10 – Induktivität Fließt in einem Leiterkreis ein zeitlich veränderlicher

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10 – Induktivität
Fließt in einem Leiterkreis ein zeitlich veränderlicher Strom, so erzeugt dieser ein zeitlich veränderliches magnetisches Feld. Dieses wiederum wird in einem Nachbarkreis eine Spannung induzieren. Wir wollen dieses Phänomen nun ein wenig diskutieren. Auch werden wir uns mit der Energiespeicherung im Magnetfeld noch ein wenig befassen.
10.1 – Gegeninduktivität
Eemf
I1
Spule 1
Spule 2
Wenn zwei Spulen eng benachbart sind, so erzeugt eine Stromänderung in der einen Spule eine EMF in der anderen Spule. Dieser Zusammenhang ist oftmals bequem über die beteiligten Ströme zu formulieren.
Dazu sei 21 der in jeder Windung der Spule 2 durch den Strom in Spule 1 erzeugte magnetische Fluss. Die Spulen haben die Wicklungszahlen N1 und N2 (jeweils dicht gewickelt). Wenn die Spulen raumfest sind, so ist der Gesamtfluss durch Spule 2 gegeben durch N221 und dieser ist proportional zu I1. Die Proportionalitätskonstante wird Gegeninduktivität M21 genannt:
M 21 I 1= N 2 21
Nach Faraday gilt
E 2 =− N 2
d 21
dt
Wir kombinieren die beiden Ausdrücke und erhalten:
E 2 =− M 21
dI 1
dt
Damit ist die EMF in Spule 2 mit der Stromänderung in Spule 1 verknüpft. M21 ist dabei eine rein geometrieabhängige Größe; insbesondere hängt sie nicht von I1 ab. So hängt M21 vom Spulenabstand ab, denn je größer der wird, desto kleiner der magnetische Fluss der von Spule 1 bis Spule 2 reicht.
Betrachten wir nun die umgekehrte Situation. Ein zeitlich veränderlicher Strom in Spule 2 induziert eine EMF in Spule 1. Es gilt dann offensichtlich:
E 1=− M 12
Tatsächlich gilt aus Symmetriegründen M12 = M21.
dI 2
dt
Die Einheit der Gegeninduktivität ist im SI­System das Henry ( H ): 1 H = 1 Vs/A = 1 s
Hörsaal­Übung: Eine lange dünne Spule (Länge L) mit Querschnittsfläche A enthält
N1 Windungen. Darauf ist eine zweite Spule mit N2 Windungen eng aufgewickelt. Die
beiden Spulen sind voneinander elektrisch isoliert. Wir gehen davon aus, dass aller
Fluss von Spule 1 durch Spule 2 tritt. Wie groß ist die Gegeninduktivität?
Ein Transformator setzt das Gegeninduktivitätsprinzip mit nahezu perfekter Flusskopplung um.
Oftmals kann die Gegeninduktivität in einem Schaltkreis allerdings Probleme verursachen. Es gilt ganz generell auch dann, wenn der “Spulencharakter” eines Bauteils oder einer Leiteranordnung nicht offensichtlich ist. Die Gegeninduktivitäten sind zwar in der Regel klein, aber kleinen Signalpegeln oder hohen Frequenzen können dennoch Probleme auftreten. Abgeschirmte Kabel können dann helfen, die Probleme zu mildern.
10.2 – Eigeninduktivität
Das Induktivitätsprinzip gilt auch für eine einzelne Spule; das wird durch die Lenz'sche Regel ausgedrückt. Der magnetische Fluss B durch eine Spule mit N Windungen ist dem Spulenstrom I proportional. Wir definieren die Eigeninduktivität L über
L I = N B
Die in einer Spule der Eigeninduktivität L induzierte EMF ist
E =− N
d B
dI
=− L
dt
dt
Auch die Eigeninduktivität wird in Henry gemessen. Sie hängt wiederum nur von der Spulengeometrie ab und davon, ob ein ferromagnetisches Material teil der Spule ist. Wie bei der Gegeninduktivität ist die Eigeninduktivität eine Eigenschaft jedes (Bau)teils eines Schaltkreises auch wenn der “Spulencharakter” nicht offensichtlich ist.
Das Schaltzeichen für eine Spule ist
L
In der Regel versucht man, parasitäre Induktivitäten in Schaltkreisen zu vermeiden. Hochpräzise Widerstände werden bspw. aus Drähten gewickelt. Um ihre Eigeninduktivität zu minimieren, wird der isolierte Draht auf sich selbst zurückgewickelt, so das der durch den Stromfluss erzeugte magnetische Fluss sich gerade aufhebt (nicht­induktive Wicklung).
Besitzt eine Induktivität vernachlässigbaren ohmschen Widerstand, so bestimmt allein ihre Induktivität ihr Wechselstromverhalten. Wird eine Wechselspannung an eine Spule angelegt, so wird diese gerade durch die induzierte EMF balanciert. Bei großem L kann deshalb dI/dt nicht groß werden. Die Spule begrenzt den AC­Strom. Man diese Eigenschaft einer Induktivität auch Reaktanz oder (allgemeiner) Impedanz. Damit werden wir uns im nächsten Kapitel im Detail beschäftigen.
Hörsaal­Übung: Welche Eigeninduktivität hat eine lange, dünne Spule mit N Windungen
(Länge l, Querschnittsfläche A)?
Welche Werte ergeben sich für die Eigeninduktivität L mit N= 100, l = 5 cm, A = 0,3 cm2?
Was ändert sich, wenn ein Spulenkern mit der Permeabilität µ = 4000 µ0 verwendet wird?
Hörsaal­Übung: Welche Eigeninduktivität pro Einheitslänge hat ein Koaxialkabel, dessen
Innenleiter den Radius r1 und dessen Aussenleiter den Radius r2 hat. Die Leiter sollen
als so dünn angenommen werden, dass das Magnetfeld in ihrem Inneren vernachlässigt
werden kann. Sie tragen gleich große entgegengesetzt gerichtete Ströme.
10.3 – Energie im Magnetfeld
Einer Induktivität L, die einen Strom I(t) trägt wird die Leistung
P = I E = LI
dI
dt
zur Verfügung gestellt. Das Minuszeichen fällt weg, weil wir die Leistung zur Verfügung stellen, die gegen die EMF der Induktivität wirkt.
Welche Leistung ist nötig, um den Strom durch eine Induktivität von 0 auf den Wert I anzuheben? ­ Dies ergibt sich aus der in der Zeit dt erbrachten Arbeit dW
dW = p dt = LI dt  I
1
W =∫ dW =∫0 LI ' dI ' = LI 2
2
Diese Energie ist in der Induktivität gespeichert, wenn sie den Strom I trägt:
1
U = LI 2
2
Dabei haben wir noch U(I=0) = 0 gesetzt.
Die formale Ähnlichkeit zu der in einem Kondensator gespeicherten Energie
1
U = CV 2
2
ist offensichtlich. Diese Ähnlichkeit legt einen Analogieschluss nahe: So wie im elektrischen Feld des Kondensators die Energie gespeichert ist, ist im magnetischen Feld der Induktivität die Energie gespeichert.
Wir schreiben dazu den Ausdruck ½ LI2 um. Für die lange, dünne Spule hatten wir abgeleitet
B = 0 I N / l , L = 0 N 2 A / l
Wir setzen dies in U = ½ LI2 ein und erhalten:

