Journal – Giornale Retina Suisse

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Retina Suisse
Journal – Giornale
2/2007 erscheint 4 Mal jährlich
Die Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Retinitis
pigmentosa (RP), Makuladegeneration, Usher-Syndrom
und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen
Impressum
Redaktion:
Christina Fasser und Renata Martinoni
Retina Suisse, Ausstellungsstrasse 36, 8005 Zürich
Tel. 044/444 10 77, Fax 044/444 10 70
E-mail [email protected], www.retina.ch
Satz und Druck:
Kohler SD, 8033 Zürich
Tonbandzeitung:
SBS, 8045 Zürich
Jahresabo:
Der Bezugspreis ist im Mitgliederbeitrag enthalten
Erscheinungsform:
Deutsch, Französisch, Italienisch
gedruckt und gesprochen
Postkonto:
PC 80-1620-2
Wir sind für jede Spende dankbar!
Nr. 104, Oktober 2007
Inhalt
Editorial
(Ch. Fasser) .................................................
3
News aus Therapie und Forschung
Erster Gentherapieversuch am Menschen
(Ch. Fasser) ................................................. 7
Arvo – Rundschau: Was tut sich in der
Forschung der RP und anderer erblicher
Netzhautdystrophien? (E. A. Richman) ..... 12
Gene abschalten Gene einschleusen
(B. Ritzert) ................................................... 34
Erste Schritte zur Gentherapie bei
vollständiger Farbenblindheit ................... 37
Diagnostik
Zapfen-Stäbchen-Dystrophie (B. Fiebig
und B. Weber) ............................................. 38
Optische Kohärenz-Tomographie OCT
(U. Kellner) ................................................. 41
Molekulargenetische Diagnostik des
Morbus Stargardt (W. Berger) ................... 45
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Behandlungen
Myrtaven – wirklich ein Wundermittel
gegen AMD oder Nachtblindheit?
(Ch. Fasser) .................................................. 48
Macugen ist krankenkassenpflichtig
(Ch. Fasser) .................................................. 50
Leben mit…
Schritte ins Ungewisse (S. Hüsler) ............ 51
ZABBS (R. Amigo) ....................................... 57
Freizeit
Sportschiessen für Blinde und
Sehbehinderte, geht das? (M. Lauber) ...... 61
Schach als sinnvolle Freizeitbeschäftigung
auch für Blinde und Sehbehinderte ........... 64
Bücher
Hörtipp: «Dämmerlicht» von Henry
Grunwald ................................................... 65
Buchbesprechung. «Löwin im Dschungel»
von Eva-Maria Glofke ................................. 66
Tipps und Tricks
SPEAKOUT Modul – eine ideale Art Dinge
zu beschriften ............................................ 68
Wichtige Daten ......................................... 69
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Dies ist ein ganz spezielles Retina Journal, sprechen wir hier doch über klinische Versuche am
Menschen mit erblichen Netzhautdegenerationen. Und dies nicht nur einmal, sondern über
drei verschiedene Versuche und nicht alle weit
weg irgendwo in Amerika, sondern einer in den
USA, einen in England und einer in der Schweiz.
Ja, Sie lesen richtig: Die Kliniken in Genf und Lausanne beabsichtigen je einen Phase I Versuch mit
dem sogenannten Retina-Chip oder vereinfacht
mit künstlichem Sehen. Die beiden Forschungsgruppen haben uns gebeten, bei der Rekrutierung von geeigneten Kandidaten oder Kandidatinnen behilflich zu sein. Forschungsförderung ist
unser grösstes Ziel, aber wir wollen auch klare
Regeln setzen. Dazu gehört Transparenz. So müssen die üblichen Voraussetzungen geschaffen
sein, d.h. die Mittel müssen bewilligt sein, ebenso die Verfahren und die Versuche müssen die
verschiedenen Hürden der Ethikkommissionen
genommen haben. In einem Phase I Versuch wird
geprüft, ob etwas möglich und vor allem aber
auch, ob ein Verfahren sicher ist. Im Fall vom
Retina-Chip heisst dies zu prüfen, ob das Opera-
Retina-Suisse-Journal 2/2007
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tionsverfahren erlaubt, den Chip sicher an die
richtige Stelle in der Netzhaut zu setzen und ob
der Chip dort funktioniert. Die ersten Kandidaten
für diese Versuche dürfen selber nichts zu verlieren haben, denn sie können keine neue visuelle
Wahrnehmung erwarten. Was sie aber erwarten
können, ist an einem wirklich spannenden Experiment teilzunehmen. Diesen Kandidaten und
Kandidatinnen gehört unsere ganze Hochachtung. Ohne diese selbstlosen Pioniere der ersten
Stunde ist die Weiterentwicklung des RetinaChips nicht möglich. Wir haben mit den beiden
Forschungsgruppen vereinbart, dass wir gemeinsam an einer Tagung in Lausanne (16. Oktober
2007) und in Olten (30. Oktober 2007) die Projekte vorstellen. Dort wird auch erklärt, was von
den einzelnen Personen erwartet wird. Diese
Information ist ein erster Schritt in einer ganzen
Reihe von Abklärungen, bevor die Kandidaten
oder Kandidatinnen ausgewählt werden. Wir
sind gespannt, auf welches Echo diese beiden
Veranstaltungen treffen. Im nächsten Journal
werden Sie mehr erfahren.
Ein grosser Schritt vorwärts ist der erste Versuch
einer Gentherapie für RPE65 an Menschen in London. Selbstverständlich wird es noch lange dauern, bis man die Resultate kennt. Uns aber fordert es, uns vorzubereiten. So suchen wir in Zu-
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
sammenarbeit mit den Klinikern und Genetikern
aktiv die Menschen mit RPE65 in der Schweiz und
versuchen mitzuhelfen, dass auch in absehbarer
Zeit die Kenntnisse über die Anwendung von
Gentherapie am Auge aufgebaut werden. Dank
eines Legates haben wir die Möglichkeit, einem
geeigneten Forscher ein Stipendium auszurichten, damit dieser in London die Technik lernen
kann.
Die Sommerzeit ist normalerweise ruhig, aber
manchmal machen uns Schlagzeilen zusätzliche
Arbeit und verunsichern die betroffenen Menschen. Passiert ist dies im Sommer 2007 mit Myrtaven, einem Heidelbeer-Extrakt. Dieser ist für
AMD nicht rigoros getestet worden und daher
kann für die Menschen mit AMD nichts darüber
ausgesagt werden. Hingegen ist die Wirksamkeit
der VEGF-hemmenden Medikamente Lucentis
und Macugen in langjährigen klinischen Untersuchungen wissenschaftlich überprüft worden
(siehe Artikel).
Das Referendum gegen die 5. IVG-Revision hat
ein beachtliches Resultat, aber leider nicht die
Nein-Mehrheit erreicht. Es ist nun an den Behörden und Arbeitgebern zu beweisen, dass die
Sparmassnahmen nicht nur auf dem Rücken der
betroffenen Menschen ausgetragen werden,
sondern dass sie bald für eine langfristige FinanRetina-Suisse-Journal 2/2007
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zierung und vor allem aber kurzfristig für Arbeitsplätze für sehbehinderte und blinde Menschen sorgen. Sollten Sie sich in der Lage befinden, dass Sie sich nicht klar sind, ob Sie nicht
Massnahmen zur Sicherung Ihres Berufes ergreifen sollten, kann ich Sie nur ermuntern, mich
oder Céline Moret vor Ende des Jahres anzurufen. Ebenso, wenn Sie noch keine Hilflosenentschädigung haben, aber glauben, sie hätten Anrecht dazu.
Und damit ist der magische Name gefallen: seit
17. September haben wir eine Beratungsstelle in
Lausanne, welche von Céline Moret betreut wird.
Sie steht unseren französisch sprechenden Mitgliedern jeweils Montag bis Donnerstag von
09.00 – 11.30 Uhr zur Verfügung (Tel. 021 626 86
52). Dank der Grosszügigkeit der Fondation Jules-Gonin befindet sich die Beratungsstelle Lausanne in den Räumlichkeiten des Rehabilitationsdienstes für Sehbehinderte der Augenklinik Lausanne. Wir wünschen Céline Moret viel Glück bei
dieser neuen, herausfordernden Arbeit.
Christina Fasser
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
Erster Gentherapieversuch
beim Menschen
Christina Fasser, Retina Suisse, Ausstellungs•strasse
36, CH-8005 Zürich
Mit Spannung haben wir alle dem ersten Gentherapie-Versuch bei Menschen mit Netzhautdegenerationen entgegengesehen. Anfangs Juli hat
Dr. Robin Ali vom University College London
(UCL) und Moorefields Hospital in London erstmals darüber berichtet. Auch wenn man noch
einige Zeit auf die Resultate warten muss, kann
man bereits sagen, dass die ersten Versuche erfolgreich verlaufen sind. In diesem Falle heisst
dies, es sind keine grösseren Nebenwirkungen
aufgetreten und die Operation war technisch
erfolgreich. Gentherapie-Versuche sind immer
mit einem gewissen Risiko verbunden und daher
ist es klar, dass bei diesen ersten Versuchen nur
Menschen teilnehmen, wo man nicht erwarten
konnte, dass sie von einer Heilung profitieren
konnten.
Worum geht es?
Dieser erste Gentherapieversuch wird an Menschen mit einer sehr seltenen Netzhautdegeneration, die Leber’sche kongenitale Amaurose, kurz
Retina-Suisse-Journal 2/2007
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LCA genannt, durchgeführt. Und auch hier wieder bei einer Unterform, bei der das sogenannte
RPE65-Gen verändert ist. Infolge dieses Defektes
wird das entsprechende Protein im Auge nicht
mehr richtig produziert und letztlich ist die Funktion der lichtempfindlichen Zellen (Fotorezeptoren) gestört. Dies führt dazu, dass Lichtsignale
aus der Aussenwelt im Laufe der Zeit immer seltener in ein für das Gehirn verwertbares Signal
umgewandelt werden. In der zweiten Lebensdekade sind die betroffenen Menschen oft vollständig erblindet. Weil es für die Patienten kein Medikament gibt, hoffen Experten nun, dass eine
Gentherapie den Kranken helfen kann und ihnen
dadurch den Alltag erleichtert. «Wir haben zuerst
eine intakte Kopie des RPE65-Gens in ein Virus
als Transportvehikel eingebaut und dieses Präparat dann den Versuchspersonen unter die Netzhaut gespritzt», erklärte der Genetiker Robin Ali
vom University College London (UCL) vor kurzem
auf einer Konferenz zum Thema «Hearing and
Seeing» in Paris, die von der Europäischen Union
organisiert wurde. Bisher hat diese Methode
noch niemand erprobt. Wenn sie tatsächlich
funktioniert, wäre sie auch für andere, häufiger
vorkommende Erbkrankheiten des Auges denkbar.
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
«Durch ein Labyrinth»
Die britischen Forscher sind stolz darauf, Pionierarbeit auf diesem Gebiet zu leisten und sind zuversichtlich. Seit 15 Jahren führen sie die Vorarbeiten für die Studie durch, an der insgesamt 12
ausgewählte Patienten teilnehmen sollen.
Zudem haben Versuche mit blinden Hunden, welche am gleichen Gendefekt leiden, gezeigt, dass
die Therapie sicher ist und bisher erfolgreich war.
Die Tiere konnten nach dem Eingriff besser
sehen und sich beispielsweise in einem kleinen
Labyrinth zu Recht finden. Ohne Behandlung
hatten sie dagegen keine Orientierung und stiessen beim gleichen Experiment im Labor überall
an.
Die spektakuläre Operation, die rund drei Stunden dauerte, wurde von einem erfahrenen Chirurgenteam im Moorfields Eye Hospital in London durchgeführt. Doch wie bringt man solche
Gene genau dorthin, wo man sie auch haben
will? «Mit speziellen Viren», erklärt Robin Ali. Sie
hätten sich dabei einen simplen Trick der Natur
zunutze gemacht. Denn normalerweise erobern
Viren menschliche Zellen im Körper, um ihre eigenen Gene dort gezielt einzubauen und die Zellen
dadurch zu zwingen, mehr Viren zu produzieren.
