In alter Pracht wieder aufgebaut: Gran Teatre del Liceu in Barcelona AXEL BRINGMANN MIKEL ALKORTA SULZER INFRA Das traditionsreiche Opernhaus in Barcelona mit seinem katalanischen Namen Gran Teatre del Liceu zählt mit 2318 Plätzen zu den großen Häusern Europas. Nach einer Vorstellung von Puccinis «Turandot» im September 1994 brannte es fast vollständig aus – im Oktober 1999 wurde es in Anwesenheit des spanischen Königs Juan Carlos mit «Turandot» wieder eröffnet. Dazwischen lag eine Periode großer Anstrengungen, das Gebäude in alter Pracht wieder erstehen zu lassen. Daran hatte die spanische Gesellschaft von Sulzer Infra einen bemerkenswerten Anteil – als Sponsor und vor allem bei der Planung und Ausführung der Gebäudetechnik. ■ Das 1863 erbaute Liceu (Bild 1■) ist nach dem verheerenden Feuer von 1994 in einer beispiellosen Aktion wieder aufgebaut worden. Staatliche und städtische Behörden und eine große Anzahl Sponsoren, zu denen viele bekannte europäische Firmen gehörten, haben dies ermöglicht. Der Nachbau entspricht dem Vorgängerbau bis ins Detail. Jedoch wurde ein bedeutender Aufwand für die Sicherheit getätigt, speziell für 24 SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2000 den vorbeugenden und den direkten Brandschutz. Sulzer Sistemas e Instalaciones, S.A., Niederlassung Barcelona, war von Anfang an in ein Konsortium eingebunden. Mit den Firmen Emte, S.A., und Agelectric, S.A., wurde die Arbeitsgemeinschaft U.T.E. gegründet, der die Ausführung der gesamten Gebäudetechnik bis hin zur Installation der Elektro- und Steuerungstechnik der Bühneneinrichtung oblag. So entstand hinter altehrwürdigen Fassaden ein Opernhaus auf dem neuesten Stand der Technik (Bild 2■). HAUSTECHNIK IN BESONDEREM UMFELD Theater (Bild 3■) erfordern eine andere Gebäudetechnik-Ausstattung als ein Bürogebäude, denn sie haben eine andere Funktion: Eine große Anzahl Personen muss in kurzer Zeit zu ihren Plätzen gelan- 3940 1■ Das Gran Teatre del Liceu zählt mit seinen 2318 Sitzen zu den großen Häusern Europas; es brannte 1994 fast vollständig ab, konnte aber 1999, detailgetreu rekonstruiert, wieder eröffnet werden. KOMPETENZ DANK ERFAHRUNG Die Referenzliste von Sulzer Infra enthält viele Theater und Konzerthäuser. Deshalb konnte hier die langjährige Erfahrung aus verschiedenen Ländern genutzt werden. Bereits im alten Liceu stammten die raumlufttechnischen Anlagen von Sulzer. Die Realisierung des Projekts lag in den Händen des Büros für Projektüberwachung IDOM. Sie wurde von einem Unternehmen für die Terminüberwachung, der EGI, sowie dem Büro für Qualitätskontrolle ATISAE unterstützt. In dem Gebäudetechnik-Konsortium zeichnete Sulzer gen und das Gebäude wieder verlassen können. Der Aufenthalt in Gängen und Foyers (Bild 4■) ist kurzzeitig, dafür sitzen die Besucher während der Vorstellung dicht gedrängt und entwickeln Wärme, die abgeführt werden muss. Außerdem benötigen sie ausreichend Atemluft, die aufbereitet, zu- und wieder abgeführt wird. Das alles hat mit Hilfe moderner und umweltfreundlicher Anlagen auf wirtschaftliche Weise zu geschehen. Diese Anlagen sind meist nur für relativ kurze Zeit in Betrieb. Die meiste Zeit des Tages und während der Theaterferien steht das Gebäude leer – fast, denn in einem kleinen