauer: „Winglets dienen der Verringerung des induzierten Widerstandes (Brinkmann 1999, S. 154). „Statt eines großen Randwirbels werden mehrere kleine Wirbel erzeugt (...) Die Energiebilanz zeigt: Das Mehrfachwirbelsystem enthält weniger Verlustenergie als der einzelne Wirbel eines konventionellen Flügels (TU-Berlin). (Abb. Brinkmann 1999, S.12) 2. ÜBERBLICK BIONIK 10 2. 1 DEFINITION BIONIK „Lernen von der Natur als Anregung für eigenständiges technologisches Gestalten. (Prof. Nachtigall) Der Begriff „bionics wurde 1958 von dem Major Jack E. Steele auf einer Konferenz in Ohio geprägt. „Bionik als wissenschaftliche Disziplin befaßt sich mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktions-, Verfahrens- und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme (Allgemein anerkannte Definition der VDI-Tagung 1993). Demnach sei „Bionik eine klar formulierbare Disziplin und Vorgehensweise. Sie führt die durch die Vorgehensweise der Technischen Biologie entdeckten und erforschten Aspekte der Biologie einer technischen Umsetzung und Anwendung zu. Dies kann sich auf drei Komplexe beziehen, nämlich auf Konstruktionen der Natur ( Konstruktionsbionik ), Vorgehensweisen oder Verfahren der Natur ( Verfahrensbionik ) und deren Informationsübertragungs-, Entwicklungs- und Evolutionsprinzipien ( Informationsbionik ) (Nachtigall 2000). Bionik ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die von Biologen, Ingenieuren, Architekten, Technikern und Designern belegt wird. 2. 1 DEFINITION BIONIK 11 Nach Nachtigall gibt es diese Bereiche der Bionik: Konstruktionsbionik, Sensorbionik, Strukturbionik, Bewegungsbionik, Neurobionik, Baubionik, Gerätebionik, Verfahrensbionik, Klimabionik, Anthropobionik und Evolutionsbionik. Die Spanne ist erweiterbar, wie auch die Natur noch nicht „ausgeforscht ist: Bioinformatik, Neurocomputing, Adaptronik, Evolutionäre Algorithmen, Biosensorik, Biomimetik, Nanotechnik. Besonders letztere kommt der Materialforschung zu Gute. Aus ihr entsprangen die Erkenntnisse, die die Bionik populär gemacht haben: Der Lotusblüten-Effekt und der Haifischhaut-Effekt. Beide resultieren aus Beobachtungen der Oberflächenbeschaffenheit. Sie konnten durch die Nano-Technologie nachgeahmt und in die Technologie transferiert werden. Mittlerweile gibt es etliche andere Beispiele, und Rechenbergs Studenten sind vielversprechende Forscher. An der Lotusblüte kann kein Schmutz haften bleiben, da ihre Oberfläche mit Wachskristalloiden versehen ist (Nachtigall, S. 289). (Abb. Nachtigall, S.289) 2. 1 DEFINITION BIONIK 12 2. 2 BIONIK - KLASSIFIKATION Als Gründungsväter der Bionik gelten Prof. Dr. rer. nat. Werner Nachtigall und Prof. Dr. Ingo Rechenberg. Der Naturwissenschaftler Nachtigall hat bereits seine Promotion im Jahre 1959 über ein Thema mit bionischer Bedeutung geschrieben. 1990 gründete er die Gesellschaft für Technische Biologie und Bionik, u.a. zusammen mit seinem Kollegen Rechenberg. Seitdem treiben sie das Interesse an der Bionik durch zahlreiche Institutionen und Veranstaltungen voran, in Universitäten und anderen Netzwerken. Rechenbergs Raster zur Herangehensweise und Katalogisierung der Bionik teilt sich in sieben Schritte. 1. Biologische Funktion 2. Technische Funktion Ähnlichkeiten vorhanden? - Dann... 3. Biologische Randbedingungen 4. Technische Randbedingungen Ähnlichkeiten vorhanden? 5. Biologisches Gütekriterium 6. Technisches Gütekriterium Ähnlichkeiten vorhanden? 7. Nutzung der evolutive Lösung Rechenberg sagt „Die Evolution kann nur dann für den Ingenieur sinnvolle Vorarbeit geleistet haben, wenn sie an derselben Funktion unter denselben Randbedingungen nach demselben Gütekriterium gearbeitet hat . 2. 2 BIONIK - KLASSIFIKATION 13 Das BIOKON ist ein Netzwerk, dass die Forschung und Markteinführung bionischer Entwicklungen vorantreiben will. Dabei wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert und unterstützt. Laut Bionik-Kompetenz-Netz gibt es eine methodische Einteilung der Bionik in „top down und „bottom up : „Die bionische Methodik unterscheidet zwei grundsätzliche Herangehensweisen. Einerseits kann zu einem bestehenden technischen Problem recherchiert werden, ob die Biologie eine passende Antwort darauf hat, die auch technisch umsetzbar ist (top down, Analogie-Bionik). Andererseits können im Zuge der biologischen Grundlagenforschung allgemeine Prinzipien entdeckt werden, die der Technik in abstrahierter, d. h. aufbereiteter Form angeboten werden. Diese können dann technische Innovationen ermöglichen, die eventuell völlig neuartig sind und nicht vorhersehbar sein müssen (bottom up, Abstraktions-Bionik). 2. 2 BIONIK - KLASSIFIKATION 14 Rechenberg teilt die Bionik in zwei Überbegriffe ein: „Harte Bionik (=Abstraktionsbionik) und „kreative Bionik (=Analogie-Bionik). Die „harte Bionik wird von Rechenberg auch als evolutionistische Bionik bezeichnet: „In der von mir vertretenen evolutionistischen Bionik steht die Vorstellung im Vordergrund, dass die Welt der Biologie - wegen der vorausgegangenen Evolution überdurchschnittlich gute Lösungen bereithält. Aus diesem Grunde lohnt es sich, biologische Strukturen und Prozesse technisch zu kopieren (Rechenberg 2001, S. 4). Die „kreative Bionik verdeutlicht Rechenberg in selber Quelle am Beispiel der Architektur: „In der sogenannten Architektur-Bionik werden z. B. Formen der Natur nahezu kritiklos in Bauten umgesetzt. Meeresmuscheln, Schildkrötenpanzer, Libellenflügel, Blütenblätter: Das sind gewiss ästhetische Vorlagen für den kreativen Architekten. Eine optimale bautechnische Lösung wird damit jedoch nicht erreicht . In diesen Ausführungen zur kreativen Bionik in der Architektur könnten zwei Punkte ergänzt werden. Zum einen kann der Unterschied von Form und Funktion in der Natur fliessend sein. So hat ein Flügel jene Form, die das Funktionieren des Fliegens doch erst ermöglicht. Zum anderen ist es erstrebenswert, Bauten zu planen, die einen symbolischen und nicht nur einen funktionalen Wert besitzen. 2. 2 BIONIK - KLASSIFIKATION 15 3. ÜBERLEBENSSTRATEGIEN VON BAUTEN „Das Haus als Architektur fließt aus dem menschlichen Herzen, ist ein Dauergefährte der Erde, Kamerad der Bäume, wahres Spiegelbild des Menschen im Bereich seines eigenen Geistes. Sein Haus ist daher ein geweihter Raum, in dem er Zuflucht sucht, Erholung und Ruhe für den Körper, aber vor allem für den Kopf. Weder muß das Haus des Maschinenzeitalters als Maschine daherkommen, noch die Maschine als Haus. Frank Lloyd Wright 17 3. 1 ERDBEBEN 18 3. 