Quantenoptik Ein Verstärker für Materie- und Lichtwellen Ein beleuchtetes Bose-Einstein-Kondensat vermag Lichtpulse abzubremsen sowie Licht- und Materiewellen zu verstärken Axel Görlitz und Tilman Pfau Viele technische Errungenschaften beruhen auf der Verstärkung von Wellen wie Radio-, Lichtund Schallwellen. Die Quantenmechanik lehrt uns, dass zum einen Lichtwellen auch Teilchencharakter und zum anderen Teilchen auch eine Wellennatur besitzen. Die Tatsache, dass Teilchen als Materie- oder de-Broglie-Wellen aufgefasst werden können, legt die Frage nahe, ob es auch möglich ist, einen Verstärker für Atome zu konstruieren, der ähnliche Eigenschaften hat wie ein Verstärker für elektromagnetische Wellen. In diesem Artikel beschreiben wir ein Experiment, das dieser Frage nachgeht. I n einem Lichtverstärker oder Laser stimulieren Photonen in einer Resonatormode die Streuung weiterer Photonen in diesen Zustand. So sammeln sich viele identische Photonen in einem Schwingungszustand an. Die zusätzlichen Photonen werden dabei aus chemischer oder elektrischer Energie gewonnen und kohärent, das heißt phasenstarr, zur ursprünglichen Lichtwelle hinzugefügt. Um eine analoge Situation für die Verstärkung von atomaren Materiewellen zu erreichen, muss es sich bei den Atomen wie bei Photonen um Bosonen handeln, damit sie als identische Teilchen in einem Materiewellenzustand angehäuft werden können. Im Unterschied zur Zahl der Photonen, die leicht erzeugt werden können, bleibt in unseren Labors jedoch die Atomzahl erhalten, weshalb ein Materiewellenverstärker ein Reservoir benötigt, aus dem Atome für den Verstärkungsprozess entnommen werden können. Ein weiterer notwendiger Bestandteil eines Materiewellenverstärkers ist ein Mechanismus, der das Reservoir an den zu verstärkenden Zustand koppelt. Um tatsächlich einen zum Lichtverstärker äquivalenten Materiewellenverstärker zu realisieren, sollte dieser Mechanismus phasenkohärent sein, also nicht nur Atome umschaufeln, sondern auch dafür sorgen, dass eine einzige Materiewelle mit gleicher Phasenlage bevölkert wird. Ein Materiewellenverstärker mit den oben beschriebenen Eigenschaften vermag zwar nicht den alchemistischen Wunsch nach der Vermehrung von Gold zu erfüllen, aber er kann sehr interessant sein, zum Beispiel für die Entwicklung neuartiger Atominterferometer [1] sowie Materiewellensensoren, die als Gravitations- und Rotationssensoren eingesetzt werden können. In unseren Experimenten [2], die wir parallel zu einer Gruppe in Tokio [3] am Massachusetts Institute of Abb. 1: Materiewellen können mit einem beleuchteten Bose-EinsteinKondensat (BEC) verstärkt werden. Gezeigt sind Aufnahmen eines Kondensats (in den Bildern links) und eines ausgekoppelten Materiewellenpakets, aufgenommen nach einigen Millisekunden Flugzeit ohne (a) und mit (b) Materiewellenverstärkung. Während des Verstärkungsprozesses überlappen BEC und Materiewellenpaket räumlich. In den Flugzeitaufnahmen erscheinen sie räumlich getrennt, da sich das Materiewellenpaket mit der Geschwindigkeit v relativ zum BEC nach rechts bewegt. Technology in der Gruppe von Wolfgang Ketterle durchgeführt haben, gelang die erstmalige Realisierung phasenkohärenter Verstärker für Materiewellen. Als Medium für den Materiewellenverstärker wurde in beiden Fällen ein Bose-Einstein-Kondensat (BEC) aus einem verdünnten atomaren Gas verwendet [4, 5]. Ein Materiewellenverstärker im Betrieb ist in Abb. 1 zu sehen, wo Aufnahmen eines Verstärker-BECs und eines unverstärkten (a) bzw. verstärkten (b) Materiewellenpakets gezeigt sind. Das Prinzip eines