Teil des Gebäudes wird geprobt (Bild 5■), Büroarbeit geleistet oder an Kulissen gebaut. Auch diese enormen Leistungs- schwankungen müssen bewältigt werden, damit zum richtigen Zeitpunkt für Zuschauer und Schauspieler der Komfort optimal ist. Über allem steht die Sicherheit, speziell der Brandschutz, denn im Theater gibt es viele Gefahrenquellen wie z.B. Dekorations- und Polsterstoffe, den Kostümfundus, Werkstätten, Scheinwerfer oder Energieerzeugungsgeräte. Sie müssen ständig automatisch überwacht werden. 2■ Neueste Technik wurde diskret in den Nachbau des Liceu integriert– wie diese Luftdüsen (Kreis) im kunstvollen Dekor der Eingangshallendecke. SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2000 25 Infra für die Detailplanung und Ausführung folgender Gewerke verantwortlich: • Klimatisierung aller Räume, Fortluftführung und Entrauchung im Brandfall • Kaltwassererzeugung und -verteilung • Warmwassererzeugung und -verteilung • Energierückgewinnung • Brauchwarmwassererzeugung und -verteilung • Brandschutzanlagen und Sprinkler • Gebäudeleitsystem zum automatischen Betreiben und Überwachen der Gebäudetechnikanlagen inklusive Brandmeldeanlagen 3■ Hinter der Fassade eines Theaters sind zahlreiche Räume untergebracht, die verschiedensten Zwecken dienen. Die Räumlichkeiten, welche die Besucher zu sehen bekommen, machen nur einen kleinen Teil davon aus. Alle wichtigen Anlagen der Energieerzeugung sind in einer Technikzentrale in einem separaten, oberen Gebäudeteil untergebracht (Submarino genannt) und sind besonders schall- und schwingungsisoliert (Bild 6■). Dazu zählen die Heizkessel mit modulierenden Gasbrennern und die Kältemaschinen mit Wärmerückgewinnungsverflüssigern zur Brauchwassererwärmung. Zur Energieoptimierung wurden zusätzliche Wärmepumpen installiert, mit denen im Sommer Kaltwasser und im Winter aus der Umgebungsluft Heizenergie erzeugt werden kann. Überschusswärme wird im Sommer über Kühltürme an die Umgebung abgeführt. Die hydraulischen Kreisläufe sind wegen der unter- 6 5 4 1 2 1 Zuschauerraum 2 Bühne 3 Schacht zum Heben und Senken der Bühne 4 3 4 Räume für fertig aufgebaute Bühnenbilder auf mobilen Plattformen 5 Bühnenhaus 6 Das so genannte «Submarino» (mit zahlreichen technischen Anlagen) 26 SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2000 4 4■ Das Foyer wird nur über kurze Zeitspannen genutzt, dann aber intensiv. Die Zufuhr der behandelten Luft erfolgt über Weitwurfdüsen, die an den Wänden gut sichtbar – und dennoch gut an das Décor angepasst – sind. ANSPRUCHSVOLLE LUFTVERTEILUNG schiedlichen Betriebstemperaturen in primäre Kreisläufe der Energieerzeuger mit Wärmetauschern und sekundäre Betriebskreisläufe für die Verbraucher im Gebäude unterteilt. Drehzahlgeregelte Umwälzpumpen fördern die Volumenströme bedarfsabhängig. ten kann das Gebäude mit kalter Außenluft durchspült werden. Um eine Schallausbreitung durch das Luftkanalnetz zu verhindern, sind Schalldämpfer in großer Zahl eingesetzt. Aus demselben Grund arbeiten die Ventilatoren während der Vorstellungen mit geringerer Drehzahl. Die Zuluft wird durch zum Teil gemauerte Kanäle zu den einzelnen Gebäudeabschnitten geführt. Die Nachbehandlung und die Umluftbeimischung erfolgen in Luftaufbereitungsgeräten für