1 ERDBEBEN - URSACHE Geologen schätzen, dass die Erde jedes Jahr rund 20000 Mal bebt. Alle zwei bis drei Tage tritt ein Erdbeben auf, das mindestens die Stärke 6,0 auf der Richterskala erreicht und damit schwere Schäden anrichten kann (Münchener Rück, 302-04645). Erdbeben entstehen durch dynamische Prozesse der Erde. Eine Folge davon ist die Plattentektonik: Insbesondere an den Plattengrenzen, wo sich verschiedene Platten auseinander, aufeinander zu oder aneinander vorbei bewegen, kommt es zum Aufbau gewaltiger Spannungen, wenn sich die Platten in ihrer Bewegung verkanten. Wenn sich diese Spannungen durch ruckartige Bewegungen entladen, kommt es zu Erdbeben. Bei starken Erdbeben sind in der Nähe des Epizentrums die größten Schäden an Gebäuden zu erwarten. Auf dieser Abbildung sieht man gepunktet die Epizentren von insgesamt 358.214 Erdbeben (zwischen 1963 und 1998). (Abb. Münchener Rück) 3. 1 ERDBEBEN 19 3. 1 ERDBEBEN - SCHÄDEN Die verheerendsten Erdbeben von 1900 bis 2004 (Münchener Rück, 2004-12-28) JAHR I ORT 2003 1990 1988 1976 1976 1970 1939 1939 1935 1932 1927 1923 1920 1915 1908 I I I I I I I I I I I I I I I I OPFER Iran, Bam I Iran, Gilan I Armenien I China, Tangshan I Guatemala I Peru, Chimbote I Türkei, Erzincan I Chile I Pakistan, Quetta I China, Kansu I China, Gansu I Japan, Tokyo I China, Gansu I Italien, Avezzano I Italien, Messina I 26.200 40.000 25.000 242.800 23.000 67.000 32.900 28.000 50.000 77.000 40.000 142.800 235.000 32.600 85.900 I SCHÄDEN (in Mio. US$) I I I I I I I I I I I I I I I 500 7.100 14.000 5.600 1.100 550 20 100 25 k.A. 25 2.800 25 25 116 Hinzu kommen die aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeutendsten Erdbeben: 1995 1994 2004 1988 1999 3. 1 I I I I I Japan, Kobe USA, Northridge Japan, Niigata Armenien Taiwan, Nantou ERDBEBEN I I I I I 6.430 61 39 25.000 2.370 I I I I I 100.000 44.000 28.000 14.000 14.000 20 3. 1 ERDBEBEN Verschlimmert werden die menschlichen Tragödien und die Not der Menschen durch die zerstörte Infrastruktur und ihre kaputten Häuser. Um Erdbeben-Schäden zu minimieren, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, mit denen Gebäude vor dem Einsturz bewahrt werden sollen. Neben den im folgenden beschriebenen Mechanismen gibt es natürlich eine Vielzahl von hochkomplexen Arbeitsabläufen, Schwerstarbeit und logistische Hürden zu überwinden beispielsweise beim Bau eines Hochhauses. Von der Bodenbeschaffenheit bis zur Entrauchungsanlage gilt es unzählige Aufgaben zu lösen. In dieser Arbeit werden lediglich jene exotische Mechanismen vorgestellt, die ein Hochhaus vor den Folgen eines Erdbeben zu Schützen vermögen. 3. 1 ERDBEBEN 21 BIOMECHANIK UND BEBEN DAS RSPM Die als RSPM bezeichnete Technik beruht auf der Biomechanik, oder auf deutsch: Bionik. RSPM steht für Real-Time Structural-Parameter Modification. Es ist ein neu entwickeltes System aus der USA: Ein computergesteuertes System, das bis zu 10stöckige Hochhäuser vor Erdbeben schützen kann. Kernstück der in den USA patentierten Technologie sind Sensoren, die bereits geringste Schwingungen registrieren. Die Sensoren leiten die entsprechenden Daten an ein Computersystem weiter. Von dort werden gewaltige Hydraulikzylinder gesteuert, die im Fundament sowie an wichtigen Stützpunkten innerhalb des Gebäudes angreifen und es gewissermaßen verbiegen können. Dadurch wird das Gebäude in die Lage versetzt, Erdbebenschwingungen auszugleichen. Wie ein Mensch, der in einem Boot steht und durch Kontraktion seiner Muskeln die Wellenbewegung des Wassers auszugleichen versucht, sollen auch die RSPM-Zylinder die Bebenschwingungen in Echtzeit abfangen. Die Energie, die im Normalfall das Gebäude zum Schwingen bringen und eventuell zum Einsturz bringen würde, wird auf diese Weise wirkungslos gemacht. Auf ihrer Homepage betonen die Entwickler von der University at Buffalo, New York: „RSPM is the first system for structures that mimics the human muscle s unmatched capacity for instantaneously contracting and releasing energy. 3. 1 ERDBEBEN 22 BEBEN UND BAMBUS DER TAIPEIH 101 3. 1 ERDBEBEN 23 BEBEN UND BAMBUS DER TAIPEIH 101 Der Taipeih 101 ist mit seinen 508 Metern das derzeit höchste Gebäude der Welt. Rund 1,5 Milliarden Euro hat der Rekord-Bau verschlungen. Die Formensprache der Architektur ist offensichtlich einem Bambusrohr nachempfunden, was einerseits symbolischen Wert hat ‒ und andererseits nach Prof. Rechenberg als Analogie-Baubionik einzuordnen ist. Die Bambus-Form hat eine Funktion, wie der Ingenieur Jürgen Wacker zu berichten weiß: „Das Hochhaus ist wie ein Bambusstab aus einzelnen Segmenten aufgebaut und soll sich dadurch wie Bambus im Wind biegen können. Insbesondere die wechselnden Böen der Orkane können aber einem mehr als 500 Meter hohen Gebäude durchaus zu schaffen machen . 3. 1 ERDBEBEN 24 Die Firma Hochtief ergänzt auf ihrer Homepage: „Das Geheimnis großer Wolkenkratzer in Erdbebengebieten liegt darin, dass sie sich den Erschütterungen nicht widersetzen, sondern mitschwingen. Um moderne Hochhäuser so gut wie möglich gegen Erdbeben zu rüsten, achten Architekten und Ingenieure schon im Entwurf auf eine erdbebengerechte Geometrie ‒ regelmäßiger Grundriss und Symmetrie. Über die gesamte Höhe durchgehende vertikale Stützen verteilen die seismischen Kräfte gleichmäßig im Gebäude und so genannte plastische Gelenke, bei denen bewusst der Stahl im Beton reduziert wird, machen das Bauwerk im Erdbebenfall noch beweglicher . Neben gängigen Lösungen für Hochhausbauer, die Gelenke der Etagen „duktil zu planen, also flexibel, verfügt das Taipeh 101 über einen weiteren Mechanismus: Die inzwischen vergoldete Schwingkugel. (Abb. Motioneering Inc.) 3. 1 ERDBEBEN 25 Der weltgrößte, 660 Tonnen schwere Schwingungsdämpfer wurde scheibenweise in die 92. Etage eingebaut und dient als funktionaler Bestandteil des Gebäudes wie auch als Touristenattraktion. Die Technik ist ein „Tuned Mass Damper und wurde von Motioneering Inc. Guelph, Ontario, Canada entwickelt, die sich auf Massendämpfungssysteme für Gebäude zu Lande und auf dem Wasser spezialisiert haben. Gegenüber Lösungen, bei denen mit Wassertanks oder Metallgewichten versucht wird, dem Schwingen entgegenzuwirken, lässt sich die hydraulische Technik des Tuned Mass Dumper kontrollierter steuern. (Abb. Motioneering Inc.) 3. 1 ERDBEBEN 26 3. 2 ÜBERSCHWEMMUNGEN 27 Es wird zwischen regelmäßig wiederkehrenden Hochwassern (Gezeiten, Frühjahrshochwasser) und unregelmäßigen oder einmaligen Ereignissen (Tsunami, Sturmfluten, Jahrhundertfluten) unterschieden. Langsam, aber sicher wird auch der steigende Meeresspiegel, infolge der Erderwärmung und dem daraus resultierenden Abschmelzen der Pole, zum Hochwasser-Faktor. Grundsätzlich sind Hochwasser Bestandteile des natürlichen Geschehens. Zur Katastrophe werden sie erst, wenn menschliche Werte betroffen sind. Im Zuge der fortschreitenden Landnutzung wurden immer größere Flächen, die Hochwassergefahren ausgesetzt sind, genutzt. Somit steigt die Bedrohung durch Hochwasser ständig. Zudem wirkt die menschliche Flächennutzung (Versiegelung der Landschaft) sowie der Ausbau der Gewässer durch Flussbegradigunen verschärfend auf den Hochwasserabfluss. Weiter können bestehende Regulierungen durch mangelnde Instandhaltung (z.B. wegen Bewuchs, Anlandungen) ihre Leistung verlieren. Länder mit geringen Bodenhöhen, wie die Niederlande und auch Deutschland und Dänemark, versuchen, sich durch massive Deichbaumaßnahmen vor Hochwasser zu schützen. Wird kein intensiver Hochwasserschutz betrieben, kann es wie in Bangladesch am Mündungsdelta des Ganges häufiger zu humanitären Katastrophen und vielen tausend Toten kommen. 