Materiewellenverstärkers, wie wir es uns vorstellen, ist in Abb. 2a skizziert. Ein kohärenter Strahl von Atomen wird in den Eingang des Materiewellenverstärkers gespeist, und am Ausgang wird ein verstärktes Atomsignal beobachtet. Das ruhende BEC dient dabei als Reservoir für den Verstärker. Um Atome aus dem Reservoir zu entnehmen und dem sich bewegenden Atomstrahl zuzuführen, wird das BEC mit einem „Pumplaserstrahl“ beleuchtet. Der physikalische Prozess, den wir uns dabei zunutze machen, ist die (Rayleigh)-Streuung von Licht und Atomen, die über den Photonenrückstoß Atome aus dem ruhenden BEC genau in den Bewegungszustand des Atomstrahls versetzt. Da Lichtstreuung phasenstarr abläuft, sollte auch die Phasenkohärenz des Verstärkungsprozesses gewährleistet sein. Lichtwellen und Materiewellen sind Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 5 0031-9279/01/0505-55 $17.50+50/0 © WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 Dr. Axel Görlitz, MIT, 77 Massachusetts Avenue, Cambridge, USA; Prof. Dr. Tilman Pfau, 5. Physikalisches Institut der Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart 55 Abb. 2: a) Prinzip der Materiewellenverstärkung mit einem beleuchteten BEC: Ein Materiewellenpaket mit Geschwindigkeit v wird durch ein mit einem Pumplaserstrahl beleuchtetes Kondensat geschickt und dabei verstärkt. b) Schema des Experiments: Von einem ruhenden, in einer Atomfalle gefangenen BEC wird ein Materiewellenpaket mithilfe zweier Bragg-Laserstrahlen ausgekoppelt (links). Das ausgekoppelte Materiewellenpaket interferiert mit dem ruhenden BEC und bildet ein Materiewellengitter. Durch Einschalten eines Pumplasers wird das Materiewellengitter und damit das ausgekoppelte Materiewellenpaket verstärkt (Mitte). Nach Ausschalten der Falle expandieren BEC und Materiewellenpaket frei (rechts) und erscheinen so in Absorptionsaufnahmen (Abb. 1) räumlich voneinander getrennt. hier gekoppelt wie ineinander greifende Zahnräder. Die Lichtstreuung ist zudem symmetrisch hinsichtlich Atomen und Photonen. Wie sich im Verlauf unserer Arbeiten herausgestellt hat, kann man daher mit einem beleuchteten BEC nicht nur Materie-, sondern auch Lichtwellen verstärken [6]. Das besondere Wechselspiel zwischen Licht- und Atomverstärkung umfasst interessante Phänomene, wie die Materie- und Lichtwellenverstärkung, die superradiante Lichtstreuung [7] sowie die Erzeugung von langsamem Licht und die Speicherung von Information in Atomen [8]. Stimulierte Atomstreuung Die faszinierende Physik, die in einem beleuchteten BEC steckt, wurde den Forschern der MIT-Gruppe erstmals 1998 vor Augen geführt, als sie ein zigarrenförmiges BEC aus Natriumatomen mit einem starken, gegenüber der atomaren Resonanz verstimmten Laserstrahl beleuchteten: Das BEC streute das Licht nicht wie ein „normales“ atomares Gas gleichmäßig in alle Richtungen, sondern bevorzugt entlang der langen Achse des Kondensats [7]. Im Experiment wurde dabei zunächst beobachtet, dass rückstoßende Atome das Kondensat gerichtet verlassen. Genauere Untersuchungen zeigten, dass zu Beginn dieses Prozesses die Zahl gestreuter Photonen und Atome exponentiell anwächst, was charakteristisch für einen stimulierten Verstärkungsprozess ist. Die Beobachtung dieses kollektiven Selbstverstärkungseffekts, der als superradiante Lichtstreuung an einem BEC erklärt werden kann, bildete den Ausgangspunkt für die in diesem Artikel beschriebenen Experimente zur Materie- und Lichtwellenverstärkung. 