Was gibt es Neues in der Pathogenese und Therapie der Epilepsien?

Werbung
Was gibt es Neues in der Pathogenese und
Therapie der Epilepsien?
Holger Lerche
Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Universitätsklinikum Tübingen
Mannheim, Neurowoche
24.09.2010
Epilepsie - Definitionen
επιλαµβανειν (epilambanein): “attackiert werden”
Epileptischer Anfall: Änderung des Verhaltens oder Befindens verursacht
durch abnorme synchronisierte elektrische Entladungen im Gehirn
Epilepsien: Gehirnerkrankungen mit wiederholten epileptischen Anfällen
Neue Definition: 1 Anfall + EEG-Veränderung oder Hirnläsion
ausreichend für die Diagnose einer Epilepsie
Epilepsien
Epilepsie (1% der Weltbevölkerung)
Idiopathische Epilepsien:
- genetisch bedingt
- keine strukturelle Hirnläsion
Symptomatische/läsionelle
Epilepsien
normales MRT
Prototyp:
Idiop. generalisierte Epilepsien
Fokale Epilepsien
Entscheidend für die Behandlung!
→ ganz überwiegend
Ionenkanalerkrankungen
Strukturelle Genvarianten bei
neuropsychiatrischen Erkrankungen
Chrom.
Chrom.
MicroDel
Candidate
Neuropsychiatric
Segment
position (Mb)a
size (Mb)
gene
disorderb
1q21.1
145.0-146.35
1.35
GJA5/A8, HYDIN2
ID, SZ
15q11.2
20.3-20.75
0.45
CYFIP1
SZ
15q13.3
28.7-30.3
1.5
CHRNA7
ID/EPI, SZ, ASD
16p11.2
29.5-30.1
0.7
KCTD13, SEZ6L2
ASD, ID
16p13.11
14.7-16.3
1.6
NDE1
ID, SZ, ASD
22q11.2
17.5–20.5
3.0
COMT, SNAP29
SZ, ID, ASD
Tab. 1: Recurrent microdeletions reported in neuropsychiatric disorders (a NCBI build 36;
b ASD:
autism spectrum disorder; EPI: epilepsy, ID: intellectual disability, SZ: schizophrenia)
Gesamtrisiko dieser Mikrodeletionen bei IGE: 2.9 %!
Medikamentöse Epilepsiebehandlung
Ziel: Anfallsfreiheit ohne Nebenwirkungen
3 Phasen:
Medikamentendosis
Anfallsreduktion
Nebenwirkungen
Medikamentöse Epilepsiebehandlung
Regel 1: Monotherapie mit Präparat 1. Wahl
(bei fehlender Anfallsfreiheit Dosissteigerung)
Regel 2: Bei Kombinationstherapien nicht wirksame
Medikamente wieder absetzen bzw. unwirksame
hohe Dosierungen reduzieren
Regel 3: Solange keine Anfallsfreiheit erreicht wird,
weitere Optionen versuchen
Algorithmus zur Epilepsietherapie
Diagnose Epilepsie
Monotherapie 1
Anfallsfreiheit mit NW
Keine Wirkung
Partielle Wirkung
Monotherapie 2
Monotherapie 2
Kombitherapie 1
Anfallsfreiheit
ohne NW
Keine Wirkung
Epilepsiechirurgische Evaluation/Operation
weitere Kombitherapie(n) / VNS
Kombinationstherapie
Regeln: Kombination von Medikamenten ohne Wechselwirkungen
und mit unterschiedlichen Wirkmechanismen
(weil einfacher handhabbar)
Basis-Medikamente 1. Wahl
(Carbamazepin)
(Valproinsäure)
Oxcarbazepin
Lamotrigin
Levetirazetam
(Topiramat)
Komb. mit Add-on Medikamenten
Oxcarbazepin
Lamotrigin
Topiramat
Levetirazetam
Pregabalin
Zonisamid
Lacosamid
Eslicarbazepin
Spezielle Hinweise:
• Kombination von Natriumkanalblockern (CBZ, OXC, LTG, ZON, LCM, ESL):
→ oft gut wirksam, aber NW+ (Schwindel, DB, Gangstörung, etc.)
→ bei NW Begleitmedikation reduzieren!
problematisch: CBZ + LTG: LTG-Spiegel ↓↓
• VPA + LTG: LTG-Spiegel ↑↑ → sehr wirksam, NW+ (Tremor, EPS, cer.)
• obsolet: CBZ + VPA: NW durch Epoxid ↑↑ → OXC/ESL + VPA
Therapieresistenz
Neue Definition der ILAE:
(Kwan et al. Epilepsia 2010)
Therapieresistent:
Wenn mit 2 Standard-Therapien (Monotherapie oder
Kombination) keine ausreichende Anfallskontrolle erreicht
wird
Betrifft 30% aller Epilepsiepatienten
→ Hoher Bedarf an weiteren Behandlungsoptionen
Operative Epilepsiebehandlung
Prinzip: Region, von der die Anfälle ausgehen, wird entfernt.
Nur bei fokalen Epilepsien möglich!
Regel: Nach zwei Standardbehandlungen (ILAE) keine befriedigende
Anfallskontrolle: Evaluation operativer Behandlung an spez. Zentrum
Hohe Chancen auf Anfallsfreiheit (50-80%) im Vergleich zu weiterer
medikamentöser Therapie ca. 10%)!
Voraussetzungen: Anfälle nur von Hirnregion, die entfernt werden
kann, ohne dass ein gravierendes Defizit zu erwarten ist.
Durchführung: Prächirurgische Diagnostik mit Video-EEG-Monitoring,
Kernspintomographie, Neuropsychologie, evtl. PET etc.
Herunterladen