3. 2 ÜBERSCHWEMMUNGEN 28 SCHWIMMENDES WELTWUNDER DIE „CITY IN A PYRAMID IN TOKIO 3. 2 ÜBERSCHWEMMUNGEN 29 SCHWIMMENDES WELTWUNDER DIE „CITY IN A PYRAMID IN TOKIO Die „City in a Pyramid ist ein Zukunftsprojekt durch und durch. Weder die Flächennutzungspläne, angedacht ist das Hafengebiet im ansonsten überbevölkerten Tokio, noch die für dieses Bauwerk nötige Technik existieren zu diesem Zeitpunkt. Die über dem Hafengrund schwebende Stadt, die zwölfmal so groß werden soll wie die Pyramide von Gizeh, soll 750000 Menschen beherbergen können. Sie wird die Lösung auf viele Fragen sein, die sich einer Megacity stellen, welche in einem Gebiet angesiedelt ist, das seit jeher von Erdbeben, Tsunamis und Taifunen heimgesucht wird. Die Pyramide wird zum größten Teil aus Nano-Tubes bestehen, einem Carbonprodukt, welches molekular röhrenförmig angeordnet und sehr stabil ist. Mit diesem Ausgangsmaterial, welches noch im Forschungsstadium ist, wäre es möglich, 100 mal weniger Gewicht für das Material einzuplanen ‒ und keine Schäden durch Tsunamis oder Erdbeben. 3. 2 ÜBERSCHWEMMUNGEN 30 SCHWIMMENDE HÄUSER - SICH WIE EINE SEEROSE ÜBER WASSER HALTEN 3. 2 ÜBERSCHWEMMUNGEN 31 SCHWIMMENDE HÄUSER - SICH WIE EINE SEEROSE ÜBER WASSER HALTEN Die Niederländer haben immer gute Ideen. Und Überschwemmungen. Beides zusammen ergibt eine Überlebenstrategie für Bauten, für die sich sogar schon die Vereinigten Arabischen Emirate für ihre (nach Rechenberg wohl „pseudobionisch zu bezeichnenden) künstlichen Inseln interessieren. Das Prinzip ist einfach: Ein vertikal bewegliches Haus, das sich der Wasserhöhe einer Flut anpasst. Das Fundament ist also wie eine Wanne, die, statt überzulaufen, nach oben treibt. Mittlerweile gibt es allerorts Bestrebungen und Entwicklungen für schwimmende Passivhäuser. Der Klimawandel schwappt in die Köpfe der Städteplaner und Architekten. 3. 2 ÜBERSCHWEMMUNGEN 32 3. 3 HURRIKAN 33 3. 3 HURRIKAN - URSACHE Durch aufsteigenden Luftmassen entsteht über einer warmen Meeresoberfläche ein Unterdruck, und aus der Umgebung strömt Luft mit einem hohen Wasserdampfanteil nach. Es bildet sich eine Röhre, in dem diese Luftmassen nach oben steigen, während die hohen Wassertemperaturen ständig „Nahrung liefern. Ein tropischer Wirbelsturm wird zum Hurrikan, wenn die Windgeschwindigkeit Orkanstärke erreicht (das entspricht mehr als 118 km/ h oder Windstärke 12). Hurrikane können sich im Durchmesser hunderte Kilometer ausdehnen, dabei wochenlang bestehen und Flächen von tausenden Quadratkilometern verwüsten. Die meisten Hurrikane entstehen zwischen Juli und September. 3. 3 HURRIKAN 34 3. 3 HURRIKAN - SCHÄDEN Aus dem Briefing zu dem Projekt „Bushaltestellen in Havanna - Ein Beitrag zur Milderung der Schäden beim Hurrikan unter der Leitung von Prof. Cuendias geht hervor: „Zwischen 1985 und 2001 gab es 19 Hurrikane. Im Jahre 2003 und 2004 gab es 5 Hurrikane und allein im Jahre 2005 gab es 5 Hurrikane . Durch steigende Meerestemperaturen in Folge des Klimawandels wird die Entstehung von Hurrikanen begünstigt. Die hohen Windgeschwindigkeiten, Wellen und schwere Niederschläge stellen eine große Gefahr dar. Den höchsten materiellen Schaden richtete im August 2005 der Hurrikan Katrina mit etwa 100 Milliarden Euro an, der mit Windgeschwindigkeiten von 250 bis 300 km/h über den Großraum New Orleans hinwegzog und über tausend Opfer forderte. Katrina tobte auf über 233.000 Quadratkilometern - eine Fläche, so groß wie Großbritannien. Rund 350.000 Häuser wurden zerstört. Hurrikan-Kategorien: 1 2 3 4 5 3. 3 118 - 153 km/h 154 - 177 km/h 178 - 209 km/h 210 - 250 km/h > 250 km/h HURRIKAN 35 3. 3 HURRIKAN - SCHÄDEN Wenn in Hochhaus-Planungen von Schwingungen, die durch starke Winde verursacht wurden, gesprochen wird, dann müssen Architekten, Statiker und Strömungsmechaniker an einem Strang ziehen. Die Strömungslehre wird später im Kapiteln der Entwicklung noch ausführlicher behandelt. Moderne Hochhäuser in wirbelsturmgefährdeten Gebieten haben aktive oder passive Schwingungsdämpfer, die den von oben anfangenden Schwingungen eines starken Windes entgegenwirken sollen. Aktive Systeme wurden bereits im Kapitel 3. 1. schon erläutert ‒ ihre Wirkungsweise ist dieselbe, obgleich die Schwingung, nicht wie beim Erdbeben, von unten nach oben geht. Die passiven Systeme sind zumeist schwere Metallkörper oder Wasserbecken in den obersten Etagen. Das größte Problem hierbei ist die Frequenz, die die Windströmung am Gebäude verursacht. Ist die Frequenz dieselbe wie die Schwingfrequenz des passiven Schwingungssystems, kommt es zu Interferenzen. Diese gilt es vom Strömungsmechaniker zu berechnen, damit der Statiker das Schwingungssystem auf Basis dieser Berechnungen individuell entwerfen kann. 3. 3 HURRIKAN 36 3. 3 HURRIKAN - SCHÄDEN Ein gesellschaftliches Problem: Während im „elitären Hochhausbau modernste Techniken und verblüffende Mechanismen eingesetzt werden, stehen Privathäuser ohne einen vergleichbaren Schutz da. Natürlich benötigen diese einen anderen Lösungsansatz als die hohen Häuser, aber welchen? Allein der Hurrikan Katrina zerstörte 350000 Häuser. Ein Ende der Zerstörung ist nicht in Sicht, denn es ist ja auch keine Verbesserung des Gesamtklimas in Sicht. Wie also kann man das Haus der ländlichen Bevölkerung und der Vorstädte in der Zukunft schützen? An dieser Frage setzt der Entwicklungsteil dieser Vordiplomarbeit an. 3. 3 HURRIKAN 37 4. ARCHITEKTURPLANUNG / SZENARIO 4. 1 ALLGEMEINE ARCHITEKTURPLANUNG Aus einem Gespräch mit Jan Spreen, einem Münchner Architekten, ging hervor, daß Architekten für die Entwicklung für architektonische-bauliche Lösungen immer die speziell für die Gegebenheiten und Rahmenbedingungen richtige Antwort suchen. Es gelte, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was das Besondere, Spezielle und Einzigartige der Aufgabe und der Antwort ist. Jan Spreen sagt „(...) jeder Ort, jede Situation ist unterschiedlich und braucht eine eigene Antwort . Diese grundsätzliche Voraussetzung zum Entwurf eines Hauses erfordert also Rahmenbedingungen, ein Szenario, ein Bild vor Augen, damit man dem Problem ‒ im Falle dieser Arbeit ist es eine Naturkatastrophe ‒ eine Lösung entgegensetzen kann. Zwei Dinge sprachen bei der Szenarienwahl für eine von Hurrikanen gefährdete Landschaft. Zum einen, weil ich im Herbst 2004 zum ersten Male in meinem Leben einen Taifun, also die japanische und verregnete Variante eines Hurrikans, miterleben musste. Zum anderen, was später noch von Wichtigkeit sein sollte, sind es meine Erfahrungen mit dem Wind in hohen Lüften und turbulenter Bodennähe, wie ich sie als Segelflieger kennenlernen durfte. 4. 1 ALLGEMEINE ARCHITEKTURPLANUNG 40 4. 