Macht man nun so genannte adeno-assoziierte
Viren zuvor unschädlich und belädt sie mit einer
neuen Fracht wie etwa einer funktionsfähigen
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Version des RPE65-Gens, kann man sie fortan als
eine Art Taxi benutzen. Auf diese Weise lässt sich
der Defekt bereits mit einem einmaligen Eingriff
korrigieren, sodass die Fotorezeptorzelle wieder
Licht wahrnehmen kann.
«Kein grosses Risiko»
Bis bei den Versuchspersonen ein solcher Effekt
jedoch sichtbar wird, rechnet Robin Ali mit mehreren Monaten. Dennoch: «Es ist die einzige
Möglichkeit, den Patienten zu helfen», sagt der
Molekularbiologe Christian Grimm vom Universitätsspital Zürich, der die Funktionsweise des
RPE65-Gens erforscht. Auf Grund der Blut-Netzhautschranke sei es ansonsten äusserst schwierig, Stoffe in Form von Arzneimitteln exakt an
die gewünschten Wirkorte im Auge zu bekommen. Ein weiterer Vorteil der neuen Methode sei,
dass im Gegensatz zu anderen Gentherapien wie
beispielsweise bei der Immunkrankheit «Septische Granulomatose», bei der in Deutschland im
Rahmen einer Studie ein Patient starb, eine solche Behandlung am Auge weniger risikoreich ist.
Denn das Organ ist einerseits ein in sich geschlossenes System und im schlimmsten Fall auch
nicht überlebenswichtig. Mit Argusaugen beobachten Fachleute in Spitälern jetzt den Verlauf
der Tests in Grossbritannien und warten auf die
ersten Resultate der klinischen Versuche. Mittler-
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weile wurden dort bereits drei Patienten behandelt. Neben den bereits laufenden Versuchen in
Grossbritannien sind zwei weitere Versuchsreihen in den USA geplant.
Und was passiert in der Schweiz?
Retina Suisse ist bestrebt, dafür zu sorgen, dass
eine Behandlung auch in der Schweiz lebenden
Patienten und Patientinnen zugänglich ist, sobald sie verfügbar ist. Dafür braucht es Vorbereitungsarbeiten. Als erstes müssen die Menschen
gefunden werden, die vielleicht von einer solchen Behandlung profitieren können. LCA ist
eine sehr seltene Form von Netzhautdegeneration. Noch seltener sind Menschen mit Mutationen im RPE65-Gen. Es ist daher wichtig, dass alle
in der Schweiz lebenden Menschen mit LCA aufgrund einer Mutation im RPE65-Gen gefunden
werden. Voraussetzung dafür ist eine genetische
Abklärung an einem Institut für Humangenetik
(siehe separater Artikel). Weiter möchten wir
mithelfen, dass auch auf seiten der Forschenden
und Augenärzte die Fähigkeit für diese völlig
neuartige Therapie aufgebaut ist. Ein erster
Schritt ist ein Stipendium von CHF 10'000 für
einen jungen Augenarzt aus Lausanne, der für
diese Ausbildung einen Forschungsaufenthalt in
der Arbeitsgruppe von Dr. Robin Ali in London
absolvieren wird. Dass dieses Anliegen auch von
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der Schweizerischen Forschungsgemeinschaft geteilt wird, zeigt die Tatsache, dass der Stipendiat
für einen Teil dieses Forschungsaufenthaltes Gelder vom Schweizerischen Nationalfonds erhalten
hat. Weiter wird Retina Suisse mit einem ansehnlichen Forschungsbeitrag die Genotypisierung
von Menschen mit RPE65 fördern.
Was tut sich in der Forschung
der RP und anderer erblicher
Netzhautdystrophien?
Die Antwort finden Sie in den Vorträgen der ARVO-Jahrestagung 2007 vom
6. bis 10. Mai in Fort Lauderdale, Florida. Das Thema der Tagung lautete
«Das alternde Auge».
Der folgende Bericht wurde auf Bitte von Christina Fasser, Präsidentin von Retina International,
von Dr. Richman erstellt. Sie berichtet über Forschungsprojekte im Bereich der Retinitis pigmentosa, des Usher-Syndromes und anderer erblicher
Netzhautdystrophien, welche in Symposien,
Workshops, Artikeln und Postersessions dargestellt wurden.
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
Hier erfolgen nun Zusammenfassungen von Berichten über klinische Studien, genetische Studien, Stammzellforschung, künstliches Sehen
und anderen entsprechend zusammengestellten
Themen.
1. Klinische Studien
Neurotech beginnt mit Phase II/III-Studien
zur Behandlung von RP mittels ECT-Implantationen
Bei der Encapsulated cell therapy (ECT) wird eine
kleine Kapsel mit retinalen Zellen ins Auge eingesetzt, welche ein Protein mit Namen «ciliary neurotrophic factor» (CNTP) freisetzt (Anm. der
Übersetzerin: neurotrophic = die Nervenzellen
ernährend). Die Hoffnung besteht darin, dass
dieses Protein die Photorezeptoren «rettet» und
bei Patienten mit Retinitis pigmentosa, Usher Typ
II und III sowie Chorioideremie die Sehverschlechterung verlangsamt.
Die Aufnahme der Patienten in die Phase-II/IIIStudien hat begonnen, um die Wirksamkeit und
Sicherheit der ECT zu prüfen, Nebenwirkungen
zu beobachten, sie mit herkömmlichen Behandlungen zu vergleichen und um Informationen zu
gewinnen, die einen sicheren Umgang mit dieser
Therapie ermöglichen. Neurotech Pharmaceuticals führt diese Studien an 14 Orten in den USA
durch.
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[W. Tao, Neurotech USA, Inc, 6 Blackstone Valley
Place, Building 5, Suite 500, Lincoln Rhode, Island
02865, USA, [email protected]]
Klinische Studie für Gentherapie bei Morbus
Stargardt geplant
Forscher der Oxford BioMedica und der Columbia
University sind dabei, eine klinische Studie für
eine Gentherapie bei M. Stargardt zu initiieren.
Die Therapie hat den Namen StarGen. M. Stargardt wird durch eine Mutation im ABCA4-Gen
verursacht, verantwortlich für ein Protein, welches an der normalen Funktion der Photorezeptoren beteiligt ist. Die Therapie beinhaltet den
Transport eines normalen ABCA4-Genes zu den
Photorezeptoren mit Hilfe des von Oxford BioMedica entwickelten markengeschützten Lentivirus-Vektor-Transportsystems. Mit StarGen konnten in einem Tiermodell mit M. Stargardt bereits
positive Ergebnisse erzielt werden.
[J. Kong, S.R. Kim, K.Binley, K. Doi, S. Naylor, J.R.
Sparrow, P. Gouras, R. Allikmets – Ophthalmology, Columbia University, New York, NY; rla22@
columbia.edu]
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Phase-II-Studien zeigen therapeutischen
Nutzen von Transplantation sich entwickelnder Retinazellen bei RP
Forscher berichten, dass die Implantierung einer
Schicht aus in der Entwicklung befindlichen Netzhautzellen und RPE-Zellen (= des retinalen Pigmentepithels) unter die Fovea von sechs Patienten mit RP und vier mit AMD bei dreien der RPPatienten und zweien der AMD-Patienten die
Sehschärfe verbesserte. Ein RP-Patient, dem diese Zellen zwei Jahre zuvor implantiert wurden,
konnte eine bessere Sehschärfe von 10% im Gegensatz zu vorher 2,5% weiterhin erhalten. Die
Forscher beschäftigen sich weiterhin mit dieser
Art von Netzhauttransplantation in ihrer Forschungseinrichtung in Louisville, Kentucky.
[N.D. Radtke, M.J. Seiler, H.M. Petry, D. Pidwell,
R.B. Aramant – Retina Vitreous Resource Center,
Louisville, KY; N.D.; [email protected]]
Gentherapiestudien für LCA geplant
Klinische Wissenschaftler der University of Pennsylvania planen am Children’s Hospital of Philadelphia eine klinische Studie für eine Gentherapie bei Leber’scher kongenitaler Amaurose (LCA).
Die Behandlung, die bei mehr als 50 Hunden mit
LCA bereits ein funktionelles Sehen erfolgreich
wiederhergestellt hat, soll nun an Kindern und
Erwachsenen mit einer Variante des RPE65-Gens
getestet werden. Die Gentherapie wird auf die
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Zellen des retinalen Pigmentepithels ausgerichtet, wobei als Vektor ein adeno-assoziiertes Virus
(AAV) eingesetzt wird. Die Forscher berichteten
auf der ARVO-Jahrestagung 2007 über ihre Erfolge bei der Optimierung des Transportsystems.
[A). J. Bennett other LCA trials (planed or already
in progress), Ophthalmology, Scheie Eye Institute, Philadelphia, PA;
[email protected]
B) W. Houswirth, Dept of Ophthalmology, Univ
of Florida Coll of Medicine, Box 100284; JHMHC,
Gainesville, FL, 32610-0284, USA,
[email protected]
C) Alan Robin, Ophthalmology & Intl Health,
Johns Hopkins Univ, 6115 Falls Road, Suite 333,
Baltimore, MD, 21209-2226, USA; [email protected]]
In der Zwischenzeit hat eine andere Forschungsgruppe am University College London (UCL) unter der Leitung von Prof. Dr. Robin Ali mit den
Versuchen am Menschen begonnen (siehe separater Artikel in dieser Nummer des Retina Journals).
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2. Künstliches Sehen
Räumliche Auflösung bei RP-Patienten mit
der Second-Sight Netzhautprothese
Forscher baten blinde Patienten, in deren Netzhaut eine Second-Sight-Prothese eingebracht
worden war, die wahrgenommenen Blitze (Phosphene) räumlich zu lokalisieren, die ausgelöst
wurden, wenn bestimmte einzelne Elektroden in
der Prothese stimuliert wurden. Sie konnten zeigen, dass die Lokalisation der Blitze mit der Position der Elektroden in der Netzhaut übereinstimmte. Des Weiteren gibt es ihrem Bericht zufolge offenbar einen Zusammenhang zwischen
der Sehleistung und der Anzahl aktiver Elektroden in der Netzhautprothese. Die Fähigkeit,
Lichtmuster räumlich aufzulösen könnte Patienten dabei helfen, visuelle Hinweise aus der Umwelt zu erkennen.
[A) M.J. McMahon et al. Second Sight Medical
Prod Inc,12744 San Fernando Rd Bldg 3, Sylmar,
C, 91342, USA
B) Retina Institute, Doheny Eye Institute,1355
San Pablo Street, DVRC 119,Los Angeles,
CA,90033,USA, [email protected]]
AV-DONE Sehnervstimulation lässt Phosphene bei RP-Patienten aufleuchten
Elektroden, die in den Sehnerven zweier RP-Patienten mit nur mehr Lichtwahrnehmung eingeRetina-Suisse-Journal 2/2007
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bracht wurden, erzeugten Phosphene, die von
den Patienten als entweder rund oder oval und
von der Grösse zwischen einem Streichholzkopf
und einem Fussball beschrieben wurden. Der Ansatz, genannt AV-DONE (artificial vision by direct
optical nerve elektrode), ein künstliches Sehen
mittels Elektroden direkt am Sehnerv zu erzeugen, wird für seine breitere Anwendung derzeit
geprüft.
[H. Sakaguchi, E. Yonezawa, H. Kanda, M. Ozawa, M. Kamei, T .Fujikado, O. Ustariz-Gonzalez,
A. Solis-Vivanco, H. Quiroz-Mercado, Y. Tano,
Ophthalmology,Osaka Univ Medical School, 2-2
Yamadaoka Room E7, Suita, Osaka,565-0871,
Japan, [email protected]]
Wie RP-Patienten auf ein MikrophotodiodenArray (MPDA) der Retina Implant GmbH ansprechen
Die Ergebnisse der Implantation eines weiteren
subretinalen Implantates – ein Mikrophotodioden-Array (MPDA) der Firma Retina Implant
GmbH – wurden auf der ARVO-Jahrestagung
2007 ebenfalls vorgestellt. Obgleich einer der
acht teilnehmenden RP-Patienten, der bereits seit
30 Jahren erblindet war, nicht auf die Stimulationen des Implantates ansprach, konnten einige
der Patienten bei Tests bezüglich Helligkeit und
Seheindrücke horizontale von vertikalen Linien
unterscheiden und die Bewegungsrichtung von
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Punkten angeben. Die Forscher berichten ausserdem von einem proportionalen Zusammenhang
zwischen Helligkeit und Grösse der Lichtwahrnehmungen und der durch die Elektroden eingesetzten Voltstärke.
