Programm 2013-11-26

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PROGRAMM
Anton Webern (1883-1945)
Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 (1909)
Heftig bewegt – Etwas ruhiger
Sehr langsam
Sehr bewegt
Sehr langsam
In zarter Bewegung
Alban Berg (1885-1935)
Lyrische Suite für Streichquartett (1925/26)
Allegretto gioviale
Andante amoroso
Allegro misterioso - Trio estatico
Adagio appassionato
Presto delirando - Tenebroso
Largo desolato
—
Arnold Schönberg (1874-1951)
Streichquartett Nr. 2 mit Singstimme, fis-moll, op. 10 (1907/08)
Sätze 3 und 4 unter Verwendung zweier Gedichte von Stefan
George (1868-1933)
Mässig
Sehr rasch
LITANEI. Langsam
ENTRUECKUNG. Sehr langsam
Nächste Konzerte:
Dienstag, 18.02.2014 (B)
Belcea Quartet (London)
Purcell, Britten, Mozart
Dienstag, 25.02.2014 (A)
Artemis Quartett (Berlin)
Brahms op. 67 und 51/1, Kurtág, Officium breve
Dienstag, 18.03.2013 (A)
Kolja Blacher / Clemens Hagen / Kirill Gerstein
Beethoven Zyklus, 3. Konzert: «Ich fühle Luft von anderem Planeten...»
Duos für Violine bzw. Violoncello und Klavier
Die «Fünf Sätze» Weberns dürften für den Komponisten in mancher Hinsicht den Durchbruch gebracht haben: Befreiung von der
festen Tonalität – das Wort Atonalität schätzte Webern nicht –
ebenso wie von den tradierten Formen und Bekenntnis zur Kürze.
Die für Webern charakteristische Kürze hängt eng mit dem Verlassen der klassischen Satzformen zusammen. Sonatenform mit
Durchführung und Reprise oder Rondoform mit mehrfacher Wiederkehr des Themas waren keine unumgehbaren Zwänge mehr,
und diese Freiheit der beinahe abstrakten selbst gewählten Form
machte aussagekräftige Stücke von der Dauer einer halben bis
zwei Minuten möglich. «Webern kann in zwei Minuten mehr
sagen als die meisten anderen Komponisten in zehn.» Die Aussage von Humphrey Searle (englischer Zwölftonkomponist und
Webern-Schüler, 1915-1982) können wir zu «in wenigen Sekunden» ändern: Der dritte der «Fünf Sätze» dauert gegen 40 Sekunden. Und doch sind die «Fünf Sätze» mit rund zehn Minuten noch
relativ lang; die «Sechs Bagatellen» op. 9 (1911/13) werden noch
vier dauern. Der erste Satz des op. 5 ist eigentlich noch ein Sonatensatz. Kürze allein ist nicht entscheidend. Wichtig ist neben der
Dichte, die durchaus auch Luft lässt, die Vielfalt der Klänge, welche durch extreme Differenzierung der Spielweise erreicht wird.
Der Kritiker Paul Stefan hat die Kompositionsweise umschrieben
mit «Nicht ein Ton zuviel, von allem nur die letzte Frucht, das
innerste Wissen, die kleinste Bewegung.» Im op. 5 ist Webern auf
dem Weg dahin.
Zusammen mit Webern war Alban Berg 1904 Schönbergs Schüler geworden. Wo Webern durch Kürze und Dichte überzeugt,
wirkt Berg durch Expressivität und Klangsinnlichkeit, die manchmal an Spätromantisches erinnert. Natürlich kennt auch er die
neuen Klänge und setzt sie in der Lyrischen Suite gekonnt ein.
