Renaissance der Immuntherapie

Werbung
KONGRESS EAU-JAHRESTAGUNG, 20.–24. 3. 2015, MADRID
u Tumorimpfstoffe führen in Studien zu vielversprechenden Ergebnissen, auch wenn generell
keiner eine Marktzulassung erlangt hat.
u Eine weitere Therapierichtung in der Immunonkologie ist die zielgerichtete Beeinflussung
immunologischer Schnittstellen der T-Zell-Aktivierung. Diese sogenannten
Checkpoint-Inhibitoren wie der PD-1-Antikörper Nivolumab könnten die Therapie
des metastasierten Nierenzellkarzinoms um eine weitere Säule ergänzen.
Nierenzellkarzinom
Renaissance der Immuntherapie
D
ie Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mNZK) hat sich
durch die Einführung der zielgerichteten
Medikamente grundlegend gewandelt.
Seit gut 10 Jahren sind nun spezifische
Inhibitoren im klinischen Einsatz, die die
Signalkaskaden des „Mammalian target
of rapamycin“-(mTOR-) und des „Vascular endothelial growth receptor“-(VEGF-)
Signalweges inhibieren. Diese mTOR-Inhibitoren bzw. die gegen VEGF gerichteten Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) haben
zu einer deutlichen Verlängerung des
progressionsfreien (PFS) als auch des
Gesamtüberlebens (OS) von Patienten
mit einem mNZK geführt. Dennoch ist
das mNZK derzeit eine nichtheilbare Erkrankung und die Therapie erfolgt in palliativer Intention.
und befindet sich im Wandel von der
Zytokin-Ära hin zur spezifischen Immuntherapie mit der zielgerichteten Aktivierung des Immunsystems gegen die Tumorzellen, aber auch einer therapeutischen Beeinflussung des Tumormikroenvironment.2 Grundlage hierfür ist die
Erkenntnis, dass das Immunsystem zielgerichtet gegen sogenannte tumorassoziierte Antigene (TAA) aktiviert werden
kann, die dann von den zytotoxischen
T-Zellen erkannt werden, und die spezifische Beeinflussung sogenannter Immuncheckpoints in der Aktivierung von
T-Zellen. Das Resultat dieser immunonkologischen Therapie ist eine zielgerichtete Aktivierung des Immunsystems.3
Zytokintherapie: Für viele Jahre war die
unspezifische Immuntherapie mit den
Zytokinen Interleukin (IL-2) und Interferon-alpha (IFN-) die Therapie der Wahl
im metastasierten Stadium. Diese wurde
jedoch, aufgrund der allgemein schlechteren klinischen Ergebnisse, durch die
zielgerichteten Therapien abgelöst. Die
Ansprechrate der Patienten unter einer
Zytokinbehandlung liegt bei ca. 13 % für
komplette und partielle Remission; dennoch kommt es bei ca. 28 % der Patienten, die auf die Zytokintherapie ansprechen zu einer Komplettremission, die
klinisch lang anhalten kann.1
Verschiedene Substanzen befinden sich
aktuell in der klinischen Untersuchung
Impfstoffe
bzw. wurden entsprechende Ergebnisse
für Patienten mit einem Nierenzellkarzinom in der adjuvanten als auch metastasierten Situation untersucht.
AGS-003 (Argos Therapeutic, NC, USA)
ist ein Tumorimpfstoff, der aus aktivierten
dendritischen Zellen (DC) besteht. Dabei
werden die DC mit amplifizierter TumorRNA und für den T-Zell-Korezeptor kodierender CD40L-RNA aktiviert. In einer
Phase-II-Studie wurden 21 mNZK-Patienten (schlechte und mittlere Prognosegruppe) mit AGS-003 in Kombination
mit Sunitinib behandelt. Das mediane
PFS betrug 11,2 Monate und das OS
30,2 Monate, was für mNZK-Patienten
in dieser Risikogruppe eine deutliche
Verbesserung darstellt. Aktuell wird AGS003 in der ADAPT-Phase-III-Studie klinisch an 450 Patienten untersucht
(NCT01582672).
Zielgerichtete Aktivierung des
Immunsystems
Aktuell erfährt die Immuntherapie des
Nierenzellkarzinoms eine Renaissance
32
SPECTRUM UROLOGIE 2/2015
Abb.: Checkpoint-Modulation beim Nierenzellkarzinom6
Prof. Dr. med. Jens Bedke
Klinik für Urologie,
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Vitespen (Oncophage®; Antigenics Inc., MA, USA) ein Tumorimpfstoff aus autologen Tumorzellen mit Hsp Gp96 (heat
shock protein Gp96) (NCT00033904), und Reniale® (Liponova, Hannover, Deutschland) sind beides autologe DCVakzine, welche in der adjuvanten Situation bei NZK-Patienten mit einem hohen Rückfallrisiko nach erfolgter kurativer
Operation untersucht wurden. Beide Impfstoffe konnten ihre
klaren Studienziele nicht erreichen und bekamen keine generelle Marktzulassung.
