Keramische Werkstoffe

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Keramische Werkstoffe
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Keramische Werkstoffe
Prof. Dr. W. Weppner
Lehrstuhl für Sensorik und Festkörper-Ionik
Technische Fakultät der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Kaiserstr. 2, 24143 Kiel
Übersicht
(stundenweise):
1. Grundlagen: Keramische Prozesse und Produkte,
Strukturen kristalliner Keramiken, Strukturen von
Gläsern
2. Defekte, Oberflächen, Grenzflächen, Polarisationen,
Leitfähigkeiten
3. Entwicklung von Mikrostrukturen in Keramiken
4. Herstellung von Keramiken: Rohmaterialien, Pulverherstellung, Kalzinierung, Verdichtung, Glasbildung
5. Neue Herstellungsverfahren (Sol-Gel, Precursormethoden, ... ), Verarbeiten von Keramiken,
Materialeigenschaften wichtiger Keramiken (ZrO2,
Boride, Karbide, Nitride, Oxidgläser, Glaskeramiken)
6. Strukturelle Anwendungen von Keramiken
(Refraktorien, Beton, Fliesen, Porzellan, Emaille,
Tone, Keramische Beschichtungen), mechanische
Eigenschaften (Härte)
7. Thermische Eigenschaften, Verformung, Elastizität
8. Keramische Leiter: Heizelemente, Ohmsche und
thermisch sensitive Widerstände, Varistoren, Ionenleiter, hochtemperaturkeramische Supraleiter
9. Dielektrika und Isolatoren
10. Piezoelektrische Keramiken
11. Pyroelektrische Keramiken
12. Elektrooptische Keramiken
13. Magnetische Keramiken
14. Mikrowellenanwendungen, spezielle Anwendungen
von Gläsern
15. Keramiken und Gläser für Brennstoffzellen und
Hochenergiebatterien
16. Keramiken für Sensoren, Solarzellen, neue Halbleiterstrukturen, Ausblick
Literatur:
1. W. D. Kingery, H. P. Bowen, D. R. Uhlmann:
Introduction to Ceramics, John Wiley & Sons, New
York (1976)
2. A. J. Moulson, J. M. Herbert: Electroceramics
(Materials, Properties, Applications), Shapman &
Hall, London (1993)
3. Engineered Materials Handbook, Vol. 4: Ceramics
and Glasses, ASM International (1991)
4. B. C. H. Steele: Electronic Ceramics, Elsevier
Applied Science, London (1991)
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Keramische Werkstoffe
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I. Grundlagen
1. Keramische Prozesse und Prokukte
Als Keramiken werden Produkte bezeichnet, die
wesentliche Komponenten aus anorganischen nichtmetallischen Materialien aufweisen. Diese (heutige) Definition
schließt nicht nur Materialien wie Töpferware, Porzellan,
Tone, Schleifmittel, Zemente und Glas ein, sondern auch
nichtmetallische magnetische Materialien und Ferroelektrika. Sie ist wesentlich breiter als die aus dem
griechischen Wort „keramos“ abgeleitete Bedeutung der
Herstellung und Verwendung von Materialien, die durch
Einwirkung von Hitze auf natürliche Rohmaterialien
entstehen.
Nahezu jede industrielle Produktionslinie, jedes Büro und
jeder Haushalt ist von keramischen Materialien abhängig.
Sie werden wegen ihrer nützlichen chemischen, elektrischen, mechanischen, thermischen und strukturellen
Eigenschaften angewandt. Je nach Anwendungsschwerpunkt wird zwischen strukturellen und funktionellen
Keramiken unterschieden.
Eine wesentliche charakteristische Eigenschaft von
Keramiken ist ihre Brüchigkeit, d. h. ihr Bruch mit
geringer oder ohne Deformation. Daher können Keramiken nicht durch normale Deformationsprozesse, wie
sie für Metalle üblich sind, geformt werden.
Zur Formgebung von Keramiken wurden zwei Prozesse
entwickelt:
a) Feine keramische Partikel werden mit einer
Flüssigkeit oder einem Binder (Material mit
Gleiteigenschaften) vermischt. Das klassische
Beispiel ist die Erzeugung einer Plastizität durch eine
Ton-Wassermischung. Durch Wärmeeinwirkung werden die feinen Partikel dann agglomeriert.
b) Schmelzen des Materials, um es dann während der
Phase der Abkühlung und Verfestigung zu formen.
Dieser Prozeß findet überwiegend bei Gläsern
Anwendung.
