GRUNDLAGEN UND METHODEN DER DIALEKTISCH BEHAVIORALEN THERAPIE DR. ANNE DYER KURZINFOS BORDERLINE BORDERLINE-STÖRUNG: EPIDEMIOLOGIE Lebenszeit- Prävalenz: ca 6% (Grant et al. 2008) 15 Jahre: ca. 6% 20 Jahre: ca. 4,2%; 45 Jahre: ca. 0,7%; 15- 45 Jahre: ca. 2% Männer = Frauen Suizidrisiko: ca. 7% Suizidversuche: ca. 60 % Häufigkeit in Kliniken: 20% Häufigkeit in Praxen: 15% Direkte Kosten: ca. 4 Milliarden € jährlich (15% der Kosten für Psychische Störungen) BPD - VERLAUFSSTUDIEN: ZANARINI ET AL., AM J PSYCHIATRY, 2006; 163:827-832 DSM-IV Kriterien erfüllt BPD Remissionsraten 300 250 200 150 100 50 0 n= H 0 2 Jahre 4 Jahre 6 Jahre 8 Jahre 10 Jahre 275 180 126 73 42 33 NEUROBEHAVIORALES KONZEPT DER BORDERLINE-STÖRUNG Genetische Belastung Umwelt-Faktoren AffektregulationsStörung Dysfunktionale Verhaltensmuster PSYCHOPATHOLOGIE DER BORDERLINE-STÖRUNG Störung der Affektregulation Störung der Identität Störung der sozialen Interaktion H DIAGNOSTISCHES LEITSYMPTOM Einschießende, starke Spannung, die als äußerst aversiv erlebt wird und keiner klaren, handlungsweisenden Emotion zugeordnet werden kann. H Computer - based open field study Computer - based open field study Tensionprofile Controlperson Tensionprofile Borderline-Patient Intervall Interval 1 Tension 9 8 7 Tension Tension increase 9 Tension decrease 8 Tension increase Tension decrease 7 6 Ten sion 6 5 4 3 missing 5 4 Night Night Night 13:02 11:08 09:02 21:54 19:55 17:55 15:55 13:59 12:00 Time Time Night 10:05 08:00 22:04 20:01 17:57 16:06 10:58 09:00 19:59 17:53 15:57 13:58 11:52 09:55 18:55 16:51 0 14:56 1 0 13:04 2 1 14:03 3 2 11:02 Te nsion Interval 2 BPS – Primäre Arten der Selbstverletzung Datenquelle: Borderline-Forschungsprojekt ZI Mannheim 2006 PRIMÄRE MOTIVE FÜR SV DYSFUNKTIONALE HANDLUNGSTENDENZEN • • • • • • • • Suizidphantasien Selbstverletzungen Drohungen Alkohol / Drogen Bulimie Hochrisikoverhalten Sex (?!) etc EMOTIONSREGULATIONSSTÖRUNG Die meisten dysfunktionalen Verhaltensmuster können entweder als Bewältigungsstrategien oder als Folgen von Störungen der Emotionsregulation interpretiert werden! DISSOZIATIONSNEIGUNG UNTER ANSPANNUNG • Dissoziative Symptomatik ist • a) durch trauma-Stimuli getriggert • b) korreliert mit Stress dissociative symptoms • Dissoziation verhindert emotionales Lernen • Dissoziative Sympotmatik ist ein Prädiktor für negative Therapieergebnisse 3,0 2,5 BPD MD PD HC 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 stress Stiglmayr et al., Acta Psychiatr Scand, 2008 ZUSAMMENFASSUNG • Patienten mit BPD leiden • Unter Störungen der Affektregulation • Unter Störungen des Selbstwerts • Unter Störungen der sozialen Interaktion • Therapie für BPD sollte anbieten: • Verbesserung der Emotionsregulation • Übernahme von Verantwortung und sozialer Bedeutung • Training von intendierter Handlung THERAPIE EVIDENZ-BASIERTE PSYCHOTHERAPIE • Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) (Linehan) • Mentalization Based Treatment (MBT) (Bateman & Fonagy) • Schema Focussed Therapy (Young) • Systems Training for Emotional Predictability and Problem Solving (STEPPS; Blum) S-2-Leitlinien BRD; Herpertz et al., 2009 S2 PRAXISLEITLINIEN IN PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE DBT gilt derzeit als das bestevaluierteste Behandlungskonzept: Evidenzgrad 1b WAS IST DBT? • Störungsspezifisches Verfahren • Kombiniert Einzeltherapie, Gruppentraining, Telefoncoaching und Teamsupervision • Basiert auf biosozialer Theorie • Integriert abgesicherte psychotherapeutische Methodik • Wirksamkeit empirisch belegt • Relativ rasch zu erlernen • Wirksamkeit im ambulanten und stationären Setting bestätigt DBT - GRUNDANNAHMEN (1-4) 1. PatientInnen versuchen, das Beste aus ihrer verheerenden Situation zu machen. 