 
1
1
A Bl
U = LI 2 = 0 N 2
2
2
l 0 N
2
1 B2
=
Al
2 0
Bezogen auf das Spulenvolumen Al ergibt sich so eine Energiedichte von
B2
u=
2 0
Dieses Ergebnis gilt nicht nur für die lange, dünne Spule sondern ganz allgemein für jeden Raumbereich, der von einem Magnetfeld erfüllt ist. u erhöht sich um den Faktor µ/µ0, wenn das betrachtete Gebiet einen Ferromagneten der Permeabilität µ enthält.
10.4 – LR­Schaltkreise
Jede Induktivität L wird einen ohmschen Widerstand R haben (es sei denn, sie ist supraleitend!). Wir zeichnen deshalb den induktiven und resistiven Anteil separat:
R
L
Was geschieht, wenn eine Batterie an eine Induktivität (mit Widerstand) angeschlossen wird durch Umlegen eines Schalters?
Schalter
V0
Im Moment des Schalterschließens beginnt der Strom zu fließen. Eine entgegengerichtete Induktionsspannung baut sich über der Induktivität auf. Mit dem fließenden Strom I entsteht zeitgleich eine ohmsche Spannung (=IR) am Widerstand.
Wir wenden die Kirchhoffsche Maschenregel auf den Stromkreis an. Es gilt
V 0− L
dI
− IR = 0
dt
Wir formen das um zu
L
dI
=V 0 − IR
dt
Das ist eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung, die wir durch direkte Integration lösen können:
t
I
∫0
∫0 dt
dI '
=
V 0− I ' R
L
1
R
− ln