1.1 Rohmaterialien.
Die natürlichen Mineralien sind im Wesentlichen durch
das Vorkommen der Elemente bestimmt. Sauerstoff,
Silicium und Aluminium machen zusammen 90% der
Elemente in der Erdkruste aus. Daher sind die
dominierenden Mineralien Silicate und Alumo-Silicate.
Wegen der weiten Verbreitung sind sie billig und stellen
daher das Rückgrat der keramischen Industrie mit hoher
Tonnage dar. Tone niedriger Qualität sind nahezu überall
verfügbar; die Herstellung von Backsteinen und Fliesen
ohne besondere Eigenschaften ist daher eine lokale
Industrie. Im Gegensatz dazu hängt Feinkeramik von
besser kontrollierten Rohmaterialien und der Prozeßführung ab. Für Materialien mit hohem Wertzuwachs bei
der Verarbeitung, beispielsweise magnetische Keramiken, Kernbrennstoffe, elektronische Keramiken und
spezielle Feuerfest-Werkstoffe, ist eine chemische Reinigung oder sogar die chemische Präparation der
Ausgangsmaterialien notwendig.
Die am weitesten eingesetzten Rohmaterialien sind die
Tonminerale, d. h. wasserhaltige Alumosilicate (Tab.
1.1.). Sie variieren stark in ihren chemischen und
physikalischen Eigenschaften; gemeinsam haben sie
jedoch eine charakteristische Schichtstruktur, die aus
elektrisch neutralen Alumosilicatschichten besteht. Das
führt zu einer kleinen Partikelgröße und plattenförmiger
Morphologie und ermöglicht den Partikeln, sich
gegeneinander zu verschieben. Ton-Wasser-Gemenge
lassen sich leicht formen und behalten in einzigartiger
Weise ihre Gestalt während des Trocknens und Brennens.
Sie werden bei Temperaturen, die ökonomisch leicht
erreichbar sind, dicht und fest. Die am meisten
verwendeten Tonminerale basieren auf der KaolinitStruktur (Al2(Si2O5)( OH)4).
Tab. 1.1. Chemische Formeln der Tonminerale
Kaolinit
Halloysit
Pyrophyllit
Montmorillonit
Mica
Illit
Al2(Si2O5)(OH)4
Al2(Si2O5)(OH)4 · 2H2O
Al2(Si2O5)(OH)2
Ê
Na0.33 ˆ
ÁÁ Al1.67
˜˜ (Si2 O5 )2 (OH) 2
Mg0.33 ¯
Ë
Al2K(Si1.5Al0.5O5)2(OH)2
Al2-xMgxK1-x-y(Si1.5-yAl0.5+yO5)2(OH)2
Ein verwandtes Material ist Talk, ein wasserhaltiges
Magnesiumsilicat mit der Formel Mg3(Si2O5)2(OH)2. Es
wird für die Herstellung elektrischer und elektronischer
Komponenten und zur Fliesenherstellung verwandt.
Asbestminerale sind wasserhaltige Magnesiumsilicate mit
einer Faserstruktur, hauptsächlich mit der
Zusammensetzung Mg3Si2O5(OH)4.
Weiterhin sind wasserfreie Silicate ein wesentliches
Keramische Werkstoffe
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Rohmaterial der keramischen Industrie. SiO2 ist der
maßgebliche Bestandteil von Glas, Emaille, FeuerfestWerkstoffen und Schleifmitteln.
Wichtige Ausgangsmaterialien sind ferner Feldspate, d.
h. wasserfreie Alumosilicate mit K+, Na+ oder Ca2+, die
bei der Bildung einer Glasphase helfen. Die wesentlichsten kommerziellen Materialien sind PottascheFeldspat (K(AlSi3)O8), Soda-Feldspat (Na(AlSi3)O8) und
Kalk-Feldspat (Ca(Al2Si2)O8). Natürlich vorkommende
Nicht-Silicate werden hauptsächlich als FeuerfestMaterialien verwendet. Al2O3 wird überwiegend aus
Bauxit durch Herauslösen mit Ätzkalk und Ausfällung
von Aluminiumhydroxid hergestellt. MgO wird aus
natürlichem Magnesit (MgCO3) und aus Magnesiumhydroxid (Mg(OH)2) gewonnen. Dolomit, eine feste Lösung
von Calcium- und Magnesiumkarbonat (CaMg(CO3)2),
wird als Werkstoff in der Stahlindustrie verwendet.