[F E. Zrenner, Ophthalmology, Center for
Ophthalmology, University of Tuebingen,
[email protected]]
Eine Untersuchung hinsichtlich der emotionalen Lage der MPDA-Studienteilnehmer
zeigte, dass die Patienten den Stress gut aushalten konnten und sich ihr emotionales Gleichgewicht während der Teilnahme möglicherweise
sogar verbessert hat.
[I. Peters, S. Klingberg, H. Oelman, C. Kuttenkeuler, R. Wilke, T. Zabel, E. Zrenner, B. Wilhelm, STZ
Autonomes Nervensystem und Sicherheitsstudien, Heubergstr. 37, D-72131 Ofterdingen,
[email protected]]
3. Genetische Studien
SNP-Mikro-Arrays identifizieren neue Mutationen bei Patienten mit LCA und juveniler
RP
Es konnten bisher Mutationen in 11 Genen gefunden werden, die mit autosomal-rezessiver
LCA und juveniler RP in Zusammenhang stehen.
Forscher berichten von ihrer erfolgreichen AnRetina-Suisse-Journal 2/2007
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wendung von SNP-Arrays (single nucleotide
polymorphism) bei der Homozygoten-Kartierung, um Mutationen in bekannten Genen und
neue krankheitsverursachende Genvarianten zu
identifizieren.
[A.I. Den Hollander, I. Lopez, S. Yzer, K.W. Littink,
M.A. Musarella, G.A. Fishman, I.H. Maumenee, K.
Rohrschneider, F.P.M. Cremers, R.K. Koenekoop –
McGill Ocular Genetics Ctr/Pediatric Ophthalmology, McGill Univ Health Centre, c/o 2300 Tupper,
Montreal, PQ,H3H 1P3,Canada,
[email protected]]
Neue Mikro-Arrays für ADRP und XLRP
Forscher berichten, dass sie zwei genotypische
Mikro-Arrays, einen für autosomal dominante RP
(ADRP) und einen für x-chromosomale RP (XLRP),
die alle bekannten mit diesen Formen in Zusammenhang stehenden Mutationen enthalten,
erfolgreich entworfen und auf ihre Gültigkeit
geprüft haben. Sie behaupten, dass dies den
ersten vollständigen Krankheits-Chip für ADRP
und XLRP darstellt. Breit angelegte Untersuchungen könnten die Diagnosestellung erleichtern,
die Entdeckung neuer Genvarianten ermöglichen, sowie die Suche nach geeigneten Patienten
für eine klinische Studie oder zukünftige Therapien vereinfachen.
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[J. Zernant, H. Roomere, I. Lopez, C. Ayuso, S.
Banfi, F.P.M. Cremers, R.K. Koenekoop., R. Allikmets – Ophthalmology, Columbia University, 630
West 168th Street EIA #715, New York,
NY,10032,USA, [email protected]]
Neues Mäusemodell für den Funktionsverlust von Zapfen
Forscher haben bei der Untersuchung verschiedener Mäusestämme kürzlich einen mit fortschreitendem Funktionsverlust der Zapfen gefunden.
Diese Mutation wird Zapfenphotorezeptorenfunktionsverlust 7 (cpfl7) genannt (die 7 bezieht
sich auf die als siebte bei Mäusen mit Zapfendysfunktion assoziierte gefundene Mutation). Die
Forscher untersuchen die anatomischen, genetischen und funktionellen Charakteristika der
Netzhaut bei diesem Mäusestamm. Die Genanalyse zeigt eine autosomal rezessive Mutation auf
dem 19. Mäusechromosom. Die Forscher haben
vor, das Mäusemodell für die Untersuchung des
Funktionsverlustes der Zapfen zu verwenden.
[N.L. Hawes, B.S. Harris, R.E. Hurd, P. Ward Bailey,
J. Wang, M.T. Davisson, S. Nusinowitz, J. Heckenlively, B. Chang – Jackson Laboratory, 600 Main
Street, Bar Harbor, ME, 04609, USA,
[email protected]]
Retina-Suisse-Journal 2/2007
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Die Wiederherstellung durch Gentherapie
der Netzhautfunktion im Mäusemodell für
menschliche Achromatopsie
Forscher berichten über die Wiederherstellung
funktionellen Sehens bei Mäusen durch die Mutation eines Genes (Gnat 2), das normalerweise
ein Protein Namens Alpha-Transducin codiert,
zuständig für die Gesunderhaltung und das
Überleben der Zapfen. Die Mäuse dienen als Modell zur Untersuchung der menschlichen Sehstörung namens Achromatopsie. (Menschen mit
Achromatopsie sind farbenblind und haben ein
schlechtes zentrales Sehvermögen.) Die Forscher
injizierten das Gen unter die Netzhaut der Mäuse. Zwei Monate später untersuchten sie die
elektrische Aktivität der Netzhaut und kamen zu
dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Mäuse positiv auf die Gentherapie angesprochen hat.
[W. Deng, J.J. Alexander, S.H. Min, Q. Li, J. Pang,
J. Li, B. Chang, J. Lem, W.W. Hauswirth – Dept of
Ophthalmology, Univ of Florida Coll of Medicine,
Box 100284 JHMHC, Gainesville, FL, 32610-0284,
USA, [email protected]]
Gentherapie kann bei RDS-Mäusen die Photorezeptordegeneration nicht aufhalten
Die RDS-Maus (RDS = retinal degeneration slow)
ist ein Modell für rezessive RP. Ihm fehlt ein gesundes Gen zur Herstellung von Peripherin, welches für die Bildung der Scheibchen in den Aus-
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sensegmenten der Zapfen und Stäbchen benötigt
wird. Forscher berichten von ihrem Versuch, die
Photorezeptoren durch einen Transfer des Genes
mit CNTF (ciliary neurotrophic factor) zu schützen. Mit einem adeno-assoziierten Virus (AAV)
injizierten sie CNTF in den Glaskörper jeweils
eines Auges von RDS-Mäusen und begannen
nach vier Monaten mit dem Vergleich der elektrischen Eigenschaften und dem Erscheinungsbild
der Netzhaut im behandelten und im unbehandelten Auge. Sie kamen zum Ergebnis, dass CNTF,
mittels Gentherapie in den Glaskörper eingebracht die Photorezeptoren nicht vor Degeneration schützt.
[R.E. MacLaren, P.K. Buch, A. Georgiadis, M.
Tschernutter, R.A. Pearson, A.J. Smith, R.R. Ali –
Div of Molecular Therapy, Institute of Ophthalmology/UCL,11-43 Bath Street, London, England,
EC1V 9EL,UK, [email protected]]
Forscher hoffen, die Schwere und Progredienz von ADRP anhand der Mutation im
Rhodopsin vorhersagen zu können
Mutationen im Rhodopsin-Gen sind für bis zu
40% der autosomal dominanten RP-Formen
(ADRP) verantwortlich. Forscher versuchten, einen Zusammenhang zwischen der Schwere und
der Verlaufsgeschwindigkeit von ADRP und der
entsprechenden Mutation zu finden, welche jeweils eine umschriebene Region des RhodopsinRetina-Suisse-Journal 2/2007
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Proteins betrifft. In ihrer Studie, die vier Familien
mit verschiedenen Mutationen im RhodopsinGen einschloss, konnten sie zeigen, dass die Mutationen R135L und R135W eine diffuse und
schwere Form verursachten. Die R135W-Mutation verursachte eine schwerere und schneller
verlaufende RP. Die P180A-Mutation wurde mit
einem leichter verlaufenden Phänotyp (die beobachtbaren Merkmale und Charakteristika einer
Erscheinungsform) in Zusammenhang gebracht,
mit regionaler Variabilität. Die Mutation G188R
brachte eine diffuse Form mit moderatem Verlauf
hervor. Die Charakterisierung der Auswirkungen
bestimmter Mutationen im Rhodopsin-Gen führt
möglicherweise zu einem besseren Verständnis
der RP und liefert Informationen, die für Ärzte
und Patienten hilfreich sind, um den Verlauf der
Erkrankung vorherzusagen.
[D. Man, K.T. Gallaher, N. Yanamala, N. Waseem,
B.J. Jennings, E. Reese, K. Gerwert, S.S. Bhattacharya, A. Iannaccone, J. Klein-Seetharaman –
Molecular Genetics, UCL Institute of Ophthalmology, 11-43 Bath Street, London, England, EC1V
9EL, UK, [email protected]]
Forscher konnten auch darlegen, dass die
gleiche Mutation bei unterschiedlichen
Menschen nicht immer den gleichen Phänotyp einer Erkrankung hervorruft. Dies legt
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nahe, dass es neben dem gemeinsamen Gen weitere Gene gibt, welche die Exprimierungstätigkeit des Genes zusätzlich mit modifizieren.
[D.J. Sidjanin, K. Schneck, E. Reese, A. Iannaccone
– Ophthalmology/Hamilton Eye Institute, UTHSC,
930 Madison Ave Suite # 731, Memphis, TN,
38163, USA, [email protected]]
Geruchsstörungen bei einigen LCA-Patienten
Mutationen im CEP90-Gen kommen bei Patienten
mit Leber’scher kongenitaler Amaurose (LCA)
häufig vor. Nachdem bei einem Mäusemodell mit
einem ähnlichen Gendefekt ein eingeschränkter
Geruchssinn bemerkt wurde, beschlossen die Forscher, LCA-Patienten mit der CEP290-Mutation
dahingehend zu untersuchen. Sie untersuchten
auch die Träger dieses Gendefektes. Sie untersuchten vier Patienten und zwei Träger, die alle
Probleme mit dem Geruchssinn verneinten. Die
Tests zeigten jedoch, dass alle vier Patienten einen signifikant abnorm funktionierenden Geruchssinn aufwiesen. Bei einem der Träger zeigte
sich eine schwerwiegende und bei dem anderen
eine geringfügige Verminderung des Geruchssinnes. Die Fehlfunktion steht möglicherweise mit
Genen in Zusammenhang, die für die Zilien der
Geruchsnerven zuständig sind, wenngleich nicht
alle RP-Patienten mit «Ziliopathien» Fehlfunktionen des Geruchssinnes haben. Die Forscher schla-
Retina-Suisse-Journal 2/2007
25
gen daher vor, dass Tests des Geruchssinnes eine
einfache Möglichkeit bieten, eine Untergruppe
von Patienten mit diesem spezifischen Defizit
ausfindig zu machen.
[R.K. Koenekoop, R. Hannant, H. Khanna, D.P.
McEwen, P. Jenkins, C. Brown, A.I. den Hollander,
F.P. M. Cremers, J.Martens, A. Swaroop – Ophthalmology/Neurology-Neurosurgery, McGill University-Children's Hospital, Montreal, PQ,
Canada, [email protected]]
Genotyp-Phänotyp-Studien von LCA-Patienten in Italien
Forscher, die bei italienischen Patienten eine umfassende Analyse von Genmutationen sowie eine
Genotyp-Phänotyp-Korrelation durchführten,
konnten bei 28% der 95 Patienten Genmutationen finden. RPE65, GUCY2D und CRB1 waren die
am häufigsten gefundenen Mutationen. Nahezu
alle Patienten mit RPE65 wiesen eine normale
Makuladicke im OCT (Optische Kohärenz-Tomographie) auf, während diejenigen mit der CRB1Mutation eine verringerte Makuladicke und eine
Vergröberung der Netzhautbeschichtung zeigten. Die Fluoreszenz des Augenhintergrundes,
welche bei fast einem Drittel der RPE65- und
GUCY2D-Patienten zu sehen war, konnte bei
CRB1-Patienten nicht beobachtet werden. Die
Forscher planen zusätzliche Studien, um einen
26
Retina-Suisse-Journal 2/2007
möglichen Zusammenhang zwischen der FundusAutofluoreszenz und den OCT-Befunden näher
zu erforschen.
