Interaktion mit Wirtszellen – individuell

Werbung
225_261_BIOsp_0307.qxd
25.04.2007
15:28 Uhr
Seite 258
WISSENSCHAFT
258
Enteropathogene Yersinien
Interaktion mit Wirtszellen – individuell
TANJA HEISE UND PETRA DERSCH
INSTITUT FÜR MIKROBIOLOGIE, TECHNISCHE UNIVERSITÄT BRAUNSCHWEIG
Die enteropathogenen Vertreter der Gattung Yersinia, Y. pseudotuberculosis und Y. enterocolitica, lösen ein weites Spektrum darmassoziierter
Krankheiten aus, die von akuter Gastroenteritis mit wässrigem Durchfall
bis hin zu ernsten systemischen Infektionen und Folgeerkrankungen wie
reaktiver Arthritis reichen. Sie sind weit verbreitet und werden im Boden,
auf Nutzpflanzen und in Assoziation mit Insekten gefunden, von welchen
sie auf Wild- und Haustiere gelangen. Auf den Menschen werden sie
hauptsächlich über verunreinigte Nahrungsmittel übertragen.
ó Der erste wichtige Schritt im Infektionsprozess ist die Einwanderung in M-Zellen der
Darmepithelschicht. Nach der Durchwanderung dieser Zellen besiedeln die Yersinien
die darunter liegenden Lymphfollikel und
gelangen durch abfließende Lymphgefäße,
oder auch direkt vom Darm, in die mesenterialen Lymphknoten, in die Organe und in
wenigen Fällen auch in die Blutbahn[1, 2].
Um eine effiziente Besiedelung zu gewährleisten, besitzen enteropathogene Yersinien
unterschiedlich strukturierte oberflächenexponierte Proteine, die eine starke Bindung
an verschiedene Zellkomponenten vermitteln
und oft auch die Einwanderung in menschliche Zellen ermöglichen. Bisher sind vier adhäsive Faktoren bekannt, die im direkten
Zusammenhang mit der Assoziation von YerA
sinien an menschliche Zellen stehen: (1) das
pH6-Antigen, eine Fimbrien-ähnliche Struktur, (2) das integrale Außenmembranprotein
Ail, (3) das Invasin, das die effizienteste Internalisation in Wirtszellen vermittelt und (4)
das Yersinia-Adhäsin A (YadA), das neben zellädhäsiven Funktionen autoaggregative und
Komplement-protektive Eigenschaften hat[3].
Gleiche Adhäsine – ganz verschieden
Invasin und YadA gehören zu den bestuntersuchten bakteriellen Adhäsinen. Die Proteine
sind in den enteropathogenen Yersinien konserviert und weisen hohe Sequenzhomologien auf. Doch neue funktionelle Analysen
zeigen, dass sie sich in ihren Virulenzeigenschaften sehr unterscheiden. Wie ist das
erklärbar? Der an der Oberfläche exponierte
B
Fn
D5
D4
D5
D3
D4
D2
D3
Ko
D1
D1
Außenmembran
YadA pstb
Invasin
Y. pstb
Y. ent
YadA ent
YadA
Y. pstb
Y. ent
˚ Abb. 1: Invasin und YadA-Proteine aus Y. enterocolitica und Y. pseudotuberculosis. A, Strukturelle Unterschiede zwischen den Invasin- und YadA-Molekülen. Die für die Invasion verantwortlichen Domänen sind rot, die Multimerisierungsdomäne im Invasin ist hellblau dargestellt. B, Köpfchendomäne der YadA-Moleküle aus Y. pseudotuberculosis (YadApstb), Y. enterocolitica (YadAent)
und ihre Interaktion mit den extrazellulären Matrixproteinen Fibronektin (Fn) bzw. Kollagen (Ko).
Anteil des Invasins aus Y. pseudotuberculosis
bildet eine 18 nm lange Einheit aus fünf aufeinander folgenden Domänen D1–D5 aus[4]
(Abb. 1A). Die Domänen D4/D5 stellen dabei
die eigentliche Adhäsions- und Invasionseinheit dar und vermitteln eine hochaffine Bindung an αβ1-Integrinrezeptoren der Wirtszelle. Die Effizienz der Internalisation wird
noch deutlich durch die Domäne D2 gesteigert, die eine Multimerisierung von Invasinmolekülen in der bakteriellen Außenmembran bewirkt und ein „Clustering“ von αβ1Integrinrezeptoren in der Wirtszellmembran
induziert[5]. Sehr wahrscheinlich werden
dadurch Signaltransduktionswege verstärkt,
die zur Umlagerung des Zellzytoskeletts führen und den Invasionsvorgang einleiten. Das
Invasin aus Y. enterocolitica ist dem aus Y.
pseudotuberculosis sehr ähnlich, doch ist sein
extrazellulärer Anteil deutlich kürzer (14 nm),
da die Domäne D2 fehlt (Abb. 1A). Dies hat
zur Folge, dass das Y. enterocolitica-Invasin
zwar noch effizient an Wirtszellen bindet,
doch weniger effizient invadieren kann[6].