1.2 Formgebung und Brennen.
Typische Tonminerale haben Teilchengrößen von 0,1 50 mm; Feldspate für die Porzellanherstellung haben
wesentlich größere Teilchengrößen von 10 - 200 mm. Für
den Formgebungsprozeß sind feine Partikel von weniger
als 1 mm oft notwendig: für kolloidale Suspensionen ist
die Tendenz des Absetzens direkt proportional zur Dichte
und Teilchengröße; für plastische Mischungen mit einem
Flüssigphasenbinder ist die Kapillarität der Flüssigkeit
zwischen den Teilchen entscheidend, die umgekehrt
proportional zur Teilchengröße ist für das Trockenpressen können kleine Teilchen besser gegeneinander
fließen. Eine uniforme Teilchengröße ist oft nicht
vorteilhaft, um eine möglichst hohe Dichte zu erhalten.
Mischungen aus groberen und feineren Materialien
(beispielsweise 70% und 30%) erlauben eine bessere
Raumfüllung und Abgabe des Wassers während des
Trocknungsprozesses. Zusätzlich zur gewünschten
Teilchengröße und Partikelgrößenverteilung ist es
notwendig, eine gute Vermengung der Materialien zu
erzeugen.
Für das Entwässern der naßgemahlenen Mischungen wird
entweder eine Filterpresse oder Sprühtrocknen verwendet, wobei die Tröpfchen mit einem Gegenstrom warmer
Luft getrocknet werden.
Ein substantieller Anteil feiner Partikel ist auch für den
Brennvorgang notwendig, da Kapillarkräfte zur Reduzierung der Oberflächenenergie wirsam sein müssen.
Die einfachste Form der Kompaktierung keramischer
Körper besteht in der Verpressung trockner oder leicht
mit organischen Bindern versehener Pulver in einer
Metallform unter hinreichend hohen Drucken. Eine
weitere Methode der Formgebung ist das Extrudieren
einer steifen plastischen Mischung, typischerweise mit 12
- 20% Wasser. Unter Verwendung eines Vakuums zur
Vermeidung von Luftblasen wird die Masse durch eine
Öffnung in gehärtetem Stahl gepreßt.
Das Einbrennen erfolgt bei Temperaturen von 700 - 1800
°C, abhängig von der Zusammensetzung und den
gewünschten Eigenschaften. Eine Glasur wird meist bei
niedrigeren Temperaturen eingebrannt.
1.3 Schmelzen und Verfestigen.
Diese Methode findet vor allem bei glasbildenden
Materialien Anwendung, bei denen die Viskosität über
einen großen Temperaturbereich ansteigt und die
Formgebung der Fluidität des Glases angepaßt werden
kann. Die Formgebung erfolgt durch Blasen, Pressen,
Ziehen, Rollen und Gießen. Oft erlaubt die Abkühlung
der Oberfläche die Bildung einer stabilen Gestalt,
während das Innere hinreichend flüssig bleibt, um den
Aufbau gefährlicher Spannungen zu vermeiden.
Spannungen, die während des Abkühlens entstehen,
werden durch Tempern bei Temperaturen im Bereich von
meist 400 - 500 °C abgebaut.
1.4 Keramische Produkte.
In der traditionellen Keramikindustrie werden vorwiegend Tone, Zement und Silicatgläser verarbeitet. Die
Herstellung gebrannter Tonwaren kann 8500 Jahre
zurückverfolgt werden. Natürlich vorkommende Gläser
wurden bereits während der Steinzeit benutzt; eine GlasIndustrie existierte in Ägypten bereits vor 3500 Jahren.
Glasprodukte werden meistens aus Natrium-CalciumSilicatgläsern hergestellt. Das nächstgrößere Segment der
Keramikindustrie sind Zementprodukte. Die drittgrößte
Gruppe entfällt auf Töpferware und Porzellan. Es folgen
Porzellanemaillen und glasähnliche Beschichtungen auf
Metallen.
Eine Vielzahl neuer Keramiken wurde in den letzten
Jahrzehnten entwickelt. Diese sind von besonderem
Interesse wegen ihrer einzigartigen oder herausragenden
Eigenschaften. Zu den Materialien zählen
- reine oxidische Keramiken mit speziellen Eigenschaften
für elektrische und feuerfeste Komponenten, z.B.
Al2O3, ZrO2, ThO2, BeO, MgO, MgAl2O4 (Spinell) und
Mg2SiO4 (Forsterit),
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- elektrooptische Keramiken, z. B.
Lithiumniobat (LiNbO3) und Lanthan-modifiziertes Bleizirkontitanat
(PLZT), die es erlauben, elektrische
Information in optische Information
umzuwandeln,
- magnetische Keramiken für magnetische Speicher,
- ferroelektrische Keramiken, z. B.