V 0 − IR
V0

=
t
L
Wir lösen nach dem Strom auf und erhalten:
I t =
V0
R
 1− e−t /  
mit der Zeitkonstanten  = L/R.
Der Strom nähert sich also exponentiell, asymptotisch seinem Maximalwert V0/R. Nach der Zeit  hat er 63 % seines Maximalwerts erreicht.
Trennen wir nun die Batterie vom Stromkreis durch Umlegen des Schalters, so sind Widerstand und Induktivität allein in Reihe. Zunächst ist der Strom auf seinem Maximalwert I0 (dies sei wieder bei t = 0). Es gilt die Differentialgleichung (DGL)
L
dI
 RI = 0
dt
Diese kann wieder durch Umordnung und direkte Integration gelöst werden:
I
∫I
0
t R
dI '
=−∫0 dt ' I'
L
 ln

I
I0
R
L
=− t
Wir lösen nach I(t) auf und erkennen, dass der Strom exponentiell mit der Zeitkonstanten
 = R/L abfällt. Demnach ergibt sich sowohl beim Ein­ als auch beim Ausschalten eine exponentiell verlaufende Verzögerung im Schaltverhalten, wenn eine Induktivität im Spiel ist.
10.5 – LC­Schaltkreise und elektromagnetische Oszillationen
Wir betrachten nun den LC­Kreis, denn der Kondensator ist das dritte (einfache) Bauteil, das sich in einem Schaltkreis befinden kann, neben einem Widerstand oder einer Induktivität.
Dazu nehmen wir an, dass auf dem Kondensator die Ladung Q0 bzw. ­Q0 auf den Platten gespeichert ist. Wir schließen den Schalter zum Zeitpunkt t = 0 und ein Strom beginnt sofort zu fließen. Damit steigt der Strom durch die Induktivität; der Stromanstieg muss also gebremst sein. Wie? ­ Wir wenden wieder die Kirchhoffsche Maschenregel an:
−L
L
+
+
+
C
­
­
­
dI Q
 =0
dt C
Die von der positiv geladenen Platte abfließende Ladung Q bestimmt den Strom durch die Induktivität I = ­dQ/dt. Wir können deshalb die obige Gleichung umschreiben:
d2Q
Q

=0
2
LC
dt
Das ist die DGL einer harmonischen Oszillation, deren Lösung die folgende Form hat
Q =Q 0 cos t 
Die Konstanten Q0 und  hängen von den Anfangsbedingungen ab.
Wir setzen in die DGL ein und erhalten:
−2 Q0 cos t 
1
Q 0 cos t = 0 LC
 