Diese hat er nach Alexander Zemlinskys Lyrischer Sinfonie benannt, dem älteren Freund und Mentor gewidmet und ihm mit
einem Zitat im Adagio appassionato die Reverenz bekräftigt. Dass
hinter Widmung und Zitat mehr steckt, erahnt man, seit man
weiss, dass das Werk der Ausdruck einer tiefen, doch unerfüllten
Liebe zu Franz Werfels Schwester Hanna Fuchs-Robettin ist. Man
kann sich fragen, ob nicht bewusste Tarnung vorliegt. Die Lyrische Sinfonie ist eine Folge von sieben Liebesgesängen. Berg
zitiert die schönste Phrase des Baritons, den Refrain «Du bist
mein Eigen, mein Eigen» aus dem 3. Satz. Sieht man das Textumfeld näher an, so fällt folgende Passage der 3. Strophe auf: «Ich
hab dich gefangen und dich eingesponnen, Geliebte, in das Netz
meiner Musik. Du bist mein Eigen, mein Eigen, du, die in meinen
unsterblichen Träumen wohnt.» Genau das hat Berg getan, wenn
er die Initialen A-B und H-F «immer wieder in die Musik hineingeheimnisst». Die Zahlen 10 und 23, «unsere Zahlen», wie Berg
für Hanna schreibt, bestimmen das Kompositionsschema von
Sätzen und Satzteilen. «Ich habe dies und vieles andere Beziehungsvolle für Dich in diese Partitur hineingeschrieben», so ein
Tristanzitat und in der Melodiestimme des Largo desolato eingewoben ein Zitat aus Baudelaires Gedicht De profundis clamavi:
«Zu Dir, Du einzig teure, dringt mein Schrei aus tiefster Schlucht,
darin mein Herz gefallen.» All dies geschieht im Rahmen der
Zwölftontechnik und der scheinbar absoluten Musik eines
Streichquartetts. In Kenntnis des geheimen Programms, das
Bergs Gattin Helene nie durchschaut hat, versteht man auch die
eigenartigen Satzbezeichnungen vom gioviale (ursprünglich gioioso) über das delirando der Krise des Liebesdramas bis hin zum
endgültigen Verzicht im desolato. Berg charakterisierte die sechs
Sätze mit 1. «...dessen belanglose Stimmung die folgende Tragödie nicht erahnen lässt» / 2. «Szene im Hause Hannas» / 3.
«Liebe zu Hanna. 20.5.25» / 4. «Tags darauf» / 5. «Schrecken
und Qualen, die nun folgten» / 6. mit dem erwähnten «De profundis clamavi». Aber die durchaus als absolute Musik fassbare
Suite verliert dadurch ebenso wenig an Aussagekraft und
Schönheit wie Janáčeks fast gleichzeitiges 2. Streichquartett mit
seiner ähnlichen «Thematik».
Der die «Luft von anderem Planeten» als erster gespürt, sie
seinen Schülern vermittelt und zudem den George-Text an
entscheidender Stelle vertont hat, war Schönberg. Das 2.
Streichquartett ist das Werk dieses Übergangs, bei dem sich
einerseits Tonartenbindung (fis-moll im Kopfsatz) und andererseits der Verzicht auf die feste Einbindung ins Tonartensystem
(im 2. Satz mit dem Volksliedzitat) finden. Merkwürdigerweise
ist dieses Quartett wie dasjenige Bergs, wenn auch mit vertauschten Rollen, eng mit der Beziehung zu einer Frau verbunden. Auch Schönberg bedient sich eines unüberhörbaren Zitats,
und auch Zemlinsky ist beteiligt, dazu am Rande Webern.
Schönberg war nicht nur Schüler Zemlinskys, der sein einziger
Lehrer war, er hatte 1901 auch dessen Schwester Mathilde
geheiratet. Diese hat ihn 1907 mit dem Maler Richard Gerstl
betrogen und verlassen, was Schönberg in eine tiefe Krise
stürzte. Es gelang zwar Webern, Mathilde und Schönberg
wieder zusammenzubringen – doch da war nichts mehr wie
früher. Das Zitat «O du lieber Augustin, alles ist hin...» im 2.
Satz gibt dieser Stimmung Ausdruck. Neu an diesem Quartett
ist der Einbezug der Singstimme. Was in der Sinfonie seit
Beethoven nicht häufig, doch möglich und seit Mahler gängig
geworden war, bedeutete in einem Streichquartett beinahe
einen Tabubruch. Auch in den beiden «Vokalsätzen», in denen
die Singstimme in den Streichersatz eingebaut ist, wird die
feste Grundierung auf einer Tonart aufgehoben. Dazu kommt
die in Georges Texten ausgedrückte Lösung vom Irdischen ins
geradezu Mystische. Die neue Musik Schönbergs, welche damals Skandale auslöste, und die seiner Schüler musste wie
«Luft von anderem Planeten» wirken: Neue Welten öffnen sich.
