Numerische Strömungssimulation Verbesserte Leistungsfähigkeit beim thermischen Plasmaspritzen RONALD J. MOLZ RICHARD J. MCCULLOUGH SULZER METCO TORSTEN WINTERGERSTE SULZER INNOTEC 12 SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2006 Beim thermischen Spritzen wird das Beschichtungsmaterial geschmolzen, durch Prozessgase beschleunigt und auf das Grundmaterial gespritzt. Die Partikel prallen auf das Grundmaterial, auch Substrat genannt, erstarren und bilden eine feste Schicht. In diesem Prozess treten mehrere physikalische Phänomene auf, darunter partikelbeladene Mehrphasenströmung, Wärmetransport und die Umwandlung von thermischer in kinetische Energie. Die Flammtemperatur der Plasmabrenner, die für das thermische Spritzen verwendet werden, kann 16 000 K erreichen, deshalb lässt sich das Strömungsfeld des Gases sehr schwer messen. Mit Hilfe der numerischen Strömungssimulation (CFD) kann das Verhalten von Plasmaspritzpistolen in Betriebszuständen untersucht werden, die noch nie zuvor erforscht wurden. 4175 Wichtiges Werkzeug beim Entwurf Industrielle Anwender des Plasmaspritzens erwarten geringe Kosten durch erhöhte Produktivität, höhere Auftragseffizienz und eine längere Lebensdauer der Systemteile. CFD ist heute so weit entwickelt, dass es als Design- und Entwicklungswerkzeug zur Verbesserung des Betriebsverhaltens der Plasmabrenner eingesetzt werden kann. Mit CFD kann deren Verhalten auch in bisher nicht getesteten Betriebsbereichen untersucht werden, um den Anwendungsbereich auszuweiten sowie neue und bessere Beschichtungen zu entwickeln (Bild 2). Bisher wurden Plasmabrenner hauptsächlich empirisch weiterentwickelt. Aufgrund von Vermutungen über die Vorgänge in der Spritzpistole haben die Entwickler Arbeitsgas Kathode Wassergekühlte Anode Beschichtung Isolator Pulverzuführung Substrat 1 Der Gasstrom in der Düse von Plasmasbrennern und die Pulvereinspritzung in den Plasmastrahl: In diesen beiden Bereichen verbesserte Sulzer Metco mit Hilfe von CFD die Leistungsfähigkeit des Brenners. Modifikationen vorgenommen und dann Versuche durchgeführt. Naturgemäß ist dieses Vorgehen sehr zeit- und kostenintensiv. Ohne zu übertreiben, kann man feststellen, dass eine CFD-Studie von einem Monat Dauer bessere Ergebnisse erbringen kann als eine einjährige Versuchsreihe. Der TriplexPro™-200-Plasmabrenner von Sulzer Metco eignet sich besonders dafür, um mit dem Einsatz von CFD die Leistung des Brenners zu verbessern (Bild 3). Dessen 3 Lichtbögen erlauben den Betrieb in einem großen Bereich der Stromstärke, und der Brenner ist robust genug, um bei Tests im Grenzbereich extremen Betriebsbedingungen standzuhalten. Das Design gestattet, dass Gasstrom und Lichtbogen getrennt gesteuert werden. Zudem ist der Turbulenzgrad der Strömng deutlich geringer als im Gasstrom anderer Plasmabrenner. 2 Der Betriebsbereich der TriplexPro-200™-Plasmapistole ist sowohl bezüglich der Temperaturspanne als auch bezüglich der Partikelgeschwindigkeit deutlich größer als jener herkömmlicher Plasmabrenner. 3500 TriplexPro-200 3000 Herkömmliches Plasmaspritzen Partikeltemperatur (°C) Plasmabrenner – Plasma ist ionisiertes Gas – werden seit mehreren Jahrzehnten beim thermischen Spritzen eingesetzt und haben sich mittlerweile zu effizienten Beschichtungswerkzeugen entwickelt. Im Plasmabrenner wird ein Lichtbogen zwischen einer Anode und einer Kathode erzeugt (Bild 1). Das Gas wird zwischen den Elektroden ionisiert, so dass eine Plasmaflamme entsteht. Der pulverförmige Spritzwerkstoff wird durch ein Trägergas in die Plasmaflamme eingeblasen, aufgeschmolzen und mit hoher Geschwindigkeit auf das Werkstück geschleudert. Das Plasma muss bei verschiedensten Betriebsbedingungen und mit unterschiedlichen Gasen stabil bleiben. Dies ist eine der größten Herausforderung beim Design von Plasmabrennern. 