Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke 10. Sitzung vom 20.01.2010 1.2. Die Kimonische Ära (cà. 478/77 – 462/61 v. Chr.) Wenn diese beiden Jahrzehnte auch den Beinamen „Kimonische Ära“ bekommen haben, sind sie doch außer von Kimon auch von Aristeides, dem Baumeister des Attischen Seebundes und von Themistokles (um 525 - 459 v. Chr.) geprägt. Während Kimon die athenische Außenpolitik in den 70er und 60er Jahren nachhaltig geprägt hat, indem er den Seebund von Erfolg zu Erfolg führte, geht die Entwicklung Athens zu einer Seemacht auf die Initiative des Themistokles zurück. Auch den Bau der Piräus – Mauern hat er veranlasst – weshalb man ihm dort ein Denkmal gesetzt hat (rechts). Das politische Agieren des Themistokles ist typisch für Politiker der damaligen Zeit. Wenn er – wie berichtet – 476 v. Chr. als athenischer Gesandter an den Olympischen Spielen teilgenommen hat, muss man berücksichtigen, dass diese „Spiele“ einen hohen politischen Stellenwert hatten. Zu dieser Zeit also noch in hohem Ansehen, wird er trotzdem 471/70 v. Chr. ostrakisiert – wie ist das möglich? Der Ostrakismos, das „Scherbengericht“, war im antiken Athen ein Verfahren, unliebsame Bürger aus dem politischen Leben der Stadt zu entfernen. Die Teilnehmer ritzten in die Scherben Namen von unliebsamen Personen ein; nach der Wahl wurde die meistgenannte Person für zehn Jahre verbannt. Der Themistokles Statue Verbannte durfte seinen Besitz behalten und war auch in Piräus sonst nicht vollkommen entrechtet. Ähnliche Verfahren gab es auch in anderen griechischen Städten, war es doch ein politisches Steuerungselement. Anfang eines Jahres stimmte die Volksversammlung ohne Aussprache darüber ab, ob ein Scherbengericht durchgeführt werden solle. Eine Liste der „Kandidaten“ gab es nicht, sondern jeder Bürger konnte auf seine „Scherbe“ schreiben, wen er der Stadt verwiesen haben wollte. Bei Themistokles soll der PiräusMauerbau, sowie der Vorwurf, dem Spartaner Leonidas I. bei der Verteidigung der Thermopylen keiKimon - Scherbe ne Hilfe zukommen lassen zu haben und die vorgeblich unnötige Preisgabe Athens an die Perser vor der Schlacht von Salamis zur Ostrakisierung geführt haben. Das Ostrakisierungsverfahren wird später (416 v. Chr.) obsolet (ungebräuchlich). Themistokles floh erst nach Argos, dem alten Sparta – Feind, wo er sich von 470 bis 467 v. Chr. aufhielt und von dort eine eigenständige Politik betrieb. Diese politische Tätigkeit bringt ihm 467 v. Chr. seitens Athen eine Verurteilung wegen Medismos (Perserfreundlichkeit) ein. Fast nicht vorstellbar, war er doch noch 480 v. Chr. der Hauptgegner Persiens. Wahrscheinlich war sein Bestreben, mit Persien zu einem Ausgleich zu gelangen, ausschlaggebend. 86 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Im Jahr 465 v. Chr. geht er nach Ephesos an der kleinasiatischen Westküste und erhält im gleichen Jahr vom persischen Großkönig Artaxerxes I. (Regierungszeit von 465 bis 424 v. Chr.) in Anbetracht seiner Leistungen bei Salamis Land bei der Stadt Magnesia am Mäander. Hier agiert er wie ein persischer Statthalter und prägt u.a. eigene Münzen. 459 v. Chr. starb er hier. Diese ganzen Daten dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns das Leben des Themistokles - wie auch das anderer Athener Politiker – „nur schemenhaft greifbar ist“ (Prof. Funke). Das Leben des Themistokles in Daten ca. 478 v. Chr.: Pylagoras im delphischen Amphiktyonenrat 476 v. Chr.: Athenische Gesandter in Olympia 471/0 v. Chr.: Ostrakisierung ca. 470 – 467 v. Chr.: Aufenthalt in Argos ca. 467/6 - 465 v. Chr.: Flucht nach Ephesos ca. 467 v. Chr.: Verurteilung wegen Medismos ca. 465 v. Chr.: Schenkung von Landbesitz bei Magnesia am Meander durchArtaxerxes nach 459 v. Chr.: gestorben in Magnesia Die kleinasiatische Westküste Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Silberne Didrachmen des Themistokles, die den Hauptgöttern der Stadt gewidmet sind: Auf der Vorderseite Apollon, auf der Rückseite der Adler der Artemis Leukophryene Die ersten beiden Münzen sind echte Stücke, bei der dritten handelt es sich um eine untergewichtige, aber anscheinend zeitgenössische Fälschung Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 87 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Das silberne Kleingeld des Themistokles: a) Eule b) Behelmter Kopf c-e) Kopf mit Kappe und Kranz Die Rückseiten weisen die Initialen des Themistokles auf Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung In den Jahren 1966 / 67 wurden auf dem Gelände des Kerameikos - im Kerameikos liegt der bedeutendste antike Friedhof in Athen – über 9000 dieser Tonscherben (Bild links) ausgegraben. Den Hauptanteil haben solche aus der Kimonära, der Rest stammt aus einem weitgestreuten Zeitraum. Einige dieser Tonscherben weisen außer einem Politikernamen zusätzliche Informationen auf, die heute wichtige, weil authentische Informationen über die Politik der damaligen Zeit geben. Trotzdem sind die genauen Abläufe der Kimonära auch heute noch umstritten. Die gefundenen Tonscherben sind jetzt erfasst und füllen eine Bilddatei mit 450 MB ! Die letzte persische Garnison auf dem europäischen Festland wurde aus dem thrakischen Eion vertrieben, in Doriskos können sich die Perser dagegen noch halten. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 88 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Wie agiert der neugegründete Seebund nun? Als erstes wendet man sich nach Thrakien und vertreibt dort 476 v. Chr. aus der Stadt Eion die letzte persische Garnison auf dem europäischen Festland. Dieses Unternehmen führte Kimon; es ist ein erster großer militärischer Erfolg für den Bund und brachte ebensolchen Prestigegewinn. In weiter östlich gelegenen Doriskos können sich die Perser dagegen noch halten. Man befindet sich jetzt immer noch im Perserkrieg! . Thukydides in „Der Peloponnesische Krieg“ 1. Buch, Vers 98 (1) Zuerst eroberten sie das von den Persern besetzt gehaltene Eion am Strymon durch Belagerung und machten die Einwohner zu Sklaven; Führer des Unternehmens war Kimon, Sohn des Miltiades… In Eion werden athenische Kleruchen angesiedelt; diese erhalten ein Stück Land (ein sog. Landlos) und bleiben dabei Athener Bürger. Im Gegensatz zu den Athenern, die währen der griechischen Kolonisation in neugegründete Städte mit eigenem öffentlichem Leben gingen. Diese Kleruchenpolitik Athens wird hier in Eion wohl nicht zum ersten mal angewandt, sondern wahrscheinlich auch schon in Salamis. In späterer Zeit wird diese Politik gewissermaßen zum „Markenzeichen athenischer Vorherrschaft“ (Funke). Der Versuch, neben Eion auch noch Amphipolis zu erobern, scheitert. Ein anderes sehr interessantes Gebiet für Athen ist das Pangeion - Gebirge. Dort gibt es nicht nur große Edelmetallvorkommen, sondern auch die dort wachsenden Bäume benötigt Athen für seinen Schiffsbau. Hier kommt Athen in ein Interessengebiet der Insel Thasos und seiner Pereia! Eion bleibt in Athener Besitz und bedeutet so einen Gewinn. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 89 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Die Insel Thasos und seine Peraia Der Festlandsbesitz von Thasos wurde als die Thasitische Peraia bezeichnet. In dem Gebiet zwischen den Flüssen Strymon im Westen und Nestos im Osten gab es große Edelmetallvorkommen (Goldbergwerke). Die gehörten zum Festlandsbesitz der Insel Thasos, insofern kommt der Seebund hier in einen Konflikt mit dieser Insel. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Nur ein Jahr später, 475 v. Chr. wurden wieder athenische Eigeninteressen erkennbar, als man die Insel Skyros eroberte, den dort ansässigen Volksstamm der Doloper vertrieb und ebenfalls athenische Kleruchen ansiedelte. Das hatte nichts mehr mit einem Krieg gegen die Perser zu tun, sondern bedeutete ganz klar eine Änderung der athenischen Außenpolitik. Nicht ganz auszuschließen ist aber auch, dass sich dieser Feldzug gegen Seeräuber richtete – die Quellen geben hier keine genaue Auskunft. Piraterie war damals durchaus ein Problem in der Ägäis. Thukydides in „Der Peloponnesische Krieg“ 1. Buch, Vers 98 (2) Hierauf verfuhren sie mit Skyros, der Insel im Ägäischen Meer, welche Doloper bewohnten, ebenso und besiedelten sie selbst… Durch die Gründung einer Kleruchie auf Skyros besaß Athen 3 große Inseln in der nördlichen Ägäis und mit diesen konnte es den lebenswichtigen Seehandelsweg ins Schwarze Meer zu den dortigen Anbauflächen für Getreide sichern (she. Karte Seite 91). Die Eroberung von Skyros wird außerdem durch die TheseusGeschichte legitimiert und gleichzeitig rehabilitiert Kimon damit seinen Vater Miltiades. 90 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Der Sage nach war Theseus, der Sohn des athenischen Königs Aigeus und neben dem attischen Herakles einer der mythischen Gründer Athens, auf der Insel Skyros begraben, nachdem er von König Lykomedes von einem Felsen in den Tod gestürzt worden war. 476/75 v. Chr. erhielt der Phaidon durch ein Orakel den Auftrag, die Gebeine von Theseus nach Athen zu holen und dort zu bestatten. Deshalb eroberte Kimon diese Insel, fand in einem Grabhügel den Sarg mit den Gebeinen des Theseus. Diese wurden nach Athen überführt und im Theseion erneut begraben. In Athen ist Kimon jetzt die führende Person. Die Attischen Klerucheninseln Skyros, Lemnos und Imbros Durch diese konnte Athen den wichtigen Seehandelsweg ins Schwarze Meer sichern und hatte auch Stützpunkte zur Bekämpfung der Piraterie in der Ägäis – damals durchaus ein Problem. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Auch das nächste kriegerische Unternehmen des Seebundes im Jahr 470 v. Chr richtete sich nicht gegen Persien, sondern gegen die südeuboiische Stadt Karystos. Der Grund, diese Stadt anzugreifen und in den Seebund zu zwingen, könnte eine frühere propersische Gesinnung gewesen sein oder einfach der Wunsch Athens, diesen strategisch wichtigen Ort im Seebund zu haben. Auch bei diesem Unternehmen tritt die Athener Vormachtstellung klar zu Tage – „die Bündner hatten aber keine Alternativen“ – so Prof. Funke. 91 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Thukydides in „Der Peloponnesische Krieg“ 1. Buch, Vers 98 (3) Dann gerieten sie mit Karystos allein, ohne die übrigen euboiischen Städte in eine kriegerische Auseinandersetzung, und nach einiger Zeit schlossen sie einen Friedensvertrag… Die Flottenunternehmungen des Attischen Seebundes in der ersten Hälfte der 470er Jahre Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Immer mehr verfolgte Athen mit dem Seebund primär eigene Interessen, was längerfristig Probleme mit den anderen Bündnern erwarten ließ. Und tatsächlich trat die Insel Naxos 467 / 66 aus dem Bund aus, ein Jahr später revoltierte auch Thasos. Aber beide Inseln wurden wieder in den Bund gezwungen – Thasos erst nach drei Jahren - und sie mussten ihre Flotten ausliefern und jetzt hohe Tribute in die Seebundkasse zahlen. Athen war also fest entschlossen, das „Machtinstrument Seebund nicht mehr aus den Händen zu geben“ (Funke). 92 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Thukydides in „Der Peloponnesische Krieg“ 1. Buch, Vers 98 (3) Danach kämpften sie gegen die Naxier (Naxos), die von ihnen abgefallen waren, und unterwarfen sie nach einer Belagerung. Diese verbündete Stadt war die erste, die gegen die Satzung des Bundes unterjocht wurde, hierauf auch von den Übrigen diese oder jene, wie es sich gerade traf… Vers 99 (1) Es gab verschiedene Gründe zum Abfall, vor allem aber Rückstände bei der Entrichtung von Abgaben und Schiffen und Verweigerung des Kriegsdienstes, falls sich jemand dessen schuldig machte. Denn die Athener führten ein sehr strenges Regiment, und da sie gegen die Verbündeten, die Mühen zu ertragen weder gewohnt noch gewillt waren, Gewalt anzuwenden, machten sie sich unbeliebt… Der Sieg bei der Schlacht an der Mündung des Flusses Eurymedon in Pamphylien bedeutete einen weiteren Erfolg für Kimon, wurde dabei doch die gesamte persische See- und Landstreitmacht vollständig vernichtet. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 93 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Die Schlacht am Eurymedon fand ca. 465 v. Chr. zwischen den Truppen des Attischen Seebundes unter Führung von Kimon und den Persern statt; es war eine Doppelschlacht (See- und Landschlacht), die zur Spätphase der Perserkriege zählt. Warum gerade hier bei der Stadt Aspendos ? Die Perser hatten hier an der Mündung des Eurymedon eine aus 200 phönizischen Schiffen bestehende Flotte und ebenso ein großes Heer angesammelt. Kimon unternahm also einen Vorstoß nach Karien und Lykien und war schon bald bei Phaselis in Bereitschaft. Zunächst gelang es ihm, die persische Flotte zu zerstören und nach der anschließenden Landung konnte auch das persische Landheer besiegt werden. „Damit waren alle persischen Versuche einer Gegenoffensive gescheitert“. (Prof. Funke in „Athen in klassischer Zeit“) Die Situation bei der Seeschlacht am Eurymedon Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Thukydides in „Der Peloponnesische Krieg“ 1. Buch, Vers 100 (1) Danach kam es zur Land- und Seeschlacht am Eurymedon in Pamphylien zwischen den Athenern samt Bundesgenossen und den Persern, und am selben Tag blieben die Athener unter ihrem Feldherrn Kimon, dem Sohne des Miltiades, beide Male siegreich und eroberten und zerstörten im Ganzen ungefähr 200 phoinikische Trieren. Mit diesem Sieg waren aber auch die Voraussetzungen für die Seebundgründung – der Kampf gegen das Perserreich - nicht mehr gegeben. Aber jetzt fiel die Insel Thasos ab und Athen war hier wieder gefordert. Thasos wollte sich nicht mit dem Verlust seiner Peraia und der dortigen Handelsplätze und des Goldbergwerkes abfinden (she. auch Seite 92). Ein Flottenunternehmen und eine dreijährige Belagerung von Thasos brachten dem Bund einen Sieg. Und Thasos harte Sanktionen – Schleifen der Mauern, Wegnahme der Flotte, Zahlung von Beiträgen und den Verlust sämtlicher Außenbesitzungen. 