Dr. Michael Kreher, Dr. Eckehardt Stamnitz Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Bad Liebenwerda Schillerstr. 6, 04924 Bad Liebenwerda Tel.: 035341 2730; 0151 17027638 Fax.: 035341 33924 Mail: [email protected] 06.12.2007 Erbkrankheiten beim Fohlen am Beispiel der angeborenen Kleinäugigkeit Der hier vorliegende Fall beschreibt die selten vorkommende angeborene Kleinäugigkeit (Mikrophthalmie) bei zwei Fohlen einer Stute. Die Oldenburger-Stute C. hat im Jahr 2005 ein Stutfohlen mit einem erbsengroßen dunkel-gräulichen Augapfel in der linken Augenhöhle hervorgebracht. Dieser sehr stark verkleinerte Augapfel war zwischen den unvollständig behaarten Augenlidern erkennbar. Das dritte Augenlid war gering vorgefallen. Nachdem die Stute 2006 ein gesunden Hengstfohlen gebar, ging aus ihr 2007 erneut ein Stutfohlen mit nur einem gesund ausgeprägten Auge hervor. Diesmal jedoch war das rechte Auge von der Kleinäugigkeit betroffen. Alle drei dokumentierten Fohlen stammen von unterschiedlichen Hengsten ab. Der Vorbesitzer hat im Jahr 2004 eine gesunde Stute gezogen. Vorkommen von Missbildungen Missbildungen kommen bei allen Tierarten vor. Generell kann man zwischen lebensbedrohlichen und die Lebensfunktion nicht beeinträchtigenden Missbildungen sprechen. Beide können sowohl vererbbar und damit genetisch festgelegt, als auch während der Trächtigkeit erworben und damit meist nicht vererbbar sein. Zur Häufigkeit des Auftretens von Missbildungen bei Fohlen gibt es in der Fachliteratur unterschiedliche Angaben. Eine aktuelle Untersuchung die vorwiegend bei Kaltblütern und Haflingern erhoben wurde, beschreibt Fehlentwicklungen unter 1384 Fällen mit einer Wahrscheinlichkeit von 5,12%. In der Warmblutzucht schätzt man den prozentualen Anteil an Fohlen, die mit Missbildungen geboren werden, zwischen 0,4 und 0,8 %. In detaillierten Studien aus der Vollblutaraberpopulation wird von 1,25% Missbildungen berichtet. Dabei sind bei den beiden letzt genannten Quellen jeweils nur die Missbildungen benannt, die lebenseinschränkend sind. Dazu gehören beispielsweise Gliedmaßenmissbildungen oder auch Fehlentwicklungen des Nasen- und Rachenraumes. Es ist zu beachten, dass wohl ein großer Teil von Fehlentwicklungen keine klinischen Auswirkungen haben und daher nicht erkannt werden. Des weiteren führen auch einige Missbildungen in der Entwicklungsphase zum Tod in der Gebärmutter mit Resorption oder Abort, welche in den Neugeborenenstatistiken keine Erwähnung finden. Die häufigste Missbildung beim Pferd ist der einseitige oder beidseitige Kryptorchismus (Hoden im Bauchraum, Klopphengst). Gegen diese Erkrankung treten alle weiteren Missbildungen beim Fohlen in ihrer Häufigkeit sichtbar zurück und werden in der Literatur meist nur als Einzeldarstellung aufgeführt. So sind darunter Fehlentwicklungen des Bewegungsapparates, wie Halsverdrehung (Torticollis), Missbildungen im Genickbereich bei Araberfohlen, oder das Fehlen der Vordergliedmaßen bzw. die Mehrfachanlage von Zehen genannt. Dabei wird meist nicht zwischen genetischer und nichtgenetischer Ursache unterschieden. Als wichtige Fehlentwicklungen des Auges beim neugeborenen Fohlen führen viele Autoren die Kleinäugigkeit (Mikrophthalmie) und sogar das vollständige Fehlen der Augäpfel (Anophthalmie), den Wasserkopf (Hydrocephalus), die Netzhautablösung (Ablatio retinae), den Grauen Star und die Weißäugigkeit (Albinismus oculi) auf. Die Kleinäugigkeit ist eine seltene Erkrankung und kann bei allen Pferderassen vorkommen. Sie ist auch bei vielen anderen Tierarten beschrieben. So lassen sich in der Literatur Untersuchungen zur Erkrankungshäufigkeit beim Hund, beim Schaf, beim Schwein und bei der Maus finden. Erscheinungsbild: Wie bereits erwähnt, gehört die Kleinäugigkeit zu den angeborenen Missbildungen des Auges. Sie bezeichnet eine Verkleinerung des Augapfels und kann ein- oder beidseitig vorliegen. Die möglichen Auswirkungen reichen vom sehr seltenen Fehlen des Augapfels mit ein paar pigmentierten Bereichen in der von Bindehaut ausgekleideten Augenhöhle über nicht funktionsfähige „Knopfaugen“ verschiedener Größen bis hin zu geringgradig verkleinerten Augäpfeln, die sehfähig sein können. Eine beeinträchtigte Sehleistung ist zu erwarten, wenn die Augapfelgröße um mindestens 10% verringert ist. Es ist jedoch schwierig von den sichtbaren Veränderungen auf das Maß des Sichtdefizits zu schließen. Eine Rasseveranlagung liegt bei Vollblütern vor, wobei hier häufig gleichzeitig andere Missbildungen vorliegen. Stutfohlen 2007 mit angeborener Kleinäugigkeit rechts Ursachen: Die Ursachen von angeborenen Missbildungen können genetischer und nichtgenetischer Grundlage sein. Bei dem beschriebenen Fall mit zwei Erkrankungen