[F. Testa, S. Rossi, P.E. Bianchi, E. Fazzi, M. Fossarello, C. Ziviello, A. Auricchio, E. Rinaldi, F. Simonelli, S. Banfi – Telethon Institute of Genetics and
Medicine (TIGEM), Via Pietro Castellino 111,
80131 Napoli, Italy, [email protected]]
4. Stammzellforschung
Menschliche embryonale Stammzellen
(hESC) können dazu gebracht werden, sich
zu RPE- oder Netzhautzellen zu entwickeln
für spätere Transplantation
Menschliche Zellen, die sich noch zum einen oder
anderen Zelltyp entwickeln müssen, können dazu gebracht werden, sich zu Zellen des retinalen
Pigmentepithels oder zu Vorläufern von Netzhautzellen zu entwickeln. Das sagen Forscher, die
an Möglichkeiten der Zellproduktion für die
Transplantation in die Netzhaut von Menschen
mit Netzhautdegenerationen arbeiten. Sie setzten die hESC im Labor unterschiedlichen Umgebungen in der Zellkulturschale aus und untersuchten den jeweiligen Einfluss auf die hESC. Sie
berichteten, dass die Zellen die biologischen Eigenschaften von RPE und unreifen Netzhautzellen annahmen.
Retina-Suisse-Journal 2/2007
27
[J. Gong, O. Sagiv, H. Cai, S.H. Tsang, L.V. Del Priore – Ophthalmology, Columbia University,
635 W 165th Street Box 92, New York, NY, 10032,
USA, [email protected]]
Eine andere Forschergruppe berichtet von
ähnlichen Beobachtungen, als sie im Labor
spezielle Zellkulturen mit retinalen Vorläuferzellen ansetzten. Die Zellen zeigten Charakteristika von retinalen Ganglienzellen und bipolaren Zellen. Bei der Suche nach der für diesen
Zelltyp eigenen Proteinexprimierung konnte der
Zelltyp bestätigt werden.
[K. Dutt, R. Kumar, Y. Cao. Pathology, Morehouse
School of Medicine, Atlanta, GA. [email protected]]
5. Weitere Themen
Patienten mit Netzhautdystrophie zeigen
niedrigeren DHA-Gehalt in roten Blutkörperchen
Docosahexaensäure (DHA) ist eine Fettsäure, die
normalerweise in den Wänden aller Körperzellen
vorkommt. Besonders reichhaltig ist sie in der
Netzhaut vorhanden. Bei der Untersuchung des
DHA-Gehaltes im Blut als Indikator für den DHAGehalt in der Netzhaut stellten Forscher einen
niedrigeren DHA-Gehalt bei Patienten mit RP
fest. Patienten mit x-chromosomaler oder autosomal rezessiver RP wiesen die niedrigsten DHA-
28
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Gehalte auf (33% unter dem Normalgehalt). Ein
niedriger DHA-Gehalt wurde ebenfalls bei Stargardt-Patienten (eine Form der juvenilen Makuladegeneration) gesehen (17% unter dem Normalgehalt), sowie bei Leber’scher kongenitaler
Amaurose (14%), Chorioideremie (20%), Retinoschisis (26%) und Zapfen-Stäbchen-Dystrophie
(20%). Eine Nahrungsergänzung mit DHA zur
Erhöhung des DHA-Gehaltes im Blut wird zur
Behandlung der RP soeben erforscht.
[D.R. Hoffman, D.K.H. Wheaton, D.G. Birch, Retina Foundation of the Southwest, 4112 Greenbriar Drive, University Park, TX, 75225, USA,
[email protected] ]
Zusätzliches Mäusemodell für das UsherSyndrom
Neue Mäusemodelle für die Untersuchung des
Usher-Syndroms wurden entwickelt. Eines davon
ist ein Mäusemodell für das Usher-Syndrom vom
Typ IIa. Das andere ist ein Modell für das UsherSyndrom vom Typ Ic; diese Maus hat dieselbe
DNA-Deletion, die bei diesen Patienten gefunden
wurde. Beide Mäusemodelle sind hör- und sehbehindert und können für die Erforschung möglicher Therapien herangezogen werden.
[J.J. Lentz, W.C. Gordon, H. Farris, S. Sampath,
P.D. Deininger, N.G. Bazan, B.J. Keats – Ophthal &
Neuroscience, LSU Health Sciences Center, 2020
Retina-Suisse-Journal 2/2007
29
Gravier St Suite D, New Orleans, LA, 70112-2234,
USA, [email protected]]
Patienten mit RP berichten von einem
Nutzen der Komplementär- und Alternativmedizin
RP-Betroffene geben oft an, dass ihr Sehvermögen durch Stress beeinflusst wird. Antworten
auf eine Umfrage, welche in ein Online-Forum
gestellt wurde, deuten darauf hin, dass komplementäre und alternative Verfahren den Stress
verringern können. Die befragten Personen gaben an, Nahrungsergänzungsmittel wie z.B. Lutein, Heidelbeeren, Vitamin-A-Palmitat oder DHA
einzunehmen, sowie Yoga, Meditation, GeistKörper-Therapie, Massagen, Bewegungs- oder
Energietherapie, Akupunktur, pflanzliche Therapie und Aromatherapie anzuwenden. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Angaben
über Sehverbesserung, welche Patienten diesen
Behandlungsformen zuschrieben, sowie über die
Verbesserung ihres körperlichen und emotionalen Wohlbefindens weiterer Untersuchung bedürfen, um diese Angaben zu erhärten.
[A.K. Kiser, L. Yang, G. Dagnelie – Lions Vision
Center, Johns Hopkins Univ, 550 N Broadway
6th Floor, Baltimore, MD, 21205-2020, USA,
[email protected]]
30
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Fundusautofluoreszenz zur Bestimmung der
visuellen Funktion bei RP
Forscher untersuchten bei 186 RP-Patienten den
Zusammenhang zwischen Vcc (visus cum correctione) und der Intensität der Fundusautofluoreszenz (FAF) in der Makula. Sie entdeckten einen
signifikanten Zusammenhang, was auf FAF als
möglicherweise nützliches Hilfsmittel für die
Messung der Makulafunktion bei RP hindeutet.
[A. Hagiwara, K. Ogata, K. Okada, S. Mizunoya,
T. Sugawara, S. Yamamoto – Department of
Ophthalmology, Chiba Univ Grad Sch of Med,
1-8-1 Inohana, Chuo-ku, Chiba, Chiba, 260-8670,
Japan, [email protected]]
RP in Nordirland
Nordirland hat eine Bevölkerung von ca.
1'710’000 Einwohnern. Davon haben 475 RP
(21% die autosomal dominante Form; 20% die
autosomal rezessive, 12% die x-chromosomale,
47% ohne Familienanamnese). Die Erforschung
der Genotypen zeigte eine Beteiligung des RHO-,
USH- und RPGR-Genes. Die Forscher sehen zwischen Nordirland und anderen Gebieten keinerlei
Unterschiede im epidemiologischen Vorkommen
von RP. Sie schlagen vor, eine nordirische RP-Datenbank zu erstellen.
[J.J. O'Neill, G.J. McKay, D.A. Simpson, G. Silvestri
– Dept of Ophthalmology, Queens University Bel-
Retina-Suisse-Journal 2/2007
31
fast, Grosvenor Rd, Belfast, Northern Ireland,
BT12 6BA, UK, [email protected]]
Gesamteuropäische Datenbank zur Erhebung klinischer und genetischer Daten bei
AMD
Es wurde eine Datenbank für europäische Kliniker und Forscher eingerichtet, für die einfache
und bequeme Lieferung und Analyse von klinischen und genetischen Daten von AMD-Patienten. Die Datenbank ist ein Projekt von EVI-GENORET, einem Konsortium von Partnern aus Industrie und Wissenschaft, formiert zur Entwicklung
einer gesamteuropäischen Datenbank mit Daten
zu Genotyp, Phänotyp, Entwicklung und Funktion der gesunden und der kranken Netzhaut.
Das Design und die Einsichtsform in die Datenbank machen sie leicht zugänglich. Man braucht
keine spezielle Hardware oder Software. Kliniker
füllen ein gesichertes, standardisiertes elektronisches Berichtsformular aus, das sie auch für die
Verwaltung weiterer klinischer Daten verwenden
können. Für weitere Informationen, siehe: Cordis’ FP6 program (EC-FP6-512036).
[C. Bellmann, H.P. N. Scholl, R. Wilke, A. Webster,
U. Chakravarthy, F.G. Holz, O. Poch, J. Cunha-Vaz,
J.A. Sahel, E. Zrenner – Ophthalmology, Center
for Ophthalmology, University of Tuebingen,
[email protected]]
32
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Bildgebende Verfahren am Auge
Die ARVO veranstaltete dieses Jahr drei Projekte
als Teil eines Programms für ARVO-Mitglieder mit
wissenschaftlichem Interesse über mehrere Disziplinen. Unter diesen «Sektionsübergreifenden
Gruppen» gab es die Gruppe für Bildgebung am
Auge geleitet von Dr. Wolfgang Drexler von der
School of Optometry and Vision Sciences an der
Cardiff University in Wales. Seine Gruppe entwickelt dreidimensionale subzelluläre (auf der
Ebene der Zellorganellen), molekulare und funktionale Bildgebung für biomedizinische Zwecke.
Unter den Rednern war Dr. Austin Roorda von
der University of California, Berkeley, der demonstrierte, auf welch anpassungsfähige Weise
man mit Hilfe der Optik dazu in der Lage ist, mit
dem Mikroskop den Zugang zum lebenden Auge
zu ermöglichen, und wie die Optik für die Untersuchung der Netzhautzellen und des retinalen
Pigmentepithels herangezogen werden kann. Die
Technologie bietet neue Möglichkeiten, um die
Pathologie des Auges und die Auswirkungen verschiedener Therapien zu beobachten.
Diese Zusammenfassung zu ARVO 2007 wurde
verfasst von Elaine A. Richman, Ph.D., Richman
Associates, LLC, Baltimore, MD, USA / Deutsche
Übersetzung: Dorothee Feuerstein
Retina-Suisse-Journal 2/2007
33
Gene abschalten – Gene einschleusen. RNA-Interferenz
gegen Netzhaut-Erkrankungen
Barbara Ritzert, dipl. Biologin, PROSCIENCE
•Communications,
Deutschland
Die sogenannte RNA-Interferenz ist eine Möglichkeit, die Aktivität von Genen gezielt zu unterdrücken. Eine Forschergruppe um Dr. Marius
Ader und Dr. Naomi Chadderton vom Trinity-College in Dublin setzt diese Methode ein, um im
Experiment ein mutiertes Rhodopsin-Gen zu blockieren, dessen Veränderungen eine Ursache der
Retinitis pigmentosa sind. Gleichzeitig wird ein
intaktes Gen in die Zellen eingeschleust, das gegen die Interferenz geschützt ist und so die Rhodopsin-Produktion sicherstellt. Die Forscher präsentierten ihre Ergebnisse beim 3. internationalen Pro-Retina-Forschungs-Kolloquium in Potsdam.
Wissenschaftler können seit einigen Jahren die
Aktivität von Genen mit Hilfe der sogenannten
RNA-Interferenz gezielt hemmen. Wie viele Strategien der Molekularbiologen, ist auch dieses
Verfahren der Natur entlehnt: Die RNA-Interferenz ist eine Abwehrstrategie aller Zellen gegen
34
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Viren. Das Prinzip: Die Forscher schleusen kleine
RNA-Moleküle (siRNAs) in die Zellen ein, deren
Nukleotid-Sequenz jenem Botenmolekül (mRNA)
komplementär ist, das inaktiviert werden soll.