2500 2000 1500 1000 HVOF 500 Kaltgasspritzen 0 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 Partikelgeschwindigkeit (m/s) SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2006 13 Systematische Modellierung Die Strömung in einer Plasmaspritzpistole ist so komplex, dass die Modellierung schrittweise erfolgen muss. Zuerst wurde, unter Annahme einer konstanten Gastemperatur, das strömungsmechanische Modell entwickelt und anhand von Gegendruck- und Strömungsmessungen an der Triplex-Pistole validiert. Sobald bestätigt war, dass das isotherme Modell den tatsächlichen Druck und das Strömungsfeld im Brenner abbildete, wurde ein Modell des elektrischen Lichtbogens einschließlich Magnetfeld zugefügt, um das Gas zu erwärmen. Wieder wurde das Modell mit der Triplex-Pistole, bei der nun auch Spannung und Stromstärke gemessen wurden, unter realen Einsatzbedingungen abgeglichen. Danach wurde das Einblasen des Pulvers in die Plasmaflamme in die Simulation eingebaut und validiert, indem Temperaturund Geschwindigkeitsprofile mit Accuraspray™-Partikeldiagnose und Hochgeschwindigkeitskameras aufgezeichnet wurden. Ab- TriplexPro-200 Hauptbauteile 1 2 7 5 3 4 6 1 Hinteres Gehäuse 2 Vorderes Gehäuse 3 Gehäuse für Neutrodenisolator 4 Elektroden 5 Neutrodenstapel und austauschbare Düse 6 Düsenmutter 7 DreifachPulverzuführung 3 Der TriplexPro-200 von Sulzer Metco bietet isolierte Neutrodenabschnitte, leichte Auswechselbarkeit der Düsen und andere Eigenschaften, durch welche die Steuerung der Lichtbögen von der Gasdynamik getrennt werden kann, und damit eine für die Optimierung offene Architektur. schließend wurden die thermodynamischen Eigenschaften des Brennergehäuses in das Modell integriert. Diese wurden durch Messung der Oberflächentemperatur und der thermischen Verluste im Kühlwasser überprüft. CFD unterstützt Produktentwicklung Der TriplexPro-200-Plasmabrenner wird mit 3 Düsen geliefert, die – verglichen mit herkömmlichen Brennern – ein größeres Betriebs- gebiet abdecken (Bild 4). Wird eine Düse mit großer Öffnung eingesetzt, ist die Plasmaflamme heiß und die Strahlgeschwindigkeit niedrig. Ist die Düsenöffnung etwas kleiner, gleicht die Plasmaflamme derjenigen herkömmlicher Brenner, während eine kleine Bohrung und eine konvergentdivergente Düse einen kälteren Hochgeschwindigkeitsstrahl erzeugen. Mit Hilfe von CFDUntersuchungen lässt sich die Gasströmung in jeder dieser Düsen genau an den Bedarf an- 4 Die TriplexPro-200-Plasmapistole wird mit 3 Düsen geliefert (links), welche das Plasma je nach den Anforderungen der jeweiligen Anwendung formen. Zurzeit werden Düsen für ovale oder andere Formen der Plasmaflammen untersucht. Bei einer Düse kann axial Flüssigkeit eingeblasen werden. SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2006 17 Verbesserung des Produkts Ablösung Stöße Niedrig Geschwindigkeit Hoch 5 Dieses Bild des CFD-Modells mit der 5-mm-Düse zeigt eindeutig die Bildung von Verdichtungsstößen, wie sie beim realen Brenner auftreten, sowie die Strömungsablösung im Diffusorteil der Düse. passen. Das Modell des Lichtbogens in der Strömungsberechnung erlaubt Modifikationen, die zu einem gleichförmigen und stabilen Lichtbogen führen. Dadurch wird das Gas gleichmäßiger erhitzt und das Verhalten der 3 Lichtbögen ist in einem großen Bereich von Gasströmungen vorhersagbar. Darüber hinaus unterstützt CFD die Entwicklung unkonventioneller Düsen, welche die Flamme so verändern, dass der Anwendungsbereich des Brenners größer wird. Die Verbesserung der