Bericht - 27. GCP Workshop

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24. GCP-Workshop „Stuhl- und Harninkontinenz“
Berlin, 13.–14. Dezember 2013 – Bericht für B. Braun Melsungen von Abdol A. Ameri
Fortschritte im Management von Stuhl- und Harninkontinenz
Wiederherstellung der Kontinenz ist keine Utopie mehr
Inkontinenz ist ein medizinisches, soziales und ökonomisches Problem.
Bedingt durch die komplexe Anatomie des Beckenbodens und die Vielzahl
an mehr oder weniger erfolgversprechenden Behandlungsmöglichkeiten
durchlaufen viele Patienten einen langen Leidensweg. Im Rahmen des
24. GCP-Workshops beleuchteten Experten aus Urologie, Gynäkologie und
Chirurgie den aktuellen Kenntnisstand zur Anatomie, Pathophysiologie
sowie Diagnostik und unterzogen die unterschiedlichen Therapieverfahren
einer kritischen Betrachtung. Das rege Interesse der mehr als 250 Teilnehmer der interaktiven, interdisziplinären Fortbildungsveranstaltung und
ihre ausgiebige Diskussion mit den Referenten machten deutlich, dass das
Management der Inkontinenz auch für den Praxis- und Klinikalltag von
hoher Relevanz ist.
Die Kenntnis der funktionellen Anatomie des Beckenbodens ist eine
Grundvoraussetzung für die sichere und zielorientierte rekonstruktive
Therapie der Inkontinenz. Aus den unterschiedlichen Blickwinkeln von
Gynäkologie, Urologie und Chirurgie wurde das Zusammenspiel des muskulären und des bindegewebigen Beckenbodens und seiner Innervation
mit den Auswirkungen auf die Funktion der Urethra, der Blase, der
Vagina, des Uterus und des Rektums dargestellt.
Bei dem Beckenboden handelt es sich um einen knöchernen Gürtel,
dessen Gelenke so strukturiert sind, dass möglichst keine Bewegungsmöglichkeit besteht. Mit seinen muskulären Anteilen diene er dem
Verschluss des Beckenausganges und der Lagesicherung der im Becken
befindlichen Organe, erläuterte Prof. Dr. Moritz A. Konerding, Mainz.
Die muskulären Platten sind von Bindegewebsstrukturen durchsetzt und
werden dadurch verstärkt. Auch die durch Mesenterien an der Beckenwand befestigten Beckenorgane sind von Bindegewebe umgeben. Im
Beckenboden der Frau bilden die endopelvine Faszie und die vordere
Vaginalwand zusammen die sogenannte „Hängematte“ der Blase und des
Blasenhalses, die vor allem durch die laterale Fixation an den Arcus tendineus und den Musculus levator ani Stabilität erreicht. Die Vagina sei
ein wichtiger Faktor für die Kontinenz, hob Konerding hervor. Denn sie
überträgt die verschiedenen Muskelfunktionen auf den Blasenhals und
auf die Urethra.
Die vegetative Innervation der Beckenorgane und des Beckenbodens ist
komplex. Parasympathische Fasern entstammen den Rückenmarksabschnitten S2 bis S4; sympathische Efferenzen ziehen über den Plexus
hypogastricus superior in den Beckenboden. Der Plexus hypogastricus
superior stellt die direkte Fortsetzung des Plexus aorticus in die
Beckenhöhle dar. „70 % der Nervenfasern, die hierdurch verlaufen, sind
Fasern, die aus dem Becken zum Rektum und zu den anderen Organen
ziehen", erläuterte Konerding. Wichtig – insbesondere für das Einlegen
spannungsfreier Netze – ist der Nervus obturatorius. Er entspringt dem
Plexus lumbalis (L2–L4), verläuft durch das Foramen obturatorium und
teilt sich danach in einen anterioren und posterioren Ast auf. Der Nervus
obturatorius führt somatosensible und somatomotorische Fasern. Verletzungen oder Reizungen können zu Beschwerden am Oberschenkel,
dem sensiblen Versorgungsgebiet des Nervus obturatorius, führen.
Die erfolgreiche Durchführung gängiger urogynäkologischer Operationen,
wie suburethrale spannungsfreie Bänder und die Kolposuspension, setzt
voraus, dass der Operateur mit der funktionellen und pathologischen
Anatomie vertraut ist. „Wenn man die Anatomie des Operationsgebiets
kennt, können einerseits die anatomisch-funktionellen OP-Ergebnisse
verbessert und mögliche postoperative Komplikationen besser beherrscht
werden“, konstatierte Prof. Dr. Christl Reisenauer, Tübingen. Der
Operateur müsse genauestens wissen, wo welche Strukturen verlaufen,
deren Durchtrennung oder Verletzung zu bleibenden Schäden führen
könnte (siehe Kasten 1).
Anatomische Landmarks für urogynäkologische Eingriffe
– Nervus obturatorius und Vasa obturatoria
– Nervus pudendus und Vasa pudenda interna
– Arcus tendineus fasciae pelvis
– Ligamentum sacrospinale und Ligamentum sacrotuberale
– Sakralnerven
– Pelvine vegetative Nerven
Prof. Dr. Klaus-Peter Jünemann, Kiel, wies aus der Perspektive des Urologen auf die komplexe Innervation der Harnblase hin. Harnkontinenz ist
abhängig von einem intakten pontinen und sakralen Miktionszentrum.
Über die Miktionszentren verliefen nicht nur die Efferenzen, sondern
auch die Afferenzen, betonte Jünemann. Die Afferenzen transportieren
alle Informationen von der Blase zurück an das übergeordnete
Kontrollzentrum und können durch operative Eingriffe leicht verletzt
werden, sodass dann keine adäquate Kontrolle der Miktion mehr möglich
ist. Nach Auffassung von Jünemann ist das pathophysiologische Konzept
einer altersbedingten Beckenboden- und Bindegewebsschwäche als
Ursache der Belastungsinkontinenz der Frau heute nicht mehr haltbar.