Die siRNAs verbinden sich mit speziellen Proteinen zu einem Komplex, der alle «passenden»
mRNAs in der Zelle zerschneidet. So wird die
Übersetzung der genetischen Information in das
entsprechende Protein unterbunden. Bei schätzungsweise 30 Prozent der Patienten, die unter
einer Retinitis pigmentosa leiden, ist die ursächliche Mutation dominant. Allerdings erschwert die
enorme Heterogenität der Mutationen – mehr als
150 Mutationen im Rhodopsin-Gen und über 50
Mutationen im Peripherin-Gen – den Einsatz der
RNA-Interferenz, Theoretisch müsste für die Blockade jeder einzelnen Mutation eine siRNA entwickelt werden.
Eine für alle
Einen Ausweg bietet das Konzept, das eine Forschergruppe um Dr. Jane Farrar und Prof. Peter
Humphries am Trinity-College in Dublin entwickelt hat: Die Wissenschaftler haben eine Zielsequenz für die siRNA gewählt, die in allen Botenmolekülen des Rhodopsin-Gens enthalten ist.
«Dies führt dazu, dass alle mRNAs dieses Gens
abgeschaltet werden, egal ob und welche Mutationen diese enthalten», sagt Dr. Marius Ader,
Retina-Suisse-Journal 2/2007
35
der die Forschungsergebnisse in Potsdam vorstellte. So lässt sich die Heterogenität der Mutationen unterlaufen. Damit die Zellen dennoch
normales Rhodopsin produzieren, übertrugen die
Forscher gleichzeitig auch ein normales Gen. Dessen Basenabfolge ist im Bereich der InterferenzSchnittstelle leicht modifiziert, ohne dass dies
Konsequenzen für das Rhodopsin-Protein hat.
Die Folge: Die entsprechende mRNA ist gegen die
Interferenz geschützt und liefert funktionsfähiges Rhodopsin. Wie Marius Ader berichtete,
konnte die Forschergruppe mit dieser Technik in
Retina-Explantaten in der Zellkultur die Expression sowohl des Rhodopsin-Gens als auch des
Peripherin-Gens gezielt blockieren. Gleichzeitig
wurde das ebenfalls eingeschleuste modifizierte
normale Gen von den Zellen in Protein übersetzt.
Naomi Chadderton von der Dubliner Forschergruppe hat diese Methode weiterentwickelt. Die
Forscherin nutzt sogenannte adeno-assoziierte
Viren (AAV), um die siRNA-Moleküle in Retinazellen einzuschleusen. Chadderton transferierte die
Gen-Fähren sowohl in der Zellkultur als auch bei
Mäusen mit einer Mutation in Rhodopsin-Gen
durch eine subretinale Injektion. Auch mit diesem Ansatz gelang es den Wissenschaftlern, die
mutierten Gene gezielt auszuschalten, während
das normale Gen exprimiert wurde.
36
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Erste Schritte zur Gentherapie
bei vollständiger Farbenblindheit
Mit einer Gentherapie haben US-Forscher Farbenblindheit behoben – allerdings zunächst nur
bei Mäusen. Sie brachten in die Zapfen der Netzhaut mit Hilfe eines Virus ein Gen ein, das bei
Farbenblindheit defekt ist. Für die Anwendung
beim Menschen müsse die Methode noch angepasst werden, schreiben die Forscher. Prinzipiell
sei aber eine gentherapeutische Behandlung der
Farbenblindheit sowie anderer mit den Zapfen in
Verbindung stehender Augenerkrankungen möglich. Die totale Farbenblindheit, Achromatopsie
genannt, ist eine seltene Erbkrankheit. Die Betroffenen können keine Farben wahrnehmen,
sondern sehen nur Graustufen. Ihre Sehschärfe
ist zudem stark eingeschränkt.
(Quelle: DPA)
Retina-Suisse-Journal 2/2007
37
Auf der Suche nach den genetischen Ursachen der ZapfenStäbchen-Dystrophie
Dr. med. Britta Fiebig und Prof. Bernhard
•Weber,
Institut für Humangenetik, D-Regensburg
Die Zapfen-Stäbchen-Dystrophie (ZSD) ist eine
genetisch bedingte Erkrankung der Netzhaut, die
durch Mutationen in verschiedenen und zum
grossen Teil bis heute unbekannten Erbanlagen
(Genen) verursacht wird. In einer betroffenen
Familie ist es anhand einer umfangreichen
Stammbaumanalyse häufig möglich, zwischen
einer autosomal-rezessiven und einer autosomaldominanten Vererbung zu unterscheiden. Man
nimmt an, dass diesen beiden Erbgängen unterschiedliche Gene zugrunde liegen. Ein Weg, bisher unbekannte Krankheitsgene für die ZSD zu
«entdecken», besteht in der genetischen Untersuchung von Familien, in denen mehrere Familienmitglieder betroffen sind. Für diesen Zweck
wurde von Herrn Professor Weber, Institut für
Humangenetik der Universität Regensburg, ab
2004 ein Forschungsvorhaben initiiert, bei dem
interessierte Familien mit ZSD aufgerufen wurden, Blutproben zur Verfügung zu stellen. Bisher
38
Retina-Suisse-Journal 2/2007
konnten in diese langfristige Studie 21 Familien
aufgenommen werden. Dabei erhielten wir Blutproben von insgesamt 52 erkrankten und 45
nicht-erkrankten Familienmitgliedern. In fünf
Familien konnte die genetische Ursache, nämlich
Mutationen im ABCA4-Gen, aufgeklärt werden.
Bei unklarer genetischer Ursache der ZSD-Augenerkrankung ist es sinnvoll, die Familien zunächst
hinsichtlich der bereits bekannten Gene zu untersuchen. Neuere Arbeiten haben gezeigt, dass das
ABCA4-Gen, bei dem ursprünglich Veränderungen beim autosomal rezessiven Morbus Stargardt gefunden wurden, auch eine grosse Rolle
bei der autosomal- rezessiven ZSD spielt. In einem ersten Schritt wurden daher 13 von 15 Familien mit einer vermutlich rezessiven Vererbung,
der Erkrankung über eine indirekte Methode
(eine sogenannte Kopplungsanalyse) untersucht.
In sechs Familien gelang so ein Ausschluss des
ABCA4-Genortes, während bei drei Familien die
Ergebnisse nicht informativ waren. Für vier Familien wurde mit dieser Methode ein Hinweis auf
das ABCA4 Gen als Ursache erhalten. Auf diesen
Ergebnissen aufbauend wurde bei insgesamt 14
Familien eine direkte Analyse im ABCA4-Gen
durchgeführt. Dafür wurde ein Genchip der Firma Asper verwendet, der in der Literatur bekannte Mutationen untersucht. Bei zwei Familien
wurden damit beide krankheitsverursachende
Retina-Suisse-Journal 2/2007
39
Mutationen gefunden, bei drei weiteren Familien
lediglich eine Genveränderung. Unter der Annahme, dass in diesen drei Familien möglicherweise neue, bisher nicht bekannte Mutationen
vorliegen, die somit auch nicht mit der AsperAnalyse gefunden werden konnten, wurden
anschliessend die 50 proteinkodierenden Abschnitte (Exons) des ABCA4-Gens mittels Sequenzierung vollständig nachuntersucht. Wie erwartet fanden sich dabei drei neue, bisher unbeschriebene Mutationen im ABCA4-Gen. Für die
autosomal-rezessive ZSD sind weitere Genorte
bekannt (z. B. CORD8, CORD9), jedoch die zugrunde liegenden Gene noch nicht identifiziert.
Die Familien, bei denen das ABCA4-Gen als Ursache ausgeschlossen wurde, werden nun nacheinander auf diese Gen-Region hin untersucht.
Für sechs Familien mit einem autosomal-dominanten Erbgang wurde die Untersuchung von
zwei weiteren Erbanlagen, dem RIMS1- und dem
GUCY2D-Gen, begonnen. Bei der grössten teilnehmenden Familie (mit insgesamt elf Mitgliedern) wurde zusätzlich eine genomweite Kopplungsanalyse veranlasst. Alle Familien, in denen
die genetische Ursache im Rahmen der Studie
geklärt werden konnte, wurden von uns informiert. Hierbei ist zu beachten, dass es sich zunächst um Forschungsergebnisse handelt, die
unbedingt nochmals unabhängig in einem hu-
40
Retina-Suisse-Journal 2/2007
mangenetischen Diagnostiklabor bestätigt werden müssen, bevor sie dann den interessierten
Patienten mitgeteilt werden können.
Aus Retina aktuell Nr. 105 (2007)
Optische Kohärenz-Tomographie (OCT)
Prof. Dr. Ulrich Kellner, Europaplatz 3
•(ICE-Bahnhof)
D-53721 Siegburg
Die Optische Kohärenz-Tomografie (OCT) ergänzt
die anderen Verfahren zur Untersuchung der
Netzhautstruktur namentlich die Ophthalmoskopie, die Fundusautofluoreszenz und die Angiografie. Während man mit den letzten drei Methoden Veränderungen erkennt, die mit dem Aufblick auf die Netzhaut sichtbar sind, ist es mit
diesen schwierig, insbesondere kleine Veränderungen innerhalb der Netzhautstruktur zu erkennen. Das OCT erlaubt eine ganz neue Sichtweise
auf die Netzhaut. Die Untersuchung mit OCT erfolgt am besten mit weit gestellter Pupille. Ein
Ruhighalten des Auges während der Messung ist
wichtig, um Bewegungsfehler bei der Messung
Retina-Suisse-Journal 2/2007
41
zu vermeiden. Mit Hilfe eines Lasers werden alle
Netzhautschichten schrittweise abgetastet und
das dabei reflektierte Laserlicht wird von OCT
gemessen. Aus den Eigenschaften des reflektierten Lichts wird eine Strukturkarte der übereinander liegenden Netzhautschichten erstellt. Diese
Querschnittsdarstellung kann in Grauwerten dargeboten werden, in der Regel wird jedoch eine
Falschfarbendarstellung gewählt, in der die Farben grün, rot und gelb dominieren. Dabei sind
unten die Schicht des retinalen Pigmentepithels
(meist mit stärkerer rötlich-gelber Färbung) und
darüber die verschiedenen Schichten der Netzhaut (meist in grün) dargestellt. Das normale
OCT zeigt eine Einsenkung im Bereich der Stelle
des schärfsten Sehens (Fovea). In einem OCT-Bild
kann zum einen die Dicke der Netzhaut beurteilt
werden: eine dünne Netzhaut weist auf eine degenerative Netzhautschädigung wie bei Makuladegeneration oder vererbbaren Netzhauterkrankungen hin. Eine Verdickung der Netzhaut kann
Folge der Ansammlung von Flüssigkeiten in der
Netzhaut sein, wie beim diabetischen Makulaödem oder beim zystoiden Makulaödem nach
Katarakt-Operation oder bei Retinitis pigmentosa.
Darüber hinaus lassen sich Strukturveränderungen innerhalb der Netzhaut darstellen: Ein Makulaforamen ist durch fehlende Netzhautstrukturen
42
Retina-Suisse-Journal 2/2007
in der Stelle des schärfsten Sehens darstellbar,
ein zystoides Makulaödem wird durch dunkle,
optische leere Räume innerhalb der Netzhaut erkennbar, ebenso eine Flüssigkeitsansammlung
unter der Netzhaut wie bei der feuchten Form
einer altersbedingten Makuladegeneration
(AMD).
Der wesentliche Vorteil beim OCT besteht darin,
auch sehr geringe Veränderungen zu entdecken.
Daher und wegen der fehlenden Verwendung
von Farbstoff ist das OCT besser als die Fluorescein-Angiografie geeignet, diese Strukturveränderungen früh zu erkennen und im Verlauf zu
beobachten. Dies gilt insbesondere für Patienten
mit einer Allergie gegen Fluorescein. Auch Veränderungen unter der Netzhaut sind im OCT zu erkennen. Dazu gehören Flüssigkeitsansammlungen bei Retinitis centralis serosa, aber auch Gefässneubildungen (choroidale Neovaskularisation, CNV) bei AMD oder hoher Myopie.