2 SZENARIO: HURRIKAN AUF WEITER FLUR Das fiktive Land hat zuvor keinen Hurrikan gesehen. Seit einer geraumen Zeit ‒ man hörte es schon von den Klimatologen ‒ verschieben sich die Klimazonen, und Hurrikane sind auf einmal ein Thema, das nicht nur auf hoher See oder in tropischen Gefilden interessieren. Das Grundstück für das im Teil 6 entworfenen Baus befindet sich auf dem Lande oder in der Vorstadt, die den starken Winden besonders ungeschützt gegenüberstehen, die keinen Schutz durch Bäume, hohe Gebäude oder ähnlichem haben. Unser Szenario besteht aus einer unbebauten Wiese, einer wunderschönen, quadratmetergünstigen, vielleicht sogar hügeligen Landschaft auf weiter Flur, einer Landschaft jedoch, die von nun an Jahr für Jahr von diversen Hurrikans heimgesucht wird. 4. 2 SZENARIO: HURRIKAN AUF WEITER FLUR 41 5. DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND Die Grundidee, einem Hurrikan in irgendeiner Form zu trotzen, bringt uns an den Anfang dieser Arbeit zurück: Der Vogelflug und das aerodynamische Verhalten von Flügeln und Tragflächen. Als ich vierzehn war, nahm ich Segelflugunterricht und lernte diese windschnittigen Vehikel schätzen. Besonders die Kunststoffflieger mit ihren filigranen Flächen und der Haube aus Plexiglas haben immer einen Reiz auf mich ausgeübt - vielleicht, weil ich selber nur in einem etwas älteren Holzflugzeug namens AS-K13 geschult wurde. Nach meinen ersten drei Alleinflügen durfte ich auf die schlankere Ka8 umsteigen. Es war ein schnelleres Flugzeug, denn durch seine flachere Flügelform bot es der Luft weniger Widerstand. Links: State Of The Art. Die selbststartende ASH-25. Rechts: Damals hatte ich Drahthaare. 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 44 Der Flugsportclub Hannover attestieren Segelfugzeugen im Vergleich zu anderen Geräten „Beste cw-Werte. Was den Luftwiderstand angeht, gibt es wohl kein Menschen tragendes Sportgerät, dass vergleichbar gute cw-Werte hat. Formel 1 Wagen sind z. B. im Vergleich zu Segelflugzeugen einfach nur plump und schlecht. cw-Wert: Der Strömungswiderstandskoeffizient (cw-Wert) ist ein dimensionsloses Maß für den Strömungswiderstand eines von einem Gas umströmten Körpers im Vergleich zu dem Widerstand, den ein anderer Körper gleicher Querschnittsfläche, aber anderer Form erfährt. 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 45 Einige andere cw-Werte: 0,08 0,39 0,37 0,36 0,32 0,31 0,28 0,29 0,26 0,25 1,4 1,1 0,8 0,78 0,7 0,5 0,45 0,34 0,05 Tragflügel beim Flugzeug Mercedes M-Klasse Smart ForTwo Subaru Forester VW Golf V Jaguar XJ Mercedes CLK Cabrio (je nach Modell) Opel Vectra A Toyota Prius Audi A 2 Fallschirm Scheibe, Wand Lkw Mensch, stehend Motorrad, unverkleidet Cabrio offen, Motorrad verkleidet Kugel Halbkugel Tropfenform 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 46 Windkanaltests sind sehr aufwendig und teuer. Allerdings gibt es bereits viele Studien über das Strömungsverhalten von Gegenständen, die die selben Eigenschaften haben sollen wie das dem Hurrikan standhaltendem Haus. Diese werden einen realen Windkanaltest des Gebäudes nicht ersetzen können, zeigen aber gemeinsame Probleme und Ziele auf. Das Institut für Informatik der Universität Leipzig simuliert auf rechnerischem Wege Windkanäle: „Die Strömung um Autos wird von den Verwirbelungen durch die Karosserie geprägt. Das Ziel der Ingenieure liegt in der Regel darin, diese Verwirbelungen klein zu halten, da sie den Windwiderstand und somit den Energieverbrauch von Autos in aller Regel erhöhen . Der Windwiderstand, also quasi der Windlastdruck, ist auch bei Gebäuden ein Problem. (Abb. Universität Leipzig) 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 47 „Daneben möchte man bei höheren Geschwindigkeiten auch einen gewissen Druck nach unten auf die Strasse erzeugen, um die Strassenlage des Fahrzeugs zu verbessern. Wie in den Bildern zu sehen, verursachen etwa Radkästen und Außenspiegel zwangsweise Verwirbelungen, die sich nicht ganz vermeiden lassen . Auch bei Gebäuden gibt es das Problem der Verwirbelungen und das Problem des Sogs nach oben. Ist es nicht denkbar, dem Gebäude eine Form zu geben, die für weniger Luftwiderstand sorgt und somit Beschädigungen des Daches vermeidet? (Abb. Universität Leipzig) 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 48 An dieser Stelle ein erster Entwurf, der die Thematik Luftwiderstand beinhaltet. Diese erste Variante nannte ich „Streamline-Loft . Hierbei ergab sich ein großes Problem: Der Hurrikan kann von jeder Seite angreifen. Also muss das Gebäude rund werden. Flach und rund mit maximaler Raumausbeute. 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 49 Auch Mercedes-Benz forscht an der perfekten Form für ein stromlinienförmige Autos. Mit einem Blick zur Natur, genauer gesagt: zum Kofferfisch, wurde das Konzeptfahrzeug „Mercedes-Benz bionic car ins Leben gerufen. Zur Entwicklung und Idee sagen die bionischen Autobauer: „Die erste Teilaufgabe, der sich die Ingenieure des Mercedes-Benz Technology Centers und der DaimlerChrysler-Forschung widmeten, lautete Aerodynamik. Im Wind- und Wasserkanal untersuchten sie, wie die Merkmale des lebendigen Vorbilds auf ein Automobil übertragen werden können. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Trotz seiner kantigen Statur besitzt der Kofferfisch fast ebenso gute strömungstechnische Qualitäten wie ein tropfenförmiger Grundkörper, der unter Fachleuten als Maßstab für die aerodynamische Idealform gilt. Bei freier Anströmung hat dieser Stromlinienkörper einen Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) von 0,04. Mit einem originalgetreuen Modell des Kofferfisches erzielten die Mercedes-Ingenieure zuerst mittels Computerberechnung und später im Windkanal einen Wert, der diesem Idealkörper recht nahe kommt: cW 0,06 - ein hervorragendes Ergebnis . 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 50 Das „Mercedes-Benz bionic car : Mehr Fisch, weniger Energieverbrauch, bessere Umwelt, mehr Fisch. (Abb. Mercedes Benz) 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 51 Wo nun liegt der Unterschied zwischen einem Segelflugzeug, einem Kofferfisch und einem Haus? Das Haus kann sich nicht fortbewegen, bzw. sollte dieses nicht können. Sieht man sich die Trümmerhaufen nach einem Hurrikan an, so wird aber deutlich: Manche Dachkonstruktionen können sehr wohl fliegen. Der Wirbelsturm verursacht einen Windsog, dem kaum ein Dach standhält. Die durch den Sog entstehende Zugkraft ist zu stark für die meisten Dächer. Viele Dächer haben Auskragungen, also hervorstehende Bauteile, die den Windangriff sogar noch begünstigen. Nicht nur der Sog (also eine Zugkraft) eines Hurrikans sorgt für Schäden, sondern auch die Windlast (Druck). Die Windlast drückt gegen Fenster, Wände und andere Flächen, die vertikal angebracht wurden. Das I.F.I. Institut für Industrieaerodynamik GmbH an der FH Aachen schreibt über Windlasten: „Wind ist eine Naturgewalt, die nicht ständig auf ein Bauwerk wirkt. Man unterscheidet folgende Wirkungsrichtungen: Winddruck und Windsog. (...) Aus experimentellen Versuchen wurde erkannt, dass die Wirkung des Windes von dessen Stärke (Staudruck in Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit) und von der Gebäudeform abhängig ist. Niedrige Gebäude werden vom Wind nicht ganz so stark angeströmt wie hohe Gebäude. Das wird in der Berechnung zugrunde gelegt. 