Zielgerichtete Therapie Mammakarzinom

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Zielgerichtete Therapien bei Brustkrebs
Dr. Daniela Oesterle, 2016
Neben Chemo- und Antihormontherapien spielen
zielgerichtete Therapien eine wichtige Rolle in
der medikamentösen Brustkrebsbehandlung.
Namensgebend für diese Therapieformen sind
Wirkstoffe, die zielgenau molekulare Vorgänge
in Krebszellen blockieren und so deren
unkontrolliertem
Wachstum
gegensteuern.
Sie können die Heilungschancen beim frühen
Brustkrebs verbessern und die Überlebenszeiten
bei der metastasierten Erkrankung verlängern.
Allerdings sind auch zielgerichtete Therapien
nicht ohne Nebenwirkungen.
Zielgerichtete Krebstherapie: Zellsignale
hemmen
Zu den Therapiefortschritten in der medikamentösen Krebsbehandlung gehören heute
die sogenannten zielgerichteten Therapien (engl.
= targeted therapies). Die Wirkstoffe hemmen
dabei gezielt bestimmte, für Krebszellen lebensnotwendige Proteine auf oder in Krebszellen oder
in der Tumorumgebung. Zielgerichtete Therapien
konnten dank dank wachsender Kenntnisse über
die zellulären, molekularbiologischen Vorgänge
in Krebszellen entwickelt werden. Sie sind eine
relativ moderne Behandlungsform von Krebs.
Über das Leben und Sterben von Zellen entscheiden streng regulierte molekulare Mechanismen. Sie laufen in jeder einzelnen Zelle
ab und folgen unter anderen Möglichkeiten
diesem Prinzip: Botenstoffe (wie Hormone oder
Wachstumsfaktoren) binden an Rezeptoren auf
der Zelloberfläche (= Andockstellen). Im Zellinneren reagiert ein spezielles Protein (Kinase),
das eng mit dem inneren Bereich des Rezeptors
verknüpft ist. Die Kinase gibt das Signal über
eine Reihe von weiteren Proteinen bis in den
Zellkern weiter, der Schaltzentrale der Zelle.
Abhängig vom eingehendem Signal reagiert der
Zellkern mit der Produktion von Proteinen, die
das Wachstum und Überleben anregen oder zum
Absterben (programmierter Zelltod = Apoptose)
führen.
Wachstumsstrategien stoppen
Krebszellen setzen sich über manche der
Regelmechanismen hinweg: Sie produzieren
beispielsweise mehr Rezeptoren für Wachstumsfaktoren oder umgehen Signalwege,
die zum Zelltod führen. Ab einer bestimmten
Tumorgröße schütten Krebszellen zudem
vermehrt Wachstumsfaktoren aus. Diese
binden an die Rezeptoren von umliegenden
Blutgefäßzellen und beauftragen sie, neue
Blutgefäße auszubilden (Neoangiogenese),
die den Tumor mit Nährstoffen und Sauerstoff
versorgen.
Dank dieses Wissens konnten verschiedenste
Proteine ausfindig gemacht werden, die sich
als Angriffsziel für neue Medikamente eignen.
Zu den interessantesten Zielen in der Brustkrebsbehandlung gehören HER2-Rezeptoren,
Tyrosinkinasen (Kinasen von HER2-Rezeptoren) sowie mTOR (“mammalian target of
rapamycin”) oder VEGF (“vascular endothelial
growth factor”). Während mTOR im
Zellinneren das Überleben der Zelle über
viele Wege sichert, aktiviert VEGF außerhalb
Blutgefäßzellen zur Neoangiogenese. Wird eines
dieser Proteine gezielt gehemmt, so werden
die Überlebensmechanismen und Wachstumsstrategien der Krebszellen abgebremst und der
Tumor und/oder Metastasen therapiert.
Sechs zugelassene Wirkstoffe
Im Jahr 2000 wurde in Deutschland als
erster zielgerichteter Wirkstoff Trastuzumab
(Markenname: Herceptin®) zugelassen. Mittlerweile sind hierzulande fünf weitere zielgerichtete Wirkstoffe zugelassen: Pertuzumab
(Markenname Perjeta®), Lapatinib (Markenname
Tyverb®), Everolimus (Markenname Afinitor®),
Bevacizumab (Markenname Avastin®) sowieTDM1 (Markenname: Kadcyla®), eine Kombination
aus Trastuzumab und Chemotherapie.