die einzelnen Raumzonen. Hier geschieht auch die Energierückgewinnung durch eingebaute Rotationswärmetauscher und die Luftentfeuchtung. Die Zuluft wird hier auf das nötige Temperaturniveau gebracht. So kann in einigen Räumen Heizbedarf bestehen, während z. B. Proberäume wegen der Scheinwerfer bereits gekühlt werden müssen. In den sensiblen Räumen wie dem Zuschauerraum, dem Orchestergraben oder der Orchesterprobe ist der Geräusch- SPITZENBEDARF WÄHREND DER VORSTELLUNGEN Die Außenluftaufbereitung ist zentral auf einem Stockwerk in der Technikzentrale untergebracht. Hier wird ausschließlich Außenluft gefiltert, vorgewärmt oder vorgekühlt. Die maximale Außenluftbehandlung erfolgt nur während der Vorstellungen. In der übrigen Zeit ist der Leistungsbedarf geringer, und es müssen auch nicht alle Bereiche des Gebäudes mit Außenluft versorgt werden. Leerstehende Räume können mit Umluft auf einem Temperaturbereich gehalten werden, der kurz vor der Türöffnung auf das erforderliche Niveau gebracht wird. Auch können Räume mit geringerer Personenfrequenz mit einem Umluftanteil energetisch sparsam betrieben werden, ohne dass damit gegen Gesundheitsvorschriften verstoßen wird. In Sommernäch- 5■ Im Spiegelsaal üben die Balletttänzerinnen und -tänzer; dabei müssen die Luftqualität und vor allem die Temperatur stimmen: Niemand darf sich erkälten, zu hohe Temperaturen würden dagegen unangenehme Trainingsbedingungen schaffen. SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2000 27 6■ Die Kaltwasserumwälzpumpen (vorne), die Luftaufbereitungsgeräte (hinten) und zahlreiche weitere Anlagen sind besonders schall- und schwingungsisoliert im so genannten «Submarino» untergebracht. 7■ Unter jedem Sitz im Theater befindet sich ein Luftauslass. Die Auslässe wurden vor der Installation im Labor mit der Originalbestuhlung auf Geräuschentwicklung und Leistung hin genau untersucht. 28 SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2000 pegel am Luftaustritt auf 20 dB(A) begrenzt. Im Zuschauerraum tritt die Zuluft über einen Doppelboden, das so genannte Plenum, und durch Bodenauslässe nach dem Quellluftprinzip unter jedem der 2318 Sitze aus (Bild 7■). Diese Luftauslässe hatten sich in anderen SulzerInfra-Anlagen bewährt. Sie wurden speziell für diese Anwendung und unter Verwendung der Originalbestuhlung durch die Sulzer Infra Lab AG auf Leistung und Schallausbreitung getestet, um dem Bauherrn zusätzliche Planungssicherheit zu geben. Der Bühnenbereich wird durch Weitwurfdüsen mit Luft versorgt, wobei auf eine gute Luftverteilung in diesem Bereich geachtet wurde (Bilder 8■ und 9■). Damit wird ein Wärmestau im Bühnenhaus, aber auch das Einströmen von Kaltluft in den Orchestergraben und den Zuschauerraum beim Aufziehen des Vorhangs verhindert. Das Foyer erhält durch Bodenauslässe und zusätzliche Luftdüsen in den Wänden aufbereitete Luft, der Eingangsbereich durch Schlitzauslässe und Weitwurfdüsen. Die Bereiche an der Außenfassade, vornehmlich Büros, erhielten Schlitzauslässe, die Innenzonen Drallauslässe. Im Spiegelsaal für die Ballettproben sind unter der Decke Weitwurfdüsen installiert, in den übrigen Proberäumen verstellbare Auslässe mit Motorantrieb. Die Abluft wird im Deckenbereich der Räume gefasst und über