Trovax: Der Impfstoff Trovax (TroVax®, Oxford BioMedica,
Oxford, UK) besteht aus einem nichtmutierten tumorassoziierten Antigen (MVA-5T4), das im Rahmen der TRIST-Studie
(NCT00397345) zusammen mit der Standard-Erstlinientherapie bei Patienten mit einem mNZK untersucht wurde. Das
Antigen MVA-5T4 zeigt eine hohe Expression im NZK und
wurde über den Vektor eines modifizierten Anka-Virus, ein
Abkömmling der Pockenviren, appliziert. Die Ergebnisse des
TRIST-Studie zeigten keine Verlängerung des Gesamtüberlebens im Vergleich zu der Placebobehandlung, wenn Trovax
zusätzlich zur etablierten Erstlinientherapie verabreicht wurde (20,1 vs. 19,2 Monate; Trovax vs. Kontrolle)4.
IMA901 (Immatics, Tübingen, Deutschland) besteht aus 9
synthetischen Peptiden, die für TAA kodieren. 68 Patienten
wurden im Rahmen einer Phase-I/II-Studie mit dem Impfstoff IMA901 behandelt, alle Patienten hatten bereits eine
Vortherapie für das mNZK bekommen. Zusätzlich zur Vakzinierung erfolgte die Einmalgabe von niedrigdosiertem Cyclophosphamid (Cy, 300 mg/m2) zur Modulation des Immunsystems in Kombination mit GM-CSF (75 μg). Interessanterweise unterschied sich das PFS zwischen den Gruppen mit
und ohne Cy- Vorbehandlung nicht, wohingegen mit Cy behandelte Patienten einen deutlichen Trend zur Verlängerung
des OS aufzeigten (23,5 vs. 14,8 Monate, HR = 0,57,
p= 0,090; NCT00523159). Der stärkste Effekt wurde bei
den Patienten beobachtet, die Cy erhielten und eine starke
Immunantwort gegen die TAA ausbildeten. Aktuell wird
IMA901 in der IMPRINT-Studie in der Kombination mit
Sunitinib untersucht. Die Rekrutierung ist abgeschlossen
und die Ergebnisse werden voraussichtlich für den ESMOKongress im Herbst 2015 erwartet (NCT01265901).
Die Ergebnisse der oben genannten Studien sind sehr vielversprechend, auch wenn generell keines der Tumorimpfstoffe eine Marktzulassung erlangt hat. Eine weitere Therapierichtung in der Immunonkologie ist die zielgerichtete Beeinflussung immunologischer Schnittstellen der T-Zell-Aktivierung. Diese sogenannten Checkpoint-Inhibitoren sind
Antikörper, die durch die Aufhebung einer Inhibition oder u
KONGRESS EAU-JAHRESTAGUNG, 20.–24. 3. 2015, MADRID
Tab.: Überblick über Checkpoint-Modulatoren in der klinischen Entwicklung6
Target pathway
Substanz
Firma
CTLA-4
Ipilimumab
BMS
Tremelimumab
Pfizer
Nivolumab (BMS-936558)
BMS
Pembrolizumab (MK-3475)
Merck
AMP-224
Amplimmune
Pidilizumab (CT-011)
CureTech
MEDI4736
MedImmune/AstraZeneca
Atezolizumab (MPDL3280A)
Roche
Avelumab (MSB0010718C)
Merck Serono
BMS-936559
BMS
IMP321
Immutep
PD-1
PD-L1
LAG-3
einer Verstärkung der Aktivierung zu einer verstärkten T-Zell-Antwort führen.
Modulation von
Immuncheckpoints
Die Hauptfunktion aktivierter T-Zellen ist
die Elemination von Pathogenen und Tumorzellen, jedoch führt eine überschießende Immunantwort zu Ausbildung von
Autoimmunerkrankungen. In der Biologie der T-Zell-Aktivierung ist daher eine
detaillierte und sensitive Regulation des
T-Zell-Aktivierungsstatus wichtig, welches über die immunologischen Checkpoints erreicht wird. Die Korezeptoren
regulieren die T-Zell-Aktivierung und erlauben so die Ausbildung einer „Eigen“Toleranz.
Damit das Immunsystem effektiv aktiviert werden kann, sind neben dem eigentlichen T-Zell-Rezeptor („signal one“)
zusätzliche Korezeptoren („signal two“)
von Bedeutung.
