Überblick 415 Das Leben mit Kohlenmonoxid: Biologische Katalyse an außergewöhnlichen Heterometallzentren Lothar Gremer, Vitali Svetlitchnyi, Ortwin Meyer, Lehrstuhl für Mikrobiologie und Bayreuther Zentrum für Molekulare Biowissenschaften (BZMB), Universität Bayreuth Holger Dobbek, Robert Huber, Abteilung Strukturforschung, Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried Kohlenmonoxid bindet viel fester an das Hämoglobin des Blutes oder die Cytochrome der Atmungskette als der Luftsauerstoff und ist deshalb ein giftiges, erstickendes Gas. Durch eine Vielzahl natürlicher und anthropogener Vorgänge gelangt Kohlenmonoxid in die Atmosphäre. Das Giftgas würde sich dort in bedrohlichen Konzentrationen ansammeln, wenn es nicht überall in der Natur Mikroorganismen gäbe, die es zum ungefährlichen Kohlendioxid oxidieren und so dafür sorgen, daß Menschen und andere atmende Lebewesen auf dieser Erde existieren können. Durch die Lösung der Kristallstrukturen der Kohlenmonoxid-Dehydrogenasen verstehen wir diesen überlebenswichtigen globalen Vorgang jetzt auf atomarem Niveau. Dabei spielt die Katalyse an neuartigen Metallzentren eine maßgebliche Rolle. BIOspektrum . 5/01 . 7. Jahrgang Abb.1: Habitate und elektronenmikroskopische Aufnahmen CO-oxidierender Bakterien. Diese sind auf die Versorgung mit genügend CO angewiesen. Man kann sie deshalb (A) aus der Deckerde schwelender Kohlenmeiler [z.B. im Fichtelgebirge oder Bayerischen Wald (MEYER 1997)] oder (B) vulkanischen heissen Quellen (z.B. auf der Insel Kunashir der südlichen Kurilen) sowie aus Boden oder Abwasser isolieren. Darstellung negativ-kontrastierter Zellen von (C) Oligotropha carboxidovorans DSM 1227 und (D) Carboxydothermus hydrogenoformans DSM 6008 im Transmissionselektronenmikroskop. E Kohlenmonoxid (CO) ist ein farb- und ge- ruchloses Gas, das giftig ist, weil es an lebensnotwendige Metalloproteine binden kann, insbesondere an Cytochrom-Oxidase, Myoglobin und Hämoglobin. Es ist deshalb erstaunlich, dass eine ganze Reihe von Vertretern der Bacteria und Archaea vollkommen unempfindlich gegenüber CO ist und das Gas sogar als alleiniges Wachstumssubstrat zu nutzen vermag. Demgegenüber ist in höheren Organismen (Eukarya) die Oxidation von CO bisher nicht bekannt. CO kann von Mikroorganismen unter aeroben oder anaeroben Bedingungen genutzt werden (Tab.1). Im aeroben Oberboden sind CO-Oxidierer wichtige Verbraucher von at- mosphärischem CO. Aerobe carboxidotrophe Bakterien reichern sich in der Deckerde schwelender Kohlenmeiler an (Abb.1 A, C). In anaeroben Sedimenten setzen methanogene Archaeen CO zu Methan und acetogene Bakterien zu Acetat um. In anoxischen vulkanischen Quellen oxidieren hydrogenogene Bakterien CO unter Reduktion intrazellulärer Protonen zu Wasserstoffgas (Abb.1 B, D). Die Schlüsselreaktion der Nutzung von CO als alleiniger Quelle von Energie und Zellkohlenstoff ist die Oxidation von CO zu CO2, die sowohl in aeroben als auch anaeroben Mikroorganismen der Reaktionsgleichung CO + H2O ↔ CO2 + 2 H+ + 2 e– folgt Überblick 416 und von dem Metalloenzym CO-Dehydrogenase katalysiert wird. Interessanterweise haben aerobe und anaerobe Mikroorganismen zwei strukturell vollkommen unterschiedliche CO-Dehydrogenasen entwickelt: Die aeroben CO-Oxidierer besitzen eine Kupfer- und Molybdän-haltige CO-Dehydrogenase, während die anaeroben CO-Oxidierer eine Nickel- und Eisen-haltige CODehydrogenase benutzen (Tab.1). Kürzlich sind die Kristallstrukturen der CO-Dehydrogenasen