−2 

1
cos t = 0
LC
Um die rechte Gleichung für alle Zeiten t zu erfüllen, muss die Klammer verschwinden. Die Kreisfrequenz hat damit notwendigerweise den folgenden Wert
= 2  f =
1
 LC
Wir haben damit gezeigt, dass die Ladung in einem LC­Kreis harmonisch oszilliert. Für den Strom gilt diese Aussage natürlich auch, denn I = ­ dQ/dt und damit
I = Q 0 sin  t = I 0 sin  t 
Was bedeutet das für die Energie? ­ Im elektrischen Feld des Kondensators ist die Energie
2
Q20
Q
U E=
= cos2  t 
2C 2C
gespeichert. Im Magnetfeld der Induktivität zur selben Zeit die Energie
2
2
2
Q0
1 2 L  Q0 2
2
U B = LI =
sin  t =
sin  t 
2
2
2C
Demnach gilt: Wenn alle Energie im Kondensator gespeichert ist, ist keine Energie in der Induktivität gespeichert; und umgekehrt, denn die harmonischen Zeitabhängigkeiten sind zueinander um 90° phasenverschoben. Zu jeder Zeit gilt für die Gesamtenergie
2
2
2
Q0
1 2 Q0
Q
2
2
U =U E U B =
 LI = [ cos  t sin  t  ]=
2C 2
2C
2C
Die Gesamtenergie ist also zeitlich konstant ( Erhaltungsgröße ). Wir halten fest:
Die LC­Reihenschaltung bildet einen elektromagnetischen Oszillator.
10.6 – LRC­Schaltkreise und gedämpfte elektromagnetische Oszillationen
Da jede Induktivität auch einen ohmschen Widerstand besitzt, ist der eben diskutierte LC­
Kreis eine Idealisierung. Wir betrachten deshalb auch den LRC­Kreis.
L
Wir gehen wieder vom ursprünglich geladenen Kondensator (Ladung Q0) zum Zeitpunkt t = 0 aus, wenn der Schalter geschlossen wird. Die Maschenregel liefert:
R
+
+
+
C
−L
­
­
­
dI
Q
− IR  = 0
dt
C
Die DGL aus Abschitt 10.5 ist also um den ohmschen Term ­IR ergänzt worden.
Wieder gilt I = ­dQ/dt und wir erhalten eine DGL für die Ladung Q(t)
d2 Q
dQ Q
L 2 R
 =0
dt C
dt
Diese DGL zweiter Ordnung hat die Form der DGL eines gedämpften harmonischen Oszillators. Aus dem Mechanik wissen wir#), dass das System eine gedämpfte Schwingung ausführen wird. Wir haben unterdämpfte, überdämpfte oder kritisch gedämpfte Schwingungsformen zu unterscheiden, je nach den Werten von L, R und C.
#) Die Erstsemester wissen das (wahrscheinlich) noch nicht.
Hörsaal­Übung: Es ist zu zeigen, dass Q(t) = Ae­tcos('t) die Lösung der DGL einer
gedämpften, harmonischen Ladungsschwingung darstellt.
Welchen mechanischen Kenngrößen der gedämpften, harmonischen Oszillatorgleichung
m∙d2x/dt2 + b∙dx/dt + k∙x = 0 sind die LRC­Kenngrößen L, R und C zuzuordnen?
Das System wird unterdämpft sein für

4L
C
R2
4L
C
R
2
Es ist überdämpft für
und kritisch geämpft für
R
2
=
4L
C
Bei schwacher Dämpfung ( R2 < 4L/C ) ist die Kreisfrequenz der Schwingung
'=

2
1
R
−
LC 4 L 2
Die Ladung oszilliert als Funktion der Zeit gemäß
−
Q =Q 0 e
R
t
2L
cos' t 
Mit einer Phasenkonstanten .
Derartige Schwingkreise sind ein wichtiges Element vieler elektronischer Geräte. Sie werden in Radios und Fersehgeräten als “Sendersucher” eingesetzt. Da LC­Kreise immer gedämpft sind, benötigen sie in der Regel einen ständigen, periodischen Leistungseintrag, um die Energieverluste im Widerstand zu kompensieren (getriebener, gedämpfer, harmonischer Oszillator).
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