Der Konflikt als parasitäres soziales System, Soziologie

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Geisteswissenschaft
Erik Buder
Der Konflikt als parasitäres soziales System
Essay
Technische Universität Dresden
Philosophische Fakultät
Institut für Soziologie
Lehrstuhl für Techniksoziologie
Seminar:
Soziologie des Konflikts
SS 2007
Der Konflikt als parasitäres soziales System
- Essay -
Erik Buder
Diplom Soziologie
7. Semester
Modul: SM03 (Wirtschaft, Technik, Politik) 2300
1
„Von Konflikten wollen wir
immer dann sprechen, wenn einer Kommunikation
widersprochen wird. Man könnte auch formulieren: wenn ein Widerspruch kommuniziert
wird.
Ein
Konflikt
ist
operative
Verselbstständigung
eines
Widerspruchs
durch
Kommunikation. Ein Konflikt liegt also nur dann vor, wenn Erwartungen kommuniziert
werden und das Nichtakzeptieren der Kommunikation rückkommuniziert wird.“1
Dieses Zitat steht im Kontext der Theorie sozialer Systeme von Niklas Luhmann 2 und dient
diesem Aufsatz als Einleitung um dem 'Konflikt' als Gegenstand dieses Essays im Vorfeld
eine Definition zu verleihen. Es interessiert im Besonderen die Funktion des Konfliktbegriffes
an dieser Stelle, in Luhmanns Theorie. Er behandelt ihn ausdrücklich in dem Kapitel neun
„Widerspruch und Konflikt“ in seinem Werk „Soziale Systeme, Grundriss einer allgemeinen
Theorie.“3
Welche Rolle spielt der Konfliktbegriff nun in der Gesellschaft, beziehungsweise ihren
ausdifferenzierten Subsystemen, wie beispielsweise den Massenmedien, Wirtschaft, Politik,
Kunst oder Wissenschaft?4 Ist der Konflikt etwa selbst ein soziales System, welches aus
Kommunikation besteht und mit derselben es operiert? Gehört er eher zu Interaktionen, zu
Organisation, oder erstreckt er sich über die gesamte Gesellschaft als umfassendstes
Sozialsystem? Was ist sein Auftrag? Wem dient er? Kann die Gesellschaft ohne Konflikte
existieren?5 Fragen, welche mit einer exakten Analyse der einführenden Definition im Sinne
Niklas Luhmanns erarbeitet werden könnten. Es heißt: „Von Konflikten wollen wir immer
dann sprechen, wenn einer Kommunikation widersprochen wird.“6 Das bedeutet, wenn eine
Kommunikation von einer anderen verneint wird, entsteht ein Konflikt, über welchen
wiederum kommuniziert wird. Verwandelt sich nun das vor dem Konflikt existierende soziale
System in ein neues soziales Konfliktsystem oder differenziert sich der Konflikt in einem
1
Bonacker, Thorsten: Konflikttheorien, Eine sozialwissenschaftliche Einführung mit Quellen, Opladen 1996, S.
477.
2
Zur Biographie siehe: Stichweh, Rudolf: Niklas Luhmann (1927-1998), in: Kaesler, Dirk (Hrsg.): Klassiker der
Soziologie 2, Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu, 4. Auflage, München 2003, S. 206f.
3
Luhmann, Niklas: Soziale Systeme, Grundriss einer allgemeinen Theorie, 2. Auflage, Frankfurt a. Main 1988,
S. 488-550.
4
Berghaus, Margot: Luhmann leicht gemacht, 2., überarbeitete und ergänzte Auflage, Köln Weimar Wien 2004,
S. 62.
5
Anmerkungen des Verfassers.
6
Bonacker 1996, S. 477.
2
neuen sozialen Teilsystem aus?7 Luhmann meint: „Insofern eignet sich die Metapher der
parasitären Existenz von Konflikten; aber das Parasitentum ist hier typisch nicht auf
Symbiose angelegt, sondern tendiert zur Absorption des gastgebenden Systems durch den
Konflikt in dem Maße, als alle Aufmerksamkeit und alle Ressourcen für den Konflikt
beansprucht werden.“8 Man kann demnach erkennen, dass sich der Konflikt nicht
ausdifferenziert, sondern dass dieser das soziale System absorbiert, dem gastgebenden System
somit die Aufmerksamkeit entzieht. Der Konflikt ist also ein parasitäres soziales System. 9 Um
diese parasitäre Existenz sozialer Konflikte „als Bedingung
von Konflikten zu
veranschaulichen“10 ist es notwendig zu erkennen, dass sich Erwartungen gebildet haben
müssen, welche kommuniziert werden und kollidieren, bevor der Konflikt entsteht. Es gibt
also ein Sozialsystem, „in dem Erwartungen erwartet werden können.“11 Durch den Code der
Sprache welcher durch JA und NEIN gekennzeichnet ist, besteht in diesem Fall wie schon
erwähnt die Möglichkeit der Negation von Kommunikation und im Besonderen von
Erwartungen, welche zu einem Widerspruch führen. „Jeder Konflikt setzt einen Widerspruch
voraus. Mit diesem Begriff wird der Fall bezeichnet, in dem innerhalb eines sozialen Systems
die Möglichkeit ausgenutzt wird, die Ablehnung einer vorherigen Kommunikation zu
kommunizieren.“12 Auf Nein kann somit mit einem weiteren Nein reagiert werden. Nach dem
Muster: „Mir nützt was dir schadet“, entwickelt sich somit der Konflikt als soziales System
nach dem Muster der doppelten Kontingenz. Luhmann weißt darauf hin, das Konflikte hoch
integrierte Sozialsysteme sind, wenn sie sich erstmal auf den Konflikt eingelassen haben. 13
Gibt es nun unterschiede auf den drei Ebenen Interaktion, Organisation und Gesellschaft? Wie
konstituiert sich das Phänomen innerhalb dieser separaten sozialen Systeme? Thorsten
Bonacker antwortet auf diese Frage mit Bezug auf Luhmann und meint: „In allen können
Konflikte parasitär existieren, wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise. So haben
Interaktionssysteme nur die Wahl Konflikte zu vermeiden oder Konflikte zu sein.
Organisationssysteme können dagegen Konflikte in interne Konflikte zwischen Mitgliedern
und externe Konflikte, in denen sie zum Beispiel als Konfliktpartei auftreten, unterteilen.“ 14
7
Anmerkung des Verfassers.
Luhmann 1988, S. 533.
9
Baraldi, Claudio: Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, 1. Auflage, Frankfurt am Main 1997,
S. 97.
10
Bonacker, Thorsten: Die Konflikttheorie der autopoietischen Systemtheorie, in: Ders. (Hrsg.):
Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, Eine Einführung, Opladen 2002, S. 275.
11
Ebenda.
12
Baraldi 1997, S. 98.
13
Luhmann 1988, S. 532.
14
Bonacker 2002, S. 275.
8
3
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