aus den aeroben carboxidotrophen Bakterien Oligotropha carboxidovorans (DOBBEK et al.1999, 2001A; GREMER et al. 2000, MEYER et al. 2000) und Hydrogenophaga pseudoflava (HÄNZELMANN et al. 2000, MEYER et al. 2000) sowie dem strikt anaeroben hydrogenogenen Bakterium Carboxydothermus hydrogenoformans (DOBBEK et al. 2001B, SVETLITCHNYI et al. 2001) veröffentlicht worden. Beide Strukturen ermöglichen nun erstmals ein vergleichendes Verständnis der enzymati- Physiologische Gruppea Verhältnis zu O2b Aerobe CO-Dehydrogenase enthält ein neuartiges [Cu-S-Mo]-Metallzentrum Die CO-Dehydrogenase aus Oligotropha carboxidovorans ist ein aus zwei Heterotrimeren aufgebautes Dimer mit zwei elektronisch unabhängigen katalytischen Einheiten (Abb.2 A). Jedes Heterotrimer besteht aus dem Molybdoprotein (88,7 kDa), dem Eisenschwefelprotein (17,8 kDa; FeS-Protein) und dem Flavoprotein (30,2 kDa). Das katalytische Zentrum befindet sich auf dem Molybdoprotein (Abb. 2 A, C). Die beiden anderen Untereinheiten enthalten die prosthetischen Gruppen für den innermolekularen Elektronentransfer (FeS-Zentren und FAD) sowie die Übertragung der Elektronen auf die Komponenten der Atmungskette (Abb. 2 B). Das katalytische Zentrum enthält die Metalle Cu und Mo, die beide über einen µSulfido-Liganden zu einem [Cu-S-Mo]-Zentrum verbunden sind (Abb. 2 C). Weitere Speziesc enzyme bezeichnete Klasse von Proteinen charakteristisch (HILLE 1996). Beispiele weiterer strukturell charakterisierter Enzyme dieser Klasse sind Xanthin-Dehydrogenase/Oxidase (ENROTH et al. 2000) und Aldehyd-Oxidoreduktase (ROMAO et al. 1995). Das Cu der CO-Dehydrogenase wird über den γSchwefel der Aminosäure Cys388 kovalent mit dem Molybdoprotein verknüpft. Cys388 ist Bestandteil des als „active-site loop“ bezeichneten Motivs VAYRCSFR. Das Motiv ist für CuMo-CO-Dehydrogenasen spezifisch und kommt in anderen Enzymen nicht vor (HÄNZELMANN et al. 2000). ElektronspinResonanzspektroskopie (ESR), „Extended Xray Absorption Fine Structure“-Spektroskopie (EXAFS) und andere Untersuchungen an oxidierter CO-Dehydrogenase zeigen die Oxidationsszustände Mo(+VI) und Cu(+I). Reaktionsgleichungd CO-Dehydrogenase Charakteristische Metalle Untereinheitenstruktur Kristallstruktur aufgeklärt Carboxidotrophe Bakterien aerob, einige denitrifizieren Oligotropha carboxidovorans 2 CO + O2 → 2 CO2 Cu, Mo, Fe (αβγ)2− Heterohexamer √ Hydrogenogene Bakterien anaerob Carboxydothermus hydrogenoformans CO + H2O → CO2 + H2 Ni, Fe α2−Homodimer √ Acetogene Bakterien anaerob Clostridium thermoaceticum 4 CO + 2 H2O → CH3COOH + 2 CO2 Ni, Fe α2β2-Heterotetramer – Methanogene Archaeen anaerob Methanosarcina barkeri 4 CO + 2 H20 → 3 CO2 + CH4 Ni, Fe α2β2-Heterotetramer – Phototrophe Bakterien anaerob im Dunkeln Rhodospirillum rubrum CO + H2O → CO2 + H2 Ni, Fe α2−Homodimer – Sulfidogene Bakterien anaerob Desulfovibrio vulgaris 4 CO + H2SO4 → 4 CO2 + H2S Ni, Fe ? – Tab. 1. Die Fähigkeit zur Nutzung von CO tritt in verschiedenen taxonomischen Gruppen von Bakterien oder Archaeen auf. Deshalb werden die COoxidierenden Mikroorganismen in physiologischen Gruppen zusammengefasst (MEYER et al. 1993A, FERRY 1995). Bis auf wenige Ausnahmen weisen alle CO-oxidierenden Mikroorganismen einen fakultativen Stoffwechsel auf und können demzufolge auch andere Substrate nutzen. Auffällig ist das häufige Vorkommen von Hydrogenasen und die Befähigung zum chemolithoautotrophen Wachstum mit H2 plus CO2. schen CO-Oxidation unter aeroben oder anaeroben