Vielmehr weisen die Erkenntnisse der letzten Jahre darauf hin, dass die
kooperative Funktion der urethralen Band- und Halteapparate mit einer
intakten Innervation der Beckenbodenmuskulatur sowie der ventralen
Scheidenwand beeinträchtigt sei. Die Aufhängung der Urethra und der
Vagina sei eine wichtige Bedingung für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Kontinenz. „Wenn diese Aufhängung wieder hergestellt
wird, ist die Belastungsinkontinenz ohne Prolaps und ohne ausgeprägte
Zystozele sehr gut korrigierbar", hob der Urologe hervor. Gerade bei einer
Zystozele oder Rektozele sei eine korrekte Rekonstruktion der Architektur
des Urogenitaltraktes erforderlich.
Genaue Diagnostik lohnt sich
Basisdiagnostik bei Patientinnen mit Harninkontinenz
Um frustrane Therapieversuche zu vermeiden, sollten Patienten mit
Harn- oder Stuhlinkontinenz zunächst einer ausführlichen Diagnostik
unterzogen werden. Prof. Dr. Ursula Peschers, Gynäkologin aus München,
gab in ihrem Vortrag einen Überblick über die essenziellen Elemente der
gynäkologischen Basisdiagnostik bei Verdacht auf eine Beckenbodensenkung. Im Zentrum der Diagnostik steht die Untersuchung der Vagina.
Diese sollte auf dem gynäkologischen Stuhl in Steinschnittlage mit
geteilten Spekula durchgeführt werden. Wichtig ist die Beurteilung der
Kontraktionsfähigkeit des Beckenbodens in Ruhe und beim Pressen, z. B.
anhand der Oxford-Grading-Skala (von 0 = keine Kontraktionsfähigkeit
bis 5 = maximale Kontraktionsfähigkeit) sowie die Quantifizierung des
Deszensus nach der Klassifikation der International Continence Society
(ICS). Ein Deszensus ist definiert als eine Senkung bis zum Hymenalsaum,
ein Prolaps als Senkung über den Hymenalsaum hinaus. Die ICS graduiert
das Prolapsausmaß anhand bestimmter Referenzpunkte (Abb. 1). Das
Schema helfe bei der schnellen und sicheren Beurteilung eines Prolapses,
so Peschers. Abhängig vom Ausmaß der Organsenkung werde der
Deszensus gemäß ICS in vier Schweregrade eingeteilt:
– Grad I: kein relevanter Deszensus
– Grad II: -1 cm bis +1 cm um den Hymenalsaum
– Grad III: > 1 cm über den Hymenalsaum
– Grad IV: Totalprolaps: mindestens totale vaginale Länge -2 cm
Urologen setzten in der Diagnostik der Harninkontinenz andere Schwerpunkte als Gynäkologen, berichtete Dr. Almuth Angermund, Urologin aus
München. So ziehen sie im Rahmen der Diagnostik Miktionstagebücher
heran und legen ein verstärktes Augenmerk auf mögliche Steinleiden,
Bakteriämie und Harnwegsinfekte. Unabdingbar für die Abklärung von
Blasenfunktionsstörungen sei die urologische Funktionsdiagnostik. Die
urodynamische Untersuchung biete den Vorteil, dass Symptome urologischer Funktionsstörungen unter „physiologischen“ Messbedingungen
reproduziert werden können, erklärte Angermund. Das helfe, die
Beschwerden zu objektivieren, ihre Ursache zu identifizieren und die
zugrundeliegenden Funktionsstörungen zu verifizieren. Außerdem
ermögliche die Urodynamik, zwischen Speicher- und Entleerungsstörungen zu unterscheiden. Auch vor einem operativen Eingriff bei
Patientinnen mit einer klinisch klaren Belastungsinkontinenz kann eine
urodynamische Untersuchung gerechtfertigt sein – nicht um die Diagnose zu verifizieren, sondern um mögliche Kontraindikationen, wie z. B.
eine kleinkapazitäre Blase mit Detrusorhyperaktivität, auszuschließen.
Die urodynamische Diagnostik umfasst die Füllungszystometrie, DruckFluss-Messung, Urethradruckmessung und die Video-Urodynamik
(Beckenboden-EMG). Mit Hilfe der Video-Urodynamik können Blasenfüllung und -entleerung im Röntgenbild kontinuierlich verfolgt werden.
Sie ist eine wertvolle Ergänzung zur Unterscheidung funktioneller und
mechanischer Blasenauslass-Obstruktion. Die Hauptindikation für die
Video-Urodynamik besteht bei neurogenen Blasendysfunktionen. Darüber
hinaus wird die Methode bei unklaren anatomischen Verhältnissen nach
mehreren Voroperationen und in Rezidivsituationen eingesetzt.
Weiterführende Diagnostik bei Harninkontinenz
Ein ergänzender Baustein in der Diagnostik der Belastungsinkontinenz –
neben der klinischen Untersuchung, Urodynamik und Zystoskopie – sei
die Introitussonographie, so Prof. Dr. Volker Viereck, Urogynäkologe aus
Frauenfeld/Schweiz. Das Verfahren stelle eine Verbindung zwischen den
Beschwerden der Patientinnen und der Morphologie her. Auf der Basis
der sonographischen Befunde könne der Operateur entscheiden, welche
Operationsmethode für den individuellen Patienten optimal oder kontraindiziert sei.