Wärmetauscher für die Energierückgewinnung ins Freie geblasen. Die Fortluftleistung kann im Brandfall gesteigert werden, um eine schnelle Rauchabsaugung am Brandherd zu erreichen; das trägt dazu bei, panikartige Reaktionen zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Im Brandfall werden außerdem die Zuluftventilatoren 8■ Die Belüftung des Bühnenraums musste sehr genau geplant werden, damit sich beim Öffnen des Vorhangs kein Schwall kalter Luft in das Parkett ergießt. für die Treppenhäuser auf höchste Drehzahl geschaltet, um einen Luftüberdruck zu erzeugen und hier die Rauchausbreitung zu verhindern. TECHNISCHE DATEN Gebäude Anzahl Sitzplätze 2318 Höhe Zuschauerraum 21 m Grundfläche Bühne 1400 m2 Höhe Bühnenturm 68 m Energieversorgung Heizleistungsbedarf 4764 kW/h Kälteleistungsbedarf 2713 kW/h Kesselleistung 2100 kW/h Heizleistung Wärmepumpe 1434 kW/h Kälteleistung Wärmepumpe 1761 kW/h Luftvolumenströme Außenluftstrom gesamt 538 000 m3/h Fortluftstrom gesamt 154 000 m3/h Luftrate pro Zuschauer 40 m3/h Brandschutz Anzahl Sprinklerköpfe 1250 Anzahl Löschposten (BIE) 110 9■ Über der Bühne hängen an zahllosen Drahtseilen Kulissen und Bühnenabgrenzungen. Das große Raumvolumen muss mit einem ausgeklügelten System ohne Energieverschwendung klimatisiert werden. Lüftung des Raumes über dem Bühnenhaus, wo sich die Aufzugsmotoren befinden. BRANDSCHUTZ MIT HOHER PRIORITÄT Die Erfahrungen des Bauherrn haben auch zu hohem passivem Brandschutz geführt, bei dem nur geeignetes Material zum Einsatz kam und nur Stoffe in schwer entflammbarer Ausführung. Deshalb sind Ventilatoren eingebaut, die bei 400 °C Rauchgastemperatur über einen vorgeschriebenen Zeitraum betriebssicher arbeiten. Das Gebäude ist in Brandschutzzonen unterteilt, die Luftkanäle darin sind mit entsprechenden Brandschutzklappen ausgestattet. Es besteht ein dichtes Netz von Brandmeldern und Überwachungseinrichtungen für automatische Alarmauslösung. Zum Löschen sind Schlauchstationen und Hydranten vorhanden. Das gesamte Innere des Gebäudes ist durch ein Sprinkler-System (Bild 10■) geschützt. Löschwasser kann aus einem Speicherbecken innerhalb des Gebäudes bezogen werden. Der Wasservorrat reicht für einen zweistündigen Betrieb der Löschpumpen. Eine Pumpe kann bei Auslösung des Sprinkleralarms sofort automatisch starten; bei Stromausfall geschieht dies netzunabhängig und unterbrechungsfrei durch ein Notstromaggregat. Vorschriftsgemäß ist der Zuschauerraum durch einen «Eisernen Vorhang» vom Bühnenraum getrennt. Sulzer Infra stellt also sicher, dass sich die Besucherinnen und Besucher in angenehmem Klima ganz auf die Aufführung konzentrieren können. Die umfangreichen Brandschutzmaßnahmen sorgen dafür, dass sich Dramen wie «Turandot» im Gran Teatre del Liceu nur noch dort abspielen, wo man sie erwartet: auf der Bühne. Ω INFO DIRECT Sulzer Infra Management Services AG Axel Bringmann Postfach 414 CH-8401 Winterthur Schweiz Telefon +41 (0)52-262 41 35 Telefax +41 (0)52-262 00 00 E-Mail [email protected] 10■ Dem Brandschutz kam beim Wiederaufbau große Bedeutung zu. Das Bild zeigt die Sprinklerzentrale, die im Keller untergebracht ist; das Wasser im hauseigenen Speicher reicht für eine zweistündige Brandbekämpfung aus. SULZER TECHNICAL REVIEW 2/2000 29