Professur für Waldbau und Professur für Forstschutz & Dendrologie, ETH Zürich 1995 Quercus petraea (Matt.) Liebl. syn.: Quercus sessiliflora Salisb. Familie: Fagaceae dtsch.: franz.: ital.: engl.: Traubeneiche chêne rouvre quercia comune, rovere sessile oak 1.2 Phänologie Laubaustrieb und Blüte Ende April/Mai (i.d.R. nach Fagus sylvatica). Im Mittel treibt und blüht Q. petraea einige Tage später als Q. robur, nach Untersuchungen von BURGER (1944) ist es in der Schweiz eher umgekehrt. Die Früchte reifen Ende September/Oktober. Typisch für junge Bäume, aber auch für Wasserreiser und Klebäste älterer Eichen ist, dass sie häufig das trockene, braune Herbstlaub bis ins nächste Frühjahr hinein behalten. 1.3 Fortpflanzung Beginnt normalerweise erst spät zu fruktifizieren (im Freistand ab Alter 20-30, im Bestand ab Alter 60-70). Fruktifikation von Jahr zu Jahr sehr verschieden intensiv, starke Fruchtbildung (Vollmasten) meist nur im Abstand mehrerer Jahre. Die Eicheln sind sofort nach ihrer Reife keimfähig (gelegentlich erscheint die Radicula schon bei Früchten, die noch am Baum sind!), jedoch geht die Keimfähigkeit rasch verloren. Eicheln lassen sich deshalb nur schlecht längerfristig lagern (nach 1 Jahr nur noch zu einem sehr geringen Prozentsatz keimfähig). 1. Artbeschreibung 1.1 Morphologie Tausendkorngewicht (TKG): 1900-3500 g. Gestalt: Grosser, bis 40 m hoher, unregelmässig verzweigter Baum; Stamm (im Unterschied zur Q. robur) häufig bis zum Wipfel durchgehend ("wipfelschäftig"). 1.4 Wachstum Rinde: Anfangs graugrün, glatt, etwas glänzend; später dicke, tief längsrissige, graubraune Borke. In der Jugend sehr raschwüchsig, frühe Kulmination des Höhenzuwachses. Höchstalter etwa 1000 Jahre. Triebe: Kahl. Knospen an den Triebspitzen gehäuft, spitz eiförmig, ± kantig, vielschuppig. Blätter spiralig angeordnet, in Form und Grösse sehr variabel, 10-25 mm lang gestielt; Spreite unterseits entlang der Mittelrippe (v.a. in den Nervenwinkeln) mit Büschelhaaren, im Umriss oval bis verkehrt eiförmig (grösste Breite häufig in der Mitte), fiedrig gelappt mit jederseits 4-8 abgerundeten Lappen (die Buchten dazwischen meist weniger tief als bei Q. robur), im mittleren Teil nur ausnahmsweise Buchtennerven, Basis keil- bis schwach herzförmig. Blüten: Einhäusig verteilt. Die weiblichen sehr unscheinbar, zu 1-6 traubig genähert auf einem ganz kurzen Stiel blattachselständig an der Spitze diesjähriger Triebe; die männlichen in hängenden Kätzchen, eher im unteren Teil der diesjährigen Triebe. Anemogam. Früchte: Traubig (Name!) genähert in kurzgestielten Fruchtständen; Nuss (Eichel) im unteren Drittel von der napfförmigen Cupula umschlossen, im Vergleich zur Stieleiche durchschnittlich etwas kleiner und mehr eiförmig sowie im frischen Zustand einfarbig braun (meist ungestreift). Verbreitung durch Tiere (Vögel, Kleinsäuger). 2. Verbreitung 2.1 Horizontalverbreitung Europäische Pflanze (siehe Arealkarte). Vorratsanteil gemäss LFI: Stieleiche und Traubeneiche zusammen 2.0%. 2.2 Vertikalverbreitung Der Verbreitungsschwerpunkt der Traubeneiche liegt in der kollinen und submonta-nen Stufe. Sie steigt bis 1400 m ü.M. Bis ca. 700 m ü.M. kann sie im Qualitätswaldbau verwendet werden. Wurzel: In der Jugend kräftige, tiefreichende Pfahlwurzel, später Herzwurzelsystem. 