56 Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 5 in unseren Experimenten ein in einer Atomfalle gefangenes BEC aus Natriumatomen, das mit einem Pumplaserstrahl beleuchtet wird. Die Verstärkung eines sich mit wohldefinierter Geschwindigkeit v in dem BEC bewegenden Atomstrahls kann formal als bosonische Stimulation interpretiert werden, analog zur stimulierten Emission beim Laser. Die Atome im Strahl, die sich alle im gleichen quantenmechanischen Zustand befinden, triggern die stimulierte Streuung des Pumplichts. Durch die stimulierte Streuung eines Photons wird ein Impuls auf Atome im Kondensat übertragen. Das bewirkt eine Umverteilung von Atomen aus dem Kondensat in den Atomstrahl. Eine bildhaftere Beschreibung erhält man, wenn man die Interferenz zwischen ruhendem Kondensat und dem sich bewegenden Atomstrahl betrachtet. Diese Interferenz führt zu einer Dichtemodulation mit einer Periode L = h/mv, die der de-Broglie-Wellenlänge der sich bewegenden Atome entspricht. Dieses Materiewellengitter propagiert mit einer Phasengeschwindigkeit von v/2 durch das Kondensat und stellt aufgrund des periodisch modulierten Brechungsindex ein Phasengitter für verstimmtes Licht dar. Wird ein Pumplaserstrahl eingestrahlt, so wird er von dem Phasengitter gebeugt. Jedem gebeugten Photon entspricht dabei ein Atom, das aus dem ruhenden Kondensat in die Mode des Atomstrahls gestreut wird. Dadurch wächst das Materiewellengitter, und die Zahl der gestreuten Photonen sowie die Intensität des Atomstrahls steigen exponentiell an. Die maximale Geschwindigkeit v, für die dieser Prozess ablaufen kann, entspricht dabei der doppelten Rückstoßgeschwindigkeit und betrug in unseren Experimenten 6 cm/s. Die Rückstoßgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit eines zuvor ruhenden Atoms nach Absorption bzw. Emission eines Photons. Von einer anderen Seite betrachtet bedeutet diese Bedingung für die Maximalgeschwindigkeit gerade, dass die Periode des Materiewellengitters größer als die halbe Wellenlänge des verwendeten Lichts (hier 589 nm) sein muss. Die Materiewellenverstärkung ist proportional zur Streurate, also zur Lichtleistung im Pumpstrahl, und zur Zahl der Striche des Materiewellengitters, die von dem Pumpstrahl ausgeleuchtet werden. Analog zur stimulierten Lichtstreuung kann die Materiewellenverstärkung als stimulierte Streuung von Atomen beschrieben werden, wobei der das beleuchtete Kondensat durchquerende Atomstrahl den Prozess stimuliert. Im Vergleich dazu wird bei der superradianten Streuung der ansonsten sehr ähnliche Verstärkungsprozess durch spontan gestreute Atome initiiert. Verstärkung eines Atomstrahls Der Aufbau eines solchen Materiewellenverstärkers scheint relativ einfach, sobald man in der Lage ist, Bose-Einstein-Kondensate herzustellen. Doch wie produziert man am besten einen Atomstrahl mit einer wohldefinierten Geschwindigkeit als Input für den Materiewellenverstärker in derselben Apparatur wie das ruhende BEC? Dazu bedienten wir uns eines Tricks, indem wir den Atomstrahl aus demselben Kondensat erzeugten, das anschließend für den Materiewellenverstärker benutzt wurde. Dies ist möglich, da es für den Verstärkungsprozess nicht darauf ankommt, dass Input und Verstärker zunächst räumlich getrennt sind, sondern nur, dass sich der Input-Atomstrahl relativ zum Kondensat bewegt. Mithilfe eines kohärenten Zwei- spalten, der mit einer Geschwindigkeit in der Größenordnung der Rückstoßgeschwindigkeit durch das ruhende Kondensat propagierte. Dazu wird das Kondensat mit einem kurzen Lichtpuls aus zwei Laserstrahlen mit geeigneter Differenzfrequenz beschienen, der Atome aufgrund der so genannten Bragg-Streuung aus dem ruhenden Kondensat