Lackablösungen und Risse an Holzfenstern (Technische Beurteilung: Prof. Dipl. Ing. Peter Wossnig, ö.b.u.v Sachverständiger; Rechtliche Beurteilung: Prof. Dr. Gerd Motzke) Kurzüberblick Technisches Fazit Die Nichtbeachtung zahlreicher technischer Details, die sich jedoch in einschlägigen Regelwerken nachvollziehen lassen, kann zur totalen Unbrauchbarkeit einer Werkleistung führen. Aber nicht nur der Tischler, auch der Maler und die Bauleitung haben versagt. Rechtliches Fazit Der Bauherr hat Anspruch auf ein funktionstaugliches und dauerhaft mangelfrei bleibendes Werk. Dem sind Handwerker und Architekten (Bauleiter) verpflichtet. Die Mängelbeseitigung kann bis zur völligen Neuherstellung gehen. Eine Vorteilsausgleichung findet dann nicht statt. Hinweise auf weiterführende Literatur DIN 18355 Tischlerarbeiten RAL-Gütegemeinschaften Fenster und Haustüren: Leitfaden zu Montage DIN 18363 Maler und Lackierarbeiten BFS-Merkblatt Nr. 18, Technische Richtlinien für Beschichtungen an Fenstern und Außentüren sowie anderen maßhaltigen Außenbauteilen aus Holz (07.89) DIN 68121 Holzprofile für Fenster und Fenstertüren DIN 68360 Holz für Tischlerarbeiten, Gütebedingungen bei Außenanwendung RAL-GZ 424/1 Holzfenster - Fertigung + Montage 1 Fallbeschreibung Bei der Erstellung einer Reihe von Doppelhaushälften durch einen Bauträger wurden gegen Ende des Jahres 1992 in diesen Gebäuden Fenster und Fenstertüren aus Holz eingebaut. Die Imprägnierung und den Grundanstrich brachte der Schreiner bereits in der Werkstatt auf. Im August 1993 wurden die Gebäude durch die Käufer bezogen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fenster noch immer nicht gestrichen. Als die Käufer reklamierten, wurden diese im Frühjahr 1994 nach einem gründlichen Voranschliff mit dem fehlenden Deckanstrich versehen. Bereits im Sommer 1994 wurden erste Nachbesserungen durch den Maler durchgeführt. Im Mai 1995 blätterte die Farbe an vielen Stellen deutlich ab, die ersten Risse in den Rahmenprofilen zeigten sich. Ein Sachverständiger wurde konsultiert, der zu der Feststellung kam, dass der Erstanstrich unfachmännisch aufgebracht war. In den Monaten Mai bis September des Jahres 1996 erfolgte unter Aufsicht des Sachverständigen in Zusammenarbeit mit dem Farbhersteller die Sanierung. Dabei wurden zunächst die Fenster gründlich bis auf das weiße Holz abgeschliffen. Da teilweise Feuchtigkeiten von 20% und mehr festgestellt wurden, musste zwischen Abschleifen und Aufbringen des Anstrichsystems einige Wochen bis zur Trocknung auf unter 15% gewartet werden. Danach wurde imprägniert, eine Grundierung und der Endanstrich wurden aufgebracht. Damit schien das Problem endlich erledigt. Um so mehr waren alle Beteiligten erstaunt, als Ende des Jahres 1996 die altbekannten Schadensbilder (Lackablösung und Rissebildung) erneut auftauchten. Rechtsanwälte wurden bemüht; die Sache landete bei Gericht und erreichte schließlich den Sachverständigen. 1.1 Örtliche Situation Die Gebäude befinden sich an einer Hangkuppe mit dem First in West-Ost-Richtung. Sowohl von Westen als auch von Osten ist ein Schutz durch Bepflanzung oder Nachbargebäude nicht gegeben. Dadurch sind die Giebelfassaden der Beanspruchung durch Wetter erhöht ausgesetzt. Im Giebelbereich der Gebäude (West- und Ostseiten) sind im Erdgeschoss polygonale Erker vorgebaut, die ausschließlich aus zusammengeleimten Rahmenprofilen bestehen. Ein auskragendes Erkerdach ist nicht vorhanden. Die restlichen in den Mauerwerksöffnungen eingebauten Fenster liegen ca. 5 cm gegenüber der Putzvorderkante zurückversetzt. Ein konstruktiver