172 173 3. Standortsansprüche c) Limitierende Faktoren, Grenzen 3.1 Physiologische und ökologische Amplitude, Grenzen a) Physiologisches Ökogramm (ohne Konkurrenzeinfluss) für Vorkommen, Verbreitung: Limitierend sind der Wärmebedarf und die Spätfrostempfindlichkeit der Traubeneiche. für waldbauliche Arbeit: Die Traubeneiche ist empfindlich gegenüber Spätfrost und Schneedruck. Sonst ist sie in Tieflagen auf allen trockeneren Standorten anbau-würdig. dürr d) Ökologische Kurzbeschreibung Physiologisches Optimum Physiologische Amplitude frisch Die Traubeneiche ist bodenvag, wärme- und lichtbedürftig und frost-empfindlich. Ihre ökologische Amplitude ist enger als diejenige der Stieleiche. Grenze waldfähiger Standorte Vorkommensgrenze der Buche Traubeneiche nass sehr sauer mässig sauer basisch b) Soziologisch-ökologisches Ökogramm und Gesellschaftsanschluss 3.2 Detaillierte Standortsansprüche a) Klimacharakter Die Traubeneiche ist eine Baumart der kollinen bis montanen Stufe, die vor allem in den ozeanisch geprägten Klimagebieten des subatlantischen - submediterranen Raumes gedeiht. b) Schattentoleranz/Lichtcharakter in der frühen Jugend: Halbschattenbaumart, schattenertragender als Stieleiche. ab Dickungsstufe: Lichtbaumart. dürr frisch Optimum der Buche c) Wärme Herrschaftsbereich der Baumart (ökologisches Optimum) Gesamtwärme: Wärmebedürftig. Ökologische Nische Winterkälte: Empfindlich, gefährdeter als Stieleiche. Grenze waldfähiger Standorte Traubeneiche nass d) Boden Geologisches Substrat: Indifferent. sehr sauer mässig sauer basisch Wasserhaushalt: Genügsam, meist auf trockeneren Standorten als die Stieleiche. Gesellschaftsanschluss: Nährstoffversorgung: Relativ geringe Ansprüche. Meist dominierend: 39-41 Stellenweise dominierend: 1w, 2, 3w, 4w, 6w, 7w, 9w, 10, 11w, 15, 25, 34, 35, 38, 42 Beigemischt: 6, 12-14, 16, 33, 36, 37, 46, 51-53, 61-66, 68 Bodenstruktur, physikalische Eigenschaften: Weitgehend indifferent. Wird auf schweren Böden von der Stieleiche abgelöst. 174 175 4.2 Biotische Gefährdungen 4. Gefährdungen Komplexkrankheiten: "Eichensterben" (Auslöser wahrscheinlich Witterungsextre-me, sekundär Pilzinfektionen). 4.1 Abiotische Gefährdungen Pilze: Microsphaera alphitoides (Eichenmehltau, weniger anfälliger als Q. robur) und zahlreiche weitere Blattparasiten (diese meist ohne grössere Bedeutung), Ciboria batschiana (Schwarze Eichelfäule, an Früchten), Rosellinia spp. und andere Pilze (Wurzelfäule an Jungpflanzen); Fäuleerreger: Phellinus robustus (EichenFeuerschwamm), Fistulina hepatica (Leberpilz), Xylobolus frustulatus (MosaikSchichtpilz), Laetiporus sulfureus (Schwefelporling). a) Verhalten unter Stresseinwirkung Wasserstress/Trockenheit: Wenig empfindlich. Überschwemmung: Wenig resistent. Erträgt nicht mehr als 2 1/2 Wochen sommer-liche Überschwemmung. Vernässung: Meidet vernässte Böden. Wechselhafter Wasserhaushalt: Erträgt wechselhaften Wasserhaushalt im mässig trockenen Bereich. Insekten: Tortrix viridana (Grüner Eichenwickler), Lymantria dispar (Schwammspinner), Thaumetopoea processionea (Eichen-Prozessionsspinner), Agrilus viridis (Grüner Prachtkäfer). Wildverbiss. Frost: Spätfrost: Spätfrostempfindlich, mehr als die in der Schweiz später austreibende Stieleiche. Frühfrost: Empfindlich. Bildet weniger proleptische Triebe als die Stieleiche, daher weniger gefährdet als diese. Frostrisse: Empfindlich, im gleichen Bestand gefährdeter als Stieleiche. b) Standfestigkeit Wind: Sturmfest. Schnee, Schneebruch: Im belaubten Zustand stark gefährdet, im unbelaubten ungefährdet. Dickungen durch Schneedruck gefährdet. c) Weitere abiotische Gefährdungen Keine. Verantwortlich für den Inhalt: Professur Waldbau: Kap. 2.2, 3, 4.1 Professur Forstschutz & Dendr.: Kap. 1, 2.1, 4.2 176 177