PD-1/PD-L1-Achse
„Programmed death 1“ (PD-1) ist einer
der Schlüsselrezeptoren in der Immuncheckpoint-Inhibition, der auf aktivierten
T-Zellen als Resultat nach einer Antigenstimulation exprimiert wird und so eine
überschießende Immunantwort verhindert. Die beiden Liganden PD-L1 (B7-
34
SPECTRUM UROLOGIE 2/2015
H1) und PD-L2 (B7-DC) werden im Normalgewebe, aber auch im Tumorgewebe
exprimiert, dabei scheint die Expression
von PD-L1 im Tumorgewebe zu überwiegen.
Verschiedene PD-1-Antikörper wie das
Nivolumab (BMS-936558, Bristol-Myers Squibb), Pembrolizumab (MK-3475,
Merck Sharp & Dohme Corp.), AMP-224
(MedImmune/AstraZeneca), Pidilizumab
(CT-011, Curetech) und PD-L1-Antikörper wie BMS-936559 (Bristol-Myers
Squibb), MPDL3280A (Genentech/Roche), MEDI4736 (MedImmune/AstraZeneca) und Avelumab (MSB0010718C,
Merck Serono) befinden sich aktuell in
der präklinischen und klinischen Studienentwicklung für NierenzellkarzinomPatienten (Tab.).
PD-1-Antikörper: Nivolumab ist ein vollhumanisierter Anti-PD-1-Antikörper, der
in einer Phase-I-Studie an 296 Patienten
mit soliden Tumoren eine Anti-Tumor-Effektivität zeigen konnte. In dieser Studie
betrug die Startdosis 1 mg/kg und wurde
auf 3 bzw. 10 mg/kg erhöht. In der
mNZK-Subgruppe wurden 33 Patienten
mit Nivolumab 1 und 10 mg/kg Körpergewicht behandelt. Die objektive Ansprechrate betrug 4 von 17 Patienten
(24 %) bei der Dosis von 1 mg/kg und 5
von 6 (31 %) bei der 10 mg/kg Körpergewichtsdosis. Fünf der acht Patienten
zeigten unter der Nivolumab-Therapie
eine Tumorantwort von mehr als einem
Jahr. Eine stabile Krankheitssituation
(definiert als Stabilität > 6 Monate) wurde in weiteren neun (27 %) der Patienten beobachtet.5 Basierend auf diesen
Daten erfolgte die Behandlung mit Nivolumab bei mNZK-Patienten in der Zweitlinie nach vorheriger TKI-Therapie
(CheckMate 025, Nivolumab vs. Everolimus, NCT01668784). Die Ergebnisse
dieser bereits zu Ende rekrutierten Studie
werden sehr wahrscheinlich zum ESMOJahreskongress 2015 erwartet.
Weitere Studien haben die Tumorantwort
hinsichtlich verschiedener Dosierungen
im Rahmen einer Dosiseskalationsstudie
untersucht. Auch wurde Nivolumab mit
einem weiteren Checkpoint-Modulator,
Ipilimumab, und mit den TKI Sunitinib
und Pazopanib kombiniert. Die positiven
Ergebnisse der Nivolumab + Ipilimumab-Kombinationsstudie haben zu
der Initiierung einer Phase-III-Studie geführt. Nivolumab (3 mg/kg) und Ipilimumab (1 mg/kg) werden für die Erstlinienbehandlung bei mNZK-Patienten mit
einer Sunitinib-Monotherapie verglichen
(CheckMate 214, NCT02231749).
Zusammenfassend scheinen diese neuen Formen der Checkpoint-Modulation
sehr vielversprechend in der Behandlung
des mNZK zu sein. Sollte es zu einem
positiven Ausgang der Phase-III-Studien
mit dem PD-1-Antikörper Nivolumab
kommen, könnte hier kurzfristig neben
den bereits etablierten mTOR-Inhibitoren
und TKI die Immun-Onkologie die Therapie des mNZK um eine weitere Säule
ergänzen. Dabei ist neben der klinischen
Verbesserung für die Patienten jedoch
auch an eine neue Klasse an immunvermittelten Nebenwirkungen zu denken,
für die sich im klinischen Alltag ein neues Nebenwirkungsmanagement etablieren wird. ¢
1 Coppin C et al., The Cochrane database of systematic reviews 2005;
(1):CD001425
2 Bedke J, Stenzl A, Expert opinion on investigational drugs 2013;
22(10):1329–36
3 Bedke J et al., World J Urol 2014; 32(1):31–38
4 Amato RJ et al., Clin Cancer Res 2010; 16(22):5539–5547
5 Topalian SL et al., NEJM 2012; 366(26):2443–2454
6 Bedke J et al., Human vaccines & immunotherapeutics 2015;
11(5):1201–1208
Herunterladen