auskoppelt. Der übertragene Impuls entspricht dabei genau der Differenz der Wellenvektoren der beiden Laserstrahlen. In unseren Experimenten benutzen wir für den Bragg-Prozess zwei Laserstrahlen parallel und senkrecht zum Pumpstrahl, um den Input für den Materiewellenverstärker zu erzeugen (Abb. 2b, links). Direkt anschließend, bevor die ausgekoppelten Atome das Kondensat verlassen haben, wird der Materiewellenverstärker durch Einschalten des Pumpstrahls aktiviert (Abb. 2b, Mitte). Die Absorptionsaufnahmen in Abb. 1 zeigen das BEC sowie den augekoppelten Atomstrahl ohne (Abb. 1a) und mit (Abb. 1b) Aktivierung des Materiewellenverstärkers. Die Bilder sind Flugzeitaufnahmen, die 35 ms nach den Lichtpulsen und dem Abschalten der Atomfalle aufgenommen wurden. Man kann so das ruhende Kondensat von den ausgekoppelten Atomen unterscheiden. Während ohne Verstärkung die Zahl der ausgekoppelten Atome für die Detektion mit unserem Abbildungssystem gerade ausreicht, beobachten wir nach dem Verstärkungspuls eine deutliche Zunahme. Die typische Verstärkung, die wir in unseren Experimenten messen konnten, betrug etwa einen Faktor 30. Aber ist die verstärkte Materiewelle auch phasenstarr an den Input-Atomstrahl gekoppelt? Um die Phasenkohärenz des Verstärkungsprozesses zu untersuchen, benutzten wir ein Zweipuls-Atominterferometer (Abb. 3a). Die Idee besteht darin, den verstärkten Atomstrahl mit einem Teil des Referenz-Atomstrahls zu überlagern. Wenn man ein phasenstabiles Interferenzsignal beobachtet, ist dies ein Nachweis der Phasenkohärenz. Für dieses Experiment wurde ein Atom-Referenzstrahl, der wiederum mit Hilfe von Bragg-Streuung erzeugt wurde, mit dem verstärkten Atomstrahl zur Interferenz gebracht. Ein Bragg-Puls koppelt ein Wellenpaket mit einstellbarer Größe und Phase aus dem Kondensat aus. Werden zwei mit zeitlichem Abstand Dt aus dem Kondensat ausgekoppelte Wellenpakete zur Interferenz gebracht, so manifestiert sich die Interferenz in der Abhängigkeit der Zahl der Atome, die nach dem zweiten Puls tatsächlich aus dem Kondensat ausgekoppelt werden, von der relativen Phase zwischen den beiden Wellenpaketen. Als Referenz diente eine Messung, bei der zwei etwa gleich große Pulse aus dem Kondensat ausgekoppelt wurden (Abb. 3b). Die Güte der Phasenkohärenz spiegelt sich dabei im Kontrast des Interferenzsignals wider. Wird der erste Puls stark abgeschwächt (Abb. 3c), so verschwindet das Interferenzsignal praktisch vollständig. Nach Einschalten des Materiewellenverstärkers steigt der Kontrast des Interferenzsignals wieder an (Abb. 3d). Damit konnte eindeutig gezeigt werden, dass der Materiewellenverstärker kohärent arbeitet. Unsere Experimente zum Nachweis der Phasenkohärenz zeigen schon eine der Einsatzmöglichkeiten für den Materiewellenverstärker, nämlich die Signalstärke in Atominterferometern zu erhöhen. Bei der Betrachtung unsere Experimente stellt sich die Frage nach den Parallelen zwischen Verstärkern und Lasern für Atome und Photonen. In einem Lichtlaser findet die Verstärkung innerhalb eines Resonators statt, wobei Photonen stimuliert in eine bereits besetzte Mode gestreut werden. Durch Auskopplung mit einem teildurchlässigen Spiegel wird eine Lichtwelle freigesetzt, deren Phasenlage fixiert, aber willkürlich und oft auch zeitlich veränderlich ist. Gibt man eine bestimmte Phasenlage vor, indem man einem Lasermedium (Laser-)Licht injiziert, so wirkt das Lasermedium als Verstärker, wie zum Beispiel Faserlaser, die in der Nachrichtentechnik eingesetzt werden. Unser Materiewellenverstärker arbeitet sehr ähnlich zu