Zum NewsLetter vom 10. Februar 2010 Interview mit Matthias Sulzer, Mitglied des Verwaltungsrats der Inretis Holding AG und Geschäftsführer der Lauber IWISA AG in Naters / Brig Das Gebäude als System – aus Überzeugung Die faszinierende Walliser Bergwelt war für Matthias Sulzer Teil der Motivation, um nach Naters bei Brig zu kommen und beim renommierten Gebäudetechnikunternehmen Lauber IWISA seine heutige Tätigkeit aufzunehmen. Eine weitere wichtige Vision waren die fortschrittliche Unternehmensausrichtung und innovative Projekte. Am Energie-Apéro in Visp hat er ein solches Spitzenprodukt vorgestellt: die neue Monte Rosa Hütte. Das Unternehmen Lauber IWISA weist ein breites Tätigkeitsfeld auf. Sind dabei einzelne Schwerpunkte festgelegt? Matthias Sulzer: Gerade die Breite ist Schwerpunkt. Wir wollen das Gebäude als System betrachten und befassen uns daher sowohl mit der Gebäudehülle als auch den umfassenden technischen Installationen. Somit achten sie auch sehr bewusst auf die entsprechenden Wechselwirkungen von Anlagen und Hülle? Wir wollen effiziente Systeme schaffen, d.h. energieeffiziente, welche gleichzeitig auch robust und wirtschaftlich sind. Gerade im Erneuerungsbereich versuchen wir immer wieder einen Weg aufzuzeigen, wie man etappenweise das Gebäude vom heutigen Zustand in ein CO2-freies Gebäude transformieren kann. Es geht oftmals um ein Puzzle mit zahlreichen Teilen, die wir zu einem ansprechenden Bild zusammenfügen wollen. Sie haben mehrere Jahre an der Hochschule Luzern, Technik & Architektur die Energietechnik im Gebäude unterrichtet, sind inzwischen Mitglied des Verwaltungsrats sowie Geschäftsführer von Lauber IWISA. Auf was konzentrieren Sie sich heute? Die ganze Gruppe umfasst gesamthaft rund 400 Mitarbeitende und wird von Ingenieuren geprägt, welche die Firma weiterbringen wollen. So will ich mich nun zu rund 40 Prozent meiner Zeit auf Schlüsselprojekte konzentrieren, bei denen die angewandte Forschung und Entwicklung eine wesentliche Rolle spielen. Wie beispielsweise das von der ETH Zürich initiierte und in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen in Luzern entwickelte und berechnete Projekt der neuen, autarken MonteRosa-Hütte? Die neue Hütte ist nur zu 90 Prozent Energie-autark, da im Laufe der Projektierung offensichtlich wurde, dass der Material-, Ressourcen- und Finanzaufwand für die letzten 10 Prozent sehr hoch gewesen wäre und zugleich die Grundidee der Nachhaltigkeit in Frage gestellt hätte. Können Sie auch andere Projekte nennen, die einen prägnanten Forschungscharakter aufweisen? Ja, wir waren auch als Planer mit dabei, als das neue Restaurant auf dem kleinen Matterhorn konzipiert wurde. Dort, im höchstgelegenen Minergie-P-Gebäude (3883 Meter ü. Meer) haben wir eine Solarfassade installiert, mit welcher Strom und Wärme erzeugt wird. Die Luftströmung musste mit einem speziellen Berechnungswerkzeug (Computational Fluid Dynamics CFD) untersucht werden. Sie kühlt die Solarzellen, bewirkt so einen verbesserten Wirkungsgrad, und die erwärmte Luft speist eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Das sind Highlights, das sind hoch gelegene Erfolgsgeschichten. Minergie-P-Gebäude auf dem Kleinen Matterhorn. (Foto: Minergie) Was motiviert Sie zu solchen Projekten? Es war ein früher Traum, einmal ein Null-EnergieHaus zu planen und zu bauen. Die Erfüllung dieses „Bubentraums“ war sicher die Herausforderung der Konzeption der neuen Monte-Rosa-Hütte. Sie träumen also weniger vom Plusenergie-Haus? Wir träumen heute von einem Erneuerungsboom und nicht von einzelnen Leuchtturmprojekten. Es geht uns vor allem um die Suche nach dem jeweiligen Optimum des Gebäudes, dem sinnvollen Zusammenspiel von nachhaltiger Gestaltung, Ressourcenschonung, der Minimierung der Materialmengen, akzeptabler Wirtschaftlichkeit und dem Einsatz geeigneter Technik. Sie sehen dabei auch über das Einzelgebäude hinaus die grösseren Zusammenhänge? Ja, die Gebäude stehen im urbanen Umfeld nicht nur optisch in Verbindung zueinander, sondern es geht um eine energetische Vernetzung von Arealen, Quartieren und Städten. Wir sehen neben der bereits bestehenden elektrischen Vernetzung auch eine mögliche thermische Verbindung zusammen mit Speicherkonzepten. Können Sie dies konkretisieren? Wir sind beispielsweise beim Anergie-Netz der ETH Hönggerberg involviert, bei welchem die Abwärme einzelner Gebäude in ein Leitungsnetz gespiesen wird, um den Nachbargebäuden diese zur Verfügung zu stellen. Überschüssige Energie wird in einzelnen Feldern mit Erdwärmesonden gespeichert. Sind sie als Walliser Unternehmen auf dem Hönggerberg bereits tätig gewesen? Tatsächlich waren wir für das Energiekonzept und die Haustechnik des im vergangenen Jahr abgeschlossenen Neubaus des e-science Lab, HIT verantwortlich. Somit haben wir das erste Minergie-Gebäude der ETH realisieren können, welches auch an das Energie-Netz angeschlossen werden kann. Dies tönt nach dezentraler Energieversorgung? Die dezentrale Versorgung wird noch immer in Frage gestellt. Dabei nehme ich gerne den historischen Vergleich, dass es zur Zeit der Grosscomputer kaum denkbar war, dass der Einzelne je die nötige Technik auf seinem eigenen Tisch haben könnte. Doch der PC und das Laptop sind heute Realität. Damals schien dezentralisierte Computer-Intelligenz noch undenkbar. Die Realität spricht für das Undenkbare. So könnte es in Zukunft auch für unsere Gebäude eine Selbstverständlichkeit sein, zugleich Energielieferant, Energieverbraucher und Energiespeicher zu sein. Kontakt: Matthias Sulzer Lauber IWISA AG Bahnhofstrasse 8 CH-3904 Naters [email protected] www.lauber-iwisa.ch