Bedingungen auf atomarem Niveau. Sequenzvergleiche zeigen, dass die CuMoCO-Dehydrogenase aus O. carboxidovorans den Prototyp aerober CO-Dehydrogenasen darstellt und die NiFe-CO-Dehydrogenase aus C. hydrogenoformans der Prototyp aller anaeroben CO-Dehydrogenasen ist. a Nicht alle Spezies in den aufgeführten physiologischen Gruppen können mit CO wachsen. b Die carboxidotrophen Bakterien sind strikt aerob, aber einige wenige Spezies können in Abwesenheit von O2 denitrifizieren (MEYER et al. 1993A). c Für jede physiologische Gruppe ist jeweils nur ein Vertreter aufgeführt. Schätzungsweise 50 CO-oxidierende Mikroorganismen sind bekannt. d Es sind die Brutto-Umsatzgleichungen für CO von ruhenden, intakten Zellen aufgeführt. Substituenten am pentakoordinierten Mo sind ein Oxo- und ein Hydroxy-Ligand. Der in der CO-Dehydrogenase erstmals entdeckte Kofaktor Molybdopterin-CytosinDinucleotid (MEYER et al. 1993B) komplexiert das Mo über seine zwei Thiolate und integriert es in das Molybdoprotein (Abb.2 C). Der Komplex aus Mo und dem Pterin wird auch als Molybdän-Kofaktor bezeichnet. Er ist in unterschiedlicher struktureller Ausprägung für die als Nicht-Nitrogenase Molybdo- Katalytischer Mechanismus der aeroben Oxidation von CO Bindung und Oxidation von CO erfolgen am [Cu-S-Mo]-Zentrum. Dies zeigt insbesondere die Tatsache, dass die CO-Dehydrogenase nach Entfernung eines oder beider Metalle inaktiv ist. Der Komplex von CODehydrogenase mit dem Substrat CO ist experimentell nicht fassbar. Isocyanide (R-N≡C|) und CO (|C≡O|) besitzen ähnliche BIOspektrum . 5/01 . 7. Jahrgang Überblick 417 chemische Strukturen, da beide ein terminales, sp-hybridisiertes C-Atom mit freiem Elektronenpaar besitzen. Deshalb ist n-Butylisocyanid ein sehr effektiver substratanaloger Hemmstoff der CO-Oxidation. Die entsprechende Kristallstruktur zeigt die Bindung des Isocyanids am [Cu-S-Mo]-Zentrum (DOBBEK et al. 2001A). Dabei öffnet sich die chemische Bindung zwischen Cu und dem µ-Sulfido-Liganden, und das Isocyanid wird zwischen Cu und S gebunden. Das NAtom des Isocyanids reagiert kovalent mit dem Cu und das C-Atom des Isocyanids gleichzeitig mit dem µ-Sulfido-Liganden und der OH-Gruppe des Mo. Aus der Kristallstruktur des Komplexes von CO-Dehydrogenase mit n-Butylisocyanid kann ein Katalysemechanismus für die Oxidation von CO abgeleitet werden (Abb. 2 D). Der katalytische Zyklus beginnt mit der Bindung des CO-Moleküls an das oxidierte [Cu-S-Mo]Zentrum. Das elektrophile C-Atom des gebundenen CO-Moleküls ermöglicht einen nukleophilen Angriff der OH-Gruppe des Mo, wobei ein Übergangszustand entsteht, in dem die Struktur des Reaktionsproduktes CO2 bereits präformiert ist (Abb. 2 D). Es folgen die Freisetzung des CO2, die Reduktion von Mo(+VI) zu Mo(+IV), die Addition von Wasser und die Reoxidation des Mo durch Transfer der Elektronen zum [2Fe2S]I-Zentrum des FeS-Proteins (Abb.2 D). BIOspektrum . 5/01 . 7. Jahrgang Strukturelles und funktionelles Selen in CuMo-CO-Dehydrogenase CuMo-CO-Dehydrogenase inkorporiert in vivo 75Se-Selenit in die insgesamt 94 Methioninreste aller drei Untereinheiten und enthält regelmäßig bis zu ein Atom Selen pro Enzymmolekül. Darüberhinaus werden bestimmte gering aktive Spezies von CO-Dehydrogenase durch Selenit in vitro unter Inkorporation von Selen aktiviert. Mo-ESR zeigt eine Bindung des Selens am [Cu-SMo]-Zentrum, die gegenwärtig genauer analysiert wird. Neue Art der Flavinbindung Das Flavoprotein der CuMo-CO-Dehydrogenase weist drei