Schutz der Fenster ist damit nicht gegeben. Die Fenster wurden in Augenschein genommen. Die Fenster der Westseiten waren erwartungsgemäß am deutlichsten in Mitleidenschaft gezogen. Bei den Fenstern der Süd- und Ostseite hinkte die Schadensentwicklung ca. ein Jahr hinterher. Im Norden waren keine Mängel feststellbar. Abb. 1: Westlicher Erker: Auffallend die deutliche horizontale Rissausprägung, die von den Brüstungskanten ausgeht und zum Teil über die gesamte Profillänge reicht Rissbildungen Auffallend waren zunächst die horizontalen Risse, die bei den stark bewitterten Fenstern der Westseiten bereits wenige Monate nach der Anstrichsanierung auftraten. Die großen Risse mit Rissbreiten bis zu 2 mm konzentrierten sich auf die Eckbereiche der horizontalen Rahmenhölzer. Von den Brüstungsflächen (Stoß zwischen horizontalem und vertikalem Rahmenholz) ausgehend zogen sich die Risse wenige Zentimeter bis über die ganze Profillänge reichend parallel zur Profilachse bzw. dem Maserungsverlauf der Rahmenhölzer entlang Abb. 2: Westerker: Aufgerissene Brüstungskanten mit sich lösendem Fugenmaterial, horizontale Risse an den Querhölzern über den Leimfugen Leimfugen Der Anstrich über den Rissen wurde entfernt. Unterhalb der Risse zeigten sich im Holz Leimfugen, die teilweise aufgequollen, teilweise aufgerissen waren. In einigen Fenstern fanden sich mit Kunstharzspachtel ausgefüllte Fugen mit Breiten bis zu 4 mm und einer Tiefe von 20 mm. Die Spachtelmasse ließ sich ohne Kraftaufwand aus der Fuge herausziehen, eine kraftschlüssige Verbindung zwischen Spachtelmasse und Holz lag nicht vor (vgl. Abb. 4). Brüstungsfugen Die horizontalen Kanten an den Fugen der zusammengesetzten Profile waren scharfkantig, ebenso die Fugen der Brüstungen. Die Brüstungsfugen (Fugen zwischen vertikalem und horizontalem Rahmenprofil) waren allesamt aufgerissen. Nach Abheben der Lackschicht zeigte sich, dass die Anschlussfugen im Holz ca. 2mm breit waren und ausgespachtelt wurden. Die Spachtelmasse war beidseitig vom Holz abgerissen. Die Fugentiefe betrug ca. 10 mm (vgl. Abb. 2 und 3). Blechanschluss Der Anschluss der Fensterbleche aus Aluminium an den Fensterrahmen erfolgte nicht über eine hinterschnittene Fuge, sondern wurde wie in Detail 1 dargestellt am unteren Rahmenholz festgeschraubt. Die obere Fuge zwischen Blech und Holz wurde mit einer Silikonspur versehen. Von der Unterkante der vertikalen Rahmenprofile, die ebenso keine Verrundung aufwies, zogen sich über eine Länge von ca. 5 - 10 cm Risse vertikal nach oben (vgl. Abb. 2, 3, 4). Glashalteleisten Neben den Rissen in den vertikalen Profilflächen zeigten sich deutliche Farbabblätterungen an den oberen Ablaufflächen der äußeren Glashalteleisten (vgl. Abb.5). Die Neigung wurde mit 15 Grad gemessen und ist ausreichend. Der ursprüngliche Verrundungsradius an der Vorderkante der Glashalteleisten von 2mm war durch die nachträglichen Schleifarbeiten nur noch rudimentär festzustellen. Anstrich Vom Anstrich wurden Proben entnommen und auf Dicke überprüft. Diese betrug im Mittel 150 µ . In den abgeblätterten Bereichen und unter den noch mit Farbschichten bedeckten Nachbarbereichen zeigte das Holz deutliche Verwitterungserscheinungen (Graufärbung, Auflösung der Ligninanteile mit Hervortreten der Holzfasern) und starke Rissebildung. Stahlnadeln ließen sich bis zu 10 mm in die Risse einführen. In den Rissen war teilweise stehendes Wasser zu erkennen. Holzfeuchte Die Feuchtigkeit der Profile wurde elektrisch gemessen (vgl. Abb. 6). Die dabei erzielbare Genauigkeit reicht für eine Orientierung und Beurteilung aus. In