Bariumtitanat, das eine extrem hohe
dielektrische Konstante aufweist,
- Nicht-Silikat-Gläser, z. B. für Infrarottransmission, spezielle optische
Eigenschaften und Halbleiter,
- Molekularsiebe, z. B. zur Trennung
unterschiedlicher Molekulargrößen,
- Glaskeramiken, bei denen zunächst
ein Glas gebildet wird, das dann
durch Keimbildung kristallisiert, um
ein hochgradig kristallines keramisches Material auf diese Weise zu
erzeugen.
Abb. 2.1. Gesamtenergie von K+ und Cl- als Funktion ihres internuklearen Abstands
R.
2. Strukturen kristalliner Keramiken
Die Bildung stabiler anorganischer Kristalle wird überwiegend durch elektrostatische Anziehung zwischen
entgegengesetzt geladenen Ionen und die Teilung eines
Elektronenpaars zwischen zwei Atomen (z. B. in H2 und
CH4) erreicht:
- Ionische Bindung.
Dem Energieaufwand der Ionisierung (beispielsweise
0,52 eV für die Bildung von K+ und Cl-) bei unendlich
großem Abstand überlagert sich mit abnehmendem
2
Abstand die Coulomb-Energie q / 4pe 0 R (y0: Permittivität, R: Abstand) mit einer Erhöhung der Stabilität des
Moleküls. Bei einem Überlapp der Elektronenschalen der
Ionen treten jedoch repulsive Kräfte in Erscheinung
aufgrund des Pauli-Prinzips, das nur ein Elektron pro
Quantenzustand zuläßt. Für die repulsiven Kräfte wird
eine Abhängigkeit proportional zu 1/Rn angenommen,
wobei n typischerweise von der Größenordnung 10 ist.
Die Gesamtenergie ist damit
E=-
q2
B
+
+ E Ionisierung
4pe 0 R R n
(2.1)
Abb. 2.2. (a) Potentielle Energie und (b) und (c) Elektronen-
(siehe Abb. 2.1.)
dichte entlang einer Reihe zwichen Protonen im Wasserstoffmolekül..
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- Kovalente Bindung.
Sie führt beispielsweise zur Bildung eines stabilen
Wasserstoffmoleküls H2. Die potentielle Energie eines
Elektrons ist bei weitem Abstand vom Proton 0 und hat
bei jedem Proton ein Minimum. Auf der Verbindungslinie der Protonen wächst die potentielle Energie des
Elektrons, bleibt aber stets niedriger als die des freien
Elektrons (Abb. 2.2.). Bei einer Annäherung der Kerne
wächst die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron zwischen
den beiden Protonen zu finden. Der Annäherung
entgegen stehen schließlich die repulsiven Kräfte
zwischen den Protonen.
- Van der Waals Bindungen.
Jedes Atom oder Molekül besitzt ein fluktuierendes
Dipol-Moment, das mit den augenblicklichen Positionen
der Elektronen variiert. Das damit verbundene Feld
induziert ein Dipol-Moment in benachbarten Atomen,
und die Wechselwirkung induzierter und ursprünglicher
Momente führt zu einer anziehenden Kraft. Die
Bindungsenergie ist schwach, ungefähr 0,1 eV.
negativen Ionen umgeben und umgekehrt. Die Energie
eines Ions der Ladung ziq kann als Summe der Wechselwirkungen mit den anderen j Ionen des Kristalls
betrachtet werden.
Ei =
Ê zi qz jq
 ÁË 4pe R
0
j
+
ij
B ij ˆ
˜
R nij ¯
(2.3)
(Nullpunkt der Energie bei unendlich weiter Entfernung
der Ionen). Summiert über den gesamten Kristall mit N“Molekülen“ ergibt sich für die gesamte Energie (für ein
zweikomponentiges System)
E=
Â
1
2
Ei = N
i
Â
j
Ê z iz jq2
Bij ˆ
+ n˜ .
Á
Ë 4pe 0 R ij R ij ¯
(2.4)
Setzt man
R ij = R 0x ij
(2.5)
wobei R0 ein charakteristischer Abstand ist, ergibt sich
- Metallische Bindung.
Die kohäsiven Kräfte zwischen Metallatomen beruhen
auf quantenmechanischen Effekten der Leitungselektronen. In erster Näherung können Metalle als Anordnung
positiver Ionen, die in eine gleichförmige
Elektronenwolke eingetaucht sind, betrachtet werden. Mit
dem Zusammenrücken der Atome verbreitern sich die
Energieniveaus und werden erlaubte Bänder, in denen die
Abstände zwischen den Energieniveaus der individuellen
Elektronen so eng werden, daß sie als kontinuierliches
Band betrachtet werden können. In Metallen ist das
höchste Band unvollständig mit Elektronen gefüllt, das
eine relativ freie Bewegung der Elektronen ermöglicht.