Wichtig ist aber, dass im OCT nicht sicher erkannt
werden kann, ob wirklich eine aktive CNV vorliegt. Bei Verdacht auf eine CNV ist daher oft eine
Kombination von Fluorescein-Angiografie und
OCT bei der Erstuntersuchung sinnvoll, die Angiografie zur sicheren Diagnosestellung und das
OCT zur späteren Verlaufskontrolle. Ebenso lassen sich mit dem OCT Veränderungen auf der
Netzhautoberfläche darstellen. Ein beginnendes
Retina-Suisse-Journal 2/2007
43
Makulaforamen ist oft durch einen Glaskörperzug verursacht, dies ist bei der Ophthalmoskopie
schwierig zu erkennen und nur mit dem OCT eindeutig darstellbar.
Das OCT ist ein vielseitig einsetzbares Gerät, das
neue Einblicke in die Netzhaut bietet und sowohl
unser Verständnis von Netzhauterkrankungen als
auch die Möglichkeiten der Früherkennung und
Verlaufskontrolle erweitert hat. Diese Möglichkeiten werden in Zukunft noch erheblich verbessert, da ab Ende 2006 neue Geräte zur Verfügung
stehen, die erheblicher schneller und damit wesentlich detailreicher messen und damit sogar
3D-Darstellungen der Makulastruktur erlauben.
Es ist daher zu erwarten, dass die Bedeutung des
OCTs für die Diagnostik und Erforschung von
Netzhauterkrankungen nicht nur bei der altersabhängigen Makuladegeneration, sondern auch
bei den vererbbaren Netzhauterkrankungen weiter zunehmen wird.
Aus Retina aktuell Nr. 103 (2007)
44
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Molekulargenetische Diagnostik des Morbus Stargardt
Wolfgang Berger, Lehrstuhl Medizinische
•Molekulargenetik
und Gendiagnostik, Institut
für Medizinische Genetik, Universität Zürich
Als Synonym für Morbus Stargardt wird auch die
Bezeichnung ‘Fundus flavimaculatus’ verwendet.
Die Krankheit ist nach dem Arzt Karl Stargardt
benannt worden, der in der Marburger Augenklinik tätig war und 1909 diese Form der Makuladegeneration beobachtete und beschrieb. Die
Krankheit tritt mit einer Häufigkeit von 1:10’000
auf und manifestiert sich in der 1. oder 2. Lebensdekade. Leitsymptome sind ein plötzlicher Visusverlust (Verlust der Seeschärfe), der kontinuierlich fortschreiten kann, eine erhöhte Blendempfindlichkeit und eine Störung des Farbsehens. Da
die Krankheit im jugendlichen Alter auftritt, wird
sie auch als juvenile Makuladystrophie bezeichnet. Die Stargardt´sche Makuladystrophie wird
autosomal-rezessiv vererbt und ist mit Mutationen im ABCA4-Gen (ATP-binding cassette, subfamily A, member 4) auf dem kurzen Arm von
Chromosom 1 (1p22) assoziiert (Allikmets et al.,
1997). Dieses Gen kodiert für ein TransmembranProtein, dass zur ‘ATP-Binding-Cassette-TransporRetina-Suisse-Journal 2/2007
45
ter’ Superfamilie gehört und eine wichtige Rolle
im ATP-abhängigen Membrantransport der Stäbchen- und Zapfenphotorezeptoren spielt. Das
ABCA4-Gen ist besonders gross, es besteht aus
50 Exons und kodiert für ein Protein aus 2279
Aminosäuren. Mutationen in ABCA4 führen aber
nicht nur zum klassischen Morbus Stargardt, bei
dem hauptsächlich das Zentrum der Netzhaut betroffen ist, sondern auch zu Retinitis pigmentosa
(RP) oder Zapfen- bzw. Zapfen-Stäbchen-Dystrophien (Cremers et al., 1998; Martinez-Mir et al.,
1998; Maugeri et al., 2000; Briggs et al., 2001;
Klevering et al., 2004a), wobei die klinische Ausprägung selbst innerhalb einer Familie sehr variabel sein kann (Rozet et al., 1999). Bisher gibt
es keine Therapie für Morbus Stargardt oder eine
der anderen Krankheiten, die durch Mutationen
im ABCA4-Gen ausgelöst werden. Allerdings ist
aus theoretischen Erwägungen die Gabe von Vitamin A bei Patient/innen mit ABCA4-Mutationen kontraindiziert.
Bisherige Untersuchungen zeigten, dass in rund
80% aller Morbus Stargardt Patientinnen und
Patienten zumindest eine pathogene Mutation
nachgewiesen werden kann. In etwa der Hälfte
davon können die Mutationen auf beiden Allelen
identifiziert werden. Aufgrund der Grösse des
Gens und der Vielzahl von Mutationen, die bisher gefunden wurden, ist eine methodisch be-
46
Retina-Suisse-Journal 2/2007
sonders effiziente und zuverlässige Mutationssuche erforderlich. Dazu wurde ein ‘Microarray’
etabliert, mit dessen Hilfe in einem ersten Schritt
des Mutationsscreenings relativ rasch alle bekannten Mutationen untersucht werden können
(Jaakson et al., 2003; Klevering et al., 2004b). Mit
diesem Verfahren lassen sich jedoch nur die
Mutationen nachweisen, die bereits als krankheitsassoziiert beschrieben wurden. Die gegenwärtig verfügbare Version des ABCA4-Microarrays enthält 496 verschiedene Mutationen und
hat eine Detektionsrate von etwa 75%.
Molekulargenetische Diagnostik
In unserem Labor erfolgt die Diagnostik in zwei
Stufen. Zunächst wird mittels ‘Microarray’ nach
bekannten Mutationen gesucht. Werden beide
Mutationen identifiziert, erfolgt eine Verifizierung mit Hilfe der Re-Sequenzierung der entsprechenden Genabschnitte. Wird nur eine oder keine Mutation mittels ´Microarray´ identifiziert, erfolgt die PCR-Amplifikation aller 50 Exons des
ABCA4-Gens und der flankierenden Spleissstellen
mit anschliessender direkter Sequenzierung aller
Amplikons. Die gewonnen Sequenzdaten werden dann mit dem Eintrag in der Referenzdatenbank (NCBI/ENSEMBL) verglichen. Die molekulargenetische Abklärung eines Morbus Stargardt ist
eine von den Krankenversicherern im Rahmen
Retina-Suisse-Journal 2/2007
47
der obligatorischen Krankenversicherung als
Pflichtleistung zu vergütende Analyse (s. eidgenössische Analysenliste, Pos.-Nr. 8810.31). Die
Untersuchungskosten betragen bis zu CHF 2’500.
Für weitere Informationen zur Gendiagnostik
von Morbus Stargardt setzen Sie sich bitte mit
Ihrem Augenarzt in Verbindung und besprechen
Sie mit ihm das Vorgehen (Anm. der Redaktion).
Myrtaven – wirklich ein
Wundermittel für AMD oder
gegen Nachtblindheit?
Christina Fasser, Retina Suisse, Ausstellungs•strasse
36, CH-8005 Zürich
Mitten im heissen Sommer veröffentlichte die
«Schweizer Familie» einen Artikel mit dem Titel
«Der Heidelbeer-Zauber gegen den altersbedingten Zerfall der Makula». Ein solcher Titel macht
sofort neugierig. Als Mensch mit RP ist mir die
Schwarze Heidelbeere (lateinisch Myrtillus Vaccinium) keine Unbekannte, wurde sie doch schon
vor dreissig Jahren als eine mögliche Hilfe gegen
die Nachtblindheit angeboten. Es wurden dazu
48
Retina-Suisse-Journal 2/2007
auch einige kleinere Studien gemacht und diese
kamen leider alle zum selben Schluss: Die Testgruppen mit einem Placebo (Scheinmedikament)
hatten die gleich guten, respektive die gleich
schlechten Resultate wie diejenigen die den Extrakt aus der Schwarzen Heidelbeere schluckten.
Zur Wirksamkeit bei AMD (altersbedingter Makuladegeneration) hatte ich bis jetzt noch nie etwas gelesen, was natürlich nichts heisst. Somit
machte ich mich sofort auf die Suche.
Neuere Studien bestätigten mein Wissen betreffend Nachtblindheit, hingegen war der Ertrag
mit Bezug auf AMD spärlich. Es gibt einige Hinweise aus Laborversuchen mit Zellkulturen und
einigen wenigen Versuchen mit Ratten, dass der
Inhaltsstoff der Schwarzen Heidelbeere den Zellen helfen könnte, sich gegen oxidativen Stress
zu wehren. Jedoch fand sich keine einzige klinische Untersuchung, die den Effekt der Inhaltsstoffe auf AMD oder sogar auf feuchte AMD
überprüft hat. Eine erste klinische Studie hat die
Wirksamkeit von Antioxidantien bei bestimmten
Stadien der trockener AMD nachgewiesen
(ARED-Studie). Neueste Studien, welche über
mehrere Jahre dauerten, haben die Wirksamkeit
der Medikamente Lucentis und Macugen nachgewiesen, welche in der Schweiz zur Behandlung
von feuchter AMD zugelassen und krankenkas-
Retina-Suisse-Journal 2/2007
49
senpflichtig sind. Personen, welche Symptome
einer sich verschlechternden AMD aufweisen,
sollten sofort dringend den Augenarzt aufsuchen. Diese neuen Medikamente für AMD sind
wirksam und sind nach strengen Kriterien überprüft worden. Es wäre schade, den positiven
Effekt dieser geprüften Medikamente aufgrund
nicht bewiesener Wirkungen von Myrtaven zu
verpassen. Einmal eingetretene Schäden infolge
verspäteter Behandlung können leider später
nicht mehr korrigiert werden.
Macugen – kassenzulässig ab
1. September 2007
Christina Fasser, Retina Suisse, Ausstellungs•strasse
36, CH-8005 Zürich
Macugen® (Pegaptanib Natrium) wurde per 1.
September 2007 in die Spezialitätenliste (SL) zur
Behandlung von feuchter AMD aufgenommen.
Auch dieses Medikament wird unter bestimmten
Vorbehalten von der Krankenkasse in der Grundleistung übernommen. Macugen® (Pegaptanib
Natrium) ist ab 1. September 2007 mit folgender
vom BAG (Bundesamt für Gesundheit) verfügter
Limitatio kassenzulässig:
50
Retina-Suisse-Journal 2/2007
•
«Bei AMD Patienten mit kardiovaskulärem
Risikoprofil. Als Zweitlinientherapie nach Versagen oder bei Unverträglichkeit von Lucentis
(Ranibizumab)».
• «Während einer Evaluationsphase (bis zum
31. Dezember 2008) darf Macugen ausschliesslich
durch qualifizierte Ophthalmologen der A-, Bund C- Kliniken (gemäss der Liste der Weiterbildungszentren der FMH) zu Lasten der Grundversicherung angewendet werden.»
• «Die gleichzeitige Behandlung beider Augen
eines Patienten bedarf der Bewilligung des Vertrauensarztes.»
Auch Macugen® wird wie Lucentis in das Auge
injiziert. Die Frage, welches Produkt das richtige
ist, wird vom Augenarzt entschieden.
Schritte ins Ungewisse
• Stephan Hüsler, Fenkernweg 3, 6010 Kriens
Im November 2005 entschied ich mich, von meiner bisherigen Tätigkeit zurückzutreten. Folgende Überlegungen gaben den Ausschlag:
• Die kleinen Inseln auf der Netzhaut ausserhalb der Makula waren nun auch ausgefallen.
• Ich hatte zunehmend Mühe, von Hand geRetina-Suisse-Journal 2/2007
51
schriebenes zu lesen. Damit konnte ich Unterschriften von Kunden (ein wichtiges Identifikationsmittel in der Bank) nicht mehr kontrollieren.
• Ich übersah häufig Kunden, die in unserer Verkaufszone auf Bedienung warteten.
• Mit 45 Jahren war ich gerade noch so alt, dass
sich eine Umschulung für die IV noch lohnt.
Ich nahm deshalb die Beratung der Fachstelle
Sehbehinderung Zentralschweiz und von Retina
Suisse in Anspruch. Worauf ist beim Ausfüllen
eines IV-Antrages zu achten? Was sind die finanziellen Folgen? Wie verläuft ein IV-Verfahren? Als
ausgezeichneter Rat entpuppte sich der Hinweis
auf den «Ratgeber Invalidität» des Beobachters.