1. PatientInnen wollen sich verändern. 1. PatientInnen müssen sich stärker anstrengen und härter arbeiten, um sich zu verändern als wir. 2. PatientInnen haben ihre Schwierigkeiten nicht alle selbst verursacht, aber müssen sie selber lösen. © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 20 DBT - GRUNDANNAHMEN (5-8) 5. Das Leben suizidaler Borderline-PatientInnen ist so, wie es gegenwärtig gelebt wird, nicht auszuhalten. 5. PatientInnen müssen neues Verhalten in vielen relevanten Dimensionen und Lebensbereichen erlernen. 6. PatientInnen können in DBT nicht versagen. 7. TherapeutInnen, die Borderline-PatientInnen behandeln, brauchen Unterstützung. © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 21 When Your House is Burning, © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 22 You Don’t Ask , Who is the Architect? © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 23 DBT EINZELTHERAPIE EINZELTHERAPIE ● STRUKTUR • Erste Stunden: • Aufklärung über Regeln • Teilnahme an Skills-Gruppe • Telefon-Coaching • Notfallplan • • • • VA: Letzter Suizidversuch (RP) VA: Letzter Therapieabbruch Klärung: Übergeordnete Behandlungsziele Klärung: Milestones © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 25 EINZELTHERAPIE ● STRUKTUR Timing der Einzelstunden Kurze Achtsamkeitsübung (3 min) Diary Card (3 min) Therapieziele festlegen (3 min) VA zu wichtigstem dysfunktionalem Verhalten Bearbeitung von Alternativen Erproben von neuem Verhalten (ca. 20 min vor Ende) Fade out Kurze Achtsamkeitsübung © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 26 DBT verlangt klare Absprachen zwischen Therapeutin und Patientin bevor mit der Therapie begonnen wird © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 27 DBT strukturiert die Behandlung an Hand von Verhaltensmustern der Patientin © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 28 DBT - Wahl des Behandlungsfokus Akute Suizidalität ? J a Nein Therapiegefährdung ? Nein Ja Analyse der Problemebene Schwere Störungen der Verhaltenskontrolle ? Schwere Störung des emotionalen Erlebens? Wahl der therapeutischen Methodik Ja Erfolgskontrolle © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP Nein Ja 29 Nein Probleme in der Lebensbewältigung DBT - ambulante und stationäre Diary Card © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 30 BEZIEHUNGSGESTALTUNG IN DER DBT • In der DBT wird die Beziehung zum wichtigsten Verstärker • In der DBT wird die Beziehung genützt, um erwünschtes Verhalten zu verstärken und • um nicht zielförderndes Verhalten zu löschen • Dazu benötigt man eine exzellente Beziehung!!! © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 31 TIPP 1: VERSTEHE MUSTER BEISPIEL: UMGANG MIT SELBSTVERLETZUNGEN BPS UND SELBSTVERLETZUNGEN MULTIFAKTORIELLE BEDINGTHEIT Sichere Nähe Reduziere Anspannung Reduziere Schuldgefühl Vermeide Soziale Herausforderung Verlängere den stationären Aufenthalt Verschlechtere die Symptomatik © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP Vermeide Scham SCHNEIDE DICH ! 