Noch deutlichere funktionelle Unterschiede findet man zwischen den hoch-homologen
YadA-Proteinen. Das YadA aus Y. enterocolitica bildet 23 nm lange homotrimere Oberflächenstrukturen, die eine lollipop-Struktur mit
einer Stiel- und Köpfchendomäne ausbilden[7].
Das Y. pseudotuberculosis-YadA scheint ähnlich strukturiert zu sein. Es besitzt einen kürzeren Stiel und bildet ein etwas größeres
Köpfchen aus. Beide YadA-Moleküle weisen
allerdings fundamentale Unterschiede in
ihrem Aggregationsverhalten und ihrer Spezifität für extrazelluläre Matrixproteine auf,
und nur YadA von Y. pseudotuberculosis, nicht
aber von Y. enterocolitica, kann die Internalisation in bestimmte humane Epithelzellen
(z. B. HEp-2) auslösen[8]. Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass diese drastischen
Unterschiede durch eine kurze Aminosäureabfolge bestimmt werden, die im Köpfchenbereich von YadA aus Y. pseudotuberculosis
vorhanden ist, dem YadA aus Y. enterocolitica
aber fehlt (Abb. 1). Diese Domäne vermittelt
eine starke Bindung an Fibronektin-gebundene α5β1-Integrine und ist essenziell für die
Initiation des Aufnahmeprozesses. Wird dieses Motiv entfernt, so werden alle EigenBIOspektrum | 03.07 | 13. Jahrgang
225_261_BIOsp_0307.qxd
25.04.2007
15:28 Uhr
Seite 259
259
schaften des YadA-Proteins aus Y. enterocolitica generiert. Das Molekül verliert seine starken Aggregationseigenschaften, seine Bindefähigkeit an Fibronektin und seine Invasivität. Dagegen kann es weitaus besser mit
den extrazellulären Matrixproteinen Laminin und verschiedenen Typen von Kollagen
interagieren, die an β1-Integrine mit einer
anderen α-Kette gebunden sind[8] (Abb. 1B).
Es ist unklar, was dazu geführt hat, dass Y.
enterocolitica und Y. pseudotuberculosis zwei
homologe Adhäsine besitzen, die sich in ihren
adhäsiven und invasiven Eigenschaften so
deutlich unterscheiden. Sicherlich haben diese Unterschiede Konsequenzen für den Verlauf der Infektion. In der Tat scheint Y. pseudotuberculosis das Wirtsgewebe schneller zu
besiedeln, da ein besserer Durchtritt durch
die Darmepithelschicht mittels der invasiveren Invasin- und YadA-Proteine möglich ist.
Die unterschiedlichen Aggregations- und Zellbindeeigenschaften von YadA könnten auch
dazu führen, dass verschiedene Orte im Gewebe durch Y. pseudotuberculosis und Y. enterocolitica besiedelt werden, und könnten Einfluss darauf nehmen, in welcher Form sich
die Bakterien dort vermehren. Y. enterocolitica ist generell extrazellulär in tiefer liegenden
Geweben zu finden, und die Besiedelung führt
häufig zur Bildung von Abszessen, die eine
große Anzahl von Bakterien beinhalten[9]. Bei
Y. pseudotuberculosis-Infektionen hingegen
findet man häufig nur kleine Mikrokolonien,
die tief und gleichmäßig im Gewebe verteilt
sind (Abb. 2A).
Optimal abgestimmte Expression
In Y. pseudotuberculosis wird zu Beginn der
Infektion nur das Invasin-Protein produziert,
das eine schnelle Durchwanderung des Darmtrakts ermöglicht. Bereits nach wenigen Stunden kann man jedoch kein Invasin mehr in
den Bakterien im Darm und in tieferen Geweben der infizierten Mäuse nachweisen.
Umgekehrt ist dann aber eine stark induzierte
Synthese des YadA-Proteins zu beobachten
(Abb. 2A). Wir haben in den letzten Jahren
Komponenten identifiziert, die die Expression der Adhäsine kontrollieren und konnten
zeigen, dass Invasin und YadA entgegengesetzt reguliert sind, und je nach Umwelteinfluss (z. B. Temperatur) entweder das eine
oder das andere Adhäsin exprimiert wird[10].
Sowohl das Invasin- als auch das YadA-Gen
unterliegen dabei der Kontrolle durch ein
komplexes Netzwerk, das auf transkriptionaler und posttranskriptionaler Ebene fungiert
und verschiedene Transkriptionsfaktoren
BIOspektrum | 03.07 | 13. Jahrgang
˚ Abb. 2: Expression von YadA und Invasin in Y. pseudotuberculosis. A, Kolonisation von Y. pseudotuberculosis im Lebergewebe der Maus. Die YadA-Expression auf der Oberfläche der Bakterien
wurde mit spezifischen und FITC-markierten Antikörpern sichtbar gemacht. B, Regulatorisches
Netzwerk der miteinander gekoppelten Invasin- und YadA-Expression. (+) positiver, (-) negativer
Einfluss; ncRNA: regulatorische RNA.