Abb. 1: Klassifikation der Beckenbodeninsuffizienz nach ICS [präsentiert
von Prof. Dr. Ursula Peschers, München]
Ein Prolaps des Bezugspunkts distal des Hymenalrings wird mit einem
+ gekennzeichnet, ein Prolaps des Bezugspunkts noch proximal des
Hymenalrings wird mit einem – gekennzeichnet.
Aa
Ap
Ba
Bp
C
D
gh
pb
tvl
=
=
=
=
=
=
=
=
=
vordere Vaginalwand
hintere Vaginalwand
tiefster Punkt des oberen Anteils der vorderen Vaginalwand
tiefster Punkt des oberen Anteils der hinteren Vaginalwand
Cervix
hinterer Fornix vaginalis
genital height, von der Urethra bis zur hinteren Kommissur
perineal body, von der hinteren Kommissur bis zum Anus
total vaginal length
Die Sonographie habe den Vorteil, dass sie schon einen in den Leitlinien
[1] fest verankerten Stellenwert habe, so PD Dr. Ulrike Attenberger,
Radiologin aus Mannheim. Der Kernspintomographie (MRT) werde zwar
durchweg ein hohes Potenzial zugeschrieben, weil sie die morphologische und funktionelle Beurteilung aller relevanten Kompartimente in
einer einzigen Untersuchung erlaube. Mit der dynamischen MRT könne
sogar die Organbeziehung in Bewegung sichtbar gemacht werden. Der
klinische Mehrwert der MRT in der Inkontinenzdiagnostik sei jedoch
nicht belegt.
Die Funktionsdiagnostik könne sowohl Speicher- als auch Entleerungsstörungen aufdecken und sei Voraussetzung für eine kompetente
Aufklärung, berichtete Prof. Dr. Christian Hampel, Urologe aus Mainz.
Ohne therapeutische Relevanz sei die funktionelle Diagnostik jedoch
überflüssig. Urologen und Gynäkologen setzten beim Einsatz der
Diagnoseverfahren unterschiedliche Schwerpunkte (Tabelle 1), wobei die
Bildgebung – insbesondere die Sonographie – in der Gynäkologie eine
Tabelle 1: Fachspezifischer Stellenwert der Funktionsdiagnostik
Untersuchung
Untersuchter Blasenfunktionsaspekt
Stellenwert Urologie
Stellenwert Gynäkologie
Anamnese
Speicher- und Entleerungsphase
+++
+++
Miktionstagebuch
Speicher- und Entleerungsphase
+++
+++
Vorlagentest
Speicherphase
+++
+++
Uroflow/RH-Sono
Entleerungsphase
+++
+
Perineometrie
Speicherphase (Beckenbodenkraft)
+
++ (EMG)
Perinealsonographie
Prolaps, Urethralhypermobilität
+
+++
MCU
Speicher- und Entleerungsphase, Reflux
+++
–
Laterales Zystogramm
Prolaps, Urethralhypermobilität
+++
–
Füllungszystometrie
Speicherphase
+++
+++
Druck-Fluss-Studie
Entleerungsphase
+++
–
Urethradruckprofil
Speicherphase
+
+++
Zystourethroskopie
Speicherphase
+++
(+)
Quelle: Prof. Dr. Christian Hampel, Mainz
größere Rolle spielt als in der Urologie. Die Invasivität der Diagnostik
sollte sich an der geplanten Therapiebelastung orientieren. „Eine
erschöpfende Funktionsdiagnostik erhöht vor einer geplanten Operation
nicht nur die Indikationssicherheit des Arztes, sondern auch die
Sicherheit der Patienten vor Komplikationen", konstatierte Hampel.
Diagnostischer Algorithmus bei Harninkontinenz
Nach der neuen interdisziplinären S2e-Leitlinie für die Diagnostik und
Therapie der Belastungsinkontinenz der Frau [1] sollten alle Patientinnen
eine Basisdiagnostik erhalten, berichtete Prof. Dr. Daniela SchultzLampel, Urologin aus Villingen-Schwenningen. Frauen mit einer unkomplizierten Belastungs-, Drang-, oder Mischinkontinenz können ohne weitere invasive Diagnostik einer konservativen Basistherapie zugeführt
werden (z. B. einem Anticholinergikum bei einer reinen Dranginkontinenz
oder einer Physiotherapie bei Belastungsinkontinenz). Besteht hingegen
aufgrund der Basisdiagnostik der Verdacht auf eine komplexe Inkontinenz, so ist eine erweiterte, individuell zugeschnittene Diagnostik notwendig (Abb. 2). Wenn morphologische Auffälligkeiten zu erwarten sind,
sind bildgebende und urodynamische Untersuchungen indiziert. Bei
Hämaturie, Harnwegsinfekten oder Schmerzen sollte eine Zystoskopie
durchgeführt werden. In Einzelfällen ist auch eine Computertomographie
oder fMRT in Erwägung zu ziehen. „Die erweiterte Diagnostik ist auch
dann angesagt, wenn die Basistherapie bei einer unkomplizierten
Inkontinenz versagt", so Schultz-Lampel.