konvergentdivergenten Hochgeschwindigkeitsdüse ist ein Beispiel dafür, wie CFD direkt die Brennerproduktion unterstützt. Die Original-5-mmDüse soll den Plasmastrahl auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigen. Verdichtungsstöße im Plasmaspritzstrahl zeigen, dass dieses Ziel erreicht wird. Allerdings waren die Ränder des Strahls, der durch den divergenten Abschnitt der Düse austritt, unscharf. Die Bilder der CFD-Analyse zeigten bei optimalen Betriebsgasströmen eine Ablösung der Gasströmung im Diffusorteil der Düse bei ungefähr zwei Dritteln der Düsenlänge stromabwärts nach dem engsten Querschnitt (Bild 5). Dieser Strömungsabriss zeigte, dass die Düse zu stark öffnete. Nachdem das Problem erkannt war, wurde der divergente Abschnitt der Düse verkürzt, wodurch die Machzahl verkleinert und die Überexpansion beseitigt wurde (Bild 6). Diese Veränderung stabilisierte den Spritzstrahl weiter und verringerte den Energieverlust. Weitere Verbesserungen erwartet Der TriplexPro-200-Plasmabrenner von Sulzer Metco hat bereits von CFD-Studien profitiert. Mit diesem Werkzeug und dem Können der Sulzer-Ingenieure gibt es beträchtliches Potenzial für weitere Verbesserungen im Design des TriplexPro-200 und auch herkömmlicher Plasmabrenner. Da Plasmabrenner weniger als 15% der zugeführten Energie für den eigentlichen Beschichtungsprozess verwenden, gibt es großen Raum für Leistungssteigerung. Weitere CFD-Untersuchungen werden darauf zielen, Wirkungsgrad und Durchsatz zu steigern. Strömungsberechnungen zeigten bereits die Möglichkeit, mit demselben Grundbaumuster des Brenners das Energieniveau sowie Gasgeschwindigkeit und -temperatur zu erhöhen. 6 Die 5-mm-Düse vor und nach der Modifikation, die aufgrund der CFD-Analyse der Gasströmung festgelegt worden war. Die Düse ist kürzer, hat aber die gleiche Form wie die ursprüngliche Düse. Kontakt Sulzer Metco (US) Inc. Ronald J. Molz 1101 Prospect Ave. Westbury, NY 11590 USA Telefon +1 516 338 2580 Telefax +1 516 338 2357 [email protected] 18 SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2006 Berechneter Plasmalichtbogen in der TriplexPro-Plasmaspritzpistole Bei der Kopplung von Strömungsmechanik und Elektro→ magnetik spielt die Lorentzkraft f eine entscheidende Rolle. Ein elektrisches Feld ist definiert durch die Kräfte zwischen ruhenden Ladungen, wogegen ein magnetisches Feld durch sich bewegende Ladungen erzeugt wird. In der Plasmaspritzpistole TriplexPro™ von Sulzer Metco resultiert durch das in einem äußeren elektrischen Feld bewegte Fluid eine Stromdichtevertei→ lung j, die sich aus 3 Teillichtbögen zusammensetzt und ein umgebendes Magnetfeld erzeugt. Durch die Wech→ selwirkung dieses magnetischen Feldes B mit der Stromdichteverteilung wirkt auf die Teillichtbögen eine resul→ → → tierende Lorentzkraftdichte f = j × B. Die Lorentzkraft ist dabei nach innen und auf die Hauptachse gerichtet, da sich das Magnetfeld im Uhrzeigersinn um die erzeugende Stromverteilung dreht und diese im Wesentlichen entlang der Hauptachse ausgerichtet ist. Dies führt zu einem Zusammenziehen der einzelnen Teillichtbögen. Wird dieser Effekt in der Simulation berücksichtigt, kommt es zu einer axial zentrierten, annähernd homogenen Verteilung der Temperaturverteilung des Fluids am Düsenaustritt des Brenners, wie die Strömungsberechnung mit (Bild rechts) und ohne (Bild links) Lorentzkraft zeigt. Die Darstellung der Isotemperaturflächen des Fluids veranschaulicht diesen Mechanismus, wobei jedoch die einzelnen Teillichtbögen jeweils auf der Austrittsdüse enden und nur der dadurch aufgeheizte Plasmafreistrahl die Brennerdüse verlässt. Stromdichte Magnetfeld Hoch Dichte der Lorentzkraft Niedrig