einem solchen Nachverstärker. Ein gepulster Atomstrahl, der zuvor mittels Bragg-Streuung aus einem BEC ausgekoppelt wurde, wird in unserem Fall vom selben Bose-EinsteinKondensat durch Einschalten eines Pumplichts nachverstärkt. Das „Atomlasermedium“ ist das BEC und der gepulste ausgekoppelte Atomstrahl kann als Atomlaser, wie er schon früher in gepulster oder kontinuierlicher Form demonstriert wurde [9, 10], verstanden werden. Der primäre Verstärkungsmechanismus, der Abb. 3: a) Mit einem Zweipuls-Atominterferometer wird die Phasenkohärenz des Materiewellenverstärkers nachgewiesen. Ein Wellenpaket wird dazu aus dem Kondensat ausgekoppelt (I), verstärkt (II) und anschließend mit einem zweiten ausgekoppelten Wellenpaket (III) zur Interferenz gebracht. Nach 35 ms freier Expansion wird die Zahl der tatsächlich ausgekoppelten Atome als Funktion der Phase zwischen den beiden Wellenpaketen bestimmt (IV). b) Das Interferenzsignal von zwei starken (aber unverstärkten) Atomstrahlen hat einen guten Kontrast. c) Durch Verringerung der Zahl der ausgekoppelten Atome im ersten Wellenpaket wird das Signal bis unter die Nachweisgrenze abgeschwächt. d) Nach Einschalten des Verstärkungslichtpulses wächst das Interferenzsignal wieder an. Der räumliche Überlapp der beiden Wellenpakete und damit das Interferenzsignal ist dadurch verringert, dass sich das erste Wellenpaket schon ein Stück aus dem Kondensat entfernt hat, bevor das zweite ausgekoppelt wird. Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 5 57 spielt, ist im übrigen die bosonisch stimulierte Streuung in den Grundzustand einer Atomfalle während der Formierung des Bose-Einstein-Kondensats. Im Laufe der Experimente zur Materiewellenverstärkung wurde uns bewusst, dass ein beleuchtetes Kondensat auch Lichtwellen verstärken kann, wenn anstatt eines Atomstrahls ein sehr schwacher „Testlichtstrahl“ geeigneter Frequenz in das Kondensat geschickt wird Lichtverstärkung ist entscheidend, dass die Zahl der Photonen im Teststrahl kleiner als die Zahl der Atome im Kondensat ist, da pro Atom höchstens ein Photon in den Testlichtstrahl umverteilt werden kann. Abbildung 4b zeigt eine mit dem Photonenvervielfacher aufgenommene Messkurve, in der die Lichtverstärkung durch ein BEC zu sehen ist. Die maximale beobachtete Verstärkung lag bei einem Faktor von 2,8, nahe am Übergang von linearer zu nichtlinearer Verstärkung. Ein Lichtpuls wird abgebremst Abb. 4: a) Schema der Lichtverstärkung in einem beleuchteten BEC. Ein Testlichtstrahl wird in ein beleuchtetes BEC eingestrahlt und seine Intensität nach Durchgang durch das BEC mit einem Photonendetektor gemessen. b) Beobachtung der Lichtverstärkung in der Intensität des Testlichtpulses. Die Lichtverstärkung ist durch das Verhältnis der Intensität im Testlicht mit und ohne eingeschaltetes Pumplicht gegeben. (Abb. 4a). Für geringe Beleuchtung des Kondensats (d. h. geringe Pumplichtintensität) kann der Verstärkungsmechanismus vollkommen analog zur Materiewellenverstärkung beschrieben werden. Der Testlichtstrahl interferiert mit dem Pumplichtstrahl und formt ein sich bewegendes Lichtgitter. Ruhende Kondensatatome werden unter Übertragung eines Photonenrückstoßimpulses an diesem Lichtgitter gestreut, wobei Photonen aus dem Pumpstrahl in den Teststrahl umverteilt werden. Dieser Prozess ist der gleiche BraggProzess, den wir im Experiment zur Materiewellenverstärkung ausgenutzt haben, um Atome aus dem Kondensat auszukoppeln. Bei geringer Beleuchtung ist die Verstärkung des Testlichts linear und kann prinzipiell auch in einem Ensemble unabhängiger Atome