Basisdiagnostik bei Patientinnen mit Stuhlinkontinenz
Im proktologischen Bereich beginnt die Basisuntersuchung der Frau mit
einer ausführlichen Anamnese. Hierbei gelte es, das Vorliegen einer
Stuhlinkontinenz, ihren Schweregrad und mögliche Ursachen abzuklären,
berichtete Dr. Horst Loch, Proktologe aus Berlin. Anschließend folgen
Inspektion, Palpation, Proktoskopie und Rektoskopie. In diesen Schritten
kann der Proktologe die morphologischen Ursachen der Inkontinenz
herausfinden, das Ausmaß der Störung beurteilen und die Therapie festlegen. Das wichtigste Element der Basisdiagnostik sei die Palpation. Auf
der Grundlage der basisdiagnostischen Befunde ließen sich viele
Behandlungsentscheidungen treffen, so Loch. „Zusätzliche Informationen
durch weitere Untersuchungen haben oft nur indikationsstützenden und
erfolgskontrollierenden Charakter.“
Funktionsdiagnostische Maßnahmen bei Stuhlinkontinenz
Erkrankungen des Beckenbodens können mit Defäkationsbeschwerden,
wie Obstipation (Outlet-Obstruktion), Stuhlinkontinenz oder auch mit
Schmerzen (z. B. Levator-ani-Syndrom) einhergehen. Die funktionelle
Diagnostik könne helfen, die Symptomatik richtig einzuordnen, sagte PD
Dr. Daniel Dindo, Chirurg aus Zürich. Ein wichtiger Bestandteil in der
Funktionsdiagnostik des Enddarms sei die Palpation; sie liefere wichtige
Informationen über die Druckverhältnisse und die Koordination. Die
Defäkographie sei vor allem für die Diagnose einer strukturellen
Obstruktion (Intussuszeption oder Enterozele) relevant, da sie chirurgisch
behandelt werden kann. Funktionelle Störungen lassen sich mit der
Analmanometrie detektieren. Sie sollte insbesondere bei Patienten
durchgeführt werden, für die eine Operation in Betracht gezogen wird,
um funktionelle Anormalitäten vorab auszuschließen. Zur Bestimmung
der rektalen Kapazität werde die Barostat-Messung eingesetzt.
Diagnostischer Algorithmus Stuhlinkontinenz
Jeder Patient mit Stuhlinkontinenz sollte eine Basisdiagnostik und eine
initiale Behandlung erhalten, so Dr. Franz Raulf, Münster. Erst wenn die
Initialtherapie fehlgeschlagen ist, kommen die weiterführenden Untersuchungen zum Einsatz. Nach den Empfehlungen der ICS [2] sollte eine
Protoskopie und bei Alarmsymptomen eine Koloskopie durchgeführt werden. Beim Fehlen eines sicheren anatomischen Defektes ist vor einer
Analsphinkteroperation eine Endosonographie oder MRT erforderlich. Bei
einem klinisch nicht sicher nachweisbaren Rektumprolaps empfiehlt die
ICS eine Defäkographie. Die flexible Endoskopie sei dem Ausschluss höher
gelegener Ursachen vorbehalten, ergänzte Raulf. Zur Bewertung der
quergestreiften Muskulatur und der motorischen peripheren Nerven können neurophysiologische Tests (Nadel-EMG oder sakrale Reflexantwort)
eingesetzt werden. Die Analmanometrie kann zur Messung von Ruheund Kneifdruck eingesetzt werden; eine Elektromyographie ist in der
klinischen Routine entbehrlich.
Abb. 2: Diagnostik-Algorithmus bei Frauen mit Symptomen einer Harninkontinenz [präsentiert von: Prof. Dr. Daniela Schultz-Lampel, VillingenSchwenningen]
Ist Inkontinenz durch innovative OP-Techniken
vermeidbar?
Nervenschonende Techniken helfen Inkontinenz zu vermeiden
Sowohl Harn- als auch Stuhlinkontinenz sind häufige Komplikationen
nach gynäkologischen Eingriffen oder Rektumresektionen. Bis zu 85 %
der Frauen entwickeln nach radikaler Hysterektomie eine Blasenfunktionsstörung, die in bis zu 80 % der Fälle langfristig anhält [3, 4].
Während der radikalen Hysterektomie komme es zu einer lateralen
Trennung der uterosakralen und kardinalen Ligamente und damit zu einer
Störung des größten Anteils der autonomen Innervation, erläuterte
Prof. Dr. Heinz Kölbl, Gynäkologe aus Wien. Um dem entgegenzuwirken,
wurden verschiedene nervenschonende Operationstechniken für
Patientinnen mit Zervixkarzinom entwickelt. Um die Morbidität zu senken und die Lebensqualität zu erhalten, sollte die Operationstechnik an
die Tumorausdehnung angepasst werden. Laparoskopische Eingriffe sind
durch Aussparung des posterioren Anteils des Ligamentum sacrouterinum nervenschonend [5, 6]. Die Wiederherstellung der Spontanmiktion
erfolgt schneller als nach vaginalen oder abdominalen Radikaloperationen [7]. Auch eine Liposuktion kann den Nervenerhalt durch
Entfernung von Fettgewebe zwischen Mesorektum, uterovaginalem
venösen Plexus, Musculus obturator internus, coccygeus und iliococcygeus ermöglichen und das Risiko postoperativer Blasenentleerungsstörungen reduzieren [8]. Durch Anwendung nervenschonender
Techniken und Identifizierung relevanter Strukturen sei bei Patientinnen
mit Zervixkarzinom ein gutes funktionelles Outcome ohne Beeinträchtigung des Gesamtüberlebens erreichbar, resümierte Kölbl.
Nervenschonendes Operieren ist auch dann von Vorteil, wenn es darum
geht, Inkontinenz und Entleerungsstörungen nach orthotopen Blasenersatz zu vermeiden. „Gerade bei einem orthotopen Blasenersatz ist die
Kontinenz eine echte Herausforderung“, unterstrich der Heidelberger
Urologe PD Dr. Dogu Teber. Das gelte vor allem für Frauen. Im Hinblick
auf die Kontinenz sei zu bedenken, dass Afferenzen und Efferenzen insbesondere im Bereich der proximalen Harnröhre dazu beitragen, den
Tonus und die Propriozeption zu steuern. Nervenschonendes Operieren,
harnkanalisierende Maßnahmen, dorsaler Support und die Schonung der
endopelvinen Faszie können dazu beitragen, Inkontinenz zu vermeiden.