Und so ist Schönbergs Wahl gerade dieser Texte und speziell
des Gedichts «Entrückung» mehr als nur die Klage über den
Verlust, wie es «Litanei» zunächst nahe legen könnte, sondern
bedeutet das bewusste Verlassen gewohnter Wege und Suche
nach Neuem. 1923 wird sich dies definitiv in der Kompositionstechnik «mit zwölf nur aufeinanderbezogenen Tönen» erfüllen.
rs
Vorverkauf
Stadtcasino, 061 273 73 73
Bider&Tanner/Musik Wyler, 061 206 99 96
starticket, www.starticket.ch
Abendkasse
Stadtcasino
Veranstalter
Gesellschaft für Kammermusik
Malzgasse 15, CH–4052 Basel, 061 461 77 88
www.kammermusik.org
88. Saison, 9. Konzert, Zyklus A
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal, 19.30 Uhr
Arditti String Quartet (London)
Irvine Arditti, Violine
Ashot Sarkissjan, Violine
Ralf Ehlers, Viola
Lucas Fels, Violoncello
Seit seiner Gründung im Jahre 1974 durch den damals 21jährigen Irvine Arditti gilt das Arditti Quartet als das Ensemble
für moderne Streichquartettliteratur. Werke vor 1900 spielt es
nur wenige wie Beethovens Grosse Fuge, dafür umso lieber
neue und neuste Stücke. Mehrere hundert Quartette und dazu
Werke in anderer Besetzung hat es zur Uraufführung gebracht,
drei auch in unseren Konzertreihen (Ferneyhough Nr. 4 1990,
Wohlhauser 2001, Winkelman 2011). Die Reihe der Komponisten, die Werke explizit für die Ardittis geschrieben haben, ist
lang. Kein Wunder, dass das Ensemble auch eine enge Zusammenarbeit mit diesen Komponisten pflegt. Nicht nur «Weltmeister im Uraufführen» (wie die Basler Zeitung einst titelte) sind
die Arditti-Musiker, sondern unbestritten auch Garanten für die
höchst kompetente Interpretation Neuer Musik. Dies haben sie
in über 190 CD-Einspielungen solcher Werke bewiesen. Für die
beste Aufnahme zeitgenössischer Musik errang das Arditti
Quartet 1999 mit Quartetten von Elliott Carter und 2002 mit
Harrison Birtwistle den Gramophone award. Der enorme Einsatz für die moderne Musik wurde zudem 1999 mit dem renommierten Ernst von Siemens Musik-Preis und 2004 mit dem
«Coup de Coeur» der Académie Charles Cros für den Beitrag
zur Verbreitung der Musik unserer Zeit gewürdigt. Erstaunlich
ist nicht nur die Breite dieses höchst schwierigen Repertoires,
sondern auch, dass das Quartett diese Werke jederzeit präsent
hat und aufführen kann. Die Ardittis haben bei uns auch schon
früher Werke des heutigen Programms gespielt: 1990 Schönbergs 2. Quartett und 2008 Bergs Lyrische Suite. Der Plan zum
heutigen Konzert mit Franziska Hirzel entstand im Anschluss an
den letzten Auftritt des Quartetts bei uns als Einspringer für die
Uraufführung von Helena Winkelmans Quartett 2011.
Kammermusik Basel
Konzerte 2013/2014
9
28.1.2014
Arditti String Quartet
(London)
Franziska Hirzel, Sopran
Wir danken für die namhafte Unterstützung durch:
gastierte an zahlreichen europäischen Bühnen und Internationalen Festspielen (Salzburger-Festspiele, Holland-, Flandern-,
Rheingau-Festival, Internationales Beethoven Fest Bonn, Prager
Herbst). Ihr umfangreiches Opern- und Konzertrepertoire reicht
von Rameau bis zu zeitgenössischen Komponisten mit mehreren Uraufführungen. Sie erhielt Auszeichnungen für besondere
Aufführungen und Aufnahmen: Diapason d’Or, Grand Prix de la
Critique, EchoKlassik. Sie wirkte bei Rundfunk-, Fernseh- und
CD-Produktionen mit, etwa bei Schönbergs «Moses und Aron»
unter Pierre Boulez. Schwerpunkte bilden die Mélisande von
Debussy, die grossen Mozart-Partien und Konzertarien, BachPassionen, Beethoven- und Mahler-Sinfonien. Ihre neueste
Aufnahme mit Liedern von Richard Wagner, Hans von Bülow
und Franz Liszt in Blu-Ray-Audio erschien im September 2013.
Sie unterrichtet Sologesang in Basel.
In Zusammenarbeit mit Radio SRF 2 Kultur
© Astrid Karger
Franziska Hirzel, Sopran
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