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Nierenzellkarzinom - Renaissance der Immuntherapie
31.08.2015
Erschienen in Spectrum Urologie
Die Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mNZK) hat sich durch die Einführung der
zielgerichteten Medikamente grundlegend gewandelt. Seit gut 10 Jahren sind nun spezifische Inhibitoren
im klinischen Einsatz, die die Signalkaskaden des „Mammalian target of rapamycin“-(mTOR-) und des
„Vascular endothelial growth receptor“-(VEGF-) Signalweges inhibieren. Diese mTOR-Inhibitoren bzw.
die gegen VEGF gerichteten Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) haben zu einer deutlichen Verlängerung des
progressionsfreien (PFS) als auch des Gesamtüberlebens (OS) von Patienten mit einem mNZK geführt.
Dennoch ist das mNZK derzeit eine nichtheilbare Erkrankung und die Therapie erfolgt in palliativer
Intention.
Zytokintherapie
Für viele Jahre war die unspezifische Immuntherapie mit den Zytokinen Interleukin (IL-2) und Interferonalpha (IFN-α) die Therapie der Wahl im metastasierten Stadium. Diese wurde jedoch, aufgrund der
allgemein schlechteren klinischen Ergebnisse, durch die zielgerichteten Therapien abgelöst. Die
Ansprechrate der Patienten unter einer Zytokinbehandlung liegt bei ca. 13 % für komplette und partielle
Remission; dennoch kommt es bei ca. 28 % der Patienten, die auf die Zytokintherapie ansprechen zu einer
Komplettremission, die klinisch lang anhalten kann.1
Zielgerichtete Aktivierung des Immunsystems
Aktuell erfährt die Immuntherapie des Nierenzellkarzinoms eine Renaissance und befindet sich im
Wandel von der Zytokin-Ära hin zur spezifischen Immuntherapie mit der zielgerichteten Aktivierung des
Immunsystems gegen die Tumorzellen, aber auch einer therapeutischen Beeinflussung des
Tumormikroenvironment.2 Grundlage hierfür ist die Erkenntnis, dass das Immunsystem zielgerichtet
gegen sogenannte tumorassoziierte Antigene (TAA) aktiviert werden kann, die dann von den zytotoxischen
T-Zellen erkannt werden, und die spezifische Beeinflussung sogenannter Immuncheckpoints in der
Aktivierung von T-Zellen. Das Resultat dieser immunonkologischen Therapie ist eine zielgerichtete
Aktivierung des Immunsystems.3
Impfstoffe
Verschiedene Substanzen befinden sich aktuell in der klinischen Untersuchung bzw. wurden entsprechende
Ergebnisse für Patienten mit einem Nierenzellkarzinom in der adjuvanten als auch metastasierten Situation
untersucht.
AGS-003 (Argos Therapeutic, NC, USA) ist ein Tumorimpfstoff, der aus aktivierten dendritischen Zellen
(DC) besteht. Dabei werden die DC mit amplifizierter Tumor-RNA und für den T-Zell-Korezeptor
kodierender CD40L-RNA aktiviert. In einer Phase-II-Studie wurden 21 mNZK-Patienten (schlechte und
mittlere Prognosegruppe) mit AGS-003 in Kombination mit Sunitinib behandelt. Das mediane PFS betrug
11,2 Monate und das OS 30,2 Monate, was für mNZK-Patienten in dieser Risikogruppe eine deutliche
Verbesserung darstellt. Aktuell wird AGS- 003 in der ADAPT-Phase-III-Studie klinisch an 450 Patienten
untersucht (NCT01582672).
Vitespen (Oncophage®; Antigenics Inc., MA, USA) ein Tumorimpfstoff aus autologen Tumorzellen mit
Hsp Gp96 (heat shock protein Gp96) (NCT00033904), und Reniale® (Liponova, Hannover, Deutschland)
sind beides autologe DC-Vakzine, welche in der adjuvanten Situation bei NZK-Patienten mit einem hohen
Rückfallrisiko nach erfolgter kurativer Operation untersucht wurden. Beide Impfstoffe konnten ihre
klaren Studienziele nicht erreichen und bekamen keine generelle Marktzulassung.