Ê z1 z2 q2
c ˆ
E = NÁ a+ n˜
R0 ¯
Ë 4pe 0 R 0
mit
a=
Â
Ein zusätzlicher Aspekt ist das Zusammenpassen
komplexer Einheiten in kristallinen Festkörpern mit einer
Periodizität, die elektrostatische abstoßende Kräfte
minimiert und Festkörpern erlaubt, Bindungen mit
energetisch günstigen Winkeln und Abständen einzugehen. Verschiedene Klassen entsprechend dem überwiegenden Beitrag der Bindung werden unterschieden.
Ionenkristalle.
Die Verteilung der Elektronen zwischen den Ionen ist die
gleiche wie für die einzige ionische Bindung. In einem
Kristall ist jedoch jedes positive Ion von mehreren
zi z j
zi z j
xij
i
(2.7)
und
c=
Bij
Âx
i
2.1 Atomare Bindung in Festkörpern
(2.6)
n
ij
.
(2.8)
Die Größe a wird Madelung-Konstante genannt. Sie
hängt nur von der Geometrie der Struktur ab und kann für
einen bestimmten Strukturtyp berechnet werden.
(Beispiel: NaCl-Struktur: a = 1,748; CsCl-Struktur:
1,763; Zinkblende-Struktur: 1,638; Würtzit: 1,641). Die
Madelung-Konstante repräsentiert die Coulomb-Wechselwirkung eines Ionenpaares in einem Kristall relativ zur
Coulomb-Energie eines isolierten Ionenpaares. a > 1,
aber nicht wesentlich. In verschiedenen ionischen Anordnungen ändert sich die Coulomb-Energie nur sehr wenig.
Die Größe C hängt nicht nur vom Strukturtyp, sondern
auch von der chemischen Verbindung ab, da sich Bij für
verschiedene ionische Spezies unterscheidet. Differentia-
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tion von Gleichung (2.6) bezüglich R0 und Nullsätzen
(Energieminimum) ergibt für C:
C=
a zi z j q 2
4 pe 0 n
R n-1
0 .
(2.9)
Eingesetzt in Gleichung (2.6) ergibt sich
E=-
Na z i z j q2 1 Ê
1
Á 1 - ˆ˜ .
4 pe 0
R0 Ë
n¯
um das Molekül zu bilden. Keine weiteren Elektronen
sind verfügbar um zusätzliche kovalente Bindungen zu
bilden, und kein kovalenter Kristall kann aufgebaut
werden. Im Gegensatz dazu bildet Kohlenstoff einen
kovalenen Kristall, Diamant, in dem jedes Kohlenstoffatom von vier anderen Kohlenstoffatomen umgeben ist.
Die vierfache Koordination erlaubt keine dichte Packung
der Atome, sondern eine offene Struktur, die von der
gerichteten Natur der Bindung verlangt wird.
(2.10)
n kann aus der Kompressibilität des Kristalls bestimmt
werden und hat einen typischen Wert von 10, so daß die
repulsive Wechselwirkung zwischen den Ionen nur etwa
10% der Coulomb-Enerige zur Gesamtenergie des
Kristalls beiträgt. Verbindungen der Metallionen mit
Anionen der Gruppe VII sind stark ionisch (NaCl, LiF,
...); Verbindungen von Metallen mit Sauerstoffionen sind
überwiegend ionisch (MgO, Al2O3, ZrO2,...). Die
Elektronenverteilung in den Ionen ist nahezu sphärisch,
und die interatomare Bindung ist im Wesentlichen
ungerichtet. Die stabile Struktur ionischer Verbindungen
tendiert dazu, eine möglichst große Zahl von Nachbarn
(Koordinationszahl) entgegengesetzter Ladungen aufzuweisen. Diese Strukturen hängen daher davon ab, eine
maximale Packungsdichte der Ionen zu erreichen.
Kovalente Kristalle.
Jede einzelne Bindung in einem kovalenten Kristall ist
ähnlich der Bindung zwischen Wasserstoffatomen. Ein
Elektronenpaar ist in dem Raum zwischen den Atomen
konzentriert. Kovalente Kristalle bilden sich, wenn starke
richtungsabhängige kovalente Bindungen möglich sind.
Beispielsweise bildet Kohlenstoff vier tetraedrische
Bindungen, die in Methan (CH4) aufgebraucht werden,
Kovalente Kristalle (Diamant, Siliziumcarbit, ...) haben
große Härten, hohe Schmelzpunkte und niedrige elektrische Leitfähigkeiten bei niedrigen Temperaturen.
Molekulare Kristalle.
