Technische Universität München Sepsis mit multiplen Abszessen bei einem 26jährigen Mann MRSA-Fallkonferenz 5.11.2014 Dr. Nina Wantia Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene TU München Technische Universität München Anamnese • • • • • • Junger Mann stellt sich am 28.04. in unserer Notambulanz vor. Er berichtet über Fieber, Dyspnoe und schwere Myalgien Seit 7 Tagen Grippe-ähnliche Beschwerden mit Husten, Fieber und Myalgien Therapie: Oseltamivir (Tamiflu) für 5 Tage (Hausärztin in Tschechien) Keine bekannten Vorerkrankungen Patient ist Franzose, aber als Fotograf und Journalist vielreisend, hat vorher in Griechenland gelebt (bis vor einem Jahr) jetzt in Deutschland Letzter Auslandsaufenthalt in Prag (bis vor zwei Tagen) Technische Universität München Untersuchung • Insgesamt septischer Kreislauf mit: – – – • • • Tachypnoe (40/ min) Tachykardie (125 / min) Fieber (38,6°C) Hämodynamisch und respiratorisch stabil Durch die schweren Myalgien generalisierte Unbeweglichkeit (4/5 Parese aller Extremitäten) Schwellung der rechten Hand (lt. Patient seit Aufnahmetag, vorher Schwellung des rechten Fußes) Technische Universität München Aufnahmelabor • • • • • • ANV mit Kreatinin: 3,1 mg/dl (normal<0,7-1,3 mg/dl) CRP: 43,5 mg/dl (normal: < 0,5 mg/dl) PCT: 134,6ng/ml (normal: <0,1 ng/ml) Leukozyten: morgens 11,69 G / l, 69% Neutrophile, abends: 21,23 G /l CK: 1637 U/l (normal: <174U/l) Urin: Nitrit: + Protein: + Akantozyten: + Technische Universität München Lungen-CT Schwere granulomatöse Pneumonie Histololgie: purulente Bronchopneumonie, keine Granula Antibiose: Piperacillin / Tazobactam und Clarithromycin Technische Universität München Diagnose ??? Leptospirose: negativ HIV: negativ Nachweis von S. aureus in BAL und Blutkulturen Zusätzliche Gabe von Linezolid i.v. Technische Universität München Diagnose ??? Nachweis von S. aureus in BAL und Blutkulturen Technische Universität München Weitere Diagnostik: Panton-Valentine Leukocidin (PVL) Diagnose: PVL+ MSSA Umsetzen auf Flucloxacillin (d4) und Clindamycin (d5) Technische Universität München Weiterer Verlauf • Labor Tag 7 (4.5.): – – – • • • Leukozyten: 21,23 PCT: 167 CRP: 43,5 9,62 7,8 17,7 Progrediente Schwellung der Hand und der unteren Extremitäten Multiple Abszesse an den Extremitäten Patient wurde operiert, darauf klinische Verschlechterung des Patienten Technische Universität München Weiterer Verlauf (Lunge Tag 6) Technische Universität München Bildgebung Tag 6 Beispiele für Abszessbildung: Hypodense Läsion von 8x3cm im Bereich rechter M. gluteus medius /minimus Rechts: Abszesse im Bereich M. vastus intermedius rechts und M. vastus lateralis links Technische Universität München Intraoperative Bilder Zu sehen sind ein Abszess nach Eröffnung sowie das linke Bein nach Debridement. Histologisch ergab sich das Bild einer nekrotisierenden Fasziitis Technische Universität München Weiterer Verlauf • • • • • • • • • Antibiose: Flucloxacillin 4x2g, Clindamycin 3x600mg, Meronem 3x1g Weiter Intensivtherapie, fast täglich chirurgische Interventionen mit Abszeßspaltungen in Extremitäten, u.a. auch Parapharyngealabszeß Patient wurde sediert und intubiert, war aber trotz der Pneumonie respiratorisch stabil An Tag 11 konnten die Wunden wieder geschlossen werden, am Oberschenkel war ein Hauttransplantat nötig Nach 21 Tagen Verlegung auf die Normalstation Gute resispiratorische und hämodynamische Werte, Nierenfunktion wiederhergestellt Weitere Therapie mit Flucloxacillin Verlegung in eine Rehabilitationisklinik nach Frankreich Patient jetzt vollkommen gesundet Technische Universität München PVL = Panton-Valentine Leukozidin • • PVL ist eine phagen-kodiertes Toxin aus zwei Komponenten (LukS-PV und LukF-PV) Erstbeschreibung durch Valentine und Panton im Jahr 1932 (Panton et al. Staphylococcal Toxin. The Lancet, 1932: p506-8) • • • • • • Auftauchen in den 90ern in MRSA als community-acquired MRSA (caMRSA) in West Australien Jetzt weltweit, aber v.a. in USA weit verbreitet (bei Hautinfektionen caMRSA in 50%!!) (Moran et al. N Engl J Med 2006;355:666-74) Vorkommen auch in Oxacillin-sensiblen S. aureus (MSSA) Infektion von primär gesunden Patienten, die multiple Abszesse aufzeigen, hier häufig familiäre Häufungen und Ketteninfektionen Ausbrüche wurden beschrieben (Tinelli et al. 2009, Emerg Inf Dis;15(2)) Nekrotisierende Pneumonie mit 50-60% Letalität, Pyomyositis, nekrotisierende Fasziitis und Sepsis sind weitere klinische Ausprägungen Technische Universität München Epidemiologie PVL in Europa / Deutschland • • • • Insgesamt wenig Daten Frankreich und Niederland: bis zu 39% aller S. aureus aus Abzsessen PVL+ ! Einzelne Fallberichte (Pyomyositis, nekr. Pneumonie, Ausbrüche), keine epid. Daten Neue Daten aus Sachsen-Anhalt (2007-2012) (Poster MSP11, DGHM 2013 Rostock) • – 33.369 S. aureus Isolate auf MecA und PVL – 1% PVL-MSSA, 0,09% PVL-MRSA – PVL-MSSA in respiratorischen Materialien 0,3%, Haut- und Schleimhautinfektion 3,5% Unser Stamm: „spa Typ war t8026, eher ungewöhnlich und zu einem klonalen Komplex von besiedlungs-assoziierten S. aureus zu rechnen (MLST CC30), die ggfs. luk-PV positiv sind.“ (NRZ) Technische Universität München Literaturrecherche • • Empfehlung ist häufig Linezolid, da vermehrte Toxinausschüttung durch Betalaktame befürchtet wird Clindamycin wird als ribosomal wirksames Antibiotikum verwendet und stoppt die Proteinproduktion Teils Gabe von Immunglobulinen empfohlen, da Immunsuppression durch PVL Anschließende Ganzkörpersanierung empfohlen! • Bei ungewöhnlich schweren S. aureus Infektionen an PVL denken! • • Gillet, Y. et al. Pragmatic management of Panton-Valentine leucocidin-associated staphylococcal diseases. International journal of antimicrobial agents, 2011. 38(6):p457-64 Technische Universität München Danke an Dr. Schwerdtfeger (2. Med. Klinik) und Dr. Feihl (Mikrobiologie) Und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!