Trovax: Der Impfstoff Trovax (TroVax®, Oxford BioMedica, Oxford, UK) besteht aus einem
nichtmutierten tumorassoziierten Antigen (MVA-5T4), das im Rahmen der TRIST-Studie
(NCT00397345) zusammen mit der Standard-Erstlinientherapie bei Patienten mit einem mNZK
untersucht wurde. Das Antigen MVA-5T4 zeigt eine hohe Expression im NZK und wurde über den Vektor
eines modifizierten Anka-Virus, ein Abkömmling der Pockenviren, appliziert. Die Ergebnisse des TRISTStudie zeigten keine Verlängerung des Gesamtüberlebens im Vergleich zu der Placebobehandlung, wenn
Trovax zusätzlich zur etablierten Erstlinientherapie verabreicht wurde (20,1 vs. 19,2 Monate; Trovax vs.
Kontrolle)4.
IMA901 (Immatics, Tübingen, Deutschland) besteht aus 9 synthetischen Peptiden, die für TAA kodieren.
68 Patienten wurden im Rahmen einer Phase-I/II-Studie mit dem Impfstoff IMA901 behandelt, alle
Patienten hatten bereits eine Vortherapie für das mNZK bekommen. Zusätzlich zur Vakzinierung erfolgte
die Einmalgabe von niedrigdosiertem Cyclophosphamid (Cy, 300 mg/m2) zur Modulation des
Immunsystems in Kombination mit GM-CSF (75 μg). Interessanterweise unterschied sich das PFS
zwischen den Gruppen mit und ohne Cy- Vorbehandlung nicht, wohingegen mit Cy behandelte Patienten
einen deutlichen Trend zur Verlängerung des OS aufzeigten (23,5 vs. 14,8 Monate, HR = 0,57, p= 0,090;
NCT00523159). Der stärkste Effekt wurde bei den Patienten beobachtet, die Cy erhielten und eine starke
Immunantwort gegen die TAA ausbildeten. Aktuell wird IMA901 in der IMPRINT-Studie in der
Kombination mit Sunitinib untersucht. Die Rekrutierung ist abgeschlossen und die Ergebnisse werden
voraussichtlich für den ESMO-Kongress im Herbst 2015 erwartet (NCT01265901).
Die Ergebnisse der oben genannten Studien sind sehr vielversprechend, auch wenn generell keines der
Tumorimpfstoffe eine Marktzulassung erlangt hat. Eine weitere Therapierichtung in der Immunonkologie
ist die zielgerichtete Beeinflussung immunologischer Schnittstellen der T-Zell-Aktivierung. Diese
sogenannten Checkpoint-Inhibitoren sind Antikörper, die durch die Aufhebung einer Inhibition oder einer
Verstärkung der Aktivierung zu einer verstärkten T-Zell-Antwort führen.
Modulation von Immuncheckpoints
Die Hauptfunktion aktivierter T-Zellen ist die Elemination von Pathogenen und Tumorzellen, jedoch führt
eine überschießende Immunantwort zu Ausbildung von Autoimmunerkrankungen. In der Biologie der TZell-Aktivierung ist daher eine detaillierte und sensitive Regulation des T-Zell-Aktivierungsstatus wichtig,
welches über die immunologischen Checkpoints erreicht wird. Die Korezeptoren regulieren die T-ZellAktivierung und erlauben so die Ausbildung einer „Eigen“-Toleranz.
Damit das Immunsystem effektiv aktiviert werden kann, sind neben dem eigentlichen T-Zell-Rezeptor
(„signal one“) zusätzliche Korezeptoren („signal two“) von Bedeutung.
PD-1/PD-L1-Achse
„Programmed death 1“ (PD-1) ist einer der Schlüsselrezeptoren in der Immuncheckpoint-Inhibition, der
auf aktivierten T-Zellen als Resultat nach einer Antigenstimulation exprimiert wird und so eine
überschießende Immunantwort verhindert. Die beiden Liganden PD-L1 (B7-H1) und PD-L2 (B7-DC)
werden im Normalgewebe, aber auch im Tumorgewebe exprimiert, dabei scheint die Expression von PDL1 im Tumorgewebe zu überwiegen.