Domänen auf. Die Bindung des FAD-Kofaktors im Bereich der Kontaktfläche zwischen der N-terminalen und der mittleren Domäne offenbart neue Prinzipien der Flavinbindung (Abb.2 A). Wesentlich für die FAD-Bindung sind zwei Loop-Strukturen mit jeweils einem hoch konservierten Doppelglycin-Motiv. Eines dieser Motive ist in der N-terminalen Domäne lokalisiert, Bestandteil einer βαβStruktur und wechselwirkt mit der Pyrophosphat-Gruppe des FADs. Das andere Motiv liegt in der mittleren Domäne und tritt sowohl mit der Pyrophosphat-Gruppe Abb. 2: Kristallstruktur und Funktionen der CuMoCO-Dehydrogenase aus dem aeroben Bakterium Oligotropha carboxidovorans (nach DOBBEK et al. 1999, GREMER et al. 2000, MEYER et al. 2000). Inzwischen liegen Strukturen mit einer Auflösung von 1,1 Å vor (DOBBEK et al. 2001A). (A) Quartärstruktur der dimeren CO-Dehydrogenase. Das Enzym besteht aus zwei identischen Heterotrimeren. Jedes Heterotrimer setzt sich zusammen aus dem 88,7-kDa Molybdoprotein (blau), dem 17,8-kDa FeS-Protein (rot) und dem 30,2-kDa Flavoprotein (gelb). Alle Dimerkontakte gehen von den Molybdoproteinen aus. (B) Anordnung der Kofaktoren im Heterotrimer. CO-Dehydrogenase enthält zwei unabhängige aktive Zentren und intramolekulare Elektronentransportketten mit einem kürzesten Abstand von 53 Å. (C) Im aktiven Zentrum von CO-Dehydrogenase wird Mo von Molybdopterin-Cytosin-Dinucleotid (MCD) komplexiert. Cu wird vom γ-Schwefelatom des Cys 388 gebunden. (D) Wahrscheinlicher Mechanismus der CO-Oxidation. Überblick 418 Abb. 3: Funktion der CuMo-CO-Dehydrogenase und genetische Organisation der Chemolithoautotrophie-Gene auf dem Plasmid pHCG3 von Oligotropha carboxidovorans (MEYER et al. 1993A, SCHÜBEL et al. 1995, SANTIAGO et al. 1999). als auch mit der Ribose und dem Isoalloxazin-Teil des FAD-Kofaktors in Wechselwirkung. Das Flavoprotein kann FAD nur dann binden, wenn es sich im heterotrimeren Komplex mit dem Molybdoprotein und dem FeS -Protein befindet (GREMER et al. 1999, 2000). In E. coli wird das O. carboxidovoransFlavoprotein als rekombinantes, FAD-freies Apoflavoprotein synthetisiert und besitzt keine Affinität für Flavine. Es kann jedoch CO-Dehydrogenase-Spezies, denen man vorher eines oder beide Flavoproteine durch Detergenzbehandlung entfernt hat, wieder herstellen. Die Ausbildung des heterotrimeren Komplexes führt zu Konformationsänderungen im Flavoprotein, wodurch die FAD-Bindungsstelle vom nicht-bindenden in den bindenden Zustand überführt wird. Diese Konformationsänderungen erstrecken sich bis zum [2Fe-2S]II-Zentrum im FeSProtein und lassen sich ESR-spektroskopisch verfolgen (GREMER et al. 1999, 2000). Funktion der CuMo-CO-Dehydrogenase in aeroben Bakterien In der CO-Dehydrogenase aus Oligotropha carboxidovorans durchlaufen die aus der COOxidation stammenden Elektronen den innermolekularen Elektronentransport und werden schließlich über das FAD auf Cytochrom b561 der CO-insensitiven Atmungskette übertragen (Abb. 3). Cytochrom b561 wurde als 2:1-Komplex mit membrangebundener CO-Dehydrogenase isoliert und charakterisiert (MEYER et al. 1993A). Cytochrom b563 ist die CO-insensitive terminale Oxidase von O. carboxidovorans (MEYER et al. 1993A). Die Fixierung von CO2 erfolgt über den reduktiven Pentosephosphatzyklus. Tatsächlich ist die Organisation der COOxidation in den Bakterien aufwendiger als in Abb. 3 dargestellt. Die CO-Dehydrogenase-Strukturgene coxMSL sind Teil eines 14,5 kb umfassenden, CO-spezifisch transkribierten