den unteren Teilen der Rahmenhölzer der Fenstertüren, insbesondere im Bereich der horizontalen Risse, konnten Holzfeuchtigkeiten zwischen 38% und 50% festgestellt werden, was auf freies Wasser im Holzquerschnitt hindeutet. Nach oben hin nahm die Feuchtigkeit kontinuierlich ab und erreichte in den oberen horizontalen Rahmenhölzern ca. 12% (entspricht der zu erwartenden Ausgleichsfeuchte). Nach Rücksprache mit dem Schreiner und den Messungen vor Ort konnte der Profilquerschnitt der unteren Rahmenprofile wie folgt entwickelt werden. Detail 1: Die zusammengesetzten unteren Rahmenprofile wurden aus Kanteln verleimt (Lamellierung). Die Leimfugen verlaufen horizontal im Profil und werden außenseitig bewittert 2 Technische Beurteilung 2.1 Mangelursache/technische Anforderungen Grundierung vor Einbau Die Fenster wurden nur grundiert angeliefert und eingebaut. Damit entsprachen die Fenster nicht den Vorgaben der DIN 18363 Abschnitt 3.2.2.1.4 in Verbindung mit DIN 18355 Abschnitt 3.13.3, die vor dem Einbau und vor der Verglasung einschließlich aller Glasfalze und zugehöriger Leisten eine Grund- und Zwischenbeschichtung vorsieht. Zudem unterließ der Schreiner den nach RALGZ 424/1 Abschnitt 2.4.8 notwendigen Hinweis: „Diese Fenster sind anstrichtechnisch nur vorbehandelt. Sie weisen daher noch keinen ausreichenden Schutz gegen Feuchte und UVBestrahlung auf. ff.“ 2.2 Mangelbeseitigung Neuherstellung Im Hinblick auf den bereits unternommenen ersten Sanierungsversuch ist von weiteren Versuchen abzuraten. Die Fenster und Erker waren gegen neue Bauteile auszutauschen. Dazu sind die vorhandenen Fenster auszubauen. Dies erfordert die Entfernung des Putzes im Leibungsbereich und bei den Erkern die Entfernung des Dachrandes und der unteren Anschlüsse. Nach dem kompletten Austausch gegen neue Konstruktionen sind Dächer und Sockel wieder einzubauen und der Putz mit notwendigen Malerarbeiten zu ergänzen. 2.3 Schlussbetrachtung Zu Pflegebedarf und Vorzügen der Holzfenster Mehr zur Mangelursache, Mangelbeseitigung und Schlussbetrachtung finden Sie im Online-Produkt „Bauschäden und Baumängel“. Einfach unter www.weka.de/architektur 14 Tage kostenlos testen (Bestellnr. 9544)! 3 Rechtliche Beurteilung Gewährleistung verschiedener Baubeteiligter Die Einstandspflichten der Baubeteiligten beurteilen sich sämtlich nach dem Gewährleistungsrecht des Werkvertrages. Dieses ist, soweit es um die Nachbesserung/Mängelbeseitigung geht, verschuldensunabhängig und rein erfolgsorientiert ausgestaltet. Das betrifft den Tischler und den Maler. Bei der Bauleitung stellt sich die Sachlage in geänderter Form deshalb dar, weil die Bauleitung nicht mehr auf Nachbesserung in Anspruch genommen werden kann, wenn die Überwachung und Koordinierung erbracht worden und das körperliche Bauwerk erstellt ist. Dann ist die Nachbesserung der Bauleitung schlicht unmöglich geworden. Der Planer könnte sich allenfalls noch als Objektüberwacher im Rahmen der Nachbesserung einbringen, das ist jedoch nach dem Leistungsbild der Planer keine Nachbesserung, sondern als Teil der Objektbetreuung noch zum ursprünglichen Werkvertrag gehörig. Hat die Bauleitung versagt, bleibt deshalb lediglich ein Schadensersatzanspruch, der nach § 635 BGB verschuldensabhängig ausgestaltet ist. Das Verschulden wird jedoch vermutet. 3.1 Verantwortung Verantwortung Schreiner Verantwortung Maler Verantwortung Bauleitung 3.2 Haftung Mehr zur rechtlichen Beurteilung und Haftungsfrage sowie über 350 Schadensfälle finden Sie im Online-Produkt „Bauschäden und Baumängel“. 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