PD Dr. Andreas Funke, Vorlesung Rechtsphilosophie, SS 2011 Übersicht zu § 7 Kritik des Rechtspositivismus: Ronald Dworkin Text: Ronald Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen, 1994, S. 42-90 A. Allgemeines I. Lebensdaten geb. 1931 Studium der Philosophie und der Rechtswissenschaften in Harvard und Oxford Tätigkeit als Rechtsanwalt und Assistent an einem US-amerikanischen Rechtsmittelgericht ab 1962 verschiedenen Professuren für Law, Jurisprudence sowie Philosophie an der Yale University, in Oxford (Nachfolger Hart), an der New York University und am University College London II. Primärliteratur Taking Rights Seriously, 1977 (dt.: Bürgerrechte ernstgenommen, 1984) A Matter of Principle, 1985 Law’s Empire, 1986 Sovereign Virtue, 2000 (dt.: Was ist Gleichheit, 2010) Justice in Robes, 2006 Justice for Hedgehogs, 2011 III. Sekundärliteratur Watkins-Bienz, Renee M., Die Hart-Dworkin Debatte. Ein Beitrag zu den internationalen Kontroversen der Gegenwart, 2002; Claudia Bittner, Recht als interpretative Praxis. Zu Ronald Dworkins allgemeiner Theorie des Rechts, 1988; Steffen Wesche/Véronique Zanetti (Hrsg.), Dworkin in der Diskussion, 2000 IV. Wirkung 1. Der „deutsche Zweig“: Die Kategorie des Rechtsprinzips als Argument gegen den Rechtspositivismus und die Unterscheidung von Regeln und Prinzipien Robert Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips (1979), in: ders., Recht, Vernunft, Diskus, 1995, S. 177-212; ders., Theorie der Grundrechte, 1985, Ralf Dreier, Der Begriff des Rechts, NJW 1986, S. 890-896; Robert Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992; Jan-Reinhard Sieckmann (Hrsg.), Die Prinzipientheorie der Grundrechte. Studien zur Grundrechtstheorie Robert Alexys, 2007; ders., Recht als normatives System. Die Prinzipientheorie des Rechts, 2009 2. Der „angloamerikanische Zweig“: inklusiver und exklusiver Rechtspositivismus Andrei Marmor, Exclusive Legal Positivism, in: Coleman/Shapiro (Hrsg.), The Oxford Handbook of Jurisprudence & Philosophy of Law, 2002, Kap. 3; Kenneth Einar Himma, Inclusive Legal Positivism, ebd., Kap. 4; Lilja Szekessy, Gerechtigkeit und inklusiver Rechtspositivismus, 2003 B. Dworkins rechtsphilosophischer Ansatz I. Philosophische Grundannahmen • keine spezifische methodische oder philosophische Prägung • Ausgangspunkt: Einheit der Werte (unity of value), d. h. ethische und moralische Werte hängen voneinander ab • Die Wahrheit über ethische und politische Begriffe muß durch Interpretation ermittelt werden: „Politische Begriffe funktionieren für uns als interpretative Begriffe. Wir teilen sie, weil wir soziale Praktiken und Erfahrungen teilen, in denen diese Begriffe eine Rolle spielen. Wir verwenden diese Begriffe, um Werte zu beschreiben, aber wir sind uns nicht einig, manchmal in beträchtlichem Ausmaß, was diese Werte sind und wie sie ausgedrückt werden sollten. Wir sind uns nicht einig, weil wir unsere geteilten Praktiken unterschiedlich interpretieren: Wir haben einigermaßen unterschiedliche Theorien darüber, welche Werte am besten das rechtfertigen, was wir als zentrale oder paradigmatische Eigenschaften dieser Praxis akzeptieren.“ (Justice for Hedgehogs, S. 6 f.) II. Rechtsphilosophie • Recht ist ein „interpretatives Konzept“ (interpretive concept) „Die Richter sollen entscheiden, was rechtens ist, indem sie die Praxis anderer Richter interpretieren, die entscheiden, was das Recht ist. Allgemeine Theorien des Rechts sind für uns allgemeine Interpretationen unserer eigenen rechtlichen Praxis.“ (Law’s Empire, S. 410) • damit Trennung von Rechtstheorie und Rechtsethik nicht möglich • auch keine Trennung von Rechtspraxis und Rechtsphilosophie, da beides exercise in interpretation • Aufbau seiner Rechtsphilosophie: 1) begrifflicher Teil: law as integrity „Recht als Integrität bedeutet, daß Aussagen über das Recht dann wahr sind, wenn sie aus denjenigen Prinzipien der Gerechtigkeit und Fairneß folgen, die die beste konstruktive Interpretation der Rechtspraxis der Gemeinschaft darstellen.“ (Law’s Empire, S. 225) 2) normativer Teil: politische bzw. Moralphilosophie, Position eines egalitären Liberalismus C. Zum Text: Die Unterscheidung von Regeln und Prinzipien Gedankengang: (1) Darstellung des Rechtspositivismus (2) Regel und Prinzip (3) Werden Prinzipien erst durch Gerichtsentscheidungen gesetzt oder liegen sie bindend den Gerichtsentscheidungen voraus?: „Realismus“ vs. „Normativismus“ (4) Begriff des Ermessens (5) Was ist die rechtliche Daseinsweise von Prinzipien und wie kann ihr Dasein festgestellt werden? Wie weiter? Dworkins Theorie der Rechtsprechung und der Rechte – Thesen: 1. Auch in schwierigen Fälle (hard cases) hat der Richter kein Ermessen, sondern muß die bestehenden subjektiven Rechte der Parteien herausfinden. 2. Ein Jurist mit übermenschlichen Fähigkeiten (Herkules) kann ein Schema von Prinzipien, das eine kohärente Rechtfertigung der Bestimmungen der Verfassung und des sonstigen geschriebenen Rechts darstellt, konstruieren. Aus diesen Prinzipien gehen die Rechte der Beteiligten eindeutig hervor. 3. Es gibt demnach nur eine richtige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der für den Fall relevanten Prinzipien gefunden werden kann. 4. Individuen haben Rechte gegen den Staat, die den Rechten vorausliegen, die durch positive Gesetzgebung geschaffen werden. Grundlegend und axiomatisch ist dabei das Recht auf gleiche Rücksicht und Achtung. D. Fazit