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 52 Erst vor etwa 120 Jahren begannen Ingenieure das Wissensgebiet des Windes und der damit zusammenhängenden Luftströmung zu erforschen bzw. bei ihren Planungen zu beachten. Zuvor wurde oft die Windkraft unterschätzt. Das führte dazu, dass das Auftreten von Stürmen allein oder in Verbindung mit anderen ungünstigen Einwirkungen Schäden oder Zerstörung von Bauwerken verursachte. Heute ist der Lastfall ein wesentlicher Bestandteil bei der Bemessung von Gebäuden. Häufig kommt die Lastkombination Wind und Schnee zum tragen. Beim Nachweis von Verbindungsmitteln ist ebenfalls der Wind, in Form von Windsog nicht zu unterschätzen. Ziel der Beachtung des Lastfalls Wind ist auf jeden Fall sturmsichere Gebäude als Zufluchtsort zu schaffen. Man erkennt die Spuren des Sogs und des Drucks deutlich an zerstörten Dächern und Wänden. 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 53 Wolfgang Send vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt e.V. schreibt in seinem Artikel „Auftrieb und Wirbeldichte beim Fliegen einen für diese Studie sehr wichtigen Satz: Wirbel sind die Voraussetzung für die Entstehung von Auftrieb. 5. 2. 1 DIE IDEE: NICHT GEGEN DEN WIND 54 5.2.2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION Ein Exkurs in die assoziative Welt der Bilder zur Einstimmung auf den anschliessenden Entwicklungsteil. Die Auswahl folgender Bilder wurde bestimmt von Funktionsfragen, Formfragen, Fragen nach einer Analogie zur Natur, Fragen zur Strömung, kurzum: Fragen, die die diese Arbeit begleitet haben. Es dreht sich um runde Formen, es geht um runde Gebäude, die keine Funktion in ihrer runden Form innhaben, es werden Bilder aus der Natur gezeigt, Objekte, die sich um den Wind drehen und auch solche, die gerade dieses vermeiden wollen. Wir beginnen mit einem herkömmlichen Ei. 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 56 Das „Weltstadthaus in Köln von Renzo Piano: Eine runde Form ohne Funktion? Tropfen ziehen sich durch die Kohäsionskraft zu einer annähernd runden Form zusammen. 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 57 Wirbel gibt es überall, auch im All. Wirbel drehen sich aufgrund der Corioliskraft auf der nördlichen Hemisphäre gegen den Uhrzeigersinn. 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 58 Hurrikane können mehrere hundert Kilometer groß werden und werden deswegen „großskalig genannt. Wirbel und Spiralen gibt es überall. Auch in uns. 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 59 Das Kunststoffhaus „Futuro von Matti Suuronen. Die stylishen 70er hatten nicht nur eine schöne Formen. Die Aussenwände aus faserverstärkten Kunststoffmodulen werden uns an späterer Stelle wieder begegnen. (Abb. Build Magazin) 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 60 Die Firma U.S.Bunkers, Inc. wappnet ihr Volk bzw. ihre Soldaten mit einem Bunker gegen fast alle Katastrofen. Auch andere Farbgebungen des „Bunkers haben eine mittlerweile präventiv abschreckende Wirkung. (Abb. U.S.Bunkers, Inc.) 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 61 Zwei Landschaftsgrafiken der Experimental-Architekten „R&Sie . Gebäude in die Landschaft einzubinden ist für viele Architekten erstrebenswert. (Abb. R&Sie) 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 62 Die Erdhäuser vom Architekten Peter Vetsch haben mich inspiriert. Erdhäuser können erstaunlich hell sein. Ausserdem sind sie gut klimatisiert und sparen Dämm- und Heizkosten. (Abb. Peter Vetsch) 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 63 Diese Erdhaussiedlung sieht sehr schlumpfig aus! Dieser Bau ähnelt den ersten Entwürfen für dieses Projekt. Der große Unterschied liegt in den Hauskanten. (Abb. u. Grüne Architektur) 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 64 Horizontale Luftwirbel: Als glattgeschliffene Lentiwolke können diese Wellen sichtbar werden. Ist die Düne eine nachahmenswertes Analogie? ‒ Jein. Zwar formt der Wind eine Düne. Der Sand aber auch. 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 65 Aerodynamiker beschäftigen sich bei Autos auch mit dem Problem des Auftrieb unterhalb des Autos. Dünen können vom Wind in die eine und auch andere Richtung verweht werden. (Abb. o. Strömungsmechanik, Abb. u. Webgeo) 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 66 5. 2. 2 FUNKTION, FORM, ASSOZIATION 67 6.0 bunga_low DER GRUNDGEDANKE: Kein Strömungsabriss > keine Wirbel keine Wirbel > kein Auftrieb kein Auftrieb > kein Sog kein Sog > kein kaputtes Dach. Es geht es also darum, eine möglichst stromlinienförmige und weiche Form für das Gebäude zu finden, die dem Wind keine Kanten oder Angriffsflächen bietet. Die endgültige Formfindung kann nur mittels Verifikationen eines Windkanals oder einer Windkanal-Simulationen erfolgen. Da diese Mittel nicht gegeben waren, werden im Folgenden gewissermaßen „gefühlte Formen und Varianten vorgestellt. Es werden verschiedene Erscheinungen des bunga_low angeboten, die allesamt das Ziel haben, den Strömungsabriss zu verhindern. Durch das Prinzip des runden und flachen Bauens ergibt sich die innenarchitektonische Frage der optimalen Raumausnutzung. Sieht man sich die Architektur allerorts an, sollte man denken, daß der Mensch ein rechteckiges Wesen ist! Die Raumverdrängung des Menschen wurde von Vitruv bis zum Bauhaus in rechteckigen Formen bemessen (obwohl der vitruvische Mann ja sowohl im Quadrat wie auch im Kreis gezeichnet wurde). Aber: Haben wir uns nicht alle schon einmal neun Monate in einer runden Form sehr wohl gefühlt? 6. 0 ANMERKUNGEN ZUM BUNGA_LOW 70 6. 0 ANMERKUNGEN ZUM BUNGA_LOW 71 6. 1 BUNGA_LOW Das bunga_low ist ein Gebäude, das sich dem Hurrikan widersetzen soll, besser: Das sich dem Hurrikan anpassen soll. In Sandwich-Bauweise hergestellt und mit glasfaserverstärktem Kunststoff und hurrikansicheren Fenstern bestehend wird dieser Leichtbau im Erdreich verankert und mit schwungvollen Erdwällen versehen, die für eine Abwendung des Stömungsabrisses an den (im bunga-Falle ja nicht mehr vorhandenen) Hauskanten Sorge tragen sollen. Das bunga_low ist als Ferienappartement oder kleines Einfamilienhaus konzipiert. 6. 1 BUNGA_LOW 72 6. 1 BUNGA_LOW 73 6. 1 BUNGA_LOW 74 6. 1 BUNGA_LOW 75 6. 1 BUNGA_LOW 76 6. 1 BUNGA_LOW 6. 1 BUNGA_LOW 78 6. 1 BUNGA_LOW 79 6.2 bunga_town 6. 