Intraoperatives Neuromonitoring bei Rektumresektion
Um das postoperative Outcome in der laparoskopischen Rektalchirurgie
zu verbessern und urogenitale sowie anorektale Funktionsstörungen
infolge einer intraoperativen Schädigung autonomer Beckennerven zu
vermeiden, wurde ein pelvines Neuromonitoring-System entwickelt.
Nach den Worten von Prof. Dr. Werner Kneist, Mainz, handelt es sich
dabei um eine mikrotechnologische Methode zur Überwachung der
Nerven im Beckenboden. Durch die intraoperative Überwachung der
Blasendruckveränderung, welche durch die elektrische Stimulation auto-
nomer Nervenfasern hervorgerufen wird, sind die Schonung der
Beckennerven sowie eine an regionale Risikozonen angepasste Operation
möglich. Das pelvine Neuromonitoring hat in Bezug auf die Vorhersage
der postoperativen Funktion der Harnblase eine Treffsicherheit von 97 %,
96 % für die anorektale Funktion und 88 % für die erektile Potenz [9, 10].
Neorektum nach Rektumresektion
Nach der tiefen Rektumresektion nimmt der Analsphinkterdruck ab, die
anale Transitionalzone und die Schrittmacherfunktion entfallen und die
Reservoirkapazität ist reduziert. Ein Neorektum könne die Reservoirfunktion übernehmen und als Motilitätsbremse fungieren, sagte Prof. Dr.
Anton Kroesen, Köln. Von einem Stuhlreservoir profitieren insbesondere
Patienten mit einem Rektalkarzinom der Gruppe II (4–8 cm). Der ColonJ-Pouch ist der geraden Anastomose in Bezug auf die Reservoirfunktion
überlegen und der transversen Colonplastik sowie der Seit-zu-EndAnastomose hinsichtlich Stuhlkontinenz, -frequenz, Dranggefühl und
Antidiarrhoe-Medikation ebenbürtig [11]. „Mit einem Neoreservoir sind
insgesamt akzeptable Ergebnisse in Bezug auf Stuhlfrequenz und
Kontinenz im Vergleich zu Gesunden erreichbar“, so Kroesen. „Allerdings
ist die Defäkationsqualität nicht immer gleichbedeutend mit Lebensqualität.“
Konservative Inkontinenztherapie
Die konservative Therapie ist der erste Schritt in der Inkontinenzbehandlung. Konservative Ansätze sind in der Regel einfach anzuwenden
und nebenwirkungsarm.
Mischinkontinenz (kombinierte Stress- und Dranginkontinenz) ist ein
unwillkürlicher Urinabgang bei passiver intravesikaler Druckerhöhung
mit unmittelbarem imperativem Harndrang. „Die kombinierte Störung
benötigt auch eine kombinierte Behandlung", hob Alloussi hervor.
Die neurogene hyperaktive Blase (Reflexinkontinenz) zeichnet sich
durch unwillkürlichen Urinabgang mit abnormer Reflexaktivität des
Detrusors ohne zerebrale Kontrolle aus (z. B. beim Querschnittssyndrom).
Anticholinergika hemmen Detrusorüberaktivität und erhöhen die
Restharnmenge. Die Harnableitung kann über einen Einmalkatheter oder
gegebenenfalls mittels Dauerkatheter erfolgen.
Eine Harninkontinenz bei chronischer Harnretention (Überlaufinkontinenz) ist dadurch bedingt, dass der intravesikuläre Druck den Druck in der
Harnröhre übersteigt (z. B. beim Prostataadenom Stadium II oder bei
peripher denervierter Harnblase). Die Ableitung des Harns erfolgt mittels
Einmalkatheter, Zystostomie mit Ventil oder mittels Dauerkatheter.
Bei einer extraurethralen Inkontinenz kommt es zu unwillkürlichen
Urinabgang durch Kanäle außerhalb der Harnröhre – entweder primär
kongenital bei ektop mündenden Harnleitern oder sekundär iatrogen
durch Fistelbildung. Normalerweise sei die Therapie dieser Inkontinenzform eine Domäne der Chirurgie, so Alloussi. Nicht-operative Maßnahmen beschränken sich auf die Anwendung aufsaugender oder absorbierender Hilfsmittel wie anatomisch geformte Einlagen, Inkontinenzklebeslips oder Wegwerfpants.
Nicht-operative Therapie der Stuhlinkontinenz
Nicht-operative Therapie der Harninkontinenz
„Therapieprinzip bei Harninkontinenz ist maximale Effektivität bei minimaler Invasivität“, betonte Prof. Dr. Schahnaz Alloussi, Neunkirchen.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie sei die korrekte Diagnose.
Insgesamt werden fünf verschiedene Formen der Harninkontinenz unterschieden. Belastungsinkontinenz und Mischinkontinenz sind die häufigsten Inkontinenzformen bei Frauen, während die neurogene hyperaktive
Blase und Harninkontinenz bei chronischer Harnretention die häufigsten
Formen bei Männern sind. Die nicht-neurogene hyperaktive Blase tritt
bei beiden Geschlechtern mit nahezu gleicher Prävalenz auf.
Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) ist ein unwillkürlicher
Urinabgang bei passiver intravesikaler Druckerhöhung ohne
Detrusorkontraktion (z. B. bei Husten oder Niesen). Ursachen sind eine
hypotone Urethra oder eine verminderte Drucktransmission bei
Lagenanomalie der Harnblase. Ziel der Therapie ist die Erhöhung des
Harnröhrendrucks in Ruhe und unter Belastung. Als konservative
Therapiemaßnahmen kommen Verhaltensmodifikation (Gewichtsreduktion und Blasentraining), Physio- und Pharmakotherapie und
Hilfsmittel (sowohl intravaginale Hilfsmittel als auch Vorlagen) in
Betracht. Physiotherapeutische Maßnahmen wie Beckenbodentraining,
Biofeedback, Elektrostimulation, Magnetfeldstimulation oder Training
mit Vaginalkonen können den Beckenboden wieder stärken und stabilisieren. Für die medikamentöse Therapie werden trizyklische Antidepressiva, Duloxetin, ␣-Mimetika, ␤2-Rezeptoragonisten oder Östrogen
eingesetzt.
Die nicht-neurogene überaktive Blase (Dranginkontinenz) ist definiert
als unwillkürlicher Urinabgang mit imperativem Harndrang. Basistherapeutische Maßnahmen umfassen Verhaltensmodifikation
(Trinkmenge 1,5 bis 2 l/Tag), Gewichtsreduktion und Trinken „blasenberuhigender" Tees sowie Blasentraining, Biofeedback und Elektrostimulation.
Die Domäne der medikamentösen Therapie sind Anticholinergika.
Die Rationale der konservativen Stuhlinkontinenztherapie sei eine
Beeinflussung der Kolonfunktion, der Stuhlfrequenz und -konsistenz, der
Sphinkterkraft und der anorektalen Sensibilität, berichtete Dr. Thilo
Schwandner, Gießen. Viele der häufig praktizierten Maßnahmen seien
allerdings nicht durch entsprechende Evidenz aus wissenschaftlichen
Studien gestützt. Eine hohe Evidenz gebe es für die Kombination aus
EMG-gesteuerten Biofeedback und Elektrostimulation. Eine systematische Analyse von 13 randomisierten kontrollierten Studien, die
Biofeedback mit oder ohne Elektrostimulation untersucht hatten, ergab,
dass mit Biofeedback im Vergleich zu alleinigem Beckenbodentraining
doppelt so viele Patienten kontinent wurden [12]. Durch die Kombination
von Biofeedback mit Elektrostimulation konnte die Kontinenzrate gegenüber alleinigem Biofeedback ebenfalls verdoppelt werden [12]. Die perineale und puborektale Stimulation der unzulänglichen glatten und
schlecht erreichbaren tonischen Fasern sollte mit einer amplitudenmodulierten Mittelfrequenz erfolgen. Denn eine niederfrequente Elektrostimulation kann Nebenwirkungen auslösen [12]. Auch nach einer
Operation sollten die Patienten weiterhin konservativ behandelt werden,
um das OP-Ergebnis zu erhalten.
Interventionelle Verfahren zur Inkontinenztherapie
Wenn konservative Therapiestrategien fehlgeschlagen sind, können kontinenzverbessernde chirurgische Eingriffe indiziert sein. Im Rahmen des
GCP-Workshops wurde die therapeutische Rationale für interventionelle
Verfahren auf der Basis der funktionellen Anatomie dargestellt und
anschließend anhand von konkreten Fallbeispielen mit den Teilnehmern
diskutiert.
Interventionelle Verfahren bei Stuhlinkontinenz
Für die interventionelle Therapie eines Rektumprolapses, einer häufigen
Ursache der Stuhlinkontinenz, stünden drei transabdominelle Verfahren
zur Verfügung, erläuterte PD Dr. Dr. Uwe Johannes Roblick, Hamburg:
Pexie, Resektion und die Resektionsrektopexie. Bei der Rektopexie wird
das Rektum dorsal und ventral bis zum Beckenboden mobilisiert,
anschließend gestreckt und mit einer Nahtrektopexie entweder dorsal
oder beidseitig lateral im kleinen Becken fixiert. Die reine Nahtrektopexie
führe, laut Roblick, in bis zu 50 % der Patientenfälle mit Rektalprolaps zu
einer Wiederherstellung der Kontinenz. Reine Resektionstechniken werden heute eher selten angewendet. Dagegen haben Resektionsrektopexien, also Kombinationen aus Resektion und Pexie, an Bedeutung
gewonnen. Mit der Resektionsrektopexie könne bei bis zu 70 % der
Patienten mit Rektumprolaps eine funktionelle Verbesserung erreicht
werden, so der Experte. Laparoskopische Techniken der Resektionsrektopexie seien mittlerweile fest etabliert. Es bestehe aber noch ein dringender Bedarf an randomisierten Studien zum Vergleich abdomineller und
transanaler Verfahren.
Eine Stuhlinkontinenz zweiten bis dritten Grades sowie ein
Analsphinkterdefekt könne eine Rekonstruktion des Schließmuskels
erforderlich machen, berichtete Dr. Roland Scherer, Berlin. Wenn die
Wiederherstellung fehlschlage, müsse die Anwendung aufwändiger
Sphinkterersatztechniken in Erwägung gezogen werden. Dazu werde entweder körpereigenes Gewebe (dynamische Grazilis-Plastik) oder künstliches Material verwendet. Bei der dynamischen Grazilis-Plastik wird der
Musculus gracilis von der Innenseite des Oberschenkels an seinem Ansatz
abgelöst und ringförmig um den Analkanal herumgeführt, um als
Schließmuskel zu fungieren. Zudem wird ein elektrischer Impulsgeber
bzw. Schrittmacher eingesetzt, der eine tonische Kontraktion bewirkt und
den Skelettmuskelfasern langfristig die Eigenschaften eines auf
Dauerkontraktion angelegten Sphinkters antrainiert. Zur Defäkation wird
das System perkutan abgeschaltet. Eine weitere Behandlungsoption ist
die Implantation eines künstlichen Analsphinkters (Artificial Bowel
Sphinkter, ABS). Das Verfahren sei aufwändig, mit hohen Kosten verbunden und bisher nur bei kleinen Fallzahlen untersucht, so Scherer. Ein neuartiges Verschlusssystem ist ein magnetischer Analsphinkter. Er besteht
aus Perlen mit einem magnetischen Kern und wird ringförmig um den
Analkanal positioniert. Durch aktives Pressen kann der Patient den
Magnetismus überwinden. Nach der Defäkation zieht sich das System
wieder zusammen. Der Vorteil des Magnetsphinkters besteht in seiner
Unabhängigkeit von Schrittmachern.