94 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Thukydides in „Der Peloponnesische Krieg“ 1. Buch, Vers 100 (2) Etwas später erfolgte der Abfall der Thasier, die sich mit ihnen wegen der Handelsplätze im gegenüberliegenden Thrakien und wegen des Goldbergwerkes entzweit hatten – all das hatten sie bisher selbst ausgebeutet. Die Athener segelten mit einer Flotte gegen Thasos, siegten in einer Seeschlacht und gingen an Land… (3) An den Strymon sandten sie um die gleiche Zeit 10.000 Siedler, eigene und Bundesgenossen, welche die damals Enneahodoi, jetzt Amphipolis genannte Stadt bewohnten sollten; Enneahodoi, das im Besitz der Edoner war, eroberten sie zwar, wurden aber beim Vormarsch ins Landesinnere Thrakiens in der Nähe des edonischen Drabeskos von den vereinigten Thrakern, die die Neugründung als Bedrohung ansahen, besiegt… Thasos sendete ein Hilfeersuchen an Sparta und Sparta sagte Thasos die Hilfe auch zu – und zwar ohne Athen davon in Kenntnis zu setzen - der angedrohte Entlastungsangriff gegen Attika gelangte aber nicht zur Ausführung. Warum – ein verheerendes Erdbeben und ein Helotenaufstand am Berg Ithome in Messenien drohten, „die staatlichen Grundfesten Spartas zu erschüttern“ (Funke). Thukydides in „Der Peloponnesische Krieg“ 1. Buch, Vers 101 (1) Die Thasier, in den Gefechten besiegt und dann auch belagert, baten die Lakedaimonier um Hilfe und forderten sie auf, ihnen durch einen Einfall in Attika beizustehen… (2) Diese versprachen es zwar, ohne das es die Athener erfuhren, und hatten auch die Absicht, wurden aber durch ein Erdbeben gehindert; zu gleichen Zeit fielen außerdem die Heloten und von den Periöken die Thuriaten und die Aithaier ab und besetzten (den Berg) Ithome… 95 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke 11. Sitzung vom 27.01.2010 1.2. Die Kimonische Ära (cà. 478/77 – 462/61 v. Chr.) Forts. Ab den 460er / 470er Jahren drehten sich Athens Konflikte nicht mehr vorrangig um und gegen das Perserreich. Im Rahmen des Attischen Seebundes verfolgte Athen mehr seine eigenen Interessen. Denen standen aber durchaus die Interessen der anderen Mitglieder entgegen und besonders im Verhältnis Athen / Sparta – im Helenenbund noch Verbündete – wurden feindselige Tendenzen immer deutlicher. Das Beispiel der Insel Thasos, der Sparta gegen Athen zu Hilfe kommen sollte, zeigt dies deutlich. Die Karte macht die Ausdehnung des Attischen Seebundes deutlich Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 96 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Letztendlich ist Sparta der Insel Thasos doch nicht zu Hilfe gekommen und dieses „Lavieren“ – lt. Duden „sich durch Schwierigkeiten hindurchwinden“ macht seine eigene Schwäche deutlich. Noch deutlicher wird diese Schwäche Spartas, als es anl. eines Helotenaufstandes 465 v. Chr. Athen sogar um Hilfe und Unterstützung bittet – eine offene Situation, wie zur Zeit des Helenenbundes. Ein Helotenaufstand am Berg Ithome im von Sparta besetzten Messenien nach einem verheerenden Erdbeben veranlasste Sparta, ein Hilfeersuchen an Athen zu richten. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Die Heloten waren Bewohner Messeniens, die nach der Okkupation durch Sparta Unfreie, also Sklaven geworden waren. Sie waren „schollengebunden“, mussten die ihnen zugewiesenen Klaroi – das waren sog. „Landlose“ – abgabenpflichtig bewirtschaften. Von den Erträgen wurden die Spartiaten unterhalten, damit diese sich ganz ihrem Dienst für den Staat – z.B. für Kriegsdienste – zur Verfügung stellen konnten. 97 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke In Athen kommt es wegen des Hilfeersuchens Spartas zu erheblichem Widerstand gegen Kimon, der – um Ausgleich bemüht - diese Hilfe befürwortet. Und mit einem Hoplitenaufgebot von 4000 Mann Sparta zu Hilfe kommt. Wegen „eines Gesinnungswandels Spartas diese Militärexpedition aber erfolglos abbrechen muss“ (Funke). Was ihm den Vorwurf der Bestechlichkeit und ein Ostrakisierungsverfahren einbrachte. Gleichzeitig kam es 461 v. Chr. zur endgültigen Aufkündigung des Helenenbundes. Kimons Gegenspieler ist einerseits Ephialtes († 461 v. Chr), der die Athenische Szene nur kurz, aber nachhaltig beeinflusst hat. Aber auch Perikles (um 490 - 429 v. Chr.) verfolgte einen antispartanischen Kurs. Dadurch bringen die Ereignisse auf der Peloponnes jetzt eine Verquickung von Innen- und Außenpolitik Athens. Denn während Kimons Abwesenheit kommt es in Athen auf Betreiben des Ephialtes zu einer Debatte über die Athener Verfassung mit dem Ergebnis tiefgreifender Veränderungen. Der Areopag, dessen Mitglieder in der Regel aus dem Athener Adel stammten und der somit eher Spartafreundlich war, wurde entmachtet. Er behielt nur noch Kontrollrechte im sakralen Bereich und bei der