beobachtet werden. Bei stärkerer Beleuchtung des Kondensats läuft die Umverteilung von Photonen aus dem Pumpstrahl in den Teststrahl schneller ab. Dadurch kommt es zu einer Ansammlung von sich mit einem Photonenrückstoß bewegenden Atomen im Kondensat. Diese interferieren wieder mit dem ruhenden Kondensat, und es formt sich wieder ein Materiewellengitter, durch das die Streuung von Photonen aus dem Pumpin den Teststrahl zusätzlich verstärkt wird. Im Gegensatz zu dem oben beschriebenen Bragg-Prozess bei schwacher Beleuchtung handelt es sich hier um einen kollektiven Effekt, bei dem alle Atome im Kondensat durch den Aufbau eines makroskopischen Materiewellengitters zur Verstärkung beitragen. Die Verstärkung des Testlichts in diesem Fall ist nichtlinear, das heißt sie hängt von der Stärke des Testlichts ab. Die Lichtverstärkung haben wir an einem ähnlichen Aufbau untersucht wie die Materiewellenverstärkung. Das experimentelle Signal war hier die Lichtleistung im Teststrahl, die mit Hilfe eines Photonendetektors ge58 Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 5 Ein beleuchtetes Bose-Einstein-Kondensat weist eine sehr schmale Resonanz für die Verstärkung von Licht auf, da die Atome im Kondensat sich beinahe im Ruhezustand befinden und die Resonanzfrequenz nur sehr geringfügig durch den Doppler-Effekt verbreitert wird. Dies lässt sich dazu verwenden, die Gruppengeschwindigkeit von Lichtpulsen extrem zu verringern. Eine schmale Verstärkungsresonanz ist nämlich immer mit einer starken Änderung des Brechungsindex verbunden. Da die Gruppengeschwindigkeit vG eines Lichtpulses umgekehrt proportional zur Ableitung des Brechungsindex n nach der Frequenz ist (vG ⬀ (dn/dv)–1), führt eine schmale Resonanzstruktur dazu, dass Licht mit der Resonanzfrequenz abgebremst wird. In Abb. 5 ist die Abbremsung eines Lichtpulses durch ein beleuchtetes Kondensat dargestellt, wobei die gemessene Pulsgeschwindigkeit etwa 1 m/s beträgt. Wird das Materiewellengitter zur Beschreibung der Lichtverstärkung herangezogen, lässt sich auch eine sehr anschauliche Beschreibung des Verzögerungsprozesses ableiten: Der Testpuls erzeugt zusammen mit dem Pumplicht ein langlebiges Materiewellengitter. Dessen Lebensdauer wird durch die Zeit bestimmt, die die Atome in der Rückstoßmode benötigen, um das ruhende Kondensat zu verlassen. Für unsere Kondensate liegt diese Kohärenzzeit in der Größenordnung von einigen 10 ms. Die Verzögerung des Lichtpulses kommt nun dadurch zustande, dass das Materiewellengitter auch nach Ende des ursprünglichen Testpulses noch Photonen vom Pumplicht in die Testmode streut. Das BEC behält sozusagen die Information über den Lichtpuls im „Gedächtnis“. Generell geht die Verzögerung von Lichtpulsen damit einher, dass der ursprüngliche Testpuls eine Polarisation aufbaut, die dann langsam abgestrahlt wird. Im Fall des beleuchteten BEC wird Abb. 5: „Langsames“ Licht in einem beleuchteten Bose-Einstein-Kondensat. a) Ursprünglicher unverstärkter (obere Kurve) und verstärkter verzögerter Lichtpuls. Die Verzögerung beträgt ca. 20 ms, was bei einem Durchmesser des Kondensats von 20 mm entlang der Ausbreitungsrichtung des Lichtpulses einer Geschwindigkeit von 1 m/s entspricht. b) Verzögerung als Funktion der Verstärkung (logarithmische Skala). Mit zunehmender Verstärkung nimmt die Verzögerung des Testpulses zu, die Pulsgeschwindigkeit wird verringert. tiert. Extrem verzögerte Lichtpulse können auch mithilfe von Dunkelresonanzen erzeugt werden. Kürzlich gelang es zwei Gruppen, die von einem Lichtpuls auf ein atomares Gas übertragene Information