1160 W. F. KRÜSMANN, H. KASEMIR, W. AX UND H. FISCHER Immunologische Studien am Omentum V Autoradiografische Untersuchungen der Mesothelproliferation an ductus thoracicus drainierten oder mit Antithymozytenserum behandelten NMRI-Mäusen Experimental Lymphopenia causes reduced mesothelial Proliferation following antigenic Stimulation W. F. K r ü s m a n n , H. K a s e m i r , W. A x und H. F i s c h e r Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Medizinische Universitätsklinik, Freiburg i. Br. (Z. Naturforsch. 25 b, 1160— 1163 [1970] ; eingegangen am 30. Mai 1970) Neonatally thymectomized mice show a markedly reduced mesothelial proliferation following an antigenic stimulus. As thymectomy causes a drastic reduction of circulating lymphocytes, lympho­ penia may be the cause of the reduced mitotic rate of mesothelial cells. In order to prove this hypothesis, lymphopenia was caused by a) drainage of the thoracic duct and b) by injection of anti-thymocyte serum. In both types of experiments a drastic reduction of mesothelial proliferation was observed showing good correlation with the degree of lymphopenia. These results indicate that lymphocytes of thymic origin release mitosis promoting factors and thereby contribute to an im­ mune response. Bei früheren immunologischen Studien am Omen­ tum majus der Maus konnten wir zeigen, daß einem intraperitonealen Antigenstimulus eine Prolifera­ tionswelle der Mesothelzellen folgt1-2. Diese Mesothelzellproliferation ist bei neonatal thymektomierten Mäusen signifikant erniedrigt2’ 3. Neonatal thymektomierte Mäuse zeigen eine Lymphopenie 4~7. Es lag daher nahe zu prüfen, ob auch bei Lymphopenien, die durch Antihymozytenserum oder durch Lymphdrainage des ductus thoracicus hervorgerufen werden, die einem Antigenstimulus folgende Mesothelzellproliferation erniedrigt ist. Material und M ethodik Thymektomie oder Scheinoperation: Schwangere SPF Mäuse (NMRI) wurden vom Zentralinstitut für Versuchstierzucht, Hannover, bezogen und bis zum Ende der Schwangerschaft unter sauberen konventionellen jedoch nicht SPF Bedingungen gehalten. Die Thymekto­ mie oder Scheinoperation der Tiere jeden Wurfes er­ folgte innerhalb von 24 Stdn. nach der Geburt8. Zum Schutz vor Infektionen erhielten die Muttertiere und die operierten Tiere Achromycin im Trinkwasser (30 mg//). 40 Tage nach der Operation wurden aus der Schwanzvene der thymektomierten oder scheinopeSonderdruckanforderungen an Dr. W. F . K r ü s m a n n , M P I f. Immunbiologie u. Medizinische Universitätsklinik, D-7800 Freiburg i. Brsg. 1 H. M a l c h o w . W. Ax u. H. F is c h e r , Z. Naturforsch. 24 b. 61 [1969], 2 W. F. K r ü s m a n n , H. K a s e m ir . W. Ax u. H. F is c h e r . Z. Naturforsch. 24 b. 1419 [1969]. F . K r ü s m a n n . H. K a s e m ir u. H. F i s c h e r . Nature [London] 222, 1195 [1969]. 3 W. rierten Tiere Blut für die Leukozytenzählung und einen Blutausstrich entnommen. Zu diesem Zeit­ punkt unterschieden sich die operierten Tiere nicht in Größe, Gewicht oder Aussehen von nicht operierten gleichaltrigen Kontrolltieren. Die operierten Tiere wur­ den getötet und bei den thymektomierten Mäusen das Mediastinum histologisch wie früher beschrieben2 auf Thymusreste geprüft. Antithymozytenserum: Das Antithymozytenserum (ATS) wurde nach mehrfacher Immunisierung von einem 2500 g schweren Kaninchen (schwarze Alaska) gewonnen. Zur Erstimmunisierung wurden 250 • 106 NMRI-Thymozyten in komplettem Freundschen Adju­ vans i.m. injiziert. Am 28. Tag und am 49. Tag nach der Erstimmunisierung wurden 500-IO6 NMRI-Thy­ mozyten i.v. injiziert. Am 56. Tag nach der Erstimmuni­ sierung wurde durch Herzpunktion Blut entnommen. Das Serum wurde 30 min bei 56 cC dekomplementiert. Der Hämagglutinationstiter betrug 1 : 80 und wurde durch Absorption mit NMRI-Erythrozyten auf 1 : 4 ge­ senkt. Der Zytotoxizitätstiter des absorbierten ATS be­ trug im Trypanblautest 1 : 5000 9. Als Kontrollserum (KS) wurde das dekomplementierte Serum eines unbehandelten Kaninchens benutzt, das einen Zytotoxizitätstiter von 1 : 10 aufwies. Die Sera wurden vor dem Gebrauch durch Millipore-Filter (Porenweite 0.2 jum) steril filtriert. 