Organische Moleküle (Methan, ...) und inerte Gasatome
sind durch schwache Van der Waals-Kräfte zusammengehalten. Die Kristalle sind leicht komprimierbar und
weisen niedrige Schmelz- und Siedepunkte auf. In Keramiken spielt diese Bindung zwischen den SilikatSchichtstrukturen in Tonen eine Rolle.
Kristalle mit Wasserstoffbindung.
Wasserstoff bildet eine starke Bindung zwischen zwei
Anionen. Die Wasserstoffbindung ist in hohem Maße
ionisch und wird nur mit sehr elektronegativen Anionen,
O2- oder F-, gebildet. Die Bindung spielt in vielen Verbindungen mit Wasserstoff und Sauerstoff, beispielsweise in
hydratisierten Salzen, eine wichtige Rolle.
Kristallstrukturen.
Nur gewisse geometrische Formen können periodisch
wiederholt werden, um den Raum zu füllen. Es existieren
32 mögliche Anordnungen von Punkten um einen
zentralen Punkt. Diese benötigen 14 verschiedene
Bravais- oder Raumgitter (Abb. 2.4.). Die Gitter werden
in 6 Systeme (triclin, monoclin, orthorhombisch,
tetragonal, hexagonal und kubisch) in der Reihenfolge
zunehmender Symmetrie zusammengefaßt.
Richtungen und Ebenen werden in eckigen bzw. runden
Klammern dargestellt (Abb. 2.5.).
Oxidstrukturen.
Die meisten einfachen Metalloxidstrukturen können auf
der Basis nahezu dichtgepackter Sauerstoffionen,
zwischen denen sich die Kationen auf Zwischengitterplätzen befinden, aufgebaut werden.
Abb. 2.3. Kristallstruktur eines Diamanten.
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Abb. 2.4. Vierzehn Bravais oder Leerstellen-Gitter.
Abb. 2.6. Kristallstruktur von Sodiumchlorid.
Kochsalzstruktur.
Die großen Anionen sind kubisch dichtgepackt und alle
oktaedrischen Zwischengitterpositionen sind von Kationen gefüllt (Abb. 2.6.). Beispiele sind MgO, CaO, SrO,
BaO, CdO, MnO, FeO, CoO und NiO. Koordinationszahl
= 6 für Anionen und Kationen. Radienverhältnis = 0,732
- 0,414. Anionenvalenz = Kationenvalenz.
Würtzit-Struktur.
Berillium-Oxid: Hexagonale Packung der großen
Sauerstoffionen mit halber Besetzung der teraedrischen
Lücken mit Berillium-Ionen. Radienverhältnis = 0,25
(Abb. 2.7.).
Zinkblende-Struktur.
Tetradrische Koordination des Kations; kubisch dichte
Packung der Anionen (Abb. 2.8.).
Abb. 2.5. Miller-Indizes ausgewählter Ebenen und Richtungen
in einem Kristallgitter.
Spinell-Struktur.
Allgemeine Formel: AB2O4, z. B. MgAl2O4. Weist eine
kubische Struktur auf, die als Kombination der Kochsalzund Zinkblende-Struktur gesehen werden kann (Abb.
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Abb. 2.7. Würtzit-Struktur (ZnS) (auch BeO, und SauerstoffPositionen in H2O).
Abb. 2.8. Zinkblende-Struktur (ZnS).
2.9.). Die Sauerstoffionen weisen eine flächenzentrierte
kubisch dichte Packung auf. Auf 4 Anionen kommen 4
oktaedrische Lücken und 8 tetraedrische Lücken. Das
ergibt 12 Leerstellen, die von 3 Kationen zu füllen sind,
einem divalenten und 2 trivalenten.
In jeder Elementarzelle sind 2 oktaedrische und eine
tetraedrische Lücke gefüllt. 8 dieser Elementarzellen
bilden eine Einheitszelle aus 32 Sauerstoffionen, 16
oktaedrischen Kationen und 8 tetraedrischen Kationen.
iher magnetischen Eigenschaften von Bedeutung.
Im inversen Spinell befinden sich die A++-Ionen und die
Hälfte der B+++-Ionen auf oktaedrischen Plätzen; die
andere Hälfte der B+++ befinden sich auf tetraedrischen
Plätzen, B(AB)O4. Beispiele: FeMgFeO4, FeTiFeO4,
ZnSnZnO4 und Fe3O4. Viele dieser Ferrite sind wegen
Abb. 2.9. Spinell-Struktur
Korund-Struktur.
Nahezu hexagonal dichtgepackte Sauerstoffionen, mit
Aluminium-Ionen, die 2/3 der oktaedrischen Plätze
füllen.
Rutil-Struktur.
