Universitätsklinikum Tübingen Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Newsletter 3 / 2007 __________________________________________________________________________________ Staphylococcus aureus: Bedeutung des Virulenzfaktors Panton-Valentine Leukozidin (PVL) Staphylococcus aureus ist der häufigste Erreger von ambulant erworbenen und nosokomialen Infektionen. Der Erreger kann als harmloser Kommensale der oberen Atemwege sowie der Haut vorkommen. S. aureus verursacht typischerweise Wundinfektionen, Furunkel, Fremdkörper-Infektionen, Osteomyelitiden, Septikämien und Endokarditiden. Durch das verstärkte Auftreten multiresistenter Stämme (MRSA) wird die Therapie zunehmend erschwert. Die Pathogenität von S. aureus wird durch zahlreiche Virulenzfaktoren (Adhäsine, Toxine) vermittelt. Virulenzfaktor Panton-Valentine Leukozidin (PVL) Die Gene für den Virulenzfaktor PVL lassen sich in etwa 2% der klinischen S. aureus-Stämme nachweisen. Untersucht man allerdings S. aureus-Isolate aus Furunkeln oder rezidivierenden Abszessen, ist der PVL-Nachweis in über 90% der Isolate möglich. PVL-positive Stämme finden sich auch bei nekrotisierenden Pneumonien. Neue Aufmerksamkeit hat PVL als Kennzeichen bei dem weltweit zunehmenden Problem der „community-acquired“ MRSA (CA-MRSA) erlangt. PVL kann bei MSSA und MRSA vorkommen! Das Leukozidin ist ein aus zwei Komponenten (LukF/S) bestehendes porenbildendes Toxin, das polymorphkernige neutrophile Granulozyten und Makrophagen zerstört. Es kommt zunächst zur Freisetzung von Mediatoren und schließlich zum Zelltod. Diagnostik und Therapie Bei klinischem Verdacht (s. o.) und Anzucht von S. aureus kann aus dem Isolat der PVL-Nachweis molekularbiologisch geführt werden. Der Verdacht auf Vorliegen von PVL bzw. die klinische Diagnose muß dabei dem Labor unbedingt mitgeteilt werden. Die Therapie von Infektionen durch PVL-positive S. aureus-Stämme unterscheidet sich nicht von Infektionen durch herkömmliche S. aureus. Allerdings sollte eine Sanierung von kolonisierten Patienten durchgeführt werden. Hygienemaßnahmen bei Nachweis von PVL-positiven S. aureus-Isolaten Für die Sanierung und den Umgang mit infizierten bzw. kolonisierten Patienten gelten die gleichen Regeln, wie für Patienten mit PVL-negativen MRSA (siehe auch Hygieneplan im Intranet unter „Klinikum intern“): • Isolierung des Patienten, Screening der Kontaktpatienten • Dekontamination der Nasenschleimhaut mit Mupirocin-Salbe 3x tägl. über mind. 3 Tage Chlorhexidin-Lsg. 0,4% zur Mundpflege Chlorhexidin-Lsg. 4% oder Sanalind HKDWaschgel zur Ganzkörperwäsche Täglicher Wechsel der Leib- und Bettwäsche einschl. Handtücher und Waschlappen Desinfektion von Zahnbürste, evtl. Zahnprothese, Brille, Rasierapparat, Körperschmuck Kontrollabstriche frühestens 3 Tage nach Beendigung der Sanierung • • • • • • Wann sollte man an PVL denken? • Charakteristisch für eine Infektion mit PVLpositiven S. aureus-Stämmen ist das Auftreten von rezidivierenden Pyodermien, insbesondere Furunkeln oder Abszessen. In engen Lebensgemeinschaften kommt es häufig zur Übertragung, z.B. zwischen Familienmitgliedern, aber auch unter Sportlern (z.B. bei Kontaktsportarten). Seltener wird das Auftreten einer nekrotisierenden Pneumonie beobachtet, Die Letalität dieser Erkrankung liegt bei >70%. • • Verwendung von Schutzkittel und Handschuhen bei direktem Patientenkontakt Konsequente Händedesinfektion, auch nach dem Ausziehen der Handschuhe Desinfektion der Kontaktflächen im Umfeld des Patienten (u. a. Thermometer, Stethoskop, RR-Manschette, Waschschüssel) Screening und ggf. Sanierung von engen Kontaktpersonen im privaten Umfeld