cox-Genclusters, dessen einzelne Genfunktionen noch nicht vollständig verstanden sind (Abb. 3). Analysen von Mutanten zeigen, dass die Gene des Subclusters coxDEFG an der posttranslationalen Biosynthese des [Cu-S-Mo]-Zentrums und der Verankerung von CO-Dehydrogenase mit der Cytoplasmamembran beteiligt sind. Der coxGencluster befindet sich zusammen mit dem cbb-Gencluster (Ribulosebisphosphat-Carboxylase und andere Funktionen der CO2Fixierung) und dem hox-Gencluster (Hydrogenase und andere Funktionen der H2Oxidation) auf einem 30 kb umfassenden DNA-Segment des 128 kb großen Megaplasmids pHCG3 (Abb. 3). Anaerobe CO-Dehydrogenase enthält ein neuartiges [Ni-4Fe-5S]-Metallzentrum CO-Dehydrogenase II aus Carboxydothermus hydrogenoformans ist ein Homodimer aus zwei miteinander kommunizierenden Einheiten, die über ein gemeinsames [4Fe-4S]-Zentrum (Cluster D) kovalent miteinander ver- knüpft sind (Abb. 4 A, B). Das Homodimer koordiniert zwei weitere [4Fe-4S]-Zentren [Cluster B und B' (Abb. 4 B)] sowie zwei neuartige [Ni-4Fe-5S] -Zentren [Cluster C und C' (Abb.4 B, C)]. Letztere befinden sich etwa 18 Å unter der Proteinoberfläche, sind etwa 33 Å voneinander entfernt und katalysieren höchstwahrscheinlich die CO-Oxidation. Die Metallionen von Cluster C sind über fünf Cysteinreste und einen Histidinrest kovalent an das Protein gebunden (Abb. 4 C). Alle Fe-Atome des Zentrums sind tetraedrisch koordiniert. Die Geometrie des durch Fe2, Fe3, Fe4 und drei µ3-S gebildeten [3Fe-3S]-Subclusters des [Ni-4Fe-5S]Zentrums entspricht der Geometrie eines typischen [4Fe-4S]-Zentrums. Fe1 wird in ungewöhnlicher Weise durch Sγ von Cys 295 und Nε2 von His 261 gebunden (Abb. 4 C). Das Ni-Atom ist über drei anorganische SAtome mit den Fe-Atomen des Zentrums verknüpft und wird außerdem von Cys 526 gebunden (Abb. 4 C). Die bei der CO-Oxidation an Cluster C oder C' freigesetzten Elektronen werden über Cluster B' oder B auf Cluster D übertragen und verlassen dort das Enzym (Abb. 4 B). Katalytischer Mechanismus der anaeroben Oxidation von CO Dass die CO-Oxidation am [Ni-4Fe-5S]Zentrum erfolgt, wird unter anderem von der Struktur der innermolekularen Elektronentransportkette und der Zugänglichkeit des Zentrums für CO vorausgesagt (Abb. 4 A, B). Obgleich noch keine endgültigen Aussagen über den Reaktionsmechanismus gemacht werden können, gibt es doch bereits einige begründete Vorstellungen (Abb. 4 D): Das CO-Molekül bindet an Ni(+II) unter Bildung eines Ni-Carbonyls. Dort wird es von der Hydroxylgruppe an Fe1 nukleophil unter Bildung von CO angegriffen. Die freigesetzten Elektronen werden auf Cluster B oder B' übertragen und die Hydroxylgruppe des Fe1 aus Wasser regeneriert. Für diesen Mechanismus spricht die freie Koordinationsstelle am Ni und die Struktur des Proteins, die einen engen CO-durchlässigen Kanal aufweist, der von der Proteinoberfläche direkt zum Ni führt. Außerdem existiert ein hydrophiler Kanal für Wasser. Der vorgeschlagene Reaktionsmechanismus steht im Einklang mit funktionellen Analysen, die an NiFe-CO-Dehydrogenasen aus acetogenen und phototrophen Bakterien durchgeführt wurden (ERMLER et al. 1998, FERRY 1995, RAGSDALE AND KUMAR 1996). 2 BIOspektrum . 5/01 . 