TiO2: Kationen füllen die Hälfte der verfügbaren Oktaederplätze. Die dichter gepackten Sauerstoffionen um die
gefüllten Kationenplätze führen zu einer Verzerrung des
nahezu dichtgepackten Anionengitters. Weitere Beispiele: GeO2, PbO2, SnO2, MnO2,.
Cäsium-Chlorid-Struktur.
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Das Radienverhältnis verlangt 8-fache Koordination. Das
Cl--Ion befindet sich in einer einfach kubischen Anordnung, in der alle Zwischengitterplätze mit Cs+-Ionen
gefüllt sind.
Flourid-Struktur.
Einfach kubische Packung für die Sauerstoffionen mit
den Kationen in der Hälfte der verfügbaren Plätze mit 8facher Koordination. Das ist ähnlich der Cäsium-ChloridStruktur, aber nur die Hälfte der Kationenplätze sind
gefüllt (Abb. 2.10.) Beispiele: ThO2, TeO2, UO2, ZrO2.
Anti-Fluorit-Struktur.
Kationen und Anionen sind gegeneinander vertauscht.
Beispiele: Li2O, Na2O und K2O.
Perovskit-Struktur.
Bildet sich, wenn große Kationen vorliegen. Die großen
Kationen bilden eine dichtgepackte Struktur mit den
Sauerstoffionen. Z. B. bilden Ca2+ und O2- zusammen in
CaTiO3 eine dichtgepackte kubische Struktur mit den
kleineren, höher geladenen Ti4+-Ionen in oktaedrischen
Lücken (Abb. 2.11.). Jedes O2- ist von 4 Ca2+ und 8 O2umgeben; jedes Ca2+ ist von 12 O2- umgeben. Im Zentrum
der flächenzentrierten kubischen Einheitszelle befindet
sich das kleine, hochgeladene Ti4+, das oktaedrisch mit 6
O2- koordiniert ist. Beispiele: CaTiO3, BaTiO3, SrTiO3,
SrSnO3, CaZrO3, SrZrO3, KNbO3, NaNbO3, LaAlO3,
YAlO3 und KMgF3.
Ilmenit-Struktur.
Bsp.: FeTiO3. Abgeleitet von der Al2O3-Struktur; die
Hälfte der Kationenplätze ist von Fe2+ un Ti4+ besetzt.
Weitere Beispiele MgTiO3, NiTiO3, CoTiO3, MnTiO3. In
LiNbO3 enthält jede Kationenschicht eine geordnete
Anordnung von Li und Nb.
Silikat-Strukturen.
Radienverhältnis Si:O = 0,29. Tetraedrische Koordination; 4 Sauerstoffionen sind nahezu unveränderlich um
ein zentrales Siliziumion herum gruppiert. Eckenver4knüpfung der SiO4-Tetraeder. Autosilikat: SiO4 -Tetrae6-
der sind unabhängig voneinander; Pyrosilikat: Si2 O7 , 2
Tetraeder mit einer Eckenverknüpfung; Metasilikat:
2nSiO23 - (SiO3 ) n , 2 Ecken sind verknüpft, um eine
Abb. 2.10. Flourit-Struktur.
Vielzahl von Ringen oder Kettenstrukturen zu bilden; in
2nSchichtstrukturen bilden ( Si2 O5 )n Ebenen aus Tetraedern mit 3 Eckenverknüpfungen; in den verschiedenen
Formen des Siliziumoxids ( SiO2 ) sind 4 Ecken
verknüpft.
2.2 Struktur der Gläser
Technologisch wichtigste feste Gläser: Silikate. Gegenwärtig besonders in Entwicklung: Dünne Filme, die als
nicht-kristalline Festkörper aus der Dampfphase abgeschieden werden. Die kurzreichweitige Ordnung ist
erhalten in der unmittelbaren Nachbarschaft jedes Atoms;
die längerreichweitige Ordnung des idealen Kristalls ist
aufgehoben.
Glasbildung.
Abb. 2.11. Perovskit-Struktur (idealisiert).
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der durch Elektronenstrahlverdampfung, Sputtern oder
thermische Evaporation entsteht, auf einem kalten
Substrat. Den Atomen wird thermische Energie entzogen,
bevor sie sich in die Konfiguration geringster GibbsEnergie bewegen können.
Die kurzreichweitige Ordnung, die ein Glas charakterisiert, kann durch ein am Atom zentriertes Koordinatensystem beschrieben werden und wird häufig durch radiale
Verteilungsfunktionen dargestellt (Abb. 2.13). r ist die
atomare Dichte in einer sphärischen Schale des Radius r.
Modelle für Glasstrukturen.
- Kristallit-Modell.