(RovA, RovM), Nucleoid-assoziierte Proteine
(H-NS, YmoA), kleine regulatorische RNAs
und Proteasen (ClpP, Lon) beinhaltet[11, 12]
(Abb. 2B). Dieses Regulationssystem scheint
nicht nur die Expression früher und später
Virulenzgene aufeinander abzustimmen, sondern auch mit der Expression bestimmter
Stoffwechselwege, der Biofilm-Bildung und
der Motilität zu koordinieren, um die bakterielle Fitness für die Initiation und Persistenz
der Infektion zu optimieren.
ó
Literatur
[1] Bottone, E. J. (1997): Yersinia enterocolitica: the charisma
continues. Clin. Microbiol. Rev. 10: 257–276.
[2] Barnes P., Bergman, M. A., Mecsas, J., Isberg, R. R.
(2006): Yersinia pseudotuberculosis disseminates directly from
a replicating bacterial pool in the intestine. J. Exp. Med. 203:
1591–1601.
[3] Isberg, R. R. (1996): Uptake of enteropathogenic Yersinia
by mammalian cells. Curr. Top. Microbiol. Immunol. 209:
1–24.
[4] Hamburger, Z. A., Brown, M. S., Isberg, R. R., Bjorkman,
P. J. (1999): Crystal structure of invasin: a bacterial integrinbinding protein. Science 286: 291–295.
[5] Dersch, P., Isberg, R. (1999): A region of the Yersinia pseudotuberculosis invasin protein enhances integrin-mediated
uptake into mammalian cells and promotes self-association.
EMBO J. 18: 1199–1213.
[6] Dersch, P., Isberg, R. (2000): An immunoglobin superfamily-like domain unique to the Yersinia pseudotuberculosis
invasin protein is required for stimulation of bacterial uptake
via integrin receptors. Infect. Immun. 68: 2930–2938.
[7] Hoiczyk, E., Roggenkamp, A., Reichenbecher, M., Lupas,
A., Heesemann, J. (2000): Structure and sequence analysis of
Yersinia YadA and Moraxella UspAs reveal a novel class of
adhesins. EMBO J. 19: 5989–5999.
[8] Heise, T., Dersch, P. (2006): Identification of a domain in
Yersinia virulence factor YadA that is crucial for extracellular
matrix-specific cell adhesion and uptake. Proc. Natl. Acad. Sci.
USA 103: 3375–3380.
[9] Une, T. (1977): Studies on the pathogenicity of Yersinia
enterocolitica. Experimental infection in rabbits. Microbiol
Immunol. 21: 341–363.
[10] Eitel, J., Dersch, P. (2001): The YadA protein of Yersinia
pseudotuberculosis mediates high-efficiency uptake into
human cells under environmental conditions in which invasin
is repressed. Infect. Immun. 7: 63–77.
[11] Heroven, A., Nagel, G., Tran, H. J., Parr, S., Dersch, P.
(2004): RovA is autoregulated and antagonizes H-NS-mediated
silencing of invasin and rovA expression in Yersinia pseudotuberculosis. Mol. Microbiol. 53: 871–888.
[12] Heroven A., Dersch, P. (2006): RovM, a novel LysR-type
regulator of the virulence activator gene rovA, controls cell
invasion, virulence and motility of Yersinia pseudotuberculosis.
Mol. Microbiol. 62: 1469–1483.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Petra Dersch
Institut für Mikrobiologie
Technische Universität Braunschweig
Spielmannstr. 7
D-38106 Braunschweig
Tel.: 0531-391-5803, Fax: 0531-391-5854
[email protected]
www.tu-braunschweig.de/ifm/abt/dersch
AUTORINNEN
Petra Dersch
Tanja Heise
Jahrgang 1965, Biologiestudium in Ulm und
Konstanz, 1995 Promotion bei Prof. Dr. Erhard
Bremer an der Universität Konstanz und am
Max-Planck-Institut für Terrestrische Mikrobiologie in Marburg. 1995–1998 Postdoktorandin
an der Tufts University, Boston, USA bei Prof.
Dr. Ralph Isberg. 1998–2002 Wissenschaftliche Assistentin an der Freien Universität Berlin. Von 2003–2005 Leiterin einer Nachwuchsgruppe am Robert-Koch-Institut in Berlin. Seit 2005 W2-Professorin am Lehrstuhl für
Mikrobiologie der Technischen Universität
Braunschweig.
Jahrgang 1978;
1997–2002
Biologiestudium
an der Freien
Universität Berlin. Seit 2003
Doktorandin am
Robert-KochInstitut in Berlin
und an der
Technischen
Universität
Braunschweig.
Herunterladen