7. Jahrgang Überblick 419 Funktion der NiFe-CO-Dehydrogenasen in anaeroben Mikroorganismen Carboxydothermus hydrogenoformans synthetisiert zwei unterschiedliche membranassoziierte NiFe-CO-Dehydrogenasen (SVETLITCHNYI et al. 2001). CO-Dehydrogenase I hat katabole Funktion und überträgt die aus der CO-Oxidation stammenden Elektronen über Protein B auf eine Protonen-translozierende Hydrogenase (Abb. 5). CO-Dehydrogenase II hat anabole Funktion, indem sie die Oxidation von CO an die Reduktion von NADP+ zu NADPH + H+ für biosynthetische Zwecke koppelt und einen Teil des CO2 für die Kohlenstoffassimilation produziert (Abb. 5). Die NiFe-CO-Dehydrogenasen der acetogenen, methanogenen und sulfidogenen Mikroorganismen (Tab. 1) bilden funktionelle Komplexe mit Acetyl-CoA-Synthase, einem weiteren Ni-Enzym (FERRY 1995, ERMLER et al. 1998, RAGSDALE AND KUMAR 1996) . Bei den Mikroorganismen, die für die CO Fixierung den reduktiven Acetyl-CoA-Weg benutzen, katalysiert der CO-Dehydrogenase/Acetyl-CoA-Synthase-Komplex die Reduktion von CO zu CO und die Bildung von Acetyl-CoA aus enzymgebundenen Methylund Carbonyl-Gruppen. Beim Wachstum von methanogenen und sulfidogenen Mikroorganismen auf Acetat katalysiert der CO-Dehydrogenase/Acetyl-CoA-SynthaseKomplex die Spaltung von Acetyl-CoA. Abb. 4: Kristallstruktur und Funktionen der NiFe-CO-Dehydrogenase II aus dem anaeroben Bakterium Carboxydothermus hydrogenoformans, Auflösung 1,6 Å (nach DOBBEK et al. 2001B). (A) Quartärstruktur der homodimeren CO-Dehydrogenase. Das Enzym besteht aus zwei identischen 67,3-kDa Untereinheiten (blau und rot). (B) Anordnung der Kofaktoren im Homodimer. (C) Cluster C und C´, die beiden [Ni-4Fe-5S] katalytischen Zentren. (D) Hypothetischer Mechanismus der CO-Oxidation. 2 2 BIOspektrum . 5/01 . 7. Jahrgang Abb. 5: Funktionen der NiFe-CO-Dehydrogenasen I und II in Carboxydothermus hydrogenoformans. Abkürzungen: B, Ferredoxin-ähnliches Protein; H2 ase, membrangebundene, Komplex I-homologe Hydrogenase. Überblick 420 Schlussfolgerungen und Perspektiven Dobbek, H., Svetlitchnyi, V., Gremer, L., Huber, R. and Meyer O. (2001): Crystal structure of carbon Gremer, L., Kellner, S., Dobbek, H., Huber, R. and Meyer, O. (1999): A new type of flavin adenine Die vergleichende Analyse der CO-Oxidation durch CO-Dehydrogenasen aus aeroben oder anaeroben Mikroorganismen wurde durch die atomar aufgelösten Kristallstrukturen der Enzyme aus Oligotropha carboxidovorans und Carboxydothermus hydrogenoformans möglich. Trotz der offenkundigen Unterschiede zwischen diesen Enzymen in Struktur und Kofaktorausstattung, wird die CO-Oxidation in beiden Fällen von einem heterobimetallischen Zentrum der allgemeinen Struktur [M1-S-M2] katalysiert, wobei die Kombination M1=Cu und M2=Mo für aerobe CO-Dehydrogenasen und die Kombination M1 = Ni und M2 = Fe für anaerobe CO-Dehydrogenasen charakteristisch ist. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass das Hydroxylaseprotein der CO-co-oxidierenden Methanmonooxygenase aus Methylococcus capsulatus ein funktionell und strukturell verwandtes [Fe-O-Fe]-Zentrum enthält (ROSENZWEIG et al. 1993). Der Umstand, dass in CO-oxidierenden Bimetallzentren neben Schwefel offenbar auch andere Chalkogene als Brückenligand dienen können, kann als Hinweis auf ein [Cu-Se-Mo]-Zentrum in der Selenit-aktivierten CuMo-CODehydrogenase herangezogen werden. Ob weitere Kombinationen dieser oder ähnlicher Art in anderen Enzymen existieren, müssen die weiteren Arbeiten zeigen. Das Verständnis der Katalyse der CO-Oxidation steht erst am Anfang, und es sind künftig noch umfangreiche Untersuchungen nötig. Die Aufklärung der posttranslationalen Biosynthese des [Cu-S-Mo]-Zentrums an der Cytoplasmamembran sowie die Kristallstruktur des Komplexes aus NiFe-CO-Dehydrogenase und