Ein weiteres noch relativ neues Verfahren ist die Sakralnervstimulation
(SNS). Dabei werden Elektroden in den Bereich der Sakralnerven S2, S3
und S4 implantiert. Das Verfahren kommt vor allem bei neurogener
Stuhlinkontinenz zum Einsatz. In einer zweiwöchigen Testphase werden
Elektroden über die Foramina des Os sacrum an die Nervi pudendi
geführt. Durch die Stimulation der Sakralnerven wird der Schließmuskel
aktiviert. Wenn sich das System in der Testphase bewährt, wird der
Stimulator subkutan implantiert und perkutan gesteuert.
Die Augmentation des Sphinkters durch Unterfüttern der Schleimhaut
mit nicht resorbierbaren Substanzen, sogenannten „bulking agents“ (z. B.
Hyaluronsäure), stellen relativ teure Therapieversuche dar, die laut
Scherer in der Regel stationär nicht vergütet werden. Die Erfolgsrate sei
im Vergleich zu Placebo moderat.
Wenn die o. g. Therapieoptionen nicht zum Erfolg führen oder die
Schließmuskelfunktion dauerhaft verlorengegangen ist, ist eine
Stomaversorgung indiziert. Scherer riet, diese Behandlungsmöglichkeit
nicht als Ultima ratio anzusehen, denn mittlerweile gebe es sichere und
diskrete Systeme, die den Betroffenen die Handhabung erleichtern und
ihre Lebensqualität verbessern. Oftmals fühlt sich der Patient durch die
Stomaanlage in seinem sozialen Leben weitaus weniger eingeschränkt
als zuvor.
Interventionelle Verfahren bei Harninkontinenz
Operative Verfahren haben zum Ziel, durch eine anatomische Veränderung den unwillkürlichen Urinverlust zu beheben oder zumindest deutlich zu reduzieren. Inkontinenzoperationen sind nur dann indiziert, wenn
zuvor alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft
worden sind [1]. Durch die Implantation spannungsfreier Vaginalnetze
(Tension-free Vaginal Tape, TVT) soll eine suburethrale Stabilisierung der
Urethramitte erreicht werden. Der minimal-invasive Einsatz spannungsfreier Polypropylenbänder werde oftmals als Goldstandard in der Therapie
der Belastungsinkontinenz betrachtet, berichtete Prof. Dr. Ralf Tunn,
Gynäkologe aus Berlin. Für die retropubischen Verfahren liegen Langzeitdaten über einen Zeitraum von bis zu 17 Jahren vor. Die Erfolgsrate
lag nach 5 Jahren bei 95,3 %; davon erreichten 84,7 % eine Heilung und
10,6 % eine Verbesserung. Nach 17 Jahren waren 87 % der Patientinnen
subjektiv geheilt oder zumindest signifikant verbessert. Über 90 % der
Frauen waren nach dieser Zeit objektiv kontinent [13].
In Bezug auf die subjektiven und objektiven Heilungsraten sind die suburethralen Netzimplantate mit der laparoskopischen Kolposuspension
vergleichbar [14]. Im klinischen Alltag habe sich gezeigt, dass bei der
hypotonen Urethra der retropubische Zugangsweg besser geeignet sei, so
Tunn. Allerdings führt die retropubische Implantationstechnik vermehrt
zu Blasenperforationen, Hämatomen und Blasenentleerungsstörungen,
die transobturatorische hingegen häufiger zu Schmerzen im Bereich der
Leiste und der Oberschenkelinnenseite [1], die Revisionseingriffe notwendig machen können.
Die Diskussion der Workshop-Teilnehmer machte deutlich, dass die
Implantation von spannungsfreien Vaginalbändern aber durchaus kritisch
gesehen wird. Bemängelt wurden vor allem die noch unzureichenden
Langzeitdaten. Zudem mahnten die Experten davor, bewährte Methoden
der operativen Inkontinenztherapie wie die Kolposuspension oder die
Faszienzügelplastik gänzlich aufzugeben. Dieses Know-how sollte erhalten und an die nächste Ärztegeneration weitergegeben werden, um bei
Versagen der TVT-Systeme bzw. beim Auftreten von Komplikationen
alternative Therapiestrategien an der Hand zu haben. Nicht zuletzt hat
die Warnung der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA vor
Netzimplantaten in der Beckenbodenchirurgie auch in Deutschland zu
einer kritischeren Betrachtungsweise geführt. In ihrem Schreiben vom
Februar 2009 wies die FDA auf das Risiko schwerwiegender Komplikationen alloplastischer Netzimplantate hin [15]. In den letzten drei
Jahren seien über 1000 Meldungen zu Komplikationen bei der Implantation chirurgischer Netze zur Prolaps- und Belastungsinkontinenztherapie eingegangen – einschließlich Perforationen von Darm, Blase
oder Blutgefäßen, Schmerzen, Blasenentleerungsstörungen und
Netzerosionen [15]. In einem Update aus dem Jahr 2011 kam die FDA zu
dem Schluss, dass schwerwiegende Ereignisse keineswegs selten sind und
macht darauf aufmerksam, dass die transvaginalen Netze nicht zwangsläufig mit einer Verbesserung der klinischen Ergebnisse assoziiert sind
[16].