sog. „Blutgerichtsbarkeit“, also bei bestimmten Tötungsdelikten. Nachdem schon seit etwa 20 Jahren die Archonten dieses Areopags nicht mehr nach Fähigkeit, Büste des Perikles sondern durch das Los bestimmt wurden, war seine Autorität bereits „ausgehöhlt – „was der Hintergrund für die jetzige weitere Entmachtung gewesen sein könnte“ (Funke). Oder war einfach die Stärkung des politischen Selbstbewusstseins der Athener Bevölkerung durch die Kimonischen außenpolitischen Erfolge der Auslöser? Wenn dem so war, muss man konstatieren, das Kimon gewissermaßen „selbst überholt wurde“ – so Prof. Funke. Sicher kann man sagen, dass die Entmachtung des Areopags der letzte Schritt hin zu einer absoluten Demokratie – demokratia als „Herrschaft des Volkes“ - war. Wobei dieses Wort damals „zunächst wohl durchaus als politischer Kampfbegriff“ verstanden wurde (Funke). Das Kimon 462 v. Chr. ostrakisiert und Ephialtes nur ein Jahr später von seinen Gegnern aus Hass ermordet wurde zeigt, wie erbittert die Kämpfe waren. Das Ende des Helenenbundes bedeutete für Athen gleichzeitig den endgültigen Bruch mit Sparta. Aber sofort wird Athen außenpolitisch aktiv und schließt 462 / 61 v. Chr. Bündnisse mit Thessalien in Mittelgriechenland und Argos auf der Peloponnes. Später auch noch mit Megara, das ebenfalls mit Sparta (und Korinth) verfeindet war. Diese aggressive Außenpolitik zeigt den unbedingten Willen Athens, den Einfluss Spartas zurückzudrängen. Und auch nach Zypern und sogar Ägypten wendet man sich, ebenso wie nach Sizilien (Syrakus) und Unteritalien. Das sind schon enorme Dimensionen, die sich Athen hier zumutet und bedeuten einen kaum vorstellbaren Kraftakt für die Polis! 98 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Unmittelbar nach der Aufkündigung des Helenenbundes wird Athen außenpolitisch aktiv und geht mit Thessalien und Argos Bündnisse ein. Später auch noch mit dem sparta- und korinthfeindlichen Megara. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Die weiteren außenpolitischen Aktivitäten Athens richteten sich einerseits gegen Zypern und Ägypten, andererseits gegen Sizilien (Syrakus) und Unteritalien. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 99 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke 1.3. Der „Erste Peloponnesische Krieg“ Die kommende Zeit ist weiterhin geprägt vom Machtkampf zwischen Athen und Sparta, der nach 461 v. Chr. immer festere Gestalt annimmt. Der Austritt Athens aus dem Helenenbund zeigt (auch) politische Auswirkungen insofern, als jetzt nicht nur die beiden Antagonisten Athen und Sparta das Geschehen bestimmen, sondern auch andere Staaten (Poleis) sich neu formieren und wichtig werden. Argos, das seit dem 6. Jahrhundert im Schatten Spartas stand und sich in den Perserkriegen stets neutral verhalten hatte, kann die Stadt Kleonai, südwestlich von Korinth gelegen, unterwerfen. Die Poleis Elis, Mantineia und Tegea bereiteten Sparta Probleme, ebenso Orchomenos, Tiryns und Mykene (she. auch Seite 79). Tegea versucht vergeblich, im Bündnis mit weiteren Arkadiern und Argos die Abhängigkeit von Sparta abzuschütteln (Schlachten von Tegea und von Dipaia) und bleibt bis zum Untergang der spartanischen Hegemonie in dessen Bündnissystem. Argos hingegen kann seine Stellung ausbauen und wird zur Führungsmacht. Aber auch Mantineia erlebt ein wachsendes politisches Selbstbewusstsein, verbündet sich mit Athen und Argos gegen Sparta. Athens Versuch, selbst unmittelbar auf der Peloponnes in der südlichen Argolis Fuß zu fassen, brachte nur Troizen auf seine Seite. Korinthische Kolonien an der Adriaküste bestehen teilweise seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 100 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Neben Sparta war Korinth die mächtigste Polis auf der Peloponnes. Die Stadt war ein wichtiger Teilnehmer bei den Perserkriegen, stellte während der Schlacht bei Salamis ein großes Flottenkontingent und nahm auch an der Schlacht von Plataiai (479 v. Chr.) teil. Mit Athen kam es dann aber zu einem Zerwürfnis, weil Kimon 462 v. Chr. mit seinen Truppen das korinthische Gebiet ohne Erlaubnis durchzog. Die Stadt liegt strategisch günstig an der schmalen Landenge (Isthmus) zwischen Attika und der Peloponnes. Der Isthmus wurde in der Antike von Schiffen überquert. Dieser sog. Diolkos (Bild rechts) war ein antiker Schiffkarrenweg über den Isthmus von Korinth, auf dem Schiffe vom Korinthischen zum Saronischen Golf transportiert wurden. Die Abkürzung über die Landenge erlaubte es, die gefährliche Umschiffung der Peloponnes zu vermeiden. (Seit dem 19. Jahrhundert befindet sich hier der Kanal von Korinth / Bild unten). Korinth begann bereits im 8. Jahrhundert damit, Kolonien zu