2 BUNGA_TOWN Bei der Planung einer Siedlung ist wichtig, daß die einzelnen Objekte gut miteinander verbunden sind. Nicht nur die Transportwege, sondern auch die Infrastruktur verlangt nach einer Lösung des kleinsten Weges. Anfänglich habe ich mit den Formen des Goldenen Schnitts experimentiert, in der Hoffnung, durch dieses Harmoniegesetz die Architektur, den Menschen und die Natur verbinden zu können. Die Versuche ergaben allerdings nicht die gewünschte, perfekte Raumaufteilung zwischen den bunga_lows, da die Intervalle des Goldenen Schnitts sich stetig teilen und eine Erweiterung erschweren. Erst eine auf das Hexogon basierende „geometrische Ableitung des Systems Zentraler Orte nach dem deutschen Geographen Walter Christaller brachte eine theoretische Vorlage für die sinnvolle Strukturierung einer neu zu gründenden Siedlung, die folgende Merkmale aufweisen soll: - Expansionsmöglichkeiten nach allen Seiten - Kleine (Fuss-) Wege zur „bunga_big-mama : Ein sich in der Planung befindlicher, zentraler Mutterbau, der das vitale Zentrum der Siedlung darstellt und eine U-Bahn-Station beherbergen soll - Die bungas sollen gut vernetzt sein und sich trotzdem nicht in das Sichtfeld in die Ferne einschränken. 6. 1 BUNGA_LOW 81 6. 2 BUNGA_TOWN 82 6. 2 BUNGA_TOWN 83 6. 2 BUNGA_TOWN 84 6. 2 BUNGA_TOWN 85 6. 2 BUNGA_TOWN 86 7.1 MATERIAL (Abb. Web04) 7. 1. 1 MATERIAL: EXTENSIVE BEGRÜNUNG 88 7. 1. 1 MATERIAL: EXTENSIVE BEGRÜNUNG ZEICHEN SETZEN, ERDKAPUZE ÜBERZIEHEN. Im Vordergrund steht das Symbol. Die Verwendung von möglichst viel Grünfläche soll, eingebettet in eine futuristische Anmutung, Zeichen setzen und den Menschen sagen, daß das Ende der rohstoffplündernden Ära gekommen ist, beziehungsweise bald kommen müsste. Das bunga_low ist ein Kind des Klimawandels, und das will es nach aussen tragen. Die Konstruktion geht weg vom artfremden Quadrat und bedient sich mit seiner organischen Form der Sprache der Natur und Umwelt. Das Haus trägt seine Erdkapuze mit Stolz, denn eine Erdkapuze zu tragen ist gut. Es hat nämlich sehr praktische Vorteile. STATT KLIMAANLAGE Extensive Begrünung wird auch „ökologische Klimaanlage genannt. Dieser angenehme kühlende Effekt tritt lediglich für die direkt darunter liegende Etage ein. Beim bunga_low handelt es sich um einen tiefen Bau mit nur einer Etage, die somit auf eine teure Klimaanlage verzichten kann. 7. 1. 1 MATERIAL: EXTENSIVE BEGRÜNUNG 89 ENERGIESPAREN Die Isolation der extensiven Dachbegrünung reduziert Heizkosten. Die Schicht muss dafür nicht dick sein. 10 cm genügen. WENIG INSTANDHALTUNGSKOSTEN Eine extensive Begrünung bedarf nur weniger Pflege. Es ist ein natürliches, nachwachsendes Dach. Der Regen hält es am Leben. INDIVIDUALISMUS Das Dach kann mit allerlei Farben ausgeschmückt werden. Und zwar Jahr für Jahr mit einer neuen Blumenfarbe. Die extensive Begrünung hat einen Mutterboden von nur 10 cm und kann zwei mal im Jahr begärtnert werden. EINFÜGEN IN DIE LANDSCHAFT Optisch kaum zu erkennen; nur die beglaste Front und das Bulleye lassen menschliches Leben in dem Hügel erahnen. Das Landschaftsbild wird nicht gestört, sondern um das Leben bereichert. 7. 1. 1 MATERIAL: EXTENSIVE BEGRÜNUNG 90 WENIGER VERSIEGELTE OBERFLÄCHE Schaut man sich die Erde von der Stadt aus an, muss man lange suchen, bis man Erde statt Stadt entdeckt. Das statistische Bundesamt sagt, daß in der Bundesrepublik mehr als 12,4 % der Fläche stark versiegelt sind. Und täglich kommen 160 Fußballfelder an neuversiegelter Fläche hinzu. Der schweizer Verband für Dachbegrünung sagt: „Während der Sommermonate speichern Beton- und Steinmassen die Wärme der Sonne und verhindern die nächtliche Abkühlung. Die Stadt wird zum Backofen. Dachgärten bringen Landluft in die Städte. Die Begrünung legt sich wie ein schattierender, kühlender Mantel über die Dachfläche, und verhindert so die Aufheizung des Baukörpers . Ich korrigiere: Es heißt ja wohl „Erdkapuze , und nicht „kühlender Mantel . 7. 1. 1 MATERIAL: EXTENSIVE BEGRÜNUNG 91 EXTENSIVE BEGRÜNUNG IM ÜBERBLICK Hier nun einige der Vorteile einer extensiven Begrünung in Kürze, zusammengetragen von der ecoworld, einem Portal für ökologische Fragen (Slogan: „um welten besser leben! ): - die Kühlung der darunterliegenden Räume erspart die Klimaanlage, die Isolationswirkung reduziert Heizkosten, der Schallschutz verbessert das Wohn- oder Arbeitsklima, die Staub- und Schadstoffbindung verbessert das Klima, die Flora ist eine Augenweide für den Betrachter, die extensive Begrünung erfordert nur eine geringe Pflege, Dachbegrünung schützt vor elektromagnetischer Strahlung, eine evtl. anrechenbare Ausgleichsfläche spart ebenfalls Kosten, die Verlängerung der Lebensdauer der Dachabdichtung um das 2-3-fache bringt erhebliche Kosteneinsparung, Verbesserung der Ökobilanz 7. 1. 1 MATERIAL: EXTENSIVE BEGRÜNUNG 92 7. 1. 2 MATERIAL: MISCANTHUS-BETON 93 7. 1. 2 MATERIAL: MISCANTHUS-BETON Miscanthus, das Chinaschilf, ist ein Alleskönner: als Rohstoff für Beton oder andere Baustoffe im Hausbau, auch für tragende Teile, als Basis hochwertiger Kunststoffe für den Autokarosseriebau, als Tee zum Entwässern des Organismus ‒ und schließlich als Brennstoff zur Energiegewinnung in Kraftwerken. Miscanthus hat die Eigenschaft, daß er unempfindlich gegen Umwelteinflüsse wie Nässe, Salze und Schimmel ist. Er absorbiert den Schall so gut, „dass der TÜV zunächst vermutete, seine Messgeräte seien defekt (WDR, 2005). Dieser Pflanzenbeton hat also viele Vorteile, im Falle der Konstruktion eines bunga_low sind die Verwendungen als tragendes Gerüst (verstärkt mit angeklebten GFK-Lamellen gegen die Zugspannung), Fundament und Gründungsmaterial vorstellbar. Desweiteren ist, alternativ zur leichteren, aber kostenintensiveren GFK-Beplankung, eine Verwendung von Miscanthus-Beton für die gewölbte Decke denkbar. 7. 1. 2 MATERIAL: MISCANTHUS-BETON 94 7. 1. 3 MATERIAL: GFK Das Tragwerk muss einer großen Zugkraft standhalten, wenn der Hurrikan am Dach rüttelt. Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) hat die Eigenschaft, daß es großem Zug standhält. Ein Synergie-Effekt ergibt sich bei der Verwendung von GFK-Trägern: Sie sind leicht und müssen dementsprechend weniger Druckkräfte in die Fundamente ableiten, an die sie unter der Erde montiert werden. Die dänische Firma Fiberline bietet auf ihrer Homepage einen Kalkulator an, mit dem man die Last und die Form des Trägers bestimmen kann (die Berechnungen für das bunga_low waren zum Zeitpunkt des Vordiploms leider noch nicht verfügbar). Im Falle des bunga_lows sollte ein stabiler T-Träger verwendet werden. Hier abgebildet ist eine robustere Trägerlösung aus Stahl und Beton für größere bunga_bigs. 7. 1. 3 MATERIAL: GFK 95 7. 1. 