Röntgenspektren zeigen meist breite Peaks in Bereichen,
in denen auch starke Peaks des Beugungsbildes des
entsprechenden Kristalls erscheinen (Abb. 2.14.). Gläser
werden deshalb als Ansammlungen sehr kleiner Kristalle
betrachtet.
Abb. 2.12. Schematische spezifische Volumen-TemperaturBeziehungen. (a) Beziehungen für Flüssigkeiten, Glas und
Kristalle; (b) Glas gebildet unter verschiedenen Abkühlungsraten R1<R2<R3.
Beim Abkühlen nimmt das Volumen der Flüssigkeit mit
etwa der gleichen Rate wie oberhalb des Schmelzpunktes
ab, bis eine Abnahme des Expansionskoeffizienten in
einem Temperaturbereich erfolgt, der Glastransformationsbereich heißt. Der Expansionskoeffizient für den
glasförmigen Zustand ist typischerweise gleich dem des
kristallingen Festkörpers (Abb. 2.12.). Bei
langsamerer Abkühlung erreicht die
unterkühlte Flüssigkeit niedrigere
Temperaturen, und Glas höherer Dichte
wird erreicht. Tg ist die Temperatur des
Schnittpunkts der Kurve für den
glasförmigen Zustand und die unterkühlte
Flüssigkeit. Unterschiedliche Abkühlraten
führen zu unterschiedlichen Tg-Werten. In
diesem Bereich ist die Viskosität
hinreichend groß, typischerweise 102 1013 P.
- Zufalls-Netzwerk (Random-Network) -Modell.
Gläser werden als dreidimensionale Netzwerke ohne
Symmetrie und Periodizität angesehen. Im Falle von
Oxidgläsern bestehen die Netzwerke aus SauerstoffPolyedern. Die Energie eines Glases ist ähnlich dem des
entsprechenden Kristalls. Für die Bildung eines
Netzwerks wie in Abb. 2.15. werden 4 Regeln
angenommen:
a) Jedes Sauerstoffion sollte nicht mit mehr als 2
Kationen verbunden sein,
b) die Koordinationszahl der Sauerstoffionen um das
Zentralkation muß klein sein (4 oder weniger),
c) Sauerstoff-Polyeder sind eckenverknüpft, nicht kanten- oder flächenverknüpft,
Nicht-kristalline Festkörper entstehen
auch bei der Kondensation des Dampfes,
Abb. 2.13. Radiale Verteilungsfunktion für glasförmiges Selen.
Keramische Werkstoffe
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d) wenigstens 3 Ecken jedes Polyeders sollten verknüpft
sein.
Die glasbildenden Sauerstoffpolyeder sind Dreiecke und
Tetraeder, und die Kationen, die solche Koordinations
polyeder bilden, werden als Netzwerkbildner bezeichnet.
Alkalisilikate formen leicht Gläser; die Alkaliionen
besetzen zufällige Positionen, die lokal Elektroneutralität
herstellen (Abb. 2.16).
Silikatgläser.
Durch Zugabe von Alkali- oder Erdalkalioxiden zu SiO2
wächst das Verhältnis von Sauerstoff zu Silizium auf
Werte, die größer sind als 2. Das dreidimensionale
Netzwerk bricht auf mit dem Ergebnis der Bildung
einfach gebundenen Sauerstoffs, die nicht am Netzwerk
teilhaben (Abb. 2.17).
Boratgläser.
Die Zugabe von Alkali- oder Erdalkalioxiden zu B2O3
führt zur Bildung von BO4-Tetraedern. Die Änderung des
Anteils des 4-fach koordinierten Bors mit der Konzentration des Alkalioxids ist in Abb. 2.18 gezeigt. Die
Kurve beruht auf der Annahme, daß mit jedem zugeführten Sauerstoff 2 BO3-Dreiecke (wie sie für B2O3-Glas
vorliegen) in BO4-Tetraeder umgewandelt werden.
Abb. 2.14. Röntgen-Diffraktionskurven von Kristobalit,
Siliziumgel und glasförmigem Silizium.
Abb. 2.15. Schematische Darstellung von (a) geordneter Kristallform und (b) ZufallsNetzwerk in glasförmige Form derselben Verbindung.
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Keramische Werkstoffe
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Abb. 2.18. Die Teile von Boratomen in BO4 Verbindunggen in
Alkali-Bor-Gläsern gemessen gegen die molaren Prozent von
Alkali-Oxid.
Abb. 2.16. Schematische Darstellung der Strukur eines SodiumSilizium-Glasses.
Abb. 2.17. Einfluß des Sauerstoff-Silizium Verhältnisses auf Silizium-Netzwerk-Strukturen
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