Der Herzinfarkt Myokardinfarkt „Der Herzinfarkt ist, wie wir Ärzte wissen, kein Ereignis ex vacu [aus heiterem Frustrationen Himmel]. Er bereitet sich sehr sorgsam vor, sammelt alle Frustra tionen und Erschööpfungen, um dann zuzuschlagen.“ Ersch Paul Lü Lüth (Brief aus einer Landarztpraxis, 1971) © Apotheke am Wall Wildeshausen Das menschliche Herz Atrium Truncus pulmonalis → nimmt 80% des gesamten Blutstroms für die Herzversorgung auf → Koronararterienäste Ventrikel Zerstörung von Herzmuskelgewebe aufgrund einer Durchblutungsstörung im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) fast immer kompletter Verschluss eines oder mehrerer Herzkranzgefäße, am häufigsten durch Entstehung von Blutgerinnsel in einer arteriosklerotisch veränderten Engstelle Auslösende Faktoren: plötzliche Belastungen und Stress-Situationen mit stärkeren Blutdruckschwankungen 40 % aller Infarkte passieren in den frühen Morgenstunden (24–6 Uhr) Der Herzinfarkt ist eine der Haupttodesursachen in Wohlstandsländern: Inzidenz in Österreich/Deutschland: 300 Infarkte / 100.000 Einwohner / Jahr; davon enden ca. 30 % tödlich Risikofaktoren Hauptrisikofaktoren Rauchen (beträchtliche Risikoerhöhung durch gleichzeitige Einnahme der Antibabypille). Stoffwechselstörungen: Fettstoffwechselstörungen (abnormes Verhältnis der beiden Blutfettanteile Apolipoprotein B und Apolipoprotein A-1) Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) Hyperhomocysteinurie Hyperrurikämie (‚Gicht') Bluthochdruck Stress Vererbung (Positive Familienanamnese, d.h. Verwandte ersten Grades haben bereits einen Infarkt durchlebt) Geschlecht: Männer sind häufiger betroffen, ab dem 50. Lebensjahr steigt aber das Risiko eines Herzinfarkts bei Frauen auf fast die gleiche Inzidenz. Indirekt: Übergewicht, Fehlernährung und Bewegungsmangel. Symptome Herzinfarkt-Patienten klagen über Brustschmerzen unterschiedlicher Stärke und Qualität. stechende Schmerzen Druck- oder Engegefühl im Brustkorb (als ob „jemand auf einem sitzen würde“) Die Schmerzen können je nach betroffenem Herzmuskelareal: in die Arme (häufiger links) den Hals die Schulter den Oberbauch den Rücken ausstrahlen Man spricht dabei auch von einem so genannten "Vernichtungsschmerz". weitere Symptome Oft tritt auch: •Atemnot •Angstgefühl (Todesangst) •Blässe •Übelkeit •Erbrechen •Schweißneigung, auf! Teilweise kollabieren die Patienten und bleiben bewusstlos. Im Gegensatz zum Angina-pectoris-Anfall sprechen diese Beschwerden nicht auf Nitroglycerin an. Die beschriebene Symptomatik kann – öfters bei Frauen und besonders bei Diabetikern aufgrund einer diabetischen Nervenschädigung (Polyneuropathie) – abgeschwächt sein oder auch vollkommen fehlen ("Stiller Infarkt"). Erste Hilfe Ein Herzinfarkt ist ein lebensbedrohender Notfall Unverzügliche Alarmierung des Notarztes - Rettungskette beachten Beruhigung Lagerung mit erhöhtem Oberkörper Hemd öffnen und Gürtel öffnen Frischluftzufuhr ständige Vitalparameterkontrolle Bei Patienten, die ein bekanntes Angina Pectoris-Leiden haben, ist oftmals Nitro-Spray vorhanden; dem Patienten dies holen, jedoch nicht eigenmächtig verabreichen! Den eintreffenden Rettungskräften den Weg zeigen (Personen zum Einweisen auf die Straße schicken) Bei optimaler Versorgung und schnellstmöglicher Einweisung ist die Prognose, einen Herzinfarkt ohne bleibende Schäden zu überstehen, um ein vielfaches besser als bei zu später Einweisung. Diagnostik des Herzinfarktes Die Diagnose Herzinfarkt wird gestellt, wenn das sog. Herzenzym Troponin im Blut erhöht und mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: typische EKG-Veränderungen oder typische Brustschmerzen oder unlängst durchgeführte Intervention an einem Herzkranzgefäß (z. B. PTCA). Perkutane transluminale coronare Angioplastie (PTCA) ist die Technik der Aufdehnung eines Herzkranzgefäßes von innen ohne offene Operation. Das EKG ist eine sehr einfache, weitgehend ausgereifte und sehr wertvolle Untersuchungsmethode der Kardiologie. Seine wichtigste Bedeutung hat das EKG im Nachweis eines frischen Herzinfarktes und von Herzrhythmusstörungen. EKG Das Elektrokardiogramm (abgekürzt EKG) ist die Registrierung der Summe der elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern. Elektrokardiogramm heißt auf Deutsch Herzstromkurve. Jeder Pumpfunktion des Herzens geht eine elektrische Erregung voraus, die im Normalfall vom Sinusknoten ausgeht und über ein spezielles herzeigenes Erregungsleitungssystem (besteht aus besonderen Herzmuskelzellen) zu den Muskelzellen läuft. Diese elektrischen Potenzialänderungen am Herzen kann man an der Körperoberfläche abgreifen und in der Zeitachse aufzeichnen. Es resultiert ein immer wiederkehrendes ziemlich gleichförmiges Bild der elektrischen Herzaktion. EKG bei akutem Hinterwandinfarkt. Die Pfeile deuten auf sehr deutliche ST-Strecken-Hebungen in den Ableitungen II, III und aVF. Beispiel für falsch positive und falsch negative Diagnose beim Herzinfarkt Die Diagnose Herzinfarkt wird wegen Ihrer Dringlichkeit häufig gestellt. In der Differentialdiagnose muss immer auch ein Pneumothorax, eine Lungenembolie oder Herzneurose, seltener eine Gallenkollik oder ein Lungenödem anderer Ursache abgeklärt werden. Weiterhin können Aortendissektionen zu ähnlichen Beschwerden führen, allerdings auch einen Herzinfarkt auslösen. In den USA werden pro Jahr etwa 6 Millionen Frauen und Männer aufgrund von Schmerzen in der Brust unter der Verdachtsdiagnose Herzinfarkt in eine Klinik eingewiesen. Im Verlauf der Diagnostik stellt sich dann heraus, dass von diesen Patienten nur etwa 32 % tatsächlich einen Infarkt erlitten haben. Bei 68 % von ihnen war die Diagnose Infarkt nicht korrekt (falsch positive Verdachtsdiagnose). Anderseits werden in jedem Jahr etwa 34.000 Patienten aus dem Krankenhaus entlassen, ohne dass ein tatsächlich vorhandener Herzinfarkt erkannt wurde (ca. 0,8 % falsch negative Diagnose). Dies trifft vor allem auf ältere Patienten und solche mit Diabetes mellitus zu.