3 MATERIAL: GFK - BEPLANKUNG Die modularen Planken, die von innen an das Tragwerk montiert werden, haben die Anforderung, dem Sog eines Hurrikans standzuhalten. Sie müssen also viel Zugkräfte aushalten können. Ausserdem sollen sie leicht sein, damit ihr Eigengewicht (und andere Lasten) und der daraus resultierende Druck nicht zu groß wird. Die Lösung könnte abermals GFK sein. Glasfaserverstärkter Kunststoff ist nicht mehr so teuer, wie er einmal war. Aber er wird immer besser und billiger. Es gibt qualitative Unterschiede des Materials (kurzfaserige oder langfaserige Komponenten), die je nach Größe des bunga_lows variieren können und sich somit den Gegebenheiten anpassen. GFK ist ein ausgesprochen stabiles und leichtes Material. Es zeichnet sich gegenüber anderen Materialien durch eine hohe Resistenz gegenüber UVStrahlung, Wasser, Öl, sowie gegen mechanischen Beschädigungen aus. Durch Serienproduktion können die Module verbilligter hergestellt bzw. laminiert werden. Herr Worf von der Firma B&S-Kunststoffe empfahl eine Anfertigung der Module mit Wabenstruktur ‒ ein weiterer Pluspunkt für Statik und Dämmung des raumschiffartigen bunga_lows. 7. 1. 3 MATERIAL: GFK - BEPLANKUNG 96 7. 1. 4 MATERIAL: KOHLEFASER-LAMELLEN Bei einer Tragwerklösung mit einem Skelett aus Miscanthus-Beton (anstelle der kostenaufwendigeren GFK-Träger-Lösung) ergibt sich das Problem, daß der Beton zwar viel Druck halten kann, aber kaum Zugkräfte. Zwar kann der Beton die verkehrende und ruhende Traglasten (z.B. Schnee) halten, aber die Sogkräfte eines Hurrikans ziehen das Dach nach oben. Eine effiziente und kostengünstige Lösung bietet die Firma StoCretec / S&P Reinforcement auf ihrer Homepage vor. StoCretec stellt Kohlefaser-Lamellen her, die enorme Zugkräfte halten und im Autobahnbrückenbau verwendet werden, um den tragenden Beton zu unterstützen. Diese nur wenige Millimeter dünnen Bauteile sind einfach zu verarbeitende Lamellen und Sheets aus Kohlefaser können die Schub-, Zug-, Druck- und Biegezugfestigkeit tragender Bauteile deutlich über 100 Prozent verbessern. Mit einer speziellen Software (S&P Reinforcement) lassen sich die statischen Daten im Vorfeld exakt errechnen. Sogar an schwer zugänglichen Stellen lassen sich die dünnen Bauteile einfach montieren. 7. 1. 4 MATERIAL: KOHLEFASER-LAMELLEN 97 7. 1. 4 MATERIAL: KOHLEFASER-HEIZELEMENTE Ein neues Produkt zeigt Made in Clay, aus Berlin. Die Trockenbauplatte aus Lehm ist ein komplettes Naturprodukt, wirkt wärmeregulierend und feuchtigkeitsausgleichend, hält die Raumfeuchtigkeit auf rund 55 Prozent und ist ideal für Allergiker. Für dieses Produkt gab es im Frühjahr von der AIT die Auszeichnung für ein Produkt von hoher architektonischer Qualität. Die Trockenbauplatte ist in mehreren Varianten erhältlich, so zum Beispiel in Kombination mit Kohlefaserplatten, die im Passivhausbereich erfolgreich eingesetzt werden können. Für das bunga_low wäre der Einsatz der KohlefaserHeizelemente in Sandwichbauweise gut vorstellbar. Die Kohlefaser-Heizelemente werden über einen Stromanschluss aktiviert und versorgen den Raum mit Wärme. Durch die Lehmtrockenbauplatte erfolgt eine optimale Temperierung im Winter. Für einen Überhitzungsschutz des Raumklimas im Sommer gibt es die Lehmbauplatte mit einem Latentwärmespeicher, der die Hitze absorbiert und im Gegenzug die Kühle der Nacht speichert und tagsüber abgibt. 7. 1. 4 MATERIAL: KOHLEFASER-HEIZELEMENTE 98 7. 1. 5 MATERIAL: HURRIKANSICHERES GLAS Der amerikanische Forscher Khanna der Universität von Missouri hat hurrikansicheres Glas entwickelt. Die Fensterscheiben mit einer Schicht hochgradig widerstandsfähiger Glasfasern können mehr als das Doppelte an Belastung aushalten wie herkömmliche Scheiben. Das fiberglasverstärkte Fenster ist zudem leichter und preiswerter. Wie normales Fensterglas bestehen die Scheiben aus drei Schichten. Doch anstelle der sonst in der Mitte zwischen zwei Glasschichten verwendeten Plastikschicht, setzte der Ingenieur von der Missouri in Columbia einen mit Fiberglas verstärkten Kunststoff ein. Wie bei jeder Scheibe haben wir das so konstruiert, dass wenn die äußere Schicht bricht, die mittlere Schicht aus dem glasfaserverstärkten Polymer die Kraft ableitet und die innere Glasschicht intakt bleibt , erklärt er. Da der Wind bei einem Hurrikan mit bis zu 200 Stundenkilometern über die Landschaft fegt, können Steine und Gegenstände stark beschleunigt werden und Geschwindigkeiten von mehr als hundert Kilometern in der Stunde erreichen. Solche Geschosse können normale Fenster mühelos durchschlagen und ernsten Schaden anrichten. Unser neues Glas könnte diese Zerstörungen dramatisch senken , verspricht Khanna. Der Forscher meint, dass die neuen Scheiben schon bald ein neuer Standard für die Industrie werden könnten (Wissenschaft.de 2006). 7. 1. 5 MATERIAL: HURRIKANSICHERES GLAS 99 7. 1. 5 MATERIAL: NANO-CLEANER ‒ LUTOS-EFFEKT Die ersten Blüten der Bionik! Die wohl populärste Errungenschaft unserer Lieblingswissenschaft nennt sich Lotusblüten-Effekt. Klar, der Markt ist auf einmal voll von diesen nanomolekular aufbereiteten Allesreinigern. Bei Recherchen für eine Beschichtung der bruchsicheren Fenster des bunga_lows habe ich mit Thomas Strömsdörfer von nano-cleaner.com über das Projekt geredet, und ob das vom bunga_low verwendete Material mit seinem Lotus-Reiniger zu beschichten sei. Ein ehrliches „Es kommt darauf an war die Antwort, die bis zur abschliessenden Materialwahl wohl so im Raume stehen bleibt. Grundsätzlich sei es aber kein Problem, Kunststoffe mit dieser oder einer anderen Beschichtungsart zu versehen. Das ist gut für die Fenster, auf denen schon mal ein fester Vogelpups parken könnte. 7. 1. 5 MATERIAL: NANO-CLEANER ‒ LUTOS-EFFEKT 100 7. 1. 6 MATERIAL: SOLARZELLEN Wegen Energie werden Kriege geführt. Es ist Zeit zum Umdenken, alternative Energiequellen müssen gefunden werden ‒ wir müssen weg vom Öl. Das sagen nicht nur Ökos und Politiker, die Angst um die vitalen Interessen ihres Volkes haben, sondern auch das Volk. Diese Gemeinsamkeit hat seltenheitswert (denn deutsche Winter sind nicht selten heizwert). Die Entscheidung neuer Hausbauer, Passivhäuser oder sonstige Energiesparhäuser zu bauen, ist eine gute Entscheidung für Umwelt, Geldbeutel und nachfolgende Generationen. Das bunga_low unterstreicht seinen grünen Charakter nicht nur durch die Erdkapuze, sondern auch durch aktive Energiegewinnungssysteme. Die nach Süden ausgerichteten, nicht als Fenster gewünschten Modulflächen können und sollen als Platz für Solarzellen dienen, in der Zukunft können aber auch, wenn bezahlbar, transparente Solarzellen verwendet werden. Abschliessend zwei große Zahlen mit noch größeren Unterschieden: Jährliche Sonnenenergie: Weltenergiebedarf: 7. 1. 6 MATERIAL: SOLARZELLEN 1 5000 000 x 10¹² kWh 300 x 10¹² kWh 101 7. 1. 7 KONSTRUKTIONSANSATZ Die Konstruktion wird in Umfang und Tiefe individuell und vom Standort abhängig zu berechnen sein. Gleiches gilt für das Fundament und die Traglastberechnungen. Das Hauptmaterial für die Aussenhaut (die Beplankung) ist glasfaserverstärkter Kunststoff. Die modularen Platten werden, ebenso wie die Fenster, von innen an das Tragwerk angebracht. Das Tragwerk ist optional aus Stahlbetonträgern oder ebenfalls aus GFK, da es weniger Druck- als Zugkräfte halten muss. Damit die Zugkräfte gehalten werden können, sind für die Befestigung Beton-Anker vorgesehen. 