8 weibliche ca. 25 g schwere NMRI-Mäuse (Zentralinstitut für Ver­ suchstierzucht, Hannover) erhielten 1 ml ATS und 8 wei4 D . M e t c a l f , Brit. J. Haemat. 6, 324 [1960]. 5 J. F. A . P. M i l l e r , Lancet 2, 748 [1961]. 6 R . A . G o o d . A . P . D a lm a s s o . C . M a r t i n e z , O. K. A r c h e r . J . C. P ie r c e u. B. W . P a p e r m a s t e r . J. exp. Me­ dicine 116, 773 [1962]. 7 V. P a r r o t u . J. E a s t , Nature [London] 195. 347 [1962]. 8 J. F. A . M i l l e r , Brit. J. Cancer 14. 93 [I960]. 9 P. A . G o r e r u . P. O ' G o r m a n , Transplantation Bull. 3, 142 [1956]. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 11:36 PM 1161 IMMUNOLOGISCHE STUDIEN AM OMENTUM V tere Tiere 1 ml KS subeutan unter die Rückenhaut in­ jiziert. Nach 12 Stdn. wurden aus dem Schwanzblut Leukozyten gezählt und ein Blutausstrich angefertigt, anschließend wurden den Tieren zur Auslösung der Mesothelprolifieration 0,5 ml einer 10-proz. Schaferythrozyten-Suspension 2 intraperitoneal injiziert. 24 Stdn. nach der intraperitonealen Stimulierung wurden die Tiere getötet und die Omenten präpariert. Als weitere Kontrollen erhielten 5 Mäuse 1 ml ATS s.c., diese Tiere wurden unstimuliert nach 36 Stdn. ge­ tötet und die Omenten präpariert. Der Einbau von 3HThymidin, die Autoradiografie und die Auswertung er­ folgte nach der bereits ausführlich angegebenen Me­ thode2. Die Expositionszeit betrug 7 Tage. Lymphdrainage des ductus thoracicus: Die Lymph­ drainage des ductus thoracicus wurde an 6 und die Scheindrainage an 9 weiblichen ca. 25 g schweren NMRI-Mäusen nach der Methode von B o a k und W o o d r u f f 10 durchgeführt. Alle Tiere wurden für 27 bis 40 Stdn. auf einer Lauftrommel aufgesetzt, sie er­ hielten Haferflocken und im Trinkwasser einen Zusatz an 0,9-proz. NaCl-Lösung. Bei den drainierten Tieren wurden 2.9 bis 5 ml ductus thoracicus Lymphe aufge­ fangen. Nach Abnahme von der Lauftrommel wurde aus der Schwanzvene Blut für die Leukozytenzählung und einen Blutausstrich entnommen. Anschließend er­ hielten die Tiere zur Auslösung der Mesothelproliferation eine intraperitoneale Injektion von 0,5 ml einer 10-proz. Schaferythrozyten-Suspension 2. 24 Stdn. nach der intraperitonealen Injektion wurden die Tiere getö­ tet und die Omenten präpariert. Der Einbau von 3HThymidin, die Autoradiografie und die Auswertung erfolgten nach der kürzlich angegebenen Methode 2. Die Expositionszeit betrug 7 Tage. Alle Blutausstriche wurden nach P a p p e n h e i m gefärbt, jeweils 100 Leukozyten differenziert und an­ hand der Leukozytenzahl/mm3 die Anzahl der Lympho­ zyten, Granulozyten und Monozyten pro mm3 errech­ net. Die statistischen Berechnungen erfolgten nach dem S t u d e n t - Test. Versuch neonatale Thvmektomie Kaninchen-anti-Maus-Thvmozvtenserum Kaninchen-Normalserum Lym phdrainage des ductus thoracicus Scheindrainage Der Einfluß der Thymektomie, der ATS-Injektion und der Lymphdrainage des ductus thoracicus auf die Leukozyten im Blut ln Tab. 1 sind von den Versuchs- und Kontrollgruppen die Mittelwerte der Leukozyten sowie der Granulozyten und Lymphozyten im Blut, ihre Standardabweichungen und Signifikanzen aufge­ führt. Die Werte für die Monozyten sind nicht an­ gegeben, da bei keinem Versuch signifikante Unter­ schiede für die Monozyten zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe bestanden. Bei den neonatal komplett thymektomierten Mäu­ sen war 40 Tage nach der Operation die Leukozyten­ zahl auf im Mittel 4060/mm3 im Vergleich zu 5900/mm3 bei den scheinoperierten Tieren signi­ fikant erniedrigt. Bei der Ausdifferenzierung der Blutbilder zeigte es sich, daß diese Verminderung der Leukozyten im peripheren Blut ausschließlich durch die hoch signifikante Verminderung der Lym­ phozyten auf im Mittel 2820/mm3 bei den komplett thymektomierten Tieren im Vergleich zu 4540 Lym­ phozyten/mm3 bei den scheinoperierten Tieren zu­ stande kommt. Bei den mit ATS behandelten Mäusen lag 12 Stdn. nach der Injektion mit im Mittel 2340 Leukozyten/ mm 3 eine signifikante Leukopenie im Vergleich zu 11630/mm3 bei den mit KS behandelten Tieren vor. Es fällt dabei auf, daß ganz besonders stark die Lymphozyten auf im Mittel 1160/mm3 nach der ATS-Injektion im Vergleich zu 9340/mm3 bei den mit KS behandelten Tieren reduziert waren, wäh­ rend die Granulozytenwerte der mit ATS behandel- n Leukozyten pro m m 3 9 10 4060 ± 1640 5900 ± 1080 8 8 2340 ± 970 11630 ± 2950 6 8 2820 ± 1200 Kontrolle neonatale Scheinoperation Ergebnisse 4510 ± 1790 2 P 0,01 Granulozyten pro m m 3 1100 ± 1010 2 P 0,8 1240 ± 800 0,001 1100 ± 2010 ± 530 980 0,05 0,1 1050 i 790 ± 570 500 0,3 Lym phozyten pro m m 3 2820 ± 1000 4540 ± 760 1160 ± 630 9340 ± 1990 1590 ± 950 3530 ± 1610 2P 0,001 0.001 0.025 Tab. 1. Mittelwerte, Standardabweichungen und Signifikanzen (2 P, t-Test) für Leukozyten, Granulozyten und Lymphozyten im Blut bei den Versuchstiergruppen im Vergleich zu den Kontrolltiergruppen. 10 J. L. B o a k u. M. F. A. W o o d ru ff, Nature [London] 203,396 [1965]. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 11:36 PM 1162 W. F. KRÜSMANN, H. KASEMIR, W. AX UND H. FISCHER ten Tiere nur gering im Vergleich zu den mit KS behandelten Tieren vermindert waren. Nach Lymphdrainage des ductus thoracicus be­ stand nur bei den Lymphozytenwerten der drainierten Mäuse mit im Mittel 1590/mm3 im Vergleich zu 3530 Lymphozyten/mm3 bei den scheindrainierten Tieren ein signifikanter Unterschied. Für die Gra­ nulozytenzahl und für die Gesamtleukozytenzahl er­ gab sich kein Unterschied zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe. Der Einfluß der ATS-Injektion und der Lym ph­ drainage des ductus thoracicus auf die Mesothel­ proliferation nach i.p. Stimulation die Zahl markierter Mesothelzellkerne bei den mit ATS behandelten Tieren auf 3,1% im Vergleich zu 16,4% bei den mit KS behandelten Tieren signifi­ kant vermindert (Abb. 1). An unstimulierten Tieren waren 36 Stdn. nach s.c. Injektion von 1 ml ATS 1,3% Mesothelzellkerne im Mittel markiert. Bei den ductus thoracicus drainierten Mäusen war 24 Stdn. nach intraperitonealer Stimulierung mit einer Schaferythrozyten-Suspension mit 2 P <0,01 die Zahl markierter Mesothelzellkerne auf 7,5% im Vergleich zu 21,6% bei den scheindrainier­ ten Tieren signifikant erniedrigt (Abb. 2). Diskussion 36 Stdn. nach s.c. Injektion von ATS oder KS und 24 Stdn. nach intraperitonealer Injektion einer Schaferythrozyten-Suspension war mit 2 P <0,001 unstimuliert 24h nach S. E. i.p. 24h nach S.Ei.p. Abb. 1. % 3H-Thymidin markierter Mesothelzellkerne bei unstimulierten oder intraperitoneal mit Schaferythrozyten (S.E.) stimulierten NMRI-Mäusen 36 h nach s.c. Injektion von 1 ml Antithymozytenserum (A.T.S.) oder von 1 ml Kaninchen­ Normalserum (K .S .). S.D. 25 L D. 24h nach S. E. i.p. 24h nach S. E. i.p. Abb. 2. % 3H-Thymidin markierter Mesothelzellkerne nach i.p. Injektion von Schaferythrozyten (S.E.) in NMRI-Mäuse nach Lymphdrainage des ductus thoracicus (L.D.) oder Scheindrainage (S.D.). Die Minderung der Mesothelproliferation nach einem Antigenstimulus bei thymektomierten Mäu­ sen, die wir in