Die Substanzen teilt man entsprechend ihrer
Zielstrukturen in vier Hauptgruppen ein:
© Redaktionsbüro Zeilenumbruch – Dr. Daniela Oesterle
•
•
•
•
Antikörper gegen HER2-Rezeptoren: Trastuzumab, Pertuzumab, T-DM1
Tyrosinkinase-Hemmung: Lapatinib
mTOR-Hemmung: Everolimus
Gefäßwachstums-Hemmung über VEGF-Blockade: Bevacizumab
Trastuzumab, Pertuzumab und Bevacizumab
wirken außerhalb von Zellen und sind relativ
große Proteine, die sogenannten Antikörper. Die
Namensendung von zielgerichteten Antikörpern
lautet stets “-mab”.
Müssen die Wirkstoffe hingegen im Zellinneren
wirken, setzt man niedermolekulare Substanzen
ein. Die Wirkstoffnamen dieser sogenannten
“kleinen Moleküle” (engl. = small molecules)
enden abhängig von ihrem Zielprotein: Wirkstoffe
gegen Tyrosinkinase enden mit “-nib” oder “-mib”,
Wirkstoffe gegen mTOR enden mit “-imus”.
Die Wirkstoffe Trastuzumab, Pertuzumab,
Bevacizumab und T-DM1 werden intravenös (i.v.)
verabreicht. Trastuzumab kann als einziger
Wirkstoff auch unter die Haut gespritzt (subcutan,
s.c.) werden. Als Tablette über den Mund
eingenommen (oral) stehen Everolimus und
Lapatinib zur Verfügung.
Zielgerichtete Therapien: Wer profitiert?
Welche medikamentöse Therapie (Chemo-,
Antihormon-, zielgerichtete Therapie oder in
Kombination) eingesetzt wird, hängt unter
anderem von den vorhandene Rezeptoren auf
der Oberfläche von Krebszellen ab. Daher gehört
heute zum klinischen Alltag, die entnommene
Tumorprobe mithilfe immunhistochemischer
Methoden auf drei Rezeptoren hin zu untersuchen:
HER2-Rezeptoren, Östrogenrezeptoren (ER)
sowie Progesteronrezeptoren (PgR).
Je nach Vorhandensein (“positiv”) oder NichtVorhandensein (“negativ”) wird in vier molekulare
Subtypen unterschieden. Häufig wird zudem der
Parameter Ki-67 bestimmt, der Rückschlüsse
auf das Wachstumsverhalten zulässt:
•
•
­
­
Luminal A:
ER und/oder PgR-positiv. HER2-negativ. Ki-67 niedrig (kleiner
14 Prozent)
Luminal B:
- ER und/oder PgR-positiv. HER2-
negativ. Ki-67 hoch (größer 14 Prozent)
- ER und/oder PgR-positiv. HER2-
positiv. Ki-67 hoch oder niedrig
•
HER2-positiv: ER und/oder PgR-
negativ. HER2-positiv.
•
Triple-negativ: ER-, PgR- und HER2-
negativ.
Luminal A sowie Luminal B: Krebszellen
dieser Subtypen tragen Östrogen- und/oder
Progesteronrezeptoren auf ihrer Oberfläche und
werden mit der Antihormontherapie alleine oder in
Kombination mit einer Chemotherapie behandelt.
Wenn diese Krebszellen auf Antihormontherapien
nicht mehr ansprechen, kann der zielgerichtete
Wirkstoff Everolimus zum Einsatz kommen.
Triple-negativ: Bei diesem Subtyp behandelt man
derzeit mit Chemotherapie. Eine zugelassene
zielgerichtete Therapie gibt es bisher nicht.
HER2-positiv: Zielgerichtete Therapien mit
Trastuzumab, Pertuzumab, T-DM1 werden eingesetzt, wenn der Rezeptor HER2 auf der
Oberfläche von Krebszellen vermehrt vorkommt. Im
Arztbrief drückt sich dies mit der Angabe HER2 ++
(auch 2+) oder HER2 +++ (auch 3+) aus.
Allerdings ist HER2 2+ nicht unbedingt eindeutig,
weswegen die Anzahl der Rezeptoren häufig durch
den sogenannten FisH-Test konkretisiert wird.
Lassen sich keine (HER2-negativ oder HER20) oder wenige HER2-Rezeptoren nachweisen
(HER2 1+), sind zielgerichtete Therapien
gegen HER2-Rezeptoren voraussichtlich nicht
sinnvoll. Bevacizumab ist derzeit die einzige
zugelassene Substanz, die in Kombination mit
einer Chemotherapie bei HER2-0- oder HER1+Tumoren verwendet wird.