gründen (Karte Seite 100). Auf dem griechischen Festland waren das u.a. Apollonia, Anaktorion und zusammen mit ihrer Kolonie Kerkyra (Korfu) die Städte Leukas und Epidamnos. Sogar auf der Chalkidiki wurde mit Poteidaia eine Kolonie gegründet. Zur Zeit des Hellenenbundes war Korinth noch mit Athen verbunden, gegenüber Megara bestand auch eine Freundschaft. Diese Situation ändert sich 460 v. Chr., als ein Grenzkonflikt zwischen Korinth und Megara zu eskalieren droht. Megara verlässt den Bund, wendet sich hilfesuchend an Athen und schließt sich ihm enger an. Der Kanal von Korinth (Eigenes Foto) Megara war von attischer Seite - ebenso wie Korinth von peloponnesischer Seite – strategisch wichtig für eine Kontrolle der Landenge. Um Megara zu schützen, wird eine Mauer von der Stadt zum Hafen errichtet und die Stadt so zur Festung ausgebaut. Und das nur 20 Jahre nach dem Bau der Piräus Mauer – eine offene Eskalation gegen Sparta und auch der endgültige Bruch zwischen Athen und Korinth! 101 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Megara war von attischer Seite – so wie Korinth von peloponnesischer Seite – strategisch wichtig für eine Kontrolle der Landenge. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Korinth schließt sich daraufhin enger mit Aigina zusammen, diesem seit dem Beginn des 5. Jahrhunderts Gegner und „Dorn im Fleisch Athens“. Aigina war damals eine ernstzunehmende Wirtschaftsmacht, seine Bewohner waren seit vielen Jahren als Händler und Seefahrer berühmt. Die Handelsbeziehungen Aiginas erstreckten sich über den größten Teil der Mittelmeerwelt bis ins Schwarze Meer, nach Ägypten und Spanien. Aber 456 v. Chr. wird die Insel nach dreijähriger Belagerung von Athen erobert und gezwungen, dem Attischen Seebund beizutreten. Danach musste sie einen ungeheuer hohen Jahrestribut von 30 Talenten nach Athen abführen. Ihre große Zeit war damit vorbei. „Konfliktfeld“ Saronischer Golf Außer mit Aigina gab es auch noch Konflikte mit den Inseln Kekrypaleia und Halieis Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 102 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Das gleichzeitige Engagement Athens auf der Peloponnes und gegen Zypern und Ägypten kann man durchaus als „Großmannssucht“ bezeichnen (Funke). Welche Folgen diese Situation bei den Bürgern der Stadt selbst hinterlässt, ist kaum zu sagen. Aber „die überlieferten, in Stein gehauenen Gefallenenlisten geben noch heute ein beredtes Zeugnis von den weit gespannten militärischen Unternehmungen..., aber auch von den großen Verlusten... ab, die die Athener hinzunehmen bereit waren, um ihrem ungebrochenen Herrschaftswillen strikte Geltung zu verschaffen“ (Funke). Eine Gefallenenliste der Phyle Erechtheis aus dem Jahr 460 oder 459 v. Chr. gibt Auskunft über die vielen „Kriegsschauplätze“, auf denen Athen präsent war: Von (der Phyle) Erechtheis fanden folgende den Tod im Krieg in Zypern, in Ägypten, in Phoinikien, bei Halieis, bei Aigina und bei Megara im Verlauf desselben Jahres: (insges. stehen 180 Namen auf dieser Liste) Die Urnen der Gefallenen eines Jahres wurden einmal im Jahr auf dem Kerameikos feierlich beigesetzt. Bei diesen Bestattungen wurden „Gefallenenreden“ gehalten und eine davon ist die von Perikles im Winter 431/30 v. Chr. gehaltene Rede auf die Gefallenen des ersten Kriegsjahres des Peloponnesischen Kriege, die von Thukydides im 2. Buch, Vers 35 – 46 seines Buches über den „Peloponnesischen Krieg““ überliefert ist und die wie folgt beginnt: 103 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke 2. Buch, Vers 35 / 1 „Die meisten, die vor mir von hier aus gesprochen haben, preisen den, der dem Bestattungsbrauch diese Art der Rede hinzufügte, weil es rühmlich sei, beim Begräbnis der Gefallenen sie zu halten. Mir freilich würde es ausreichend erscheinen, Männern, die durch die Tat ihren Ruhm begründet haben, auch durch die Tat ihre Ehre zu bezeugen, wie ihr es jetzt bei der öffentlichen Totenfeier geschehen seht, und nicht durch eines Mannes gute oder schlechte Rede den Glauben an die Tapferkeit so vieler zu gefährden...“ Vers 41 / 1 Zusammenfassend sage ich, dass unsere Stadt im Ganzen die Schule von Hellas sei und dass jeder einzelne Bürger, wie ich glaube, bei uns in vielseitigster Weise und in spielerischer Anmut seine ihm eigene Art entfalte… Athen ist also fest entschlossen, seine Machtposition weiter auszubauen und die Stadt so zu einer uneinnehmbaren Festung zu machen. Dazu gehört der Bau der 7 Kilometer langen Schenkelmauern von der Stadt zum Hafen Piräus. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung 104 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke In Mittelgriechenland greift Athen in einen Konflikt der beiden Nachbarstaaten Doris und Phokis ein, weil hier auch Sparta aktiv wurde. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Parallel zu den Aktivitäten auf der Peloponnes greift Athen 457 v. Chr. auch in einen Konflikt der beiden Nachbarstaaten Doris und Phokis in Mittelgriechenland ein. Die Bewohner von Phokis versuchten nämlich, ihren Machtbereich in das dorische Gebiet mit der Hauptstadt Theben auszudehnen. Theben suchte Hilfe bei Sparta, das folgte der Bitte und fiel mit 1500 Hopliten und 10.000 Bundesgenossen in Phokis ein, um u.a. das Orakel von Delphi (Bild rechts/eigenes Foto) zu schützen. Die Phoker werden bezwungen und geben auf. Athen wollte aber unter allen Umständen ein Erstarken des spartanischen Einflusses in Mittelgriechenland verhindern und blockierte den Spartanern den Rückzug zur Peloponnes bei der Stadt Megara. Das wiederum veranlasste Sparta unter ihrem Strategen Nikomedes, in Böotien Stellung zu beziehen. 105 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Athen blockierte den spartanischen Truppen bei Megara den Rückzug. Bei der Stadt Tanagra kam es 457 v. Chr. zu einer Feldschlacht, bei der Athen besiegt wurde. Kurz darauf erschienen die Athener aber wieder, diesmal bei der Stadt Oinophyta und jetzt blieben sie siegreich Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Bei der Stadt Tanagra in Böotien kam es noch im Jahr 457 v. Chr. zu einer Feldschlacht zwischen Athen und den spartanischen Truppen. Athen erleidet dabei eine vernichtende Niederlage und die spartanischen Truppen können abziehen. Aber schon 2 Monate später sind die athenischen Truppen wieder in Böotien präsent und diesmal besiegen sie die böotischen Truppen bei der Stadt Oinophyta. Mit diesem Sieg brachte Athen ganz Mittelgriechenland unter seine Kontrolle und konnte im nächsten Jahr auch seinen alten Rivalen Aigina unterwerfen (she. auch Seite 102). Athen ist jetzt innenpolitisch konsolidiert (lt. Duden: Etwas Bestehendes sichern). Im Jahr 455/54 v. Chr. startet Athen unter der Führung des Tolmides ein Flottenunternehmen rund um die Halbinsel Peloponnes mit dem Ziel, jetzt auch Korinth unter seine Kontrolle zu bringen. Ein zweites Flottenunternehmen unter Perikles folgt ein oder zwei Jahre später und dabei werden Teile der lakonischen Küste verwüstet und spartanische Schiffsarsenale bei der Stadt Gytheion zerstört (Karte Seite 107). Um auch im Nordwesten der Peloponnes präsent zu sein und quasi den Seeweg nach Italien und Sizilien zu beherrschen, werden die Inseln Zakynthos und Kephallenia, sowie einige Küstenorte an der Nordseite des korinthischen Golfs erobert. 106 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Im Jahr 455/54 erfolgt ein Flottenunternehmen unter Tolmides gegen Korinth. Ein Jahr später folgt eins unter Perikles. Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Es ist nach den politischen Folgen dieser rasanten Expansion in der ersten Hälfte der 50er Jahre zu fragen, die Athen auf den Höhepunkt seiner Macht bringt. Athens Einflussbereich reicht jetzt von den Thermophylen bis an den Korinthischen Golf und umfasst mit Achaia, Argos und Troizen sogar Teile der Peloponnes. Aber wie ist dieser Machtbereich zu erhalten und wenn überhaupt, dann ist zu fragen, wie lange das möglich sein kann? Schon 454 v. Chr. zeigen sich erste entscheidende Schwächen im Machtblock in Form der „Ägyptenkatastrophe“. Was waren die Gründe? – ein schon 460 begonnenes Flottenmanöver gegen Zypern, die Levanteküste und Ägypten zog sich nun schon 6 Jahre hin. In Ägypten sollte die Rebellion des libyschen Königs Inaros unterstützt werden. Dieser hatte gegen die persische Oberherrschaft rebelliert. Kurz – das „Unternehmen Ägypten“ endete in einer Katastrophe, die athenischen Truppen wurden auf der Insel Prosopis eingeschlossen und mussten nach der Trockenlegung eines Nilarmes ihre Schiffe verbrennen und sich ergeben. Damit war auch der Aufstand des Inaros gescheitert. Prof. Funke in „Athen in Klassischer Zeit“: „Ein ungeheurer Aderlass, von dem sich Athen nur schwer erholte. Die folgenden Jahre waren daher von einer außenpolitischen Stagnation gekennzeichnet. Ein Einlenken und eine Neuorientierung waren gefragt. 