Acetyl-CoA-Synthase sind weitere spannende wissenschaftliche Herausforderungen für die Zukunft. monoxide dehydrogenase reveals a [Ni-4Fe-5S] cluster. Science 293: 1281-1285 dinucleotide-binding resolved in the molybdo iron-sulfurflavoprotein carbon monoxide dehydrogenase from Oligotropha carboxidovorans. In: Ghisla, S., Danksagungen Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Bonn), dem Fonds der chemischen Industrie (Frankfurt a. Main) und dem Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltschutz (München) für die langjährige finanzielle Förderung unserer Forschungsarbeiten. Herrn Prof. Georg Acker (Universität Bayreuth) danken wir für die Überlassung von Abb.1D. Literatur Dobbek, H., Gremer, L., Meyer, O. and Huber, R. (1999): Crystal structure and mechanism of CO dehydrogenase, a molybdo iron-sulfur flavoprotein containing S-selanylcysteine. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 96: 8884-8889 Dobbek, H., Gremer, L., Kiefersauer, R., Meyer, O. and Huber, R. (2001A): Substrate oxidation at a binuclear [CuSMo] cluster in CO dehydrogenase revealed at 1.1 Å resolution. submitted Enroth C., Eger B.T., Okamoto K., Nishino T., Nishino T. and Pai E.F. (2000): Crystal structures of bovine milk xanthine dehydrogenase and xanthine oxidase: structure-based mechanism of conversion. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 97: 10723-10728 Ermler, U., Grabarse, W., Shima, S., Goubeaud, M. and Thauer, R.K. (1998): Active sites of transition-metal enzymes with a focus on nickel. Curr.Opin.Struct.Biol.,8:749-758 Ferry, J.G. (1995): CO dehydrogenase. Annu. Rev. Micro- biol., 49: 305-333 Gremer, L., Kellner, S., Dobbek, H., Huber, R. and Meyer, O. (2000): Binding of flavin adenine dinucleotide to molybdenum-containing carbon monoxide dehydrogenase from Oligotropha carboxidovorans. Structural and functional analysis of a carbon monoxide dehydrogenase species in which the native flavoprotein has been replaced by its recombinant counterpart produced in Escherichia coli. J. Biol. Chem., 275: 1864-1872 Prof. Dr. Ortwin Meyer (Bild) hat an der Universität Göttingen Chemie und Biologie studiert und promoviert. Nach der Habilitation in Mikrobiologie ist er über die Duke University, Medical Center, Durham, N.C. und die Freie Universität Berlin an die Universität Bayreuth gekommen, wo er als Lehrstuhlinhaber für Mikrobiologie und Geschäftsführer des Bayreuther Zentrums für Molekulare Biowissenschaften (BZMB) den chemolithoautotrophen Stoffwechsel CO-oxidierender Mikroorganismen im Hinblick auf die genetische Organisation sowie die Kristallstrukturen und Funktionen der beteiligten Schlüsselenzyme erforscht. Dr. Lothar Gremer hat an der Universität Bayreuth Biologie studiert und promoviert. Als Postdoc in der Bayreuther Mikrobiologie beschäftigt er sich mit den Funktionen und Röntgenstrukturen von Molybdoenzymen. Dr. Vitali Svetlitchnyi hat nach dem Studium der mikrobiellen Biotechnologie am Technologischen Institut für Lebensmittelindustrie in Moskau am Institut für Mikrobiologie der Russischen Akademie der Wissenschaften promoviert. Nach der PostdocZeit an der University of Georgia in Athens bearbeitet er als wissenschaftlicher Assistent in der Bayreuther Mikrobiologie den hydrogenogenen Stoffwechsel anaerober Mikroorganismen. Dr. Holger Dobbek hat an der Universität Regensburg Biochemie studiert. Nach der Promotion an der TU München ist er als Postdoc am Max-PlanckInstitut für Biochemie in Martinsried auf dem Gebiet der Strukturanalyse von CO-Dehydrogenasen tätig. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Robert Huber hat an der Technischen Universität München Chemie studiert und am früheren Max-Planck-Institut für Eiweiß-undLederforschung in München promoviert. Nach der Habilitation in Chemie ist er zum Leiter der Abteilung für Strukturforschung am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried berufen worden. Ihm ist 1988 der Nobelpreis für Chemie verliehen worden. Sein Arbeitsgebiet ist die Anwendung und Verbesserung der Methoden der Röntgenstrukturanalyse von Makromolekülen. Kroneck, P., Macheroux, P., and Sund, H. (Hrsg.) Flavins and Flavoproteins 1999. Agency for Scientific Publications, Berlin, 759-766 Hänzelmann, P., Dobbek, H., Gremer, L., Huber, R. and Meyer, O. (2000): The effect of intracellular molybdenum in Hydrogenophaga pseudoflava on the crystallographic structure of the seleno-molybdo-ironsulfur flavoenzyme carbon monoxide dehydrogenase. J. Mol. Biol., 301: 1221-1235 Hille, R. (1996): The mononuclear molybdenum enzymes. Chem. Rev. 96: 2757-2816 Meyer, O. (1997): Köhlerei im Fichtelgebirge, Frankenwald und Bayerischen Wald. Verlag Erich Goltze, Göttingen, 115-119 Meyer, O., Gremer, L., Ferner, R., Ferner, M., Dobbek, H., Gnida, M., Meyer-Klaucke, W. and Huber, R. (2000): The role of Se, Mo and Fe in the structure and function of carbon monoxide dehydrogenase. Biol. Chem., 381: 865-876 Meyer, O., Frunzke, K., and Mörsdorf, G. (1993A): Biochemistry of the aerobic utilization of carbon monoxide. In: Murrell, J. C. and Kelly, D. P. (Hrsg.) Microbial growth on C1 compounds. Intercept Scientific Publication, Andover, UK, 433-459 Meyer, O., Frunzke, K., Tachil, J. and Volk, M. (1993B): The bacterial molybdenum cofactor. In: Stiefel, E. I., Coucouvanis, D. and Newton, W. E. (Hrsg.). Molybdenum enzymes, cofactors, and model systems. ACS symposium series 535, American Chemical Society, Washington D.C., 50-68 Ragsdale, S.W. and Kumar, M. (1996): Nickel-containing carbon monoxide dehydrogenase/acetyl-CoA synthase. Chem. Rev. 96: 2515-2539 Romão, M. J., Archer, M., Moura, I., Moura, J. J. G., LeGall, J., Engh, R., Schneider, M., Hof, P. and Huber, R. (1995): Crystal structure of the xanthine oxidase-related aldehyde oxido-reductase from D. gigas. Science 270: 1170-1176 Rosenzweig, A. C., Frederick, C. A., Lippard, S. J. and Nordlund, P. (1993): Crystal structure of a bacterial non-haem iron hydroxylase that catalyses the biological oxidation of methane. Nature 366: 537-543 Santiago, B., Schübel, U., Egelseer, C. and Meyer, O. (1999): Sequence analysis, characterization and CO-specific transcription of the cox gene cluster on the megaplasmid pHCG3 of Oligotropha carboxidovorans. Gene 236: 115-124 Schübel, U., Kraut, M., Mörsdorf, G. and Meyer, O. (1995): Molecular characterization of the gene cluster coxMSL encoding the molybdenum-containing carbon monoxide dehydrogenase of Oligotropha carboxidovorans. J. Bacteriol 177: 2197-2203 Svetlitchnyi, V., Peschel, C., Acker, G. and Meyer, O. (2001): Two membrane-associated NiFeS- carbon monoxide dehydrogenases from the anaerobic carbon monoxide utilizing eubacterium Carboxydothermus hydrogenoformans. J. Bacteriol 183: 5134-5144 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Ortwin Meyer Lehrstuhl für Mikrobiologie Universität Bayreuth D-95440 Bayreuth Tel.: (0921) 55-2729 Fax: (0921) 55-2727 eMail: [email protected] BIOspektrum . 5/01 . 7. Jahrgang