Einzeltherapie oder kombiniert mit
Chemotherapie?
Während Trastuzumab sowohl im frühen als
auch im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium
zugelassen ist und im klinischen Alltag genutzt
werden kann, sind Pertuzumab, Lapatinib,
Everolimus, Bevacizumab und T-DM1 zur
Behandlung des fortgeschrittenen metastasierten
Stadiums zugelassen.
Meist werden zielgerichtete Therapien in
Kombination mit einer Chemo- oder Antihormontherapie verabreicht. Das frühe Mammakarzinom mit HER2-positiven Krebszellen
wird standardmäßig mit einer Kombination aus
Chemotherapie und Trastuzumab behandelt.
In der Einzeltherapie kommt Trastuzumab in
der Behandlung von metastasiertem Brustkrebs
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infrage. Auch T-DM1 kann einzeln genutzt werden,
wenn der Brustkrebs zuvor mit Trastuzumab und
einer Taxan-haltigen Chemotherapie behandelt
wurde.
Ärztin bzw. ihrem behandelnden Arzt besprechen.
Häufig empfehlen Mediziner auch die Teilnahme
an Studien und informieren entsprechend über
die Möglichkeiten.
Es gibt zudem Behandlungsformen bei denen zwei
zielgerichtete Substanzen kombiniert werden,
beispielsweise Trastuzumab plus Lapatinib bei
der metastasierten Erkrankung.
Nebenwirkungen nicht unerhebich
Mediziner treffen die Wahl der Medikamente
in Abhängigkeit vieler Faktoren. Neben dem
Stadium der Erkrankung, dem jeweiligen
molekularen Subtyp der Krebszellen und der
Tumorgröße, können beispielsweise das Alter der
Patientin, der allgemeine Gesundheitszustand,
das Ansprechen auf vorherige Therapien oder
zu erwartende Nebenwirkungen die Wahl der
Therapie bestimmen.
Obwohl zielgerichtete Therapien überwiegend
die Zellvorgänge von Krebszellen ansteuern,
beeinflussen sie auch gesunde Zellen.
Dementsprechend treten auch bei diesen
Therapien Nebenwirkungen auf. So gehören
Übelkeit, Erbrechen und Verdauungsbeschwerden
sowie Entzündungen der Mundschleimhäute
oder Haut zu denkbaren Nebenwirkungen. Auch
Erschöpfungszustände (“Fatigue”), Bluthochdruck, Blutgerinnsel oder Herzinsuffizienz sind
nicht auszuschließen.
Neue Substanzen in der Pipeline
Dank der bisherigen aussichtsreichen Ergebnisse
von zielgerichteten Therapien gegen Brustkrebs
werden derzeit viele weitere Substanzen in
internationalen klinischen Studien getestet. Zu
ihnen gehören beispielsweise die Substanzen
Olaparib, Inioarib und Veliparib, die das Enzym
PARP hemmen. PARP spielt eine wichtige Rolle
in der Reparatur der DNA. Wird PARP gehemmt,
destabilisiert das Erbgut, was den programmierten
Zelltod zur Folge hat.
Andere in der Prüfung befindlichen Wirkstoffe
richten sich gegen HER2-gekoppelte Tyrosinkinasen wie Afatinib oder Neratinib oder gegen
ein kleines, aber ein für die Krebszelle wichtiges
Protein namens HSP90 wie NVP-AUY 922.
Substanzen, die die Ausbildung neuer Blutgefäße
beeinflussen, sind Sunitinib, Sorafenib und
Vandetanib.
Patientinnen mit Interesse an einer Studienteilnahme sollten sich mit ihrer behandelnden
Quellen:
1. Harbeck, N. Zielgerichtete Therapien beim Mammakarzinom. Schattauer Verlag, 2015
2. Tumorzentrum München, Bauerfeind I. Manual Mammakarzinome: Empfehlungen, Diagnostik, Therapie und Nachsorge. W. Zuckerschwerdt Verlag, 2015
3. Deutsche Krebsgesellschaft e.V. (DKG) Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Interdisziplinäre
4. S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge
des Mammakarzinoms. Stand 2012
5. Overkamp F. Herausforderungen zielgerichteter Substanzen an die onkologische Supportivtherapie. Onkologe
2015;297–304
6. Michel C, Neubauer A, Burchert A. Kinasen als Ziele
molekularer Tumortherapie. Onkologe 2016;22:40–49
7. American Cancer Society. www.cancer.org (Zugegriffen:
02.03.2016)
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