107 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Die wichtigsten Daten der 450er / 440er Jahre im Überblick Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Im Jahr 454 v. Chr. nimmt Athen grundlegende Veränderungen in der Organisationsstruktur des Seebundes vor, indem es die Kasse dieses Bundes von Delos nach Athen verlegt und die Bundesversammlung auflöst. Die Kasse wurde unter den Schutz der Stadtgöttin Athene gestellt, an die ein Sechzigstel aller Beiträge abgeführt werden musste. Auf der Akropolis werden große steinerne Stelen errichtet, auf denen Jahr für Jahr die Abgaben an die Göttin verzeichnet werden. Ihre Bezeichnung lautete „Attische Tributlisten“. Außerdem wurde per Gesetz das Münz- und Maßsystem im gesamten Bundesgebiet vereinheitlicht und alle Mitglieder zur Teilnahme an den Festen der Großen Dionysien sowie der Panathenäen verpflichtet und mussten zur Finanzierung beizutragen. Diese Veränderungen waren erste Schritte auf dem Weg einer Änderung des athenischen Seebundes zu einem Athenischen Seereich. Große Dionysien waren im antiken Griechenland Festspiele zu Ehren des Gottes Dionysos, des Gottes der Ekstase, des Rausches, der Verwandlung, des Weins. 1. Festtag: Große Prozession, Festopfer 2. Festtag: Komödienagon, fünf Komödien wetteiferten um die Gunst der ausgelosten Richter 3.- 5. Festtag: Tragödienagon, pro Tag wurde eine Tetralogie aufgeführt 108 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Panathenäen waren das größte religiös-politische Fest im antiken Athen, das zu Ehren der Athene, der Schutzgöttin Athens, gefeiert wurde Im Jahr 451 v. Chr. gelang es dem aus dem Exil zurückgekehrten Kimon, einen 5-jährigen Waffenstillstand mit Sparta zu vermitteln. Was zwar die Spannungen in Griechenland nicht gänzlich löste, Athen aber Möglichkeiten bot, den Kampf gegen Persien erneut aufzunehmen. Während Sparta auch mit Argos einen auf 30 Jahre angelegten Frieden schließt, gelang es Kimon, das seine Athener Landsleute im Jahr 449 v. Chr. einem erneuten Flottenabenteuer Richtung Zypern und Ägypten zustimmten! Wie stark muss Athens Herrschaftswillen gewesen sein, dass man nur 3 Jahre nach der „Ägyptenkatastrophe“ dieser erneuten Flottenexpedition zustimmte und 200 Trieren dafür bereitstellte. Erfolgreich waren die Athener letztlich vor Zypern, obwohl die Belagerung der Stadt Kition (heute Lanarka) ergebnislos abgebrochen werden musste – Kimon war in Verlauf dieser Belagerung im Jahr 449 v. Chr. gestorben. Durch Kimons Tod ändert sich die athenische Persienpolitik hin zu einem Ausgleich beider Staaten. Der Athener Kallias vermittelt 449/48 einen „Verständigungsfrieden“, den sog. Kallias - Frieden. Seit dem Sieg der Athener in der Schlacht von Oinophyta hatte Athen die unangefochtene Herrschaft über ganz Mittelgriechenland inne. Im Jahre 447 v. Chr. zeigten sich aber die Grenzen seiner Macht, als sich mehrere Städte in Böotien gegen die athenische Herrschaft erhoben. Ein athenisches Truppenkontingent unter Tolmides unterlag bei Koroneia den Böotiern. Im Ergebnis dieser Niederlage musste Athen sich aus Mittelgriechenland nach Attika zurückziehen. Diese athenische Niederlage war das Signal für weitere Abfallbewegungen, denn 446 v. Chr. rebellierten auch Megara, Euböa und Naxos gegen die athenische Herrschaft. Athen war jetzt gezwungen, mit Sparta Frieden zu schließen und es kam 446/45 v. Chr. zu einem 30-jährigen Frieden zwischen diesen beiden Großmächten, wobei die latenten Spannungen freilich bestehen blieben. Dieser Friede bedeutete aber trotzdem das Ende der Auseinandersetzungen des „Ersten Peloponnesischen Krieges“. Athen gab zwar alle territorialen Zugewinne auf der Peloponnes auf, hatte also hier seinen Einfluss verloren. Seine Seemachtstellung aber wurde von Sparta jetzt anerkannt, weshalb Athens „Bilanz“ der letzten Jahre doch positiv ausfiel. 109 Klaus Donndorf – Vorlesungsnotizen Vorlesung: Von Stadtstaaten , Bünden und großen Reichen – Prof. Dr. Peter Funke Die farbige Kennzeichnung der Gebiete rund um die Ägäis zeigt den Athener Einflussbereich am Ende des „Ersten Peloponnesischen Krieges“ Bildquelle: Arbeitsmaterial zur Vorlesung Zum Schluss ein Text aus „Athen in Klassischer Zeit“ von Prof. Funke: „Der Abschluss des 30jährigen Friedensvertrages im Jahre 446/45 v. Chr. hatte die eigentlichen Ursachen der Gegnerschaft zwischen Athen und Sparta nicht wirklich beseitigen können. Argwohn gegenüber den machtpolitischen Ambitionen der jeweils anderen Seite bestimmte auch weiterhin das Verhältnis zwischen den beiden Großmächten und ihren Verbündeten; und die perikleische Herrschaftspolitik der 40er und 30er Jahre gab den Spartanern allen Anlass zum Misstrauen. Das Eingreifen in die Auseinandersetzungen zwischen Korkyra und Korinth um Epidamnos hatte dann endgültig deutlich werden lassen, dass die Athener gewillt waren, jede sich bietende Gelegenheit zur Ausweitung ihrer Einflußspähre zu nutzen und die athenische Machtüberlegenheit zu demonstrieren, und es dabei billigend in Kauf nahmen, zwar nicht gegen die Buchstaben, aber doch gegen den Geist des Friedensvertrages zu verstoßen…“ Am Ende stand dann ab 431 v. Chr. der (zweite) Peloponnesische Krieg. 110