bei Nachkommen einer Stute kommt der Verdacht einer familiären Häufung der Erkrankung auf und damit die Vermutung, dass es sich um eine vererbbare und damit genetische Erkrankung handeln könnte. Dieser Nachweis ist jedoch sehr schwierig zu führen. Missbildungen sind in praxi selten eindeutig als Erbfehler zu bezeichnen, da es eine Reihe von Fehlentwicklungen gibt, die durch äußere Einflüsse während der Entwicklungsphase hervorgerufen werden. Tatsächlich haben die meisten sichtbaren Missbildungen ihre Ursache in Störungen während der Entwicklungsphase. Oft werden Gifte und Infektionen, die die Entwicklung des Fetus negativ beeinflussen, dafür verantwortlich gemacht. In diesem beschriebenen Fall hat offensichtlich eine Schädigung des heranwachsenden Augenbläschens stattgefunden und zur Kleinäugigkeit mit vollständigem Verlust der Sehfähigkeit geführt. Auch die Tatsachen, dass zum einen der Vorbesitzer eine gesunde Stute aus der Stute C. zog und zum anderen verschiedene Vatertiere zur Erkrankung an verschiedenen Augen führte, sprechen gegen eine vererbliche Kleinäugigkeit. Des weiteren ist eine vererbliche Kleinäugigkeit ist beim Pferd bislang nicht beschrieben und nicht nachgewiesen. Auch wenn die Ursachen für die Kleinäugigkeit beim Pferd bisher unbekannt sind, ist bei der Maus ist ein Gen (MI-Gen) für die Kleinäugigkeit isoliert worden, das gleichzeitig mit Störungen des Skeletts, Innenohr- und Zahnveränderungen und verminderter Fruchtbarkeit verbunden ist. Das MI-Gen liegt auf dem Chromosom 6. Es wird hier ein rezessiver oligofaktorieller Erbgang vermutet. Die Diagnose wird bei der klinischen Untersuchung gestellt. Die Ultraschalluntersuchung kann Hinweise über das Vorhandensein einzelner Strukturen oder weiterer Störungen bringen. Ähnliche Erscheinungsbilder können bei schmerzhaften Zuständen eine Kleinäugigkeit vortäuschen, da sich das Auge dabei in die Höhle zurückziehen kann und ungewöhnlich klein wirken kann. Ebenfalls können die Augen bei ausgetrockneten Fohlen klein erscheinen. Eine Therapie dieser Erkrankung gibt es nicht. Aus gesundheitlichen oder kosmetischen Gründen kann eine Entfernung der Augapfelreste in schweren Fällen gerechtfertigt sein. Prognostisch wird ein nicht sehfähiges Auge niemals seine Funktion zurückerlangen. Das einseitig blinde Pferd ist lebensfähig und eingeschränkt nutzungsfähig. Wenn eine einseitige geringgradige Kleinäugigkeit vorliegt und die Sehfähigkeit dabei erhalten ist, stellt das für das Tier keine Einschränkungen dar. Aber auch bei vollständigem Sehverlust eines Auges kann man die weitere Nutzung in Erwägung ziehen und nicht voreilig handeln. In dem hier beschriebenen Fall ist aufgrund der edlen Abstammung die weitere Nutzung der Stuten vorgesehen. Die Erfahrungen mit einäugigen Pferden zeigen, dass das möglich ist. Der Züchter beabsichtigt einen normalen Ausbildungsweg der beiden Pferde zum Reitpferdegespann, bei dem das jeweils gesunde Auge außen gehen soll. Dieser Nutzung kommt die Tatsache zugute, dass die Stuten von Geburt an gelernt haben, mit nur einem Auge zu sehen. Des weiteren hat aufgrund der Anatomie des Pferdekopfes jedes Auge sein eigenes Gesichtsfeld mit einem nur kleinen Bereich, der von beiden Augen überschaubar ist. Der dreidimensionale Eindruck des Raumes wird bei Pferden mehr durch die Bewegung des Kopfes realisiert. Es ist daher möglich, dass die Pferde bei ihrer Nutzung als Sportpferd die Kopfhaltung den Bedürfnissen anpassen. Natürlich ist die Sehfähigkeit für die Leistung der Pferde von entscheidender Bedeutung. Deshalb spielt die Kenntnis um die angeborene Kleinäugigkeit beim Fohlen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für die Pferdezucht. Eine eingehende Registrierung aller Missbildungen, wie sie in der deutschen Vollblutzucht bereits besteht, ist zu empfehlen, da diese Erkrankungen bei der immer enger werdenden Zuchtbasis an Bedeutung gewinnen können. Somit kann es möglich werden, rassetypische Häufungen von Missbildungen auf erblich bedingte Störungen oder äußerlich ausgelöste Störungen zurückzuführen. Diese Erkenntnisse stellen für die Zucht wichtige Selektionskriterien dar. Literatur: BARNETT KC, CRISPIN SM, LAVACH JD et al. Colour atlas and text of equine ophthalmology. Mosby-Wolfe, London, 42-43; 1995. BÄUMER G. Fohlenerkrankungen und –verluste in den ersten Lebensabschnitten, [Dissertation], Freie Universität Berlin, FB Veterinärmedizin, Berlin. 1997 BLUE M.G. A cytogenetical study of prenatal loss in the mare. Theriogenology 15, 295-309; 1981. JURCOWIC J. Über das Vorkommen von Erbfehlern in der Pferdepopulation Sloweniens. Wien. Tierärztliche Mschr. 74, 121-125; 1987. GLODEK P. 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