Andere Verfahren zur Behandlung der Harninkontinenz
Was sich mit den anderen Therapieverfahren bei Belastungsinkontinenz
erreichen lässt, beleuchtete Prof. Dr. Klaus Höfner, Urologe aus
Oberhausen. Bei korrekter Indikationsstellung zeigen die herkömmlichen
Operationstechniken gute Heilungsergebnisse und eine geringe
Komplikationsrate. Durch eine Kolposuspension werden der Blasenhals
und die proximale Urethra angehoben und stabilisiert, sodass die
Harnröhre bei intraabdominalem Druckanstieg verschlossen bleibt. Bei
Belastung (z. B. Husten) sinkt die Blasenhalsregion nicht mehr ab und der
Verlust der passiven Drucktransmission wird verhindert. Die
Kolposuspension nach Burch hat laut Höfner bei korrekturbedürftigen
paravaginalen Defekten (Traktionszystozele) und/oder gleichzeitigem
Deszensus des vorderen und mittleren Kompartiments mit urethraler
Hypermobiblität (gegebenenfalls in Kombination mit einer abdominellen
Sakropexie) eine subjektive Erfolgsrate von 78 % und eine objektive
Erfolgsrate von 86 %. Vor allem bei starker urethraler Hypermobilität sei
die Kolposuspension der TVT überlegen. Auch die Faszienzügelplastik, bei
der Faszienstücke unter den Blasenhals und unter die proximale Urethra
gelegt werden, hat weiterhin ihren Stellenwert. Die Erfolgsraten sind mit
denen der Kolposuspension und der TVT-Techniken vergleichbar, die
Komplikationsrate ist allerdings bei der traditionellen Faszienzügeltechnik höher [17]. Nach der Auffassung von Höfner ist die Faszienzügelplastik eine individuelle Ausnahmeindikation bei schlechter
Gewebesituation, bei Mehrfach-Rezidiv, nach Radiatio und bei urethrovaginalen Fisteln.
Behandlung der überaktiven Blase
Fazit für die Praxis
Ein adäquates Inkontinenzmanagement setzt eine sorgfältige diagnostische Abklärung der zugrundeliegenden Störung voraus. Der korrekte
diagnostische Nachweis und der individuelle Leidensdruck sind die Basis
für die weitere Therapieplanung. Für die Behandlung der Harn- und der
Stuhlinkontinenz steht eine Reihe von Therapieoptionen mit unterschiedlicher Invasivität zur Verfügung. Bevor chirurgische Maßnahmen zum
Einsatz kommen, müssen zunächst alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Patienten ausführlich über die
geplante OP-Technik sowie den damit verbundenen Risiken aufgeklärt
werden. Auch Hilfsmittel wie aufsaugende Vorlagen sind ein wesentlicher
Bestandteil der multimodalen Therapie und können den Betroffenen den
Umgang mit der Erkrankung erleichtern.
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Eine überaktive Blase sei primär keine Indikation für eine operative
Therapie, sagte Prof. Dr. Christoph Seif, Urologe aus Kiel. Wenn lebensstilmodifizierende und physiotherapeutische Maßnahmen nicht helfen,
sollte zunächst ein anticholinerger Therapieversuch erfolgen. Vor einer
invasiven Therapie sollten mindestens zwei Anticholinergika über jeweils
vier Wochen durchgeführt werden. Bleibt auch das ohne Erfolg, sind
Botulinumtoxin-Injektionen indiziert. „Aber die Botulinumtoxin-Therapie
ist eine rein symptomatische Behandlung; sie verliert nach sechs bis neun
Monaten ihre Wirkung und muss immer wieder reinjiziert werden", gab
Seif zu bedenken. Demgegenüber habe die sakrale Neuromodulation über
die verbesserte neuronale Steuerung der Harnblase eine kausale Wirkung.
Von der Neuromodulation können vor allem Patienten mit einer
Anticholinergika-resistenten Dranginkontinenz, neurogener Detrusorhyperaktivität, aber auch Patienten mit chronischer Harnretention, chronischem Beckenschmerz und interstitieller Zystitis profitieren. Eine
Stimulation der blasensteuernden Spinalnerven führt zu einer Abnahme
der Parasympathikus- und zu einer Zunahme der Sympathikus-Aktivität.
Dadurch wird die Detrusorkontraktion reduziert und die Blasenhalsaktivität gesteigert. Somit werden bei eingeschalteter Stimulation nicht
gewünschte Detrusorkontraktionen verhindert und eine kontinente
Speicherung gewährleistet. Wenn die Stimulation ausgeschaltet wird,
kommt es zu einer Umkehr der Aktivitätsmuster. Bei nachlassender
Blasenhalsaktivität nimmt die Detrusorkontraktion zu und die Miktion
wird eingeleitet. In der zwei- bis dreiwöchigen Testphase lasse sich das
spätere Behandlungsergebnis relativ gut prognostizieren, so Seif.
[4] Low, J. A. et al.: The probability of fetal metabolic acidosis during labor in a population
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Darüber hinaus kann auch bei Patienten mit überaktiver Blase ein chirurgischer Eingriff sinnvoll sein – und zwar dann, wenn eine übermäßige
Senkung oder Mobilität des Blasenhalses oder eine Zystozelenbildung
vorliegt. Ultima Ratio ist der Harnblasenersatz.
[16] Urogynecologic Surgical Mesh: Update on the Safety and Effectiveness of Transvaginal
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[17] Rehman, H. et al.: Traditional suburethral sling operations for urinary incontinence in
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B. Braun Melsungen AG | 34209 Melsungen | OPM | Deutschland | Tel. (0 56 61) 71-0 | www.bbraun.de
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