für mehrere hundert ms zu speichern [8], wobei in dieser Zeit alles Licht ausgeschaltet war. Unsere Experimente zur Materie- und Lichtwellenverstärkung in Bose-Einstein-Kondensaten zeigen, welche Möglichkeiten die große Kohärenzlänge von BoseEinstein-Kondensaten, das heißt die Länge, über die die Materiewellenpakete im Gleichtakt schwingen, eröffnet. Dass ein mit einem Laserstrahl beleuchtetes Kondensat sowohl zur Materie- als auch zur Lichtverstärkung verwendet werden kann, demonstriert anschaulich, wie ähnlich sich Licht- und Materiewellen verhalten können. Prinzipiell könnte ein Materiewellenverstärker auch mit einer kalten thermischen Wolke realisiert werden, aber dort ist die Kohärenzlänge um Größenordnungen kleiner, was die technische Machbarkeit infrage stellt. Eine wesentliche experimentelle Herausforderung ist noch die „Regeneration“ des Materiewellenverstärkers. Da in unseren bisherigen Experimenten das Kondensat, also das Reservoir, während des Verstärkungsprozesses aufgebraucht wird, lässt sich auf diese Weise noch kein kontinuierlich arbeitender Materiewellenverstärker erzeugen. Besonders für die Optik mit Atomen könnte es von Nutzen sein, dass mit dem Materiewellenverstärker jetzt auch ein aktives Element zur Verfügung steht, nachdem seit Ende der 80er Jahre schon eine Reihe passiver Elemente wie Linsen, Spiegel und Strahlteiler für Atomstrahlen mithilfe von Licht- und Magnetfeldern entwickelt wurden [11]. In der Lichtoptik stehen schon seit geraumer Zeit aktive, kohärente Verstärker zur Verfügung, die z. B. in den präzisesten Lasergyroskopen – Lichtinterferometer, die z. B. zur Navigation von Flugzeugen eingesetzt werden – zur Erhöhung der Genauigkeit verwendet werden. Das Anwendungspotenzial, das in der Optik mit Atomen steckt, zeigt sich ferometer diese Lasergyroskope in ihrer Genauigkeit übertreffen [12]. Die weltweiten Aktivitäten rund um die Atomoptik mit BEC, die bisher schon zur Realisierung von Atomlasern, BEC-Atominterferometern, Vierwellenmischung in BEC, langsamem Licht und Solitonen in BEC geführt haben, verleihen diesem recht jungen Gebiet eine außerordentliche Dynamik, die sicherlich noch eine Reihe von überraschenden Ergebnisse an den Tag bringen wird. * Die Autoren danken Wolfgang Ketterle für die Möglichkeit, als Gastwissenschaftler an den aufregenden Experimenten mit Bose-Einstein-Kondensaten am MIT teilhaben zu können. Die hier vorgestellten Ergebnisse sind nur durch den unermüdlichen Einsatz von Shin Inouye, Ananth Chikkatur, Subhadeep Gupta, Robert Löw, Todd Gustavson und David Pritchard bei der Planung und Durchführung der Experimente möglich geworden. A. G. dankt dem DAAD und T. P. der Alexander-von-Humboldt Stiftung für die teilweise Finanzierung des Aufenthalts am MIT. Literatur [1] P. R. Berman, Atom Interferometry, Academic Press, New York (1996) [2] S. Inouye et al., Nature 402, 641 (1999) [3] M. Kozuma et al., Science 286, 2309 (1999) [4] E. A. Cornell und C. E. Wieman, Scientific American, März 1998, S. 40 [5] W. Ketterle und M.-O. Mewes, Phys. Bl., Juni 1996, S. 573 [6] S. Inouye et al., Phys. Rev. Lett. 85, 4225 (2000) [7] S. Inouye et al., Science 285, 571 (1999) [8] D. F. Phillips et al., Phys. Rev. Lett. 86, 783 (2001); C. Liu et al., Nature 409, 490 (2001) [9] D. Kleppner, Physics Today, August 1997, S. 11 [10] T. Esslinger, I. Bloch und T. W. Hänsch, Phys. Bl., Februar 2000, S. 47 [11] T. Pfau und J. Mlynek, Phys. Bl., Januar 1994, S. 45 [12] T. L. Gustavson et al., Class. Quantum Grav., 17, 2385 (2000) Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 5 59