33 Gehe nicht in das Praktikum VERHALTENSANALYSE – DURCHFÜHRUNG EINER KETTENANALYSE dysfunktionale Kettenglieder (Gedanken,Verhalten ) funktionale Kettenglieder (Gedanken,Verhal ten) © Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie AWP 34 "point of no return" DBT SKILLSTRAINING SKILLSTRAINING „Das Fertigkeitentraining ist der Ton, aus dem EinzeltherapeutIn und Patientin eine Figur modellieren können." (M. Linehan zur Rolle des Fertigkeitentrainings im Gesamtkonzept der DBT) Spannung Stresstoleranz 70% Umgang mit Gefühlen Selbstwert Zwischenmenschliche Fertigkeiten 30% Achtsamkeit Zeit ZIELE DES SKILLSTRAINING Zielorientierung für die Patientinnen: • Fertigkeiten lernen und verbessern, mit deren Hilfe Sie Verhaltens-, Gefühls- und Denkmuster verändern können, die zu Schwierigkeiten und seelischen Belastungen in Ihrem Leben führen. RICHTLINIEN • Jedes erwünschte Verhalten ist als eine Fertigkeit zu verstehen. • Häufig verwenden Patientinnen Fertigkeiten, ohne es zu wissen. Dies sollte von den SkillstrainerInnen deutlich gemacht werden. • Die Fertigkeiten sollten so häufig wie möglich beim Namen genannt werden. RICHTLINIEN • In den frühen Phasen des Skillstrainings wird die Anwendung von neuen Fertigkeiten auf extrem belastende Situationen nicht gefördert, da dies die Prinzipien des Shaping verletzen würde. • Skillsgruppe ist keine Prozessgruppe. • Fokus ist ausschließlich die Vermittlung von Fertigkeiten. TIPP 2: REAGIERE FRÜHZEITIG BEISPIEL: UMGANG MIT SELBSTVERLETZUNGEN FRÜHWARNZEICHEN BESCHREIBEN DER ANSPANNUNG TIPP 3: FINDE ALTERNATIVEN BEISPIEL: UMGANG MIT SELBSTVERLETZUNGEN ZUGANGSKANÄLE Kognitive Skills Wahrnehmung Körperbezogene Skills Handlungsbezogene Skills Handlungsimpuls Kognition EMOTIONALE ERREGUNG körperliche Erregung Gestik/Mimik Gefühl Sensorische Skills SKILLS ZUR KRISENBEWÄLTIGUNG - NOTFALLKOFFER - • 3-4 Skills, die zuverlässig und wirksam sind • Skills müssen immer verfügbar sein • Notfallkoffer ab und zu ausmisten AB 16 SKILLSKETTEN SPANNUNG Skill 1 70% Skill 2 Skill 3 30% IB 17 Skill 4 Bei Anspannung > 70%: Stresstoleranzskills Bei Anspannung < 70%: Skills zum „Umgang mit Gefühlen“ EINFÜHRUNG IN STRESSTOLERANZ Stresstoleranz Skills zur Krisenbewältigung: Wirkung schnell und kurzfristig IB 1 Skills zum Annehmen von Realität und Verantwortung: Wirkung langfristig, situationsübergreifend und vorbeugend SKILLS ZUR KRISENBEWÄLTIGUNG - ÜBERBLICK (1) - Skills zur Krisenbewältigung helfen • Krisen auszuhalten und zu überleben • unangenehme Ereignisse und Gefühle ertragen zu können, wenn sich die Situation nicht verändern lässt • zu vermeiden, eine schwierige Situation noch schlimmer machen IB 2 SKILLS ZUR KRISENBEWÄLTIGUNG - ÜBERBLICK (2) - • • • • • • IB 2 Sich ablenken Sich beruhigen mit Hilfe der 5 Sinne Den Augenblick verändern An das Pro und Contra denken Gelenkte Aufmerksamkeit Anti-Craving-Skills TIPP 4: FINDE GRÜNDE UND ENTSCHEIDE DICH BEISPIEL: UMGANG MIT SELBSTVERLETZUNGEN SKILLS ZUR KRISENBEWÄLTIGUNG - AN DAS PRO UND CONTRA DENKEN • Pro-&-Contra-Listen unterstützen langfristig wirksame Entscheidungen • Pro-&-Contra Liste erstellen und in den Notfallkoffer • In Krisensituation die Pro-&-Contra Liste vornehmen IB 8 PRO-&-CONTRA LISTE Problemverhalten: Vorteile Nachteile Vorteile Nachteile Kurzfristig Langfristig Skillsanwendung: Kurzfristig Langfristig AB 9 EINFÜHRUNG IN STRESSTOLERANZ Stresstoleranz Skills zur Krisenbewältigung: Wirkung schnell und kurzfristig IB 1 Skills zum Annehmen von Realität und Verantwortung: Wirkung langfristig, situationsübergreifend und vorbeugend SKILLS ZUM ANNEHMEN - ÜBERBLICK - • Entscheidung für einen neuen Weg • Innere Bereitschaft • Radikale Akzeptanz • Leichtes Lächeln • Auf den Atem konzentrieren • Aufbau von Verantwortung IB 19 SKILLS ZUM ANNEHMEN - ENTSCHEIDUNG FÜR EINEN NEUEN WEG • Entscheidung als Voraussetzung für eine Veränderung • Der neue Weg ist mit Gewinn und Verlust verbunden • Eine Entscheidung muss immer wieder neu getroffen werden IB 20 VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! 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