Hier fand ich viele Erklärungen und Berechnungsbeispiele. Auch für Menschen ohne Behinderung
ist dieses Buch spannend. So suchte ich das Gespräch mit meinem Vorgesetzten und meinem
Arzt. Ich füllte das Antragsformular der IV aus.
Hier erklärte ich, dass ich Rente, Berufsberatung,
Hilfsmittel und/oder Umschulung benötige.
Mein Arbeitgeber erhielt von der IV einen Fragebogen. Ich durfte ihn zusammen mit ihm ausfüllen. Schmerzhaft waren folgende Fragen: Wieviel
verdient der Mitarbeiter aktuell? Wie hoch wäre
das Gehalt ohne Behinderung? Wie hoch ist der
Wert der geleisteten Arbeit? Dies sind wohl die
wichtigsten Fragen des ganzen Formulars, sie
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
entscheiden über die künftigen Leistungen der
IV.
Auch der Augenarzt erhielt einen Fragebogen. Er
musste zudem die Arbeitsfähigkeit beurteilen.
Deshalb erklärte ich ihm ebenfalls rechtzeitig, wo
ich Probleme hatte und eine weitere Tätigkeit am
bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich sei. Auch
dies ist wichtig für den zukünftigen Verlauf des
IV-Verfahrens, sollten sich doch die Aussagen des
Arztes, des Arbeitgebers und des Antragstellers
einigermassen decken.
Neue Perspektiven
Ich bat darum, die Berufsberatung bei der Sozialversicherungsanstalt Zürich (SVA), Berufsberatung für Blinde und Sehbehinderte (BEBS), in Anspruch nehmen zu dürfen. Hier erlebte ich eine
sehr kompetente Beratung. Frau Silvia Kägi
«brummte» mir eine blindentechnische Grundausbildung bei der Sehbehindertenhilfe Basel
(www.sbh-basel.ch) auf. Hier lernte ich mit JAWS
und Braillezeile effizient zu arbeiten. Ich kann
nun Dokumente mit Hilfe des Scanners lesbar
machen. In Word, Excel, Outlook und Power
Point gewann ich Sicherheit. So nebenher genoss
ich den Unterricht in Englisch, Französisch und
Italienisch in Niveaugruppen. Selbstredend
wurde ich auch in Blindenschrift individuell
gefördert. Die Kurse dauern jeweils 12 Wochen
Retina-Suisse-Journal 2/2007
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und können nach Bedarf verlängert werden. Die
Ausbildungsleitung beurteilt dabei auch die
Chancen der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt. So blieb ich 24 Wochen in Basel. Ich wohnte
im Blindenheim Basel, genoss dort die ausgezeichnete Verpflegung und den Umgang mit
anderen blinden und sehbehinderten Personen,
die dort wohnten.
Zwischen Stuhl und Bank
Die Berufsabklärung der BEBS ergab, dass ich
mich für den Beruf des Sozialarbeiters eigne.
Deshalb besuchte ich die Informationsveranstaltung der Fachhochschule für Soziale Arbeit in
Luzern. Ich meldete mich für die Aufnahme «surdossier» an. Für die Aufnahme an einer Fachhochschule benötigt ein Interessent/eine Interessentin einen Mittelschulabschluss oder die Berufsmatura. Beides habe ich nicht. Deshalb meldete ich mich bei der SASSA (Fachkonferenz Soziale Arbeit der Fachhochschulen Schweiz) für
ein Portfolio-Atelier an. An acht Abenden wird
das Portfolio der Kompetenzen erarbeitet. Was
habe ich in meinem bisherigen Leben gemacht?
Welche Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kompetenzen
und Qualifikationen habe ich dabei eingesetzt
oder erworben? Wie habe ich das Gelernte in
anderen Bereichen eingesetzt? Zum Schluss gehört auch eine Reflexion dazu. Anhand von drei
Leitfragen wird die Studierfähigkeit nachgewie-
54
Retina-Suisse-Journal 2/2007
sen. Als Resultat habe ich ein Dossier von gut 40
Seiten und 20 Nachweisen eingereicht. Eine Kommission aus drei Fachpersonen hat mein Dossier
geprüft und angenommen. Damit ist die erste
Hürde genommen. Parallel lief das Aufnahmeverfahren an der Fachhochschule. In Luzern wird die
Fach- und Sozialkompetenz anlässlich eines
Gruppengesprächs, einer schriftlichen Einzelarbeit und eines Einzelgesprächs geprüft. Im Gruppengespräch kommen 7 Personen zusammen und
müssen über eines von drei vorgegebenen Themen diskutieren. Bei der schriftlichen Arbeit handelt es sich eher um eine Prüfung des Textverständnisses. Im Einzelgespräch befragte mich
eine Dozentin zu meiner Person. Diese umfassende Eignungsprüfung ergab leider ein negatives Resultat. Natürlich habe ich die Gründe wissen wollen. Dabei wurde nicht an der Fachkompetenz und an der Motivation gezweifelt. Aber
die Sozialkompetenz reiche nicht aus. Dieses
Feedback hat mich ziemlich erschlagen. Ich
reichte Verwaltungsbeschwerde ein. Leider ist
dafür ein Kostenvorschuss von CHF 900 zu leisten. Es könnte auch Antrag auf unentgeltliche
Rechtspflege gestellt werden. Beides wollte ich
nicht. Deshalb zog ich meine Beschwerde zurück.
Ich habe mich nun in Olten bei der Fachhochschule Nordwestschweiz angemeldet. Jetzt erwarte ich jeden Tag von dort Bescheid. In Olten
Retina-Suisse-Journal 2/2007
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gibt es kein Gruppengespräch und keine schriftliche Arbeit. Bei Unklarheiten werden Interessenten zu einem Einzelgespräch eingeladen. Bis dahin hänge ich irgendwie zwischen Stuhl und
Bank.
Schlussbemerkungen
Der Gang zur IV muss gut überlegt und vorbereitet sein. Die verschiedenen Gespräche mit Frau
Christina Fasser sowie die Lektüre des «Ratgeber
Invalidität» haben mir dabei sehr geholfen. Als
Antragssteller ist es wichtig, vorher schon ungefähr zu wissen, welches Ziel erreicht werden soll.
Dieses Ziel ist konsequent zu verfolgen. Es ist
nicht nur die Behinderung, die dafür entscheidend ist. Die IV erachtet Blindheit als keinen
Grund für eine Rente. Der Gang zur IV braucht
auch Mut und die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen. Mit der Annahme der 5. IVG-Revision wird
der Druck in Richtung Umschulung noch grösser.
Deshalb sollte man sich vorher schon überlegen,
wohin die Reise gehen könnte. Hilfreich ist
bestimmt auch der motivierte Einsatz und Lernbereitschaft im Rahmen einer blindentechnischen
Grundausbildung. Ich wünsche allen, die vor der
Entscheidung stehen den nötigen Mut und
Durchhaltewillen.
Anmerkung der Redaktion: In der Zwischenzeit
ist Herr Hüsler an der Fachhochschule in Olten
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
aufgenommen worden und sucht nun eine 70
Prozent Praktikumsstelle.
ZABBS – Zürcher Arbeitsgruppe
Behindertengerechtes Bauen
für Sehbehinderte
Amigò y Viader, Westbühlstrasse 27,
•8038Rosmarie
Zürich
Als ich vor einiger Zeit von Christina Fasser angefragt wurde, ob ich Interesse hätte mich bei dieser Gruppe (als Betroffene/Signalstockbenützerin) einzubringen, wusste ich noch wenig über
die Zwecke und Zusammenhänge der ZABBS. In
der Zwischenzeit habe ich an vielen Sitzungen
teilgenommen, finde mich langsam zurecht in
den verschiedensten Verknüpfungen, Gremien
(mit den entsprechenden Kürzeln).
Einige «geschichtliche» Daten: Gegründet
wurde die ZABBS am 28. Mai 1986. Ausgangslage
war die unbefriedigende Situation, dass die
Amtsstellen von Stadt und Kanton Zürich keine
verlässlichen Ansprechpartner hatten und oftmals die Erfahrung machen mussten, dass sie sich
bei Problemen auf den Rat von jemandem BeRetina-Suisse-Journal 2/2007
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troffenen verliessen und dann von anderen Betroffenen wieder gerügt wurden, sie hätten alles
falsch gemacht ….
Die damalige Leiterin der BKZ (Behinderten-Konferenz des Kantons Zürich) hatte zur Behebung
dieser unbefriedigenden Situation eine Aussprache im Stadthaus angeregt und in der Folge
wurde seitens der Sehbehinderten der Handlungsbedarf erkannt und folglich die ZABBS
gegründet. Die Idee war, dass sämtliche Orientierungs- und Mobilitäts-Fachleute (O+M Fachleute)
auf dem Platz Zürich und alle SehbehindertenInstitutionen entweder durch konkrete Mitarbeit
oder dann mindestens über das Protokoll eingebunden wurden. Es wurde auch darauf geachtet,
dass die hauptsächlichen Sehbehinderungen und
Mobilitätsformen (Langstockgänger, Führhundehalter, Signalstockbenützer) ebenfalls mit je
einer Person vertreten waren und sind. So konnte sichergestellt werden, dass fortan alle Forderungen für sehbehindertengerechtes Bauen einheitlich gestellt und dass Probleme vor Ort so
gelöst wurden, dass sie der Norm oder einem
Konsens entsprachen.
Dazugekommen sind im Laufe der Zeit die Bauberater der BKZ (Behinderten-Konferenz des
Kantons Zürich) wie auch die verbesserte Absprache und Koordination der Vorgehensweisen bei
den verschiedenen Projekten. Zudem hat durch
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
die gute Arbeit der Schweiz. Fachstelle für behindertengerechtes Bauen auch das Grundlagenwissen zugenommen und es wurden dank der Broschüren und Merkblätter dieser Stelle auch die
Information an die Baufachleute der Gemeinden
und des Kantons verbessert.
Aktuell sind Themen wie z.B. Installation von
Blindenleitlinien-Systemen, Türmarkierungen
beim Cobra-Tram, bei neuen S-Bahn-Einheiten.
Markierungen in diversen SBB-Bahnhöfen, Kissen
und Aufmerksamkeitsfelder bei Haltestellen des
öffentlichen Verkehrs, kombinierte VBZ-Haltestellen Tram/Bus mit zwei verschiedenen Einstiegsmarkierungen, Markierungen bei Verkehrsentflechtungen in den Quartieren, akustisch-taktile Zusatzgeräte an Ampelanlagen, Versuch einer Verbesserung der Stadtbeleuchtung, kontrastreiche Markierung von Poller und Betonquader, usw.
Praktisch ist das so, dass Anfragen (Behörden,
Ämter, Beauftragte des öffentlichen Verkehrs,
etc.) an die O+M Fachleute erfolgen – mit weiteren Sehbehinderten nahm ich an verschiedenen
Besichtigungen teil, so z.B. in den Werkstätten
der VBZ (Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich), wo
unterschiedliche Markierungen der Eingangstüren bei neuen Einheiten des Cobra-Trams zu
begutachten waren. Im Zürich-HB wurden bei
Retina-Suisse-Journal 2/2007
59
neuen Zugskompositionen der S-Bahn diverse
Änderungs- oder Verbesserungsvorschläge bei
den Einstiegen getestet.
Wenn wir von der ZABBS-Gruppe im Alltag
unterwegs auf Neuerungen stossen, die mit
wenig Aufwand und kleinen Veränderungen für
Sehbehinderte und Blinde angenehmer erlebbar
würden, so diskutieren wir mögliche Lösungsvorschläge bei nächsten Sitzungen.
Die ZABBS ist an der Front hellhörig und es bedarf schon einer wiederkehrenden Hartnäckigkeit, immer wieder von Neuem auf wunde Punkte hinzuweisen, wiederholte Gespräche mit den
zuständigen Ämtern zu führen, sich nicht entmutigen zu lassen, wenn trotzdem allzu oft dem
«Design» der Architekten und Gestalter und
nicht den eingebrachten Einwänden und Vorschlägen gefolgt wird. Aber eben, steter Tropfen
höhlt den Stein !!