Verschiedene PD-1-Antikörper wie das Nivolumab (BMS-936558, Bristol-Myers Squibb), Pembrolizumab
(MK-3475, Merck Sharp & Dohme Corp.), AMP-224 (MedImmune/AstraZeneca), Pidilizumab (CT-011,
Curetech) und PD-L1-Antikörper wie BMS-936559 (Bristol-Myers Squibb), MPDL3280A
(Genentech/Roche), MEDI4736 (MedImmune/Astra-Zeneca) und Avelumab (MSB0010718C, Merck
Serono) befinden sich aktuell in der präklinischen und klinischen Studienentwicklung für
Nierenzellkarzinom-Patienten (Tab.).
PD-1-Antikörper: Nivolumab ist ein vollhumanisierter Anti-PD-1-Antikörper, der in einer Phase-IStudie an 296 Patienten mit soliden Tumoren eine Anti-Tumor-Effektivität zeigen konnte. In dieser Studie
betrug die Startdosis 1 mg/kg und wurde auf 3 bzw. 10 mg/kg erhöht. In der mNZK-Subgruppe wurden 33
Patienten mit Nivolumab 1 und 10 mg/kg Körpergewicht behandelt. Die objektive Ansprechrate betrug 4
von 17 Patienten (24 %) bei der Dosis von 1 mg/kg und 5 von 6 (31 %) bei der 10 mg/kg
Körpergewichtsdosis. Fünf der acht Patienten zeigten unter der Nivolumab-Therapie eine Tumorantwort
von mehr als einem Jahr. Eine stabile Krankheitssituation (definiert als Stabilität > 6 Monate) wurde in
weiteren neun (27 %) der Patienten beobachtet.5 Basierend auf diesen Daten erfolgte die Behandlung mit
Nivolumab bei mNZK-Patienten in der Zweitlinie nach vorheriger TKI-Therapie (CheckMate 025,
Nivolumab vs. Everolimus, NCT01668784).
Die Ergebnisse dieser bereits zu Ende rekrutierten Studie werden sehr wahrscheinlich zum ESMO
Jahreskongress 2015 erwartet. Weitere Studien haben die Tumorantwort hinsichtlich verschiedener
Dosierungen im Rahmen einer Dosiseskalationsstudie untersucht. Auch wurde Nivolumab mit einem
weiteren Checkpoint-Modulator, Ipilimumab, und mit den TKI Sunitinib und Pazopanib kombiniert. Die
positiven Ergebnisse der Nivolumab + Ipilimumab-Kombinationsstudie haben zu der Initiierung einer
Phase-III-Studie geführt. Nivolumab (3 mg/kg) und Ipilimumab (1 mg/kg) werden für die
Erstlinienbehandlung bei mNZK-Patienten mit einer Sunitinib-Monotherapie verglichen (CheckMate 214,
NCT02231749).
Zusammenfassend scheinen diese neuen Formen der Checkpoint-Modulation sehr vielversprechend in
der Behandlungdes mNZK zu sein. Sollte es zu einem positiven Ausgang der Phase-III-Studien mit dem
PD-1-Antikörper Nivolumab kommen, könnte hier kurzfristig neben den bereits etablierten mTORInhibitoren und TKI die Immun-Onkologie die Therapie des mNZK um eine weitere Säule ergänzen.
Dabei ist neben der klinischen Verbesserung für die Patienten jedoch auch an eine neue Klasse an
immunvermittelten Nebenwirkungen zu denken, für die sich im klinischen Alltag ein neues
Nebenwirkungsmanagement etablieren wird.
Literatur
1. Coppin C et al., The Cochrane database of systematic reviews 2005;
(1):CD001425
2. Bedke J, Stenzl A, Expert opinion on investigational drugs 2013;
22(10):1329–36
3. Bedke J et al., World J Urol 2014; 32(1):31–38
4. Amato RJ et al., Clin Cancer Res 2010; 16(22):5539–5547
5. Topalian SL et al., NEJM 2012; 366(26):2443–2454
6. Bedke J et al., Human vaccines & immunotherapeutics 2015;
11(5):1201–1208
Quellangabe: Spectrum Urologie
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