früheren Arbeiten beschrieben2’ 3, warf ein interessantes Problem auf: ist der Einfluß des Thymus auf die Mesothelproliferation über einen noch unbekannten hormonalen Faktor als Fernwirkung zu deuten oder liegt hier eine durch thymusabhängige Lymphozyten ausgelöste N ahw ir­ kung vor. Die Beobachtung, daß thymektomierte Mäuse eine hochsignifikante Lymphopenie aufweisen4-7, regte zu den vorliegenden Untersuchungen an, bei denen auf andere Weise eine Lymphopenie hervorgerufen wurde. Hierbei sahen wir ebenfalls eine Minderung der Mesothelproliferation nach Antigenstimulus. Ziehen wir zum Vergleich auch unsere früheren Be­ funde 2 heran, so ergibt sich, daß die neonatale Thvmektomie, die Anwendung von ATS und die Lymphdrainage des ductus thoracicus gleichermaßen sowohl eine Lymphopenie als auch eine Verminde­ rung der Mesothelproliferation nach Antigenstimulation zur Folge haben (Tab. 2). Hieraus ist auf eine entscheidende Beeinflussung der antigenstimulierten Proliferation des Mesothels durch Lympho­ zyten zu schließen. Ein direkter Einfluß von hormo­ nalen Thymusfaktoren auf die Mesothelproliferation ohne eine Vermittlung seitens thymusabhängiger Lymphozyten liegt dagegen nicht vor, da mögliche endokrine Funktionen des Thymus bei Lymphdrai­ nage des ductus thoracicus nicht gestört sein dürf­ ten. Untersuchungen am Baumwollgranulom haben zu ähnlichen Resultaten geführt mit Verminderung der proliferativen Entzündungsreaktion gleichermaßen nach neonataler Thvmektomie, nach Lymphdrainage Unauthenticated Download Date | 2/13/17 11:36 PM IMMUNOLOGISCHE STUDIEN AM OMENTUM V G ranulo­ L y m p ho ­ Mesothel­ zellmar­ zyten zyten kierung Versuch Kontrolle neonatale Thymektomie neonatale Scheinoperation Kaninchen-anti-MausThymozytenserum Kaninchen-Normalserum Lym phdrainage des ductus thoracicus Scheindrainage 0,8 0,001 0,001 0,05 0,001 0,001 0,3 0,025 0,01 Tab. 2. Signifikanzen (2 P, t-Test) für die Abnahme der Gra­ nulozyten, Lymphozyten und Mesothelzellmarkierung bei der Versuchstiergruppe im Vergleich zur Kontrolltiergruppe. 11 L. H e ilm e y e r , H . K a s e m ir u. L. K erp, GMM 13 L. K e r p , in: Endocrine Aspects of Disease Processes, ed. by G. J a s m i n et al., Warren H . Green Inc. Publisher, St. Louis, Missouri 1 9 6 8 . H . K a s e m i r , L. K e r p , M. S t r o e b e u . L. H e i l m e y e r , Vor­ trag 1. Tagung Gesellschaft für Immunologie, Freiburg, 1 6 . 1 0. 1 9 6 9 . Veröffentlichung in Vorbereitung. H e ilm e y e r , H . K a s e m ir u. des ductus thoracicus oder während einer Behand­ lung mit heterologem ATS 11_13. Die Proliferation von Mesothelzellen und von Bindegewebszellen des Granuloms wird also durch Lymphozyten gefördert. In weiteren Untersuchungen am Omentum soll geprüft werden, ob der am Mesothel nachgewiese­ nen proliferationsfördernden Wirkung von Lympho­ zyten nur eine trophische Lymphozytenfunktion 14 zugrunde liegt oder ob hier von stimulierten Lym­ phozyten gebildete Faktoren wirksam werden, welche die Mesothelproliferation fördern. Daß stimulierte Lymphozyten proliferationsfördernde Faktoren bil­ den können, ist bereits aus in vitro Versuchen be­ kannt und durch Proliferationsförderung von Lym­ phozytenkulturen nachgewiesen worden 15_17. 1 3 , 4 41 [1968]. 12 L. 1163 Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemein­ schaft durchgeführt. 14 J . F. L o u t i t , L a n c e t 2 , 1106 [1962]. 15 R. N. M a i n i, A. D . M . B r y c e s o n , R. A. W o l s t e n c r o f t u. D . C. D u m o n d e , Nature [L ondon] 224, 43 [1969]. 16 M . J a n is u . F. H. B a c h , Nature [L ondon] 225, 238 [1970], 17 L . E. S p i t l e r u . H. S. L a w r e n c e , J . Im m u n o lo g y 103, 1072 [1969]. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 11:36 PM