Als Sehbehinderte auf «Streifzügen» in Stadt
und Kanton Zürich freut es mich dann sehr, doch
hin und wieder praktische Resultate der Bemühungen der ZABBS zu entdecken.
60
Retina-Suisse-Journal 2/2007
Sportschiessen für Blinde und
Sehbehinderte, geht das?
• Michael Lauber, Gertrudstr. 62, 8003 Zürich
Diese Frage habe ich mir ehrlich gesagt Anfang
der achtziger Jahre in Berlin auch gestellt und
gefragt, wie viele Biere Kurtchen wohl getrunken hat als er mich fragte, ob ich am nächsten
Mittwoch Abend zum Schiessen mitkomme. Spätestens als ich das Druckluftgewehr in der Hand
hielt und den, beim Bewegen des Gewehres,
höher und tiefer werdenden Ton im Kopfhörer
hörte wusste ich, dass es Realität ist. Natürlich
hat es ein paar Wochen gedauert, bis ich selbstständig den höchsten Ton fand und damit ins
«Schwarze», respektive bei unseren speziellen
Zielscheiben ins Weisse traf. Trotz dieser Faszination bin ich nicht regelmässig zum Schiessen
erschienen, da mich während dieser Lebensfase
andere «Dinge» mehr interessiert haben.
Als ich nun im vorletzten Sommer in Saulgrub,
während einer Ferienwoche die oberbayrische
Lebensart geniessen durfte bestand die Möglichkeit, das Schiessen für Blinde und Sehbehinderte
auszuprobieren. Obwohl schon über zwanzig
Jahre vergangen waren, hat es mir den Ärmel
gleich wieder hineingezogen. Auf die Frage, waRetina-Suisse-Journal 2/2007
61
rum es in der Schweiz keinen Blindenschützenverein gibt und ob die Nachfahren des Wilhelm
Tell denn nicht Schiessen können, gab es nur die
Flucht nach Vorne. «Ehrlich gesagt weiss ich das
gar nicht so genau». «Aber Ihr könnt sicher sein,
dass wir euch die Antwort in ein paar Jahren geben können».
Dank zweier engagierter langjähriger Schützen
ist es nun endlich auch in der Schweiz möglich,
für blinde und sehbehinderte Menschen das
Sportschiessen unter professioneller Anleitung
auszuüben. Seit Mitte April 2006 treffen wir, vier
bis fünf Sehbehinderte und Blinde, uns nun jeden Dienstagabend in der 10 m Indoor-Anlage
des Schützenvereines KK74 in Urdorf zum Training. Dieses beginnt jeweils mit Gleichgewichtsübungen auf Fusswippen. Erst dann beginnt das
eigentliche Schiesstraining. Wer jedoch meint
dass es mit dem Abdrücken beim ertönen des
höchsten Tones im Kopfhörer getan ist, der
täuscht sich gewaltig. Um ein gutes Schussbild zu
erreichen kommt es vielmehr darauf an, in einer
korrekten Körperhaltung ruhig zu stehen und
beim erreichen des Scheibenzentrums (höchster
Ton) vom Druckpunkt den Abzug möglichst ruhig
durchziehen bis der Schuss sich löst. Geschossen
wird übrigens auf Pistolenscheiben, welche nicht
wie üblich im Zentrum schwarz und Aussen
weiss, sondern im Zentrum weiss und Aussen
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
schwarz sind. Dies ist nötig, da das ZO (Zieloptik
von Swarovski) Helligkeit in die entsprechende
Tonhöhe umwandelt (je näher am Zentrum desto
höher der Ton). Da dies freistehend am Anfang
gar nicht umzusetzen wäre, wird die erste Zeit
mit aufgelegtem Gewehr geschossen. Natürlich
ist das gemeinsame Beisammensein in der Schützenstube ein wichtiger Bestandteil unserer wöchentlichen Treffen. Es würde uns natürlich freuen, wenn sich in der Schweiz noch andere Blindenschützen-Gruppen bilden würden, um in der
Zukunft einmal Turniere auszutragen.
Interessiert? Dann schauen Sie doch einfach bei
unserer Internetseite www.blindenschiessen.ch
herein oder rufen Sie Michael Lauber an (Tel. 044
462 98 34).
Das Freizeitatelier Zürich des SBV ist
eröffnet.
Mehr dazu unter www.sbv-fsa.ch/ateliers/
zuerich/atelier/atelier_zh-d.htm oder über
Telefon und E-mail bei
Atelier für Blinde und Sehbehinderte
Moosmattstrasse 30, 8953 Dietikon
Tel. 044 740 27 40 – Fax 044 740 27 38
E-mail: [email protected]
Retina-Suisse-Journal 2/2007
63
Schach als sinnvolle Freizeitbeschäftigung auch für Blinde
und Sehbehinderte
Wir sind ca. 50 Blinde und Sehbehinderte und
pflegen schon seit 48 Jahren gemeinsam die
Freude am Schachspiel. Über die 3 Pfingsttage
treffen wir uns jährlich zum traditionellen Turnier «Schweizer Meisterschaft im Blindenschach». Warum? weil es Spass macht, uns geistig fordert und es unsere Kreativität fördert. Wo?
in Basel, Zürich, Luzern und Lausanne gibt es
Blinden–Schach-Klubs. Infos finden sie auf unserer Homepage www.sbsb.info.
Für die lokalen Blinden–Schach-Klubs kontaktieren sie bitte:
Zürich:Willi Bolliger, Tel. 056 426 59 43
([email protected])
Basel: Josef Camenzind, Tel. 061 831 31 53
([email protected])
Luzern: Werner Studer, Tel. 041 260 96 60
([email protected])
Lausanne: Jean-Michel Blatter, Tel. 024 446 14 57
([email protected])
Wir freuen uns auf alle an Schach Interessierten (auch Anfänger!).
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Bücher
«Dämmerlicht» von Henry Grunwald
Unter dem Titel «Dämmerlicht. Wie ich lernte,
mit meiner Erblindung zu leben» hat Henry Grunwald seine Erfahrungen mit der altersbedingten
Makuladegeneration beschrieben. Was geht in
einem Menschen vor, der nach und nach sein
Augenlicht verliert?
Henry Grunwald, in Österreich geboren, in die
USA emigriert, dort erfolgreicher Medienmanager und später Botschafter in Wien, hat dieses
Schicksal getroffen. Er erkrankte an der altersbedingten Makuladegeneration.
Dieses Buch ist das eindrucksvolle Zeugnis eines
Menschen, der eine schwere Erkrankung akzeptiert, aber mit aller Kraft nach Wegen sucht, für
sich ein neues Leben zu finden. Die Audiomagazine in Wien haben dieses fast vergriffene Buch
jetzt als Hörbuch auf CD neu aufgelegt. Es ist
eine gute Einführung für Betroffene und für
Menschen, die sich über die AMD informieren
wollen. Die Firma Pfizer hat dies ermöglicht. Das
Buch ist gegen einen Spendenbeitrag von mindestens Fr. 25.– bei Retina Suisse, Ausstellungsstrasse 36, 8005 Zürich erhältlich. Die Spende ist
für unsere Forschungsunterstützung bestimmt.
(Besprochen von Christina Fasser)
Retina-Suisse-Journal 2/2007
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«Löwin im Dschungel». Blinde und sehbehinderte Menschen zwischen Stigma und
Selbstwerdung
Eva-Maria Glofke-Schulz legt eine wissenschaftlich fundierte Arbeit vor, die bereits mit einem
ausführlichen und sehr persönlichen Vorwort
den Leser in ihren Bann zieht. Die Verfasserin
scheut sich nicht, ihr Leben als blinde Frau in unserer Gesellschaft zu dokumentieren und das
vielschichtige Phänomen der Behinderung in allen nur möglichen Facetten in Beziehung zu setzen mit dem Prozess der Krisenverarbeitung und
Identitätsentwicklung. Ihre ungewöhnliche Offenheit macht es möglich, eine Vielzahl theoretischer Konstrukte für die Auseinandersetzung mit
der Behinderung einer breiteren Leserschicht erfahrbar zu machen. Sie hinterfragt gesellschaftliche Praktiken und gestaltet sie neu, sie ermöglicht dem Leser sich zu identifizieren und personale und soziale Identität neu zu formen. Mit vielen Beispielen von Alltagssituationen zwischen
Behinderten und Sehenden, ergänzt durch Träume, Vorstellungen und Entwicklungsmöglichkeiten, zeigt sie das unglaubliche Repertoire
menschlicher Fähigkeiten in der Auseinandersetzung mit der Behinderung.
«Mehr als Behinderungsbewältigung»: Die Autorin zeigt auf wie es möglich ist, alle Kräfte in sich
wahrzunehmen und zu fördern, nicht zuletzt, um
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Retina-Suisse-Journal 2/2007
der eigenen Identität unter der behinderungsbedingten, nicht auflösbaren Widersprüchlichkeit
näher zu kommen. Behinderung ist kein zentrales Merkmal der Person, sondern Sinnfindung
und Identitätsentwicklung. Respekt und Anerkennung anstelle von Mitleid und Fürsorge auf
einer gemeinsamen Basis des Menschseins sind
tragende Gedanken des Buches. Mit grosser Behutsamkeit und Sorgfalt hat Eva-Maria GlofkeSchulz ein hervorragendes Buch geschaffen, das
dennoch nicht die ambivalente Haltung gegenüber behinderten Menschen aufheben kann.
Empfehlenswert ist das Buch für jeden Leser, der
offen ist für anthropologische Fragestellungen.
Besonders angesprochen sind blinde und sehbehinderte Menschen, die sich auseinander setzen
wollen mit ihrer Behinderung.
Das Buch ist im Psychosozial-Verlag in Giessen
erschienen und kann im Buchhandel unter ISBN
978-3-89806-735 bestellt werden. Ab 1.10.07 sollte das Buch auch bei der SBS auf Daisy ausgeliehen werden können.
(Besprochen von Katharina und Manfred Knoke)
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Tipps und Tricks
Speakout Modul – eine ideale Art Dinge
zu beschriften
Für den Milestone 311 ist ein neues Erweiterungsmodul erhältlich: SPEAKOUT, die praktische
Lösung zur Kennzeichnung von Objekten mit der
Technologie RFID (Radio Frequency Identification). Damit lassen sich elektronische Etiketten
einfach besprechen. Nun ist Schluss mit CDs wo
nur darauf Steht «Mozart: Klavierkonzert», sondern dann kommt auch noch dazu wer der Solist
ist, welches Orchester spielt etc. Dieses Markierungssystem ist für die verschiedensten Dinge
geeignet, angefangen im Büro vom genauer
Markieren, was im Brief steht bis zum Weinkeller
mit einer exakten Markierung der Flaschen.... Es
gibt verschiedene Etiketten, wobei die runde mit
einem Loch für CDs bestimmt ist und damit mithilft, dass auch die richtige CD wieder zurück in
die richtige Hülle findet.
Und das beste am System: es ist sehr einfach zu
bedienen. Man muss nur das Modul in den Milestone 311 einsetzen und über die jeweilige Etikette fahren, um die Etikette zu besprechen oder
die von Ihnen aufgesprochene Mitteilung abzuhören.
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Erhältlich ist SPEAKOUT bei: SZB, Abteilung Technische Hilfsmittel, Tel. 062 888 28 70, E-mail [email protected]
Wichtige Daten
•
Samstag,
20. Okt. 2007
Regionaltreffen Deutschschweiz in Zürich: Besichtigung Hauptbahnhof und Limmatquai mit Eva Schmidt von
der «Beratungsstelle für behindertengerechtes Bauen» in
Zürich.
•
Oktober und
Nov. 2007
AMD-Veranstaltungen in verschiedenen Ortschaften der
ganzen Schweiz (Genaue Angaben unter www.retina.ch/
Veranstaltungen)
•
19. April 2008 Ordentliche Generalversammlung von Retina Suisse in Fribourg
Retina Suisse
Die Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Retinitis
pigmentosa (RP), Makuladegeneration, Usher-Syndrom
und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen
Ausstellungsstrasse 36, CH-8005 Zürich
Tel. 044 444 10 77, Fax 044 444 10 70
E-mail [email protected]; www.retina.ch
Postkonto 80-1620-2
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