7. 1. 7 KONSTRUKTIONSANSATZ 102 8. FAZIT 8. FAZIT Was als Dokumentation exotischer Gebäude anfing, nahm seinen Lauf. Es wurden Ideen beobachtet und entwickelt, diskutiert und skizziert, bis endlich eine Idee aufkam, die mich vom Vogelflug über Blumen und Bauten zum „aerodynamischen Haus führte. In den Recherchen konnte ich die Felder der Architektur, der Strömungsmechanik, der Gebäude-Aerodynamik, der Baustatik und der Landschaftsgärtnerei nur für einen kurzen Moment streifen. Ich denke, dass eine etwaige Weiterführung dieser Studie nur in einem interdisziplinären Team mit Vertretern dieser Bereiche Sinn machen kann. Bereits in der Recherche hat es mir Vergnügen bereitet, verschiedene Disziplinen und ihre funktionalen Stellenwert innerhalb des Projekts kennenzulernen und in die Arbeit zu integrieren. Ohne den Blick über den Tellerrand zu führen, wäre dieses Projekt nicht ansatzweise vorstellbar gewesen. Ich freue mich auf kommende Gespräche, in denen die Idee „bunga_low auch weiterführend besprochen werden kann. 8. FAZIT 105 9. QUELLEN- UND BILDANGABEN Werner Nachtigall und Kurt G. Blüchel, 2000: „Das große Buch der Bionik , Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München. (Im Text: Nachtigall 2000) Günter Brinkmann und Hans Zacher, 1999: „Die Evolution der Segelflugzeuge , 2. Auflage, Bernard & Graefe Verlag, Bonn. (Im Text: Brinkmann 1999) James Wines, 2000: „Grüne Architektur , Benedikt Taschen Verlag GmbH. Le Corbusier, 2003: „Der Modulor , 8. Auflage 2003, Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart. Annette Schmidt, Lena Bloemertz, Elisi Macamo, 2005: „Linking Poverty Reduction and Disaster Risk Management , GTZ, Eschborn Verlag. (Im Text: GTZ, 2005) Albers, Dommel, Montaldo-Ventsam, Nedo, Übelacker, Wagner, 2000: „Der Zentralheizungs- und Lüftungsbauer , Verlag Handwerk und Technik GmbH, Hamburg. (Im Text: Albers, 2000) Vitruv, 2004: „De Architectura Libri decem , neugesetzte und überarbeitete Ausgabe für Marix Verlag, GmbH, Wiesbaden 2004 nach der Ausgabe Berlin 1908. 9. QUELLEN- UND BILDANGABEN 107 Kleines Wörterbuch der Architektur, 2005, 10. Auflage, Reclams Universal Bibliothek. Le Corbusier, 2003: „Der Modulor , 8. Auflage 2003, Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart. Rechenberg, 2001: „Vom Wesen, Wert und Werden der Bionik , PDF, Vorlesung Bionik I 2001, TU-Berlin http://www.bionik.tu-berlin.de/user/michaels/projekt.html, http://www.bionik.tu-berlin.de (Im Text: TU-Berlin) http://www.uni-saarland.de/fak8/bi13wn/wabionik.htm#BM6 (Im Text: Uni Saarland) http://www.baumarkt.de/b_markt/fr_info/erdbeb. htm#1 http://www.alexander-schleicher.de http://www.fg-lb.de/flugphysik.html http://de.wikipedia.org/wiki/Cw-wert http://www.wissenglobal.de/Cw-Wert.html http://www.ifi-aachen.de/cms.php?id=100&PHPSE SSID=0f87476af5e33e34f0819c19d3db5968 9. QUELLEN- UND BILDANGABEN 108 http://www.buffalo.edu/reporter/vol27/vol27n21/ f2.html http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wib/232191/ ?drucken http://www.veka.de/homepage/newsletter/de/ d93fe879db7bbe25c12570dd005059df.htm http://www.atmosphere.mpg.de/enid/Spezial__ Sept__5_Wirbelstuerme/C__Entstehung___Eigenschaften_4xc.html http://www.katrinadestruction.com/images/v/hurricane/apuscg_050829C3550N_05BV4.jpg.html http://www.informatik.uni-leipzig.de/bsv/Forschung/Stroemungsdynamik/BMW/ http://www.bauarchiv.de/baulex/article. php?sid=7317 http://www.gruendach.at/content/presse/presseartikel_show_details.php?artikel_id=13 http://www.eco-world.de/scripts/basics/econews/ basics.prg?a_no=5631 http://www.wissenschaft.de/wissen/news/228601 http://www.wdr.de/tv/service/bauen/inhalt/20021018/b_3.phtml 9. QUELLEN- UND BILDANGABEN 109 http://www.invasive.org/images/ 1536x1024/2307210.jpg http://www.as-erdenwerke.at/uploads/media/ew_ hartberg_wuerfel_gesamt.jpg http://dsc.discovery.com/convergence/engineering/pyramidcity/interactive/interactive.html http://imgsrc.hubblesite.org/hu/db/2001/10/images/a/formats/1024_wallpaper http://antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/image/0409/ ivan_iss_big.jpg http://www.webgeo.de/beispiele/rahmen. php?string=1;g_010;2;;;; 9. QUELLEN- UND BILDANGABEN 110 10. GLOSSAR Aerodynamik: Teil der Strömungslehre, beschreibt das Strömungsverhalten von Gasen. Sog, Vortrieb, Auftrieb und Stirnwiderstand sind Phänomene der Aerodynamik cw-Wert (Strömungswiderstandskoeffizient): Der Strömungswiderstandskoeffizient ist ein relatives, dimensionsloses Maß für den Strömungswiderstand eines von einem Gas umströmten Körpers im Vergleich zu dem Widerstand, den ein anderer Körper gleicher Querschnittsfläche, aber anderer Form erfährt. Fluid: Gase und Flüssigkeiten werden zu Fluiden zusammengefasst, weil viele Eigenschaften von Gasen sich nur in ihrer Größenordnung (quantitativ), aber nicht grundsätzlich (qualitativ) von den Eigenschaften von Flüssigkeiten unterscheiden. Strömungslehre (auch: Strömungsmechanik): Die Physik der Fluide. Auch die Bezeichnungen Fluidmechanik oder Fluiddynamik werden anstelle von Strömungslehre verwendet. Windsog: Die Kraftwirkung einer Windströmung an Oberflächen. Technisch bedeutsam ist er insbesondere an Gebäudeteilen, wie Fassaden und Dächern. Ursache: Der Luftdruck der ruhenden Luft im Gebäudeinneren oder innerhalb des Bauteiles selbst (typ- 10. GLOSSAR 111 isch: Dämmstoffe) ist höher als der Luftdruck in der vorbeiströmenden Luft. Wo sich die Windströmung an den Gebäudekanten ablöst, bilden sich sogverstärkende Wirbel. 10. GLOSSAR 112 11. DANKSAGUNGEN UND VORSTELLUNG DER GESPRÄCHSPARTNER Muchas Gracias! Prof. Horntrich, der Betreuer dieser Arbeit. Jan Spreen, Architekt, wohnt in München und arbeitet dort mit seiner Frau Angela in ihrem gemeinsamen Architektur-Büro SPREEN ARCHITEKTEN Olaf Winkler, Architekt, schreibt für die „build , wohnt in Köln Olaf Menzel, Landschaftsgärtner, gab mir grüne Tipps. Matthias Maier, Dipl. Bauingenieur in Berlin und spe. Günter Essen,vielen Dank für die Erdhaus-Besichtigung in Tunesien. Mein Mitbewohner Markus Keck hat den Begriff Geonik erfunden. Danke, diese konnte ich für das Projekt gut gebrauchen! 11. DANKSAGUNGEN UND VORSTELLUNG 113 EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Köln International School of Design die von mir eingereichte Arbeit zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit unter Erwähnung meines Namens nutzen darf. Alle Urheberrechte bleiben bei mir. Die Köln International School of Design wird die Arbeit nicht kommerziell nutzen und keiner kommerziellen Nutzung zustimmen, ohne dass ich mein ausdrückliches Einverständnis gegeben habe. ( ) einverstanden ( ) nicht einverstanden VERSICHERUNG Hiermit versichere ich, Alexander Sin Fei Essen, dass ich die Arbeit selbstständig angefertigt habe und keine anderen als die angegebenen und bei Zitaten kenntlich gemachten Hilfsmittel benutzt habe. Köln, den 27. März 2006 Unterschrift: