Aus der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde und Kopf- und Halschirurgie der Ruhr-Universität Bochum Direktor: Prof. Dr. med. St. Dazert Der Einfluss nicht-neuronaler Zellen auf das Wachstumsverhalten von Spiralganglienneuriten Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Christine Anna Elisabeth Wohl, geb. Grabosch aus Selm 2009 Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. S. Dazert Korreferent: Priv. Doz. Dr. R. Keerl Tag der Mündlichen Prüfung: 04.05.2010 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................6 1.1. Das periphere auditive System...........................................................................6 1.2. Klassifikation der Schwerhörigkeit....................................................................9 1.2.1. 1.3. Therapien der sensorineuralen Schwerhörigkeit......................................10 Gliazellen .........................................................................................................11 1.3.1. Allgemeine Funktionen der Gliazellen ....................................................11 1.3.2. Funktionen der peripheren Gliazellen......................................................12 1.3.3. Gliazellen im Innenohr.............................................................................16 1.3.4. Glia-ähnliche Zellen im Innenohr ............................................................17 1.4. Ziel der Arbeit ..................................................................................................18 1.4.1. Verwendete gliale Antikörper ..................................................................19 2. Material und Methoden....................................................................20 2.1. Beschichtung der Zellkulturplatten und Medium ............................................20 2.2. Präparation der Spiralganglien-Explantate ......................................................20 2.3. Fixierung und Färbung der Spiralganglien-Explantate ....................................22 2.3.1. Immunhistochemische Färbung mit biotyniliertem Antikörper...............22 2.3.2. Immunhistochemische Färbung mit Fluoreszenzantikörpern ..................23 2.3.3. Immunhistochemische Doppelfärbung mit Fluoreszenzantikörpern .......24 2.4. Auswertung ......................................................................................................25 3. Ergebnisse .........................................................................................26 3.1. Wachstumsverhalten der nicht-neuronalen Zellen bei der Färbung mit biotinyliertem Antikörper.....................................................................................26 3.2. Wachstumsverhalten der nicht-neuronalen Zellen bei den Färbungen mit den Fluoreszenzantikörpern ........................................................................................29 3.2.1. Nicht-neuronale Zellen bei den immunhistochemischen Färbungen mit GFAP oder Connexin29 ...........................................................................29 3 3.2.2. Nicht-neuronale Zellen bei der immunhistochemischen Färbung mit S100-Protein .............................................................................................29 4. Diskussion .........................................................................................37 4.1. Einfluss der nicht-neuronalen Zellen auf die neuronalen Zellen .....................38 4.2. Klinische Bedeutung der vorliegenden Ergebnisse..........................................40 4.2.1. Klinische Bedeutung in Bezug auf das Cochlea-Implantat......................40 4.2.2. Klinische Bedeutung in Bezug auf Erkrankungen durch Störungen der Myelinisierung..........................................................................................42 5. Zusammenfassung ............................................................................45 6. Literaturverzeichnis .........................................................................46 4 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Übersicht über das periphere auditive System mit äußerem Ohr, Mittelohr und Innenohr ..............................................................................................................6 Abbildung 2 Ductus cochlearis und Corti-Organ ...........................................................7 Abbildung 3 Zwei Arten der Myelinisierung im Peripheren Nervensystem (PNS) durch Schwannzellen ...............................................................................................13 Abbildung 4 Spiralganglion-Explantat mit vergrößertem Ausschnitt (Färbung mit biotyniliertem Antikörper) .......................................................................................27 Abbildung 5 Spiralganglion-Explantat mit nur wenigen Neuriten (Färbung mit biotyniliertem Antikörper) .......................................................................................28 Abbildung 6 Spiralganglion-Explantat mit S100-positiven Zellen...............................31 Abbildung 7 Spiralganglion-Explantat in Einzel- und Doppelfärbung mit ANF und S100-Protein.............................................................................................................34 Abbildung 8 Spiralganglion-Explantat in Doppelfärbung mit S100-Protein und ANF . ..................................................................................................................................35 Abbildung 9 Zwei unterschiedliche vergrößerte Ausschnittes eines Spiralganglion- Explantates in der Doppelfärbung mit S100-Protein und ANF ...............................36 5 1. Einleitung 1.1. Das periphere auditive System Das periphere Hör- und Gleichgewichtsorgan ist im Os temporale (Schläfenbein) lokalisiert. Das Hörorgan kann in drei Abschnitte unterteilt werden: Das äußere Ohr, das Mittelohr und das Innenohr (siehe Abbildung 1). Das äußere Ohr wird aus der Ohrmuschel und dem Gehörgang gebildet. Es dient dem Auffangen des Schalls und ist durch das Trommelfell vom Mittelohr abgegrenzt. Das Trommelfell überträgt die Schallwellen auf die durch Gelenke miteinander verbundenen Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel). Zugleich hat es eine Schutzfunktion des empfindlichen Mittel- und Innenohres vor äußeren Einflüssen. Die Gehörknöchelchen grenzen mit dem Steigbügel an das ovale Fenster, welches die Verbindung zum angrenzenden flüssigkeitsgefüllten Innenohr bildet. Das Innenohr enthält das Hörorgan (Cochlea) und das Vestibularorgan. Abbildung 1 Übersicht über das periphere auditive System mit äußerem Ohr, Mittelohr und Innenohr (aus Boenninghaus/Lenarz, HNO, 12. Auflage) 6 Der Modiolus (eine knöcherne Längsachse), der die Nerven und Gefäße enthält, und der Canalis spiralis ossea bilden die Cochlea. Letzterer windet sich zweieinhalb Mal spiralig um den Modiolus und enthält drei Kanäle, die Scala vestibuli, die Scala media (Ductus cochlearis) und die Scala tympani, welche mit Flüssigkeit gefüllt sind (siehe Abbildung 2). Die Zusammensetzung dieser Flüssigkeiten differiert. Während Scala tympani und Scala vestibuli Perilymphe enthalten, die als Ultrafiltrat des Blutplasmas in ihrer Zusammensetzung mit viel Natrium und wenig Kalium extrazellulären Flüssigkeiten ähnelt, enthält der Ductus cochlearis Endolymphe, welche von einem stoffwechselaktiven Bereich an der seitlichen Schneckenwand, der Stria vascularis, sezerniert wird. Endolymphe setzt sich zusammen aus einer hohen Kalium- und einer niedrigen Natrium-Konzentration Flüssigkeiten. und korrespondiert somit zu intrazellulären Die perilymphatischen Scalen stehen an der Schneckenspitze, dem Helicotrema, miteinander in Verbindung, wohingegen der Ductus cochlearis dort blind endet. Abbildung 2 Ductus cochlearis und Corti-Organ (aus Boenninghaus/Lenarz, HNO, 12. Auflage) 7 Im Querschnitt verfügt der Ductus cochlearis über eine dreieckige Form (siehe Abbildung 2). Nach oben ist dieser über die für Ionen durchlässige Reissnermembran von der Scala vestibuli getrennt. Die untere Wand wird von der Basilarmembran gebildet und grenzt den Ductus cochlearis von der Scala tympani ab. Der Basilarmembran sitzt das Corti-Organ auf. Man unterscheidet im Corti-Organ die Stützzellen (von innen nach außen: innere und äußere Pfeilerzellen, Deiters-Zellen, Hensen-Zellen, Claudius-Zellen) und die in das Stützgerüst eingelagerten Sinneszellen (eine Reihe innere und drei Reihen äußere Haarzellen). An ihrer apikalen Membran tragen die Haarzellen feine Härchen, die Stereovilli. Diese haften an der Tektorialmembran an, welche das Corti-Organ abdeckt und vom Limbus spiralis osseae der Basilarmembran ausgeht. Nachdem die durch den äußeren Gehörgang ankommenden Schallwellen über das Trommelfell auf die Gehörknöchelchenkette und weiter auf das ovale Fenster in das Innenohr übertragen werden, führen sie zu einer wellenförmigen Volumenverschiebung der Perilymphe. Das bewirkt zunächst eine Auslenkung der Basilarmembran aus der Ruhelage an umschriebener Stelle. Diese Ausbauchung der Basilarmembran pflanzt sich nun in Form einer Wanderwelle mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Reichweite in Richtung auf das Helicotrema fort. Die zunehmende Breite der Basilarmembran, ihre Elastizitätsverhältnisse und der abnehmende Durchmesser des knöchernen Kanals geben der Wanderwelle besondere Charakteristika. Die Amplitude der Wanderwelle wächst in Richtung auf das Helicotrema bis zu einer gewissen Stelle, an der sie ihre maximale Auslenkung hat (Tonotopie), und bricht danach rasch zusammen. Die Stelle der maximalen Auslenkung ist dabei von der Frequenz der ankommenden Schallwelle abhängig. Schwingungen mit hoher Frequenz haben ihr Amplitudenmaximum nahe des Stapes, solche mit niedriger Frequenz näher zum Helicotrema. Durch die Auslenkung der Basilarmembran kommt es zu einer Verschiebung der Tektorialmembran und somit auch zu einer Verschiebung der Stereovilli der äußeren Haarzelle. Dies bewirkt eine passagere Öffnung der Ionenkanäle mit folgender Depolarisation. Dies stellt den adäquaten Reiz der Sinneszelle zu deren elektrischen Erregung dar (mechanoelektrische Transduktion). Dabei fungieren die drei Reihen an äußeren 8 Haarzellen durch eine Auslenkung der Tektorialmembran als Signalverstärker. Damit ist gewährleistet, dass auch leise Töne die inneren Haarzellen stimulieren können. Die Haarzellen selbst bilden keine Nervenfortsätze aus (sekundäre Sinneszellen). Stattdessen werden sie von den peripheren Dendriten des bipolaren Ganglion spirale innerviert. Diese befinden sich in einem knöchernen Kanal, dem Rosenthalkanal, medial des Cortischen Organs. Es werden zwei Typen von Spiralganglienzellen unterschieden (Harada et al. 1989). Typ-I-Ganglienzellen (95 %) sind dicht myelinisiert und erreichen mit ihren peripheren dendritischen Neuriten die inneren Haarzellen. Sie sind reich an intrazellulären Organellen, wie Mitochondrien, endoplasmatisches Retikulum und Golgi-Apparat. Die äußeren Haarzellen werden von unmyelinisierten Dendriten der Typ-II-Ganglienzellen (5 %) versorgt. Diese sind vor allen Dingen in der peripheren Region der Spiralganglien lokalisiert und sind reich an Mikrofilamenten und Mikrotubulis. Die Axone der Zellen des Ganglion spirale bilden den Hörnerv und leiten die akustischen Informationen zu den zentralen auditorischen Kerngebieten. Die Cochlea wird auch von efferenten Fasern innerviert, wobei die meisten an den äußeren Haarzellen enden. 1.2. Klassifikation der Schwerhörigkeit Bei der Schwerhörigkeit differenziert man je nach Entstehungsort in dem auditorischen System eine Schallleitungs- von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Die Schallleitungsschwerhörigkeit beruht auf Veränderungen des äußeren und des Mittelohres. Dabei dominieren Störungen der Gehörknöchelchenkette, meist auf Grund einer Fixierung dieser. Dies bewirkt ein Nachlassen oder Verlust der Schwingungsfähigkeit der Gehörknöchelchenkette und somit der Schallweiterleitung ins Innenohr. Schallleitungsschwerhörigkeiten sind vielfach chirurgisch therapierbar. Die Schallempfindungsschwerhörigkeiten beruhen auf einer Beeinträchtigung des sensorischen Abschnittes der Hörbahn sowie weiter zentral gelegener neuronaler Strukturen. Diese auch als sensorineural bezeichneten Hörstörungen haben ihren Ursprung in einer Vielzahl der Fälle im Cortischen Organ des Innenohrs, das die 9 äußeren und inneren Haarzellen enthält. Das Corti-Organ reagiert sehr sensibel auf äußere Einflüsse wie Medikamente, Durchblutungsstörungen, Stress oder Lärm (Aran et al. 1999; Bohne, Harding 1992). Auch genetische Defekte können eine Veränderung der Haarzellen bedingen. Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen können sich die Haarzellen der Säugetiere unter physiologischen Umständen nicht regenerieren. Die Schädigungen der Haarzellen sind daher meist irreversibel und führen zu einem Hörverlust des betroffenen Ohrs. Sekundär kann es zu einer Degeneration von Spiralganglienneuriten kommen (Roehm, Hansen 2005; Shepherd et al. 2005; Shinohara et al. 2002). Weiterhin können sensorineuronale Schwerhörigkeiten durch eine defizitäre oder einen Verlust der Myelinisierung der cochleären Neurone bedingt sein, z.B. bei der hereditären sensorischen und motorischen Neuropathie (HSMN) (Stone et al. 1998; Kalaydjieva et al. 1998). Das Periphere Myelinprotein-22 (PMP-22) ist ein Bestandteil des Myelins, welches von Schwannzellen gebildet wird. Veränderungen des PMP-22 durch Punktmutationen oder Duplikaturen des Genes für PMP-22 folgen Erkrankungen, die mit funktionell beeinträchtigtem Myelin und konsekutiver neuronaler Degeneration einhergehen. Als Exempel ist hier das Charcot-Marie-Tooth-Syndrom zu nennen, welches auch mit Taubheit einhergehen kann (Kovach et al. 1999). 1.2.1. Therapien der sensorineuralen Schwerhörigkeit Die sensorineurale Schwerhörigkeit ist sehr selten kurativ therapierbar. Eine adäquate Therapie der sensorineuralen Schwerhörigkeit mit mittel- bis hochgradigem Hörverlust besteht in der Versorgung mit konventionellen Hörgeräten. Dabei unterscheidet man zwischen Luftleitungs- und Knochenleitungshörgeräten. Luftleitungsgeräte können an Hand der Lokalisation weiterhin differenziert werden. So werden hdO-Geräte hinter dem Ohr und iO-Geräte im Ohr getragen. Wenn auf Grund anatomischer Gegebenheiten, wie z.B. einer Gehörgangsatresie, oder rezidivierender Gehörgangsentzündungen diese Geräte nicht benutzt werden können, sind voll- oder teilimplantierbare Hörgeräte eine Alternative. Im Gegensatz zu konventionellen Hörgeräten geben sie keinen Schall ab, 10 sondern arbeiten mit einem elektromechanischen Aktor. Dieser wandelt den aufgenommenen Schall in Vibrationen um, die so die Gehörknöchelchenkette direkt stimulieren. Bei höchstgradigen, sensorineuralen Schwerhörigkeiten ist die Schallverstärkung durch konventionelle oder implantierbare Hörgeräte nicht mehr ausreichend. In diesen Fällen kann das Cochlea-Implantat verwendet werden, welches gewissermaßen eine künstliche, elektronische Hörschnecke darstellt. Es besteht aus einem extra- und einem intrakorporal getragenen Element. Extern werden die Schallwellen mit einem Mikrophon dem Sprachprozessor und weiter dem Audioprozessor zugeführt, welcher die akustischen Signale in elektrische Impulse umwandelt und transkutan zum eigentlichen Implantat weiterleitet. Dieses enthält eine Empfangsspule zur Aufnahme der elektrischen Impulse des Sprachprozessors. Nach Dekodierung werden diese den einzelnen Elektroden auf dem in die Schnecke eingeschobenen Elektrodenträger zugeleitet. Da die Elektroden unterschiedlich weit in die Scala tympani hineinreichen, werden entsprechend des physiologischen Hörens verschiedene Abschnitte der Basilarmembran gereizt. Somit werden der Nuclearis cochlearis und das Ganglion spirale unter Umgehung des defekten Haarzellapparates stimuliert. Indiziert sind die Cochlea-Implantate bei ausgeprägter Innenohrschwerhörigkeit und cochleärer Taubheit. Taub geborene Kinder profitieren ebenfalls von einem Cochlea-Implantat. Die Implantation sollte im frühen Kindesalter erfolgen, damit Sprachverständnis und Spracherwerb möglich werden. Eine Voraussetzung für den Einsatz des CochleaImplantates ist der intakte Hörnerv. 1.3. 1.3.1. Gliazellen Allgemeine Funktionen der Gliazellen Gliazelle ist ein Sammelbegriff für strukturell und funktionell von den Neuronen abgrenzbare Zellen im Nervengewebe. Sie machen 90 % aller Zellen im Nervengewebe aus. Die Gliazellen werden im zentralen Nervensystem nach anatomischen und 11 funktionellen Kriterien in Astrozyten, Oligodendrozyten, Ependymzellen und Mikroglia gegliedert. Allen Arten ist gemein, dass sie zunächst als Stützgerüst für die Neurone und auch als deren Schutz dienen. Des Weiteren haben sie dadurch auch eine Schutzfunktion der Neurone, da diese in der großen Anzahl der Gliazellen eingebettet sind. Die Astrozyten vermitteln den Stofftransport und regulieren den interstitiellen pH-Wert. Insbesondere stabilisieren sie das Ruhemembranpotenzial der Neurone. Somit verhindern sie eine unerwünschte Depolarisation der Neurone. Weiterhin üben sie durch Aufnahme und Verarbeitung von Transmittermolekülen einen wichtigen modulatorischen Effekt auf die neuronale Aktivität aus. Bei Verletzungen des Zentralnervensystems fungieren sie zusammen mit der Mikroglia als Phagozyten und bilden Narben aus. Des Weiteren stellen die Zellen der Mikroglia die wichtigen Antigenpräsentierenden Zellen des Zentralnervensystems dar. Die Ependymzellen kleiden die inneren Liquorräume aus. Die Oligodendrozyten bilden die Myelinscheide um die Axone des zentralen Nervensystems. Ein einziger Oligodendrozyt kann mehrere Axone gleichzeitig umhüllen. Den Oligodendrozyten vergleichbar sind die Schwannzellen. Sie sind die Gliazellen des peripheren Nervensystems. Jedoch vermag eine einzelne Schwannzelle nur ein Axon zu umscheiden. Die Myelinisierung dient der optimierten Erregungsweiterleitung (Waxman 1997). Zum einen wird die Erregungsweiterleitung durch die Myelinisierung schneller, zum anderen ist der Energieverbrauch geringer. Bevor die Gliazellen ihre oben beschriebenen Funktionen ausüben können, spielen sie eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des zentralen und des peripheren Nervensystems. Sie dienen als Leitstruktur der Nervenzellen, entlang derer die Nervenzellen zu ihrem Bestimmungsort gelangen. Im Gegensatz zu den neuronalen Zellen bleiben die Gliazellen ihr ganzes Leben lang mitosefähig. 1.3.2. Funktionen der peripheren Gliazellen Schwannzellen sind, wie es oben erwähnt wurde, die Gliazellen des peripheren Nervensystems. Man unterscheidet zwischen myelinbildenden und nicht- 12 myelinbildenden Schwannzellen, die beide von gemeinsamen Vorläuferzellen abstammen. Entweder umfließt eine Schwannzelle mehrere Axone und bildet keine Myelinscheide oder sie umfließt nur ein Axon und wickelt einen flachen Zellausläufer mehrmals um dieses Axon, so dass eine Myelinscheide entsteht (siehe Abbildung 3). Also umwickeln myelinisierende Schwannzellen einen einzigen Axonbereich und stellen dementsprechend nur zu einem Axon Kontakt her. Nichtmyelinisierende Schwannzellen können mehrere Axone umfließen und haben demnach zu mehreren Axonen Kontakt. Ob sich eine Schwannzelle in eine myelinbildende oder nichtmyelinbildende Zelle differenziert, ist abhängig von den sie umgebenden Strukturen (Ndubaku, de Bellard 2008). Abbildung 3 Myelinisierung im Peripheren Nervensystem (PNS) durch Schwannzellen (aus Duale Reihe, Anatomie) 13 Für den nichtmyelinisierenden Schwannzelltyp wurde gezeigt, dass seine Funktion für das Überleben der Neurone notwendig ist (Chen et al. 2003). Ungefähr die Hälfte aller Schwannzellen myelinisiert Axone mit relativ großem Durchmesser, während die andere Hälfte als nichtmyelinisierende Schwannzellen mit Axonen kleineren Durchmessers assoziiert vorliegt (Jessen, Mirsky 2005). Die Myelinscheiden fungieren als elektrische Isolatoren und verbessern somit die Erregungsweiterleitung (Waxman 1997). Eine weitere Funktion der Schwannzellen stellt die Ernährung von Neuriten dar (Fallon 1986). Weiterhin können Schwannzellen Neurotrophine wie Nerve Growth Factor (NGF), Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF), Neurotrophin (NT)-3, NT-4/5, NT4 und Ciliary Neurotrophic Factor (CNTF) produzieren, mit denen sie das Nervenwachstum und die Reifung der neuronalen Zellen fördern (Altevogt et al. 2002; Bampton, Taylor 2005; Pirvola et al. 1992; Zheng et al. 1995). Des Weiteren dienen extrazelluläre Matrixmoleküle der Schwannzellen wie das Laminin der Stimulation des Nervenwachstums (Aletsee et al. 2001; Clark et al. 1993). Für die Entwicklung der neuronalen Strukturen sind jedoch nicht nur Neurotrophine notwendig. Die Kombination von Neurotrophinen und neuronaler Aktivität ermöglicht den Neuronen ihre Entwicklung und fortdauernde Erhaltung (Shepherd et al. 2005). Ihre Fähigkeit als Leitstruktur zu dienen besitzen die Schwannzellen auf Grund ihres Vermögens sich fortzubewegen. Das Ausmaß der Schwannzellmigration wird reguliert durch Neuregulin-1 (Yamauchi et al. 2008). Neureguline sind eine Familie von Wachstumsfaktoren, die von sich entwickelnden motorischen und peripheren Neuronen sezerniert werden (Mahanthappa et al. 1996). Neuregulin-1 steigert die Schwannzellproliferation, -migration und -motilität (Mahanthappa et al. 1996). Neuregulin-1 (NRG-1) wird dementsprechend auch eine Schlüsselrolle bei der NeuronGliazell-Interaktion zugesprochen (Mahanthappa et al. 1996). Eine verbesserte Schwannzellmigration wird auch in Anwesenheit von Laminin und Fibronectin beobachtet (Yamauchi et al. 2008). Die Fähigkeit als Leitstruktur zu dienen ist nicht nur bei der Entwicklung des Nervensystems bedeutend. Es wird im peripheren Nervensystem auch nach Verletzungen von Nervenfasern beobachtet (Evans 2001). Die Möglichkeit der 14 Schwannzellmigration erlaubt den Schwannzellen direkt zu der Region des verletzten Nervens zu gelangen und dort die axonale Regeneration zu veranlassen (Han et al. 2007). Nach Verletzungen der Nervenfasern des peripheren Nervensystems sind intakte Schwannzellen und deren Interaktionen mit den Neuronen unabdingbar für die Rekonstruktion der Nervenfasern (Matsuoka et al. 1991; Bampton, Taylor 2005). Die Regeneration der peripheren Nerven nach Verletzung wird durch Wachstumsfaktoren gesteuert, die unter anderem von den Schwannzellen selber bereitgestellt werden (Meier et al. 1999). Es wird auch angenommen, dass reife Schwannzellen im nicht verletzten oder anderweitig beeinflussten Nervensystem ruhen und erst nach Verletzung aktiviert werden (Evans 2001). Dafür spricht auch, dass der Nerve-growth-Factor (NGF), welcher das Nervenwachstum stimuliert, im erwachsenen Nervensystem nicht sezerniert wird. Jedoch wird die NGF-Synthese durch Schwannzellen und auch Fibroblasten im beschädigten Nerven reaktiviert und auch durch diese Zellen reguliert (Matsuoka et al. 1991). Untersuchungen in vitro nach viraler Nervenschädigung haben gezeigt, dass Schwannzellen neuroprotektiv waren. Schwannzellen, die in engem Kontakt zu dem verletzten Axon standen, haben sich nicht an der retrograden Nervendegeneration beteiligt (Höke 2006). Die Eigenschaft des peripheren Nervensystems, sich nach einer Verletzung wieder zu regenerieren, steht im Gegensatz zum zentralen Nervensystem. Das zentrale Nervensystem ist nicht regenerierbar. Nach Verletzung eines zentralen Nervens bildet sich eine gliale Narbe aus, welche von den Astrozyten gebildet wird (McKeon et al. 1991). Direkt nach der Nervenverletzung werden die Astrozyten hypertroph. Wenn man die Gliazellhypertrophie reduzieren kann, kann man die Neuritenwachstumsblockade aufheben, die normalerweise nach einer zentralen Nervenläsion beobachtet wird (Lefrançois et al. 1997). Während Schwannzellen in der embryonalen Phase in Abwesenheit von Neuronen zu Grunde gehen, können sie im entwickelten Nervengewebe eigenständig überleben (Porter et al. 1986; Meier et al. 1999; Ndubaku, de Bellard 2008). Die reifen Schwannzellen besitzen nicht nur die Fähigkeit, in Abwesenheit von Neuronen zu überleben, sie behalten auch weiterhin ihre funktionellen Leistungsfähigkeiten, z.B. können sie charakteristische Schwannzell-Antigene produzieren und haben weiterhin die 15 Fähigkeit zur Myelinisierung (Porter et al. 1986). Auch dieser Mechanismus scheint bedeutend zu sein für die Rekonstruktion der Nervenfaser nach Verletzung (Mirsky et al. 2001). Verantwortlich für das Überleben von reifen Schwannzellen in Abwesenheit von Neuronen ist ein autokriner Kreislauf, bei dem die Schwannzellen selber Faktoren für ihr Überleben sezernieren. Wichtig dafür sind vor allem Insulin Growth Factor (IGF), NT-3 und Platelet Derived Growth Factor (PDGF) (Meier et al. 1999; Mirsky et al. 2001). Diese Faktoren bewirken, dass die reifen Schwannzellen im Gegensatz zu den unreifen Schwannzellen ihre eigene Apoptose verhindern können (Ndubaku, de Bellard 2008). 1.3.3. Gliazellen im Innenohr Es ist allgemein bekannt, dass im peripheren Nervensystem der Wirbeltiere Axone von Myelin umschlossen sind, welches von den Schwannzellen gebildet wird (Rosenbluth, Palay 1961; Sun et al. 1997). Die meisten Nervenfasern im Hörnerv sind myelinisiert, nur ein geringer Teil unmyelinisiert. Die Myelinumscheidungen lassen sich in kompaktes und lockeres Myelin differenzieren (Rosenbluth, Palay 1961; Sun et al. 1997). Dabei können beide Arten von Myelin von derselben Schwannzelle produziert werden (Rosenbluth, Palay 1961). Definitiv ist noch nicht geklärt, ob das lockere Myelin in derselben isolatorischen Weise fungiert wie das kompakte Myelin. In gewissen sensorischen Ganglienzellen ist der Nervenzellkörper selber von Myelin umschlossen, zu diesen gehören die akustischen und vestibulären Ganglienzellen des Innenohres von Ratten und Goldfischen (Rosenbluth, Palay 1961; Rosenbluth 1962). Im Gegensatz zu den Spiralganglienzellen reifer Tiere enthalten die menschlichen vestibulären und akustischen Spiralganglienzellen meistens keine Myelinumhüllung. Stattdessen sind sie von einer einzelnen Schwannzellscheide umgeben, welche in dem Ausmaß der Dicke variieren kann (Tylstedt et al. 1997). Da die Neurone des Innenohres bipolare Ganglienzellen sind, würde ein unmyelinisierter Nervenzellkörper die Erregungs-ausbreitung in dieser Region stark dezimieren. Bei den akustischen Ganglienzellen unterscheidet man Typ-I- und Typ-II- Ganglienzellen, welche sich auch durch ihre Myelinisierung differenzieren. Bei den 16 Typ-I-Ganglienzellen der Goldfische wird eine dichtere Myelinumscheidung beobachtet (Rosenbluth, Palay 1961). Allgemein jedoch ist der Umfang der Myelinisierung der Nervenzellkörper geringer als der Umfang der Myelinisierung der dazu gehörigen Neuriten. Die Myelinisierung der Zellkörper von sensorischen und autonomen Ganglienzellen geschieht durch Satellitenzellen (Hibino et al. 1999), die man den Gliazellen zuordnet. So haben die Myelinscheiden der Satellitenzellen auch die Funktion der verbesserten Erregungsleitung. Schwannzellen der Cochlea fungieren nicht nur als elektronischer Isolator, sie sezernieren auch Neurotrophine wie NGF, NT-3 (Hossain et al. 2002), NT-4 (Bampton, Taylor 2005), Fibroblast Growth Factors (FGF-1/2) (Hossain, Morest 2000). Diese dienen dem Wachstum, der Reifung und dem Überleben von Spiralganglienzellen. So sind zum Beispiel NT-3 und BDNF essenziell für die normale Entwicklung der afferenten Innervation des Innenohres (Hossain et al. 2002; Fritzsch et al. 1997; Peng et al. 2003). Neben neurotrophen Faktoren synthetisieren Schwannzellen auch Komponenten der extrazellulären Matrix und Zelladhäsionsmoleküle (Matsuoka et al. 1991). Des Weiteren dienen Schwannzellen des Innenohres der Ernährung der Spiralganglienzellen (Hansen et al. 2001) und damit auch der Erhaltung und des Fortbestehens von Spiralganglienneuronen (Hossain, Morest 2000). 1.3.4. Glia-ähnliche Zellen im Innenohr Das Corti-Organ enthält neben den Sinneszellen, die aus einer Reihe innerer und drei Reihen äußerer Haarzellen bestehen, auch Stützzellen. Von innen nach außen unterscheidet man bei den Stützzellen die inneren und äußeren Pfeilerzellen, die DEITERS-Zellen, die HENSEN-Zellen und die CLAUDIUS-Zellen. Diese Zellen haben neben der Funktion als Stützgerüst noch weitere Aufgaben. Stützzellen zeigen sowohl funktionell als auch immunhistochemisch Parallelen zu Gliazellen (Stankovic et al. 2004). So wurde gezeigt, dass sie NT-3 produzieren können, welches neuronales Überleben fördert und auch von Schwannzellen sezerniert wird. Somit sind sie beteiligt an der Regulation des neuronalen Überlebens in dem Corti- 17 Organ (Sugawara et al. 2005). Weiterhin umscheiden sie die unmyelinisierten peripheren Enden der afferenten und efferenten Neuronen innerhalb des Corti-Organs, darunter auch die äußeren und inneren Haarzellen. Eine weitere Ähnlichkeit zu den Gliazellen ist die Expression von verschiedenen glialen Markern (Rio et al. 2001). Nach Verlust von Haarzellen lässt sich eine Proliferation von Stützzellen des CortiOrgans beobachten (Zheng et al. 1997). 1.4. Ziel der Arbeit Das Spiralganglien-Zellkulturmodell ist ein etabliertes Verfahren bei der Erforschung des ersten Neurons der Hörbahn. Durch die Kultivierung von Spiralganglienzellen aus der Cochlea von Ratten sind schon zahlreiche Fragen bezogen auf Entwicklung, Wachstum oder Schädigungsmuster des ersten Hörneurons untersucht worden (Aletsee et al. 2001; Brors et al. 2002). Auf Grund des Wachstumsverhaltens der Neuriten erlangt man Erkenntnisse über die neuronalen Wachstumsbedingungen oder schädigende Einflüsse. Für eine Reihe verschiedener neurotropher Substanzen oder Oberflächenbeschichtungen mit extrazellulären Matrixmolekülen konnten Effekte auf die Neuritogenese und das Überleben von Spiralganglienzellen untersucht werden. Weiterhin sind nicht-neuronale Zellen in enger Beziehung zu den Spiralganglienzellen aufgefallen (Brors et al. 2002). Jedoch sind diese nicht-neuronalen Zellen bislang nicht weiter klassifiziert worden. Dabei ist es wichtig, die Umgebungsstrukturen der aus den Spiralganglien-Explantaten auswachsenden Neuriten detailliert zu kennen, da diese das Wachstum des Neuriten durchaus beeinflussen können. Andererseits ist es auch denkbar, durch Manipulationen dieser nicht-neuronalen Zellen das Wachstum der Neuriten gezielt zu dirigieren und somit zu optimieren. Diese Annahme könnte weiterhin zur Verbesserung des Cochlea-Implantates führen, wenn man die Neuriten durch exaktes Wachstum an die Stimulationselektrode annähern könnte. 18 In der vorliegenden Arbeit sollen die nicht-neuronalen Zellen in der erwähnten Spiralganglien-Zellkultur beschrieben sowie ihr Wachstumsverhalten in Verbindung mit auswachsenden Spiralganglien-Neuriten analysiert werden. 1.4.1. Verwendete gliale Antikörper Zur genaueren Untersuchung der nicht-neuronalen Zellen in der Spiralganglienzellkultur dienten spezifische, immunhistochemische Antikörper, welche von Gliazellen produziert werden. In dieser Arbeit wurden Glial Fibrillary Acidic Protein (GFAP), Connexin29 und S-100-Protein verwendet. Connexine sind einer Familie von Transmembranproteinen zugehörig. Sie bilden gap junctions in Zellen aus, die den direkten Austausch von bis zu 1 Da großen Molekülen zwischen zwei benachbarten Zellen ermöglichen. Connexin29 wird hauptsächlich von myelinisierenden Gliazellen des zentralen und peripheren Nervensystems ausgeschüttet (Altevogt et al. 2002; Li et al. 2002; Eiberger et al. 2006) und ist bedeutsam für die normale und zeitgerechte Entwicklung der cochleären Funktion (Tang et al. 2006). GFAP ist ein als Intermediärfilament im Cytoplasma von Gliazellen vorkommendes Protein. Es wird vor allen von Astrozyten des Zentralnervensystems exprimiert, aber es ist auch im peripheren Nervensystem vorhanden. Eine hohe GFAP-Expression wird in Stützzellen der Cochlea und des Vestibularapparates gefunden, weiterhin wird es aber auch in geringerem Maße von Satellitenzellen und Schwannzellen gebildet (Rio et al. 2001). Die Proteine der Multigenfamilie S100 sind Calcium-bindende Proteine mit niedriger Molekülmasse und einer Vielzahl von Funktionen (Nardin et al. 2007). Bei den S100Proteinen werden 19 Typen unterschieden, die in unterschiedlichen Zelltypen exprimiert werden. Das hier verwendete S100B-Protein wird vor allen von Gliazellen gebildet (Duobles et al.) und ist dementsprechend ein Marker für gliale Aktivitäten. 19 2. Material und Methoden 2.1. Beschichtung der Zellkulturplatten und Medium Unter sterilen Bedingungen wurden 48-well-Zellkulturplatten (Falcon, BD Bioscience, USA) mit zwei verschiedenen Adhäsionsmolekülen beschichtet, dem synthetischen Poly-D-Lysin (BD Bioscience, USA) in einer Konzentration von 10 mg/ml in Dulbecco´s phosphatgepufferter Kochsalzlösung (D-PBS) und dem extrazellulären Matrixprotein Laminin (BD Bioscience, USA) in einer Konzentration von 1 mg/ml in DPBS. Diese dienten der besseren Anhaftung der Spiralganglien-Explantate auf der Oberfläche. Zuerst wurden die Vertiefungen der Zellkulturplatten mit je 120 µl Poly-DLysin beschichtet und anschließend eine Stunde bei Raumtemperatur inkubiert. Jedoch wurde der äußere Rahmen der 48-well-Zellkulturplatte mit ca. 500 µl D-PBS befüllt, im Sinne einer feuchten Kammer. Nach dem zweimaligen Spülen mit je 200 µl D-PBS wurden die Zellkulturplatten mit je 120 µl Laminin beschichtet und über Nacht bei 37 °C, einer Luftfeuchtigkeit von 95 % und 5% CO2 bebrütet. Am nächsten Tag wurden die Kulturplatten erneut mit D-PBS gespült und daraufhin mit je 75 µl Spiralganglien-Medium befüllt. Dieses bestand aus DMEM (Dulbecco´s modified Eagles medium), 25 mM Hepes-Puffer, 1 µl/ml N2-Supplement, 10 µg/ml Insulin, 6,15 g/l Glucose (30 % Glucose in D-PBS) sowie 30 U/ml Penicillin (Penicillin „Grünenthal” 1 Mega in D-PBS). Anschließend wurde diesem Medium Neurotrophin-3 als humaner, rekombinanter Wachstumsfaktor in einer Konzentration von 25 ng/ml zugefügt. Bis zum Einsetzen der Spiralganglien-Explantate wurden die Zellkulturplatten bei 37 °C, einer Luftfeuchtigkeit von 95 % und 5% CO2 aufbewahrt. 2.2. Präparation der Spiralganglien-Explantate Für die anatomische Mikropräparation wurden Ratten vom Typ Sprague-Dawley (Charles River, Sulzfeld) im Alter von vier Tagen (P4) verwendet. Sie erfolgte nach den 20 Beschreibungen von van de Water und Ruben (van de Water, Ruben 1971) und Sobkowicz et al. (Sobkowicz et al. 1993). Die Haut über dem Operationsgebiet sowie die zur Präparation benötigten Instrumente wurden mit Alkohol sterilisiert, um eine sterile Explantationstechnik sicherzustellen. Die Dekapitation des Tieres erfolgte nach Anästhesie mit intraperitonealer Gabe von 0,4 ml pro 100 g Körpergewicht eines Gemisches aus Ketamin 12,5 mg/ml, Rompin 1,26 mg/ml und Acepromezin 0,25 mg/ml. Im Anschluss daran wurde die Haut über dem Schädelknochen entfernt und der Schädel in zwei Hälften gespalten. Dies erfolgte mit Ansatz im Foramen magnum in longitudinaler Richtung entlang der Mittellinie. Nach dem stumpfen Ausschälen des Hirngewebes wurden die Schädelhälften in Petrischalen mit D-PBS deponiert. Die Weiterverarbeitung geschah von hier an unter Benutzung eines binokularen Mikroskopes (Olympus, SZ61). Als Landmarke innerhalb des Schädels zum Auffinden der Cochlea diente der Sinus petrosus, ein U-förmiges Venensystem. Dieses begrenzt das Felsenbein. Von dem Sinus petrosus aus ließ sich mit der Spitze einer Pinzette vorsichtig das Felsenbein vom übrigen Schädel lösen. Nun wurde die noch nicht vollständig verknöcherte Kapsel der Cochlea entfernt. Es zeigte sich die komplette Cochlea. Diese wurde in eine neue mit D-PBS gefüllte Petrischale gelagert. Für die weiteren Präparationsschritte wurden neue Instrumente verwendet, um die Kontamination der zu gewinnenden Spiralganglien-Explantate sehr gering zu halten. Um an die Spiralganglienzellschicht mit dem Modiolus zu gelangen, wurde nun die Stria vascularis und die Haarzellschicht von außen nach innen mit der Spitze einer feinen Pinzette vorsichtig in Richtung Helicotrema abgezogen. Nachdem die Spiralganglienschicht mit demselben Verfahren von dem Modiolus separiert worden war, erfolgte das Schneiden der Spiralganglienzellschicht in gleich große Stücke von etwa 200-300 µm mit Hilfe eines Skalpells in einer neuen mit D-PBS gefüllten Petrischale. Die Stückchen wurden einzeln mit Hilfe einer feinen Pinzette in einem Tropfen D-PBS in die Vertiefung der mit Medium vorbereiteten Zellkulturschale gelegt. Die Explantate wurden möglichst zentral innerhalb der Vertiefung positioniert, um die optimale Höhe des Flüssigkeitsspiegels auszunutzen. Nach Einsetzen des Explantates streifte nun der Flüssigkeitsmeniskus gerade den oberen Rand des Explantates und 21 verhinderte so ein Aufschwemmen der Probe. Alle Proben wurden für 72 Stunden bei 37 °C, 5 % CO2 und 95 % Luftfeuchtigkeit inkubiert. 2.3. 2.3.1. Fixierung und Färbung der Spiralganglien-Explantate Immunhistochemische Färbung mit biotyniliertem Antikörper Zur Neuofilamentmarkierung wurde das Vectastain Elite® ABC-Kit, Maus IgG (Vector Laboratories, Kanada) verwendet. Nach der 72-stündigen Inkubation der SpiralganglienZellkulturen wurde zuerst das Medium vorsichtig unter Schonung der SpiralganglienExplantate abgesaugt. Die Fixierung erfolgte mit einem Gemisch aus Aceton (100%) und Methanol (100 %) im Verhältnis 1:1 je Vertiefung 150 µl für etwa fünf Minuten. Nach dem vorsichtigen Absaugen des Aceton-Methanol-Gemisches wurden die Kulturschalen zweimal mit je 300 µl D-PBS gespült. Die so fixierten SpiralganglienExplantate können bei 4 °C in 300 µl D-PBS in der Zellkulturschale, wenn gewünscht auch über einen längeren Zeitraum, aufbewahrt werden. Nach dem Absaugen von D-PBS wurden 120 µl des monoklonalen Antikörpers Antineurofilament (ANF; Linaris, Deutschland) für eine Stunde bei 37 °C aufgetragen. ANF wurde im Verhältnis von 1:500 in Normalserum verwendet. Nach Spülen mit DPBS erfolgte die Inkubation mit dem zweiten, biotinylierten Antikörper in Normalserum im Verhältnis 1:200 für dreißig Minuten bei Raumtemperatur. Wiederum wurde mit DPBS gespült und anschließend 150 µl Avidin-Meerrettich-Peroxidase-Komplex (ABCKomplex) aufgetragen. Es erfolgte eine Inkubation mit dem ABC-Komplex für dreißig Minuten bei Raumtemperatur. Zur eigentlichen Färbung wurden 150 µl Diaminobenzidin (DAB KIT, Vector 4100) für etwa zehn Minuten verwendet. Dieses wurde vorsichtig aus den Vertiefungen abgesaugt und mit 300 µl D-PBS befüllt. Auf diese Art und Weise konnten die SpiralganglienExplantate problemlos über einen längeren Zeitraum gelagert werden. 22 2.3.2. Immunhistochemische Färbung mit Fluoreszenzantikörpern Nach dem Absaugen des Mediums erfolgte die Fixierung mit je 150 µl frisch angesetztem 4 %igen Paraformaldehyd in D-PBS für dreißig Minuten bei Raumtemperatur. Um die Zellmembran permeabler für die weitere Färbung zu bereiten, wurde nach Entfernung des Fixans je Vertiefung 150 µl 0,1 %iges Triton-X (SigmaAldrich, Deutschland) auf die Zellkulturplatte für dreißig Minuten bei Raumtemperatur gegeben. Zur Verhinderung unerwünschter, unspezifischer Bindungen an der Oberfläche wurde daraufhin die Blocking Solution für zwei Stunden bei 4 °C aufgetragen. Diese bestand aus 10 % Serum, welches sich an dem Ursprungstier des Zweitantikörpers orientierte, 0,1 % Triton-X (Sigma-Aldrich, Deutschland) und 1 % Rinderserum Albumin (BSA, bovine serum albumine). Nach Spülen mit D-PBS wurde der Erstantikörper, der sich gegen bestimmte Moleküle der die Neuriten umgebenden Zellen richten sollte, in Blocking Solution über Nacht bei 4 °C hinzugefügt. Die Zellkulturplatten wurden vorsichtig drei Mal mit D-PBS für je fünf Minuten bei Raumtemperatur gespült. Im Anschluss daran wurde der Zweitantikörper, TRITC oder FITC, der mit einer fluoreszierenden Substanz gekoppelt war, für eine Stunde bei Raumtemperatur aufgetragen. Ab der Verwendung des fluoreszierenden Zweitantikörpers sollten die Zellkulturplatten so wenig Licht wie möglich ausgesetzt werden, damit die fluoreszierende Substanz ihre Kraft behielt. Nach dreimaligem Spülen der Zellkulturplatten mit D-PBS für je zwei Minuten bei Raumtemperatur erfolgte die direkte Mikroskopie der Spiralganglien-Explantate. In den folgenden Abschnitten werden die verwendeten Antikörper aufgelistet: • Mouse anti-Neurofilament (Linaris, 1:200); FITC rabbit anti-mouse (DAKO, 1:50) • Rabbit anti-Connexin29 (Zymed Laboratories, 1:400); TRITC goat anti-rabbit (Zymed Laboratories, 1:100) • Mouse Glial Fibrillary Acidic Protein (Molecular Probes, 1:100); FITC rabbit anti-mouse (DAKO, 1:50) 23 • Rabbit anti S100-Kuhprotein (Zymed Laboratories, 1:100); TRITC goat anti-rabbit (Zymed Laboratories, 1:100) 2.3.3. Immunhistochemische Doppelfärbung mit Fluoreszenzantikörpern Die Vorbereitung der Spiralganglien-Explantate für die Fluoreszenzdoppelfärbung geschah auf dieselbe Art und Weise wie bei der oben beschriebenen Einzelfärbung mit Fluoreszenzantikörpern. Im Unterschied zu der Einzelfärbung wurden die Antikörper als Gemisch in ihren entsprechenden Verdünnungen im Sinne einer parallelen Doppelfärbung inkubiert. Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Antikörper angegeben: • Rabbit anti-Connexin29 (Zymed Laboratories, 1:400) plus Mouse anti-Neurofilament (Linaris, 1:200); FITC rabbit anti-mouse (DAKO, 1:50) plus TRITC goat anti-rabbit (Zymed Laboratories, 1:100) • Mouse Glial Fibrillary Acidic Protein (Molecular Probes, 1:100) plus Mouse anti-Neurofilament (Linaris, 1:200); TRITC rabbit anti-mouse (Zymed Laboratories, 1:100) plus FITC rabbit anti-mouse (DAKO, 1:50) • Rabbit Anti S100-Kuhprotein (Zymed Laboratories, 1:100) plus Mouse anti-Neurofilament (Linaris, 1:200); TRITC goat anti-rabbit (Zymed Laboratories, 1:100) plus FITC goat anti-mouse (DAKO, 1:100) 24 2.4. Auswertung Die Auswertung der Spiralganglien-Zellkulturen erfolgte licht- und fluoreszensmikroskopisch (Olympus, IX71). Hierfür wurde der Puffer aus den Kulturschalen vollständig abgesaugt, um Vergrößerungseffekte und optische Verzerrungen durch Lichtbrechung am Flüssigkeitsmeniskus zu vermeiden. Jedes Explantat wurde mit einer an einem Computer angeschlossenen Fotokamera abfotografiert und in einer Bild- und Kamerasoftware (Cell D, Olympus Soft Imaging Solutions GmbH, Münster) gespeichert. Damit bei der lichtmikroskopischen Inspektion und Dokumentation der mit fluoreszierenden Substraten angefärbten Spiralganglien-Explantaten die Fluoreszenzkraft länger erhalten blieb, wurde der Raum abgedunkelt. Je nach verwendetem Zweitantikörper mussten verschiedene Farbfilter verwendet werden. Die Wahl des Farbfilters richtete sich nach dem verwendeten Zweitantikörper: Bei TRITC U-MNG mit einer Wellenlänge von 530-550 µm, bei FITC U-MNB mit einer Wellenlänge von 470-490 µm. Bei den Doppelfärbungen wurden die Spiralganglien-Explantate separat mit dem jeweiligen Farbfilter dokumentiert und mit dem oben erwähnten Programm im Nachhinein kombiniert und bearbeitet. Es wurden das Wachstumsverhalten der Spiralganglienneuriten nach Verlauf, Länge und Verzweigungen analysiert. In den verschiedenen Färbungen wurden das Vorhandensein oder die Abwesenheit von nicht-neuronalen Zellen beschrieben. Wurden nicht-neuronale Zellen nachgewiesen, wurde ihre Anordnung allgemein und in Bezug zu den Spiralganglienneuriten erläutert. 25 3. Ergebnisse 3.1. Wachstumsverhalten der nicht-neuronalen Zellen bei der Färbung mit biotyniliertem Antikörper Die mikroskopische Auswertung der Färbung mit biotyniliertem Antikörper zeigte, dass die Neuriten radiär aus den Spiralganglien-Explantaten heraus wachsen. Das Wachstum der Neuriten zeigte sich nicht immer gleichmäßig aus allen Seiten der SpiralganglienExplantate. Zum Teil wuchsen die Neuriten nur aus einer Seite des Explantates aus. Des Weiteren ließen sich Neuriten ohne Anwesenheit eines Spiralganglien-Explantates dokumentieren, wenn dieses bei den Spülungen ausgeschwemmt worden ist. Die Neuriten zeigten einen höheren Widerstand gegen solche mechanische Kräfte. Weiterhin überkreuzten sich die Neuriten in ihrem Verlauf und bildeten Aufzweigungen, vor allem im letzten Drittel ihres Verlaufs. Des Weiteren imponierten im Verlauf der Neuriten Verdickungen (siehe Abbildung 4), die am ehesten Zellkörpern nicht-neuronaler Zellen entsprachen. Die Verdickungen ließen sich auch an Aufzweigungen von Neuriten lokalisieren. Das Auftreten der nicht-neuronalen Zellen hat direkt an den Spiralganglien-Explantaten begonnen, wobei die maximale Dichte der nicht-neuronalen Zellen in nächster Umgebung der Explantate am höchsten erschien. Die nicht-neuronalen Zellen waren jedoch nicht nur in der Umgebung der Neuriten existent. Stellen, an denen keine Neuriten aus den Spiralganglien-Explantaten ausgewachsen waren, wiesen dennoch das Vorhandensein von nicht-neuronalen Zellen auf (siehe Abbildung 4). Auch bei Spiralganglien-Explantaten, bei denen keine oder nur wenige Neuriten ausgewachsen waren, konnten diese Zellen nachgewiesen werden (siehe Abbildung 5). Das Maximum der nicht-neuronalen Zellen war auch hier im Bereich um die Spiralganglien-Explantate am höchsten. Allgemein variierte die Anordnung und Verteilung dieser Zellen bezogen auf die Anwesenheit oder Abwesenheit der Neuriten nicht. 26 Abbildung 4 Spiralganglion-Explantat mit vergrößertem Ausschnitt (Färbung mit biotyniliertem Antikörper) Im oberen Bild deuten die weißen Dreiecksspitzen auf Verdickungen im Verlauf der Neuriten. Die dickeren weißen Pfeile weisen auf Überkreuzungen zwischen zwei Neuriten. Das untere Bild ist der vergrößerte Ausschnitt des Rechtecks des oberen Bildes. Die roten Dreieckspitzen deuten auf Zellen, die nicht in Verbindung zu einem Neuriten stehen. Die blaue Drachenform weist auf eine Aufzweigung eines Neuriten. In der Aufzweigungsstelle ist eine Verdickung lokalisiert. Der schwarze Balken entspricht 500 µm. 27 Abbildung 5 Antikörper) Spiralganglion-Explantat mit nur wenigen Neuriten (Färbung mit biotyniliertem Es zeigen sich nur wenige Neuriten (dicke, weiße Pfeile) und nicht-neuronale Zellen (vereinzelt markiert mit den schwarzen dünnen Pfeilen). Der schwarze Balken entspricht 500 µm. 28 3.2. Wachstumsverhalten der nicht-neuronalen Zellen bei den Färbungen mit den Fluoreszenzantikörpern 3.2.1. Nicht-neuronale Zellen bei den immunhistochemischen Färbungen mit GFAP oder Connexin29 Bei den immunhistochemischen Färbungen mit GFAP oder mit Connexin29 konnten keine Zellen nachgewiesen werden. Trotz regulärem Wachstum von Neuriten, die parallel mit ANF angefärbt wurden, wurden keine GFAP-positive oder Connexin29positive Zellen um die Neuriten sichtbar. Sowohl in den apikalen, mittleren als auch basalen Abschnitten der Spiralganglien-Windungen wurden nur unspezifische Anfärbungen beobachtet. 3.2.2. Nicht-neuronale Zellen bei der immunhistochemischen Färbung mit S100-Protein Im Gegensatz zu den immunhistochemischen Färbungen mit den Antikörpern GFAP und Connexin29 waren bei dieser Färbung mit dem S100-Protein positive Zellen um die Neuriten sichtbar geworden. Die Verteilung der nicht-neuronalen Zellen entsprach der Anordnung bei der Färbung mit biotinyliertem Antikörper. Ihr Auftreten begann unmittelbar um den Spiralganglien-Explantaten und überschritt teilweise auch die Endigungen der auswachsenden Neuriten, wobei die Dichte der Zellen ihr Maximum direkt um das Explantat herum hatten. Morphologisch hatte der Großteil der Zellen im Verlauf der Neuriten ein eher spindelförmiges Erscheinungsbild (siehe Abbildung 9). Des Weiteren entsprangen den Zellen Zellausläufer, mit denen benachbarte Zellen untereinander verbunden waren. Bei den Einzelfärbungen ließ sich jedoch nicht abschließend differenzieren, ob die Zellausläufer nicht bloß unspezifische Neuritenanfärbungen waren. Eine spindelförmige Zelle wies in der Regel zwei Zellausläufer auf, die an beiden Enden positioniert waren, und hatte demnach Kontakt zu zwei weiteren Zellen. Bei weiterer Betrachtung fielen auch dreieckige Zellen auf, die 29 dementsprechend drei Zellausläufer aufwiesen und somit mit drei weiteren Zellen kommunizierten (siehe Abbildung 6). Vereinzelt ließen sich auch Zellen mit mehr als drei Zellausläufern beobachten. Eine nicht-neuronale Zelle hatte eine Größe von ungefähr 20-30 µm. Der Abstand zwischen diesen Zellen variierte zwischen 15 bis 40 µm. Dementsprechend war auch das Ausmaß der Zellausläufer, mit denen die Zellen untereinander in Verbindung standen, variabel. 30 Abbildung 6 Spiralganglion-Explantat mit S100-positiven Zellen Die dicken Pfeile deuten auf nicht-neuronale Zellen, die jeweils mit zwei Zellausläufern untereinander in Verbindung stehen und einer imaginären Linie folgen. Das Sternchen deutet auf eine Zelle mit drei Zellausläufern. Das Kreuz zeigt eine Stelle, die einer Aufzweigung von Neuriten entsprechen könnte. Der weiße Balken entspricht 200 µm. 31 Schon bei Betrachtung der Einzelfärbung mit S100-Protein konnte man die Anordnung und den Verlauf der Neuriten erahnen. Die Doppelfärbung mit den Antikörpern ANF und S100-Protein zeigte dementsprechend, dass die nicht-neuronalen Zellen den Neuriten in seinem Verlauf begleiteten (siehe Abbildung 7). Dabei folgten sie auch den Krümmungen des Neuriten. Die dreieckigen Zellen mit den drei Zellausläufern kennzeichneten dabei überwiegend Positionen, an denen die Neuriten sich aufzweigten (siehe Abbildung 8). Die Abzweigungen des Neuriten wurden auf dieselbe Art und Weise von den nicht-neuronalen Zellen begleitet wie der Neuritenhauptstamm. Es ließ sich auch beobachten, dass sich die aufteilenden Neuriten beidseits an die nichtneuronale Zelle anlagerten (siehe Abbildung 9). Die nicht-neuronalen Zellen lagen dem Neuriten oftmals mit der gesamten Fläche ihres Zellkörpers an. Des Weiteren stellte sich heraus, dass die Verbindungen zwischen den nicht-neuronalen Zellen nicht nur unspezifische Anfärbungen des Neuriten waren sondern Zellausläufer. Die Zellausläufer konnten neben den Neuriten beobachtet werden (siehe Abbildung 9) oder aber auch in Abwesenheit von Neuriten. Weiterhin fiel auf, dass keine Neuriten ohne nicht-neuronale Zelle erkennbar waren, wohingegen nicht-neuronale Zellen auch ohne Neuriten zu existieren schienen. Dabei hatten sie, wie oben erwähnt, weiterhin die Anordnung, als ob sie einem imaginären Neuriten folgen würden. 32 7a) Einzelfärbung mit S100-Protein 7b) Einzelfärbung mit ANF 33 7c) Doppelfärbung mit S100-Protein und ANF Abbildung 7 Spiralganglion-Explantat in Einzel- und Doppelfärbung mit ANF und S100-Protein Die Bilder a-c stellen alle denselben Ausschnitt eines Spiralganglion-Explantates mit unterschiedlichen Antikörpern dar. Das Bild c ist eine Kombination der Einzelfärbungen mit S100-Protein (a) und ANF (b). Die dicken, weißen Pfeile zeigen denselben Verlauf eines Neuriten, der von den S100-positiven Zellen begleitet wird. Der weiße Balken entspricht 200 µm. 34 Abbildung 8 Spiralganglion-Explantat in Doppelfärbung mit S100-Protein und ANF Die Sternchen markieren Stellen, an denen sich die die Neuriten aufzweigen und nicht-neuronale Zellen lokalisiert sind, die eine dreieckige Form aufweisen. Die dicken Pfeile zeigen die nicht-neuronalen Zellen in enger Nachbarschaft zu den Neuriten. Der weiße Balken entspricht 200 µm. 35 Abbildung 9 Zwei unterschiedlich vergrößerte Ausschnitte eines Spiralganglion-Explantates in der Doppelfärbung mit S100-Protein und ANF Die beiden Bilder zeigen unterschiedliche Vergrößerungen desselben Ausschnittes eines SpiralganglionExplantates. Bei dem oberen Bild entspricht der weiße Balken 100 µm, beim unteren Bild 50 µm. Die Sternchen weisen auf nicht-neuronale Zellen, die von einem sich aufteilenden Neuriten umrahmt werden. Der dicke, weiße Pfeil zeigt einen Zellausläufer einer nicht-neuronalen Zelle in direkter Nachbarschaft zu einem Neuriten. Die Dreieckspitze deutet auf eine nicht-neuronale Zelle, die mit ihrem Körper in ihrer gesamten Länge dem Neuriten anliegt. 36 4. Diskussion In der vorliegenden Arbeit wurden gliale Zellmarker an Hand eines etablierten Spiralganglienkulturmodells der Ratte untersucht. Dazu dienten Ratten vom Typ Sprague-Dawley (Charles River, Sulzfeld) im Alter von vier Tagen (P4). Das Vorhandensein von nicht-neuronalen Zellen ließ sich bei der Färbung mit biotyniliertem Antikörper nachweisen. Die Zellen waren in der Umgebung der Neuriten aber auch ohne Neuriten nachweisbar, wie es schon in vorangegangenen Untersuchungen gezeigt werden konnte (Brors et al. 2002). Hier wurde jedoch nicht näher klassifiziert, um welche Art von Zellen es sich handelt. Zur weiteren Einordnung dieser nicht-neuronalen Zellen dienten immunhistochemische Doppelfärbungen mit Fluoreszenzantikörpern. Als Antikörper dienten das Connexin29, das GFAP und das S100-Protein. Bei jedem der drei genannten Antikörper wurde eine Doppelfärbung mit ANF durchgeführt, um die nicht-neuronalen Zellen in Abhängigkeit von den Neuriten beurteilen zu können. Allen drei Substanzen ist gemein, dass sie von Gliazellen produziert werden (Altevogt et al. 2002). Dabei konnten bei den Färbungen mit Connexin29 und GFAP keine spezifischen Zellen in der Gegend der Neuriten festgestellt werden. Dem hingegen fanden sich S100-positive Zellen in der Umgebung der Neuriten. Diese begleiteten den Neuriten in seinem Verlauf, waren aber auch ohne Neuriten darstellbar. Weiterhin fielen Zellausläufer der nicht-neuronalen Zellen auf, die zwei oder aber auch drei nicht-neuronale Zellen miteinander verbunden haben. Die Tatsache, dass die untersuchten Zellen S100-positv sind, lässt vermuten, dass sie glialen Ursprungs sind, genauer definiert Schwannzellen. Dieses Ergebnis deckt sich mit einer anderen Studie (Whitlon et al. 2009). Die Abwesenheit von GFAP- und Connexin29-positiven Zellen könnte auf mehreren Gründen basieren. In einer anderen Untersuchung wurde gezeigt, dass in der intakten Cochlea nur wenig GFAP nachgewiesen werden konnte (Rio et al. 2001). Zum anderen exprimieren myelinisierende Schwannzellen im normalen peripheren Nervengewebe kein GFAP, währenddessen nichmyelinisierende Schwannzellen diese Funktion haben (Rio et al. 37 2001; Cheng, Zochodne 2002). Daher könnte man vermuten, dass die in dieser Arbeit untersuchten glialen Zellen myelinisierende Eigenschaften besitzen. In weiteren, histologischen Untersuchungen wurde gezeigt, dass Connexin29 in Schwannzellen oder Satellitenzellen der Cochlea exprimiert wurde (Eiberger et al. 2006; Tang et al. 2006; Li et al. 2002). Dieses konnten wir in unserer Studie nicht belegen. Ein Erklärungsansatz dafür wäre die Migrationsfähigkeit der Schwannzellen (Ahmed, Brown 1999; Han et al. 2007). Demnach sei auch nicht ausgeschlossen, dass nur S100positive Zellen aus den Spiralganglien-Explantaten ausgewandert sind. GFAP- und Connexin29-positive Zellen könnten im Explantat lokalisiert und dort verblieben sein. 4.1. Einfluss der nicht-neuronalen Zellen auf die neuronalen Zellen Bisher gibt es nur wenige Daten über Schwannzellen im Bereich der Cochlea. Dabei ist das Wissen über ihre exakte Struktur und Funktion von Bedeutung, z.B. in Hinblick auf die Optimierung von Nervenregeneration bei gehörlosen Menschen. Das Neuritenwachstum wird von einer Vielzahl von zellulären und extrazellulären Faktoren beeinflusst. Bei der zellulären Beeinflussung muss man an die die Nervenzellen umgebenden Zellen denken. Wichtig sind dabei die Zellen, die in der direkten Umgebung von Nervenzellen in größerem Umfang wie z.B. Fibroblasten oder Gliazellen und im peripheren Nervensystem speziell Schwannzellen vorkommen. Vorangegangene Studien haben gezeigt, dass das Nervenwachstum in glialer Umgebung besser ist als in Umgebung von Fibroblasten (Fallon 1986; Seilheimer, Schachner 1988). Es wird davon ausgegangen, dass Interaktionen zwischen glialen und neuronalen Zellen existieren, die das bessere Nervenwachstum in Beziehung zu den Gliazellen erklären. Die Gliazell-Nervenzell-Interaktionen scheinen durch Neureguline und Neurotrophine abzulaufen (Hansen et al. 2001). Die Beobachtung, dass Gliazellen in Abwesenheit von neuronalen Zellen registriert werden konnten, jedoch nicht der umgekehrte Fall, lässt ebenfalls vermuten, dass es Interaktionen zwischen Glia- und Nervenzellen geben muss. Allgemein ist bekannt, dass Schwannzellen in der Entwicklungsphase des Nervensystems in vivo der Führung des wachsenden Nervens dienen. Dabei setzen 38 Schwannzellen Nervenwachstum stimulierende Faktoren frei (Bampton, Taylor 2005; Altevogt et al. 2002) und haben auf ihrer Oberfläche extrazelluläre Matrixproteine, die das Neuritenwachstum beeinflussen können. Wanner et al. konnten zeigen, dass Schwannzellen und Wachstumskegel an der auswachsenden Nervenspitze gemeinsam wandern und dass der größte Anteil der Wachstumskegel von Schwannzellen bedeckt war. Das deutet darauf hin, dass Schwannzellen sich selber die Umgebung generieren, die dann auch optimal für das Nervenwachstum ist. Eine Schlüsselrolle schreibt man Laminin zu. Das extrazelluläre Matrixprotein Laminin kann auf der Oberfläche von Schwannzellen lokalisiert werden (Fallon 1986), auf der es als Adhäsionsmolekül fungiert. Laminin hat die Fähigkeit, das Wachstum von Spiralganglienneuriten zu fördern (Seilheimer, Schachner 1988; Clark et al. 1993; Aletsee et al. 2001). Weiterhin verbessert Laminin die initiale Zelladhäsion signifikant und hat eine Mitbestimmung bei der Ausrichtung von Schwannzellen (Miller et al. 2001). Dieses legt die Vermutung nahe, dass Schwannzellen die Richtung des Nervenwachstums bestimmen und durch Interaktionen mit Neuriten diese in die angegebene Richtung führen. Somit stellen Schwannzellen einen interessanten Angriffspunkt dar, um Nervenwachstum gezielt steuern und fördern zu können. Ungeklärt bleibt in dieser Arbeit die Frage, welche Zellart primär vorlag: Schwannzellen oder neuronale Zellen. Für Schwannzellen als primäre Zellart sprechen die Beobachtungen in vitro, dass nicht-neuronale Zellen ohne Neuriten dargestellt wurden, aber keine Neuriten ohne umgebende nicht-neuronale Zellen (Brors et al. 2002). Des Weiteren wurden gerade an der Neuritenspitze fast keine Neuriten ohne Kontakt zu Schwannzellen festgestellt (Whitlon et al. 2009). Es wurde zwar Nervenwachstum bei Axonen beobachtet, die keinen Kontakt zu Schwannzellen hatten (Chen et al. 2005), jedoch waren die Distanzen kürzer als bei der Anwesenheit von Schwannzellen. 39 4.2. 4.2.1. Klinische Bedeutung der vorliegenden Ergebnisse Klinische Bedeutung in Bezug auf das Cochlea-Implantat Schwannzellen spielen nicht nur in der Entwicklungsphase und bei der Erhaltung der Neurone eine Rolle. Auch bei der Regeneration peripherer Nerven nach deren Schädigung, ist eine enge Glia-Neuron-Interaktion wichtig (Chen et al. 2005; Duobles et al.). Im normalen Nerven scheinen Schwannzellen zu ruhen, nach einer Verletzung sezernieren sie bioaktive Moleküle zur Nervenregeneration (Evans 2001). Diesen Effekt und auch die weiteren Funktionen von Schwannzellen, wie z.B. die Migrationsfähigkeit, könnten zur Optimierung der Cochlea-Implantate ausgenutzt werden. Die Elektrode der Cochlea-Implantate wird direkt in die Scala tympani der Cochlea platziert. Dort gibt sie frequenzabhängig elektrische Impulse ab, welche auf den unabdingbar intakten Hörnerven übertragen werden. Nach Schädigung der Haarzellen der Cochlea z.B. durch Lärm, Arzneimittel wie Aminoglykosid-Antibiotika (Aran et al. 1999) erfolgt konsekutiv eine sekundäre Degeneration von afferenten Nervenfasern (Nadol et al. 1989). Dabei wird jedoch davon ausgegangen, dass die sekundäre Degeneration in der humanen Cochlea nach Haarzellschädigung langsamer fortschreitet als in Tiermodellen (Shinohara et al. 2002). Einige cochleäre Nervenfasern entgehen der sekundären Degeneration nach Haarzellschädigung (Spoendlin; Stankovic et al. 2004; Teufert et al. 2006; Sugawara et al. 2005), die dann durch die Elektrode eines CochleaImplantates erregt werden können. Das Überleben von einer großen Anzahl von Spiralganglienzellen hat einen positiven Effekt auf die erfolgreiche elektrische Stimulation des Innenohres (Nadol et al. 1989). Eine Voraussetzung für den Erfolg eines Cochlea-Implantates ist weiterhin, dass die überlebenden Spiralganglienneuronen nicht nur anatomisch sondern auch funktionell intakt sind. Darüber hinaus sollten die verbliebenen Spiralganglienneurone im Verlauf der Schneckenwindungen mehr oder weniger gleichmäßig verteilt seien. Das Überleben von Spiralganglienneuronen kann in vivo durch Neurotrophine gefördert werden (Whitlon et al. 2006; Shinohara et al. 2002). Allerdings stellen Mikropumpen, die in die Cochlea eingebracht werden und dort Neurotrophine freisetzen, eine potenzielle 40 Infektionsquelle dar. Untersuchungen in vitro haben gezeigt, dass genetisch veränderte Schwannzellen, die zu einer Überexpression von BDNF und NT-3 angeregt worden sind, das Überleben von Spiralganglionneuronen bei Taubheit verbessert haben (Pettingill et al. 2008). Ferner konnte in Tierversuchen auch bewiesen werden, dass elektrische Stimulation durch eine in die Cochlea implantierte Elektrode die Degeneration der Spiralganglien vermindert hat (Roehm, Hansen 2005). Jedoch ist das Einbringen von Elektroden in die Cochlea eine invasive Maßnahme. Nicht nur die Erhaltung von Spiralganglienneuronen verbessert den Nutzen von Cochlea-Implantaten. Eine weitere Optimierung des Cochlea-Implantates könnte durch das Auswachsen von peripheren Nervenfasern in Richtung der Cochlea-ImplantatElektrode ermöglicht werden. Eine entscheidende Rolle könnten dazu die Schwannzellen beitragen, die essenziell für die Regeneration von peripheren Nerven sind. Schwannzellen haben die Fähigkeit, zu dem Ort der Schädigung zu wandern (Han et al. 2007). Dabei ist die Schwannzellmigration oftmals der limitierende Faktor bei der Wiederherstellung von Läsionen der peripheren Nerven (Ahmed, Brown 1999). Wenn es möglich wäre, die Schwannzellmigration gezielt zu steuern und vor allem zu fördern, wäre das ein wichtiger Schritt bei der Regeneration der peripheren Nerven und damit auch beim Erfolg einer Cochlea-Implantation. Dadurch wäre es möglich, den Energieverbrauch zu senken und die Frequenzselektivität des Implantates zu erhöhen (Roehm, Hansen 2005). Obendrein wäre das ein Ansatz zur weiteren Verbesserung der Sprachdiskrimination. Weiterhin könnte durch das gezielte Nervenwachstum auf Grund gesteuerter Schwannzellmigration das Ergebnis der Cochlea-Implantation nach einer länger zurück liegenden Ertaubung mit fortgeschrittener sekundärer Degeneration der afferenten Innervation verbessert und die Indikation zur Nutzung eines CochleaImplantats könnte erweitert werden. Die Zeitdauer seit der Ertaubung ist ein entscheidender prognostischer Faktor für den Erfolg des Cochlea-Implantates (Marangos, Laszig 1998). Unter diesen Aspekten wäre eine Optimierung der Wachstumsbedingungen für Schwannzellen auch indirekt optimierend für das neuronale Wachstum. Es gibt Studien, die gezeigt haben, dass Nervenwachstum im Innenohr nach Lärmschädigung möglich ist. Obwohl sich die regenerierten Nervenfasern im Ausmaß der Myelinisation und 41 durch Bildung unüblicher Wege von normal entwickelten Nervenfasern unterscheiden, geben die regenerierten Nervenfasern einen Hinweis darauf, dass das Innenohr in Säugetieren das Potential zur Nervenregeneration besitzt (Bohne, Harding 1992). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass erstens migrationsfähige Schwannzellen in vitro vorhanden sind. Zweitens finden Interaktionen zwischen Neuriten und Schwannzellen statt. Drittens wird die Wachstumsrichtung der Neuriten durch Schwannzellen beeinflusst. Weitere Untersuchungen dieser Ergebnisse sind notwendig, um die gezielte Beeinflussung der Nervenregeneration von Spiralganglien in vivo zu erwirken. 4.2.2. Klinische Bedeutung in Bezug auf Erkrankungen durch Störungen der Myelinisierung Die Schwannzellen dienen der Myelinisierung peripherer Nerven. Dadurch werden die Nerven elektronisch isoliert und so eine Optimierung der Reizfortleitung erreicht (Waxman 1997). Die Myelinisation der peripheren und proximalen Teile des VIII. Hirnnervs in Tiermodellen an Ratten am zweiten Tag nach der Geburt startet simultan. Dabei wird der zentrale Anteil von Oligodendrozyten und der periphere Anteil von Schwannzellen unter Kontrolle des Thyroidhormons myelinisiert, lange bevor die Cochlea Aktivität zeigt (Knipper et al. 1998). Eine weitere Studie hat gezeigt, dass bei verminderter Aktivität der Schilddrüsenhormone auch eine verminderte Myelinproduktion vorlag, welches eine verlängerte Reizweiterleitung bedingte (Knipper et al. 2000). Die Myelinisierung ist auch für die funktionelle Entwicklung des Hörnervens bedeutsam So wird die Expression von Connexin29 stark und ausschließlich in Schwannzellen gefunden, die den Hörnerv in der Cochlea myelinisieren (Tang et al. 2006). In Tierversuchen, in denen das Gen für die Connexin29-Expression fehlt, zeigte sich eine Hemmung der Entwicklung des Hörens, ein früher Hochtonverlust in der reifen Cochlea und eine verzerrte Wellenform der Hirnstammpotenziale. Weiterhin hatten diese Tiere ein erhöhtes Risiko für Lärmschäden (Tang et al. 2006). Die inneren und äußeren 42 Haarzellen stellten sich normal dar, jedoch zeigten sich schwere Demyelinisierungen der Zellkörper der Spiralganglienneuronen. Mutationen des Connexin29 Genes sind die am meisten gefundenen genetischen Defekte für nicht syndromal bedingte Kindertaubheiten. Somit wäre eine Beeinflussung der cochleären Schwannzellen in Bezug auf ihre Myelinisierungsfähigkeit von Bedeutung, um diese Art von Taubheit kurativ behandeln zu können. Die Wichtigkeit der Schwannzellen für die normgerechte neuronale Entwicklung wird weiterhin dadurch unterstrichen, dass Neuropathien durch Mutationen in Schwannzelloder Myelin-Genen entstehen, die sich konsekutiv in einem sensorineuralen Hörverlust darstellen. Ein Beispiel dafür ist die Mutation in dem peripheren Myelin Protein 22 (PMP22), welches einen sensorischen neuronalen Verlust bedingt (Ndubaku, de Bellard 2008; Stone et al. 1998). Der Verlust von Myelin bei cochleären Neuronen, die üblicherweise myelinisiert werden, erscheint als Vorbote für neuronale Degeneration. Jedoch ist der exakte Zusammenhang zwischen dem Verlust des Myelins und der neuronalen Degeneration noch nicht geklärt. Es gibt Hinweise, dass Schwannzellen zu nicht-myelinisierenden Phänotypen als Antwort auf Ertaubung degradieren und damit auch höhere Überlebensraten aufweisen als Spiralganglienneurone (Hurley et al. 2007). Die Myelinisierung neuronaler Strukturen durch Schwannzellen ist abhängig von einer Neuron-Gliazell-Interaktion. Eine wichtige Rolle wird dabei dem Neuregulin-erbBSignalweg zugeschrieben. Vorangegangene Studien haben gezeigt, dass eine Überexpression von Neuregulin-1 eine Hypermyelinisierung bedingt (Michailov et al. 2004). Mit diesem Ergebnis kongruent wurde in einer anderen Studie beobachtet, dass eine Reduktion des NRG-1-erbB-Signalweges in der Pathogenese von peripheren Neuropathien auf Grund einer Hypomyelinisation und neuropathischen Schmerzen involviert ist (Chen et al. 2006). Die Abwesenheit GFAP-positiver Zellen in den in dieser Studie untersuchten Spiralganglien-Explantaten könnte einen Hinweis darauf geben, dass es sich bei den hier untersuchten Zellen um myelinisierende Schwannzellen handelt. Das weitere Erforschen dieser Schwannzellen, insbesondere auch in Bezug auf deren Myelinisierungsfähigkeit, 43 ist erforderlich, um auch von dieser Seite Erkrankungen, die zur Ertaubung und Gehörbeeinträchtigungen führen können, kurativ therapieren zu können. 44 5. Zusammenfassung In dieser Studie wurde an Hand des Spiralganglien-Zellkulturmodelles das Vorhandensein von nicht-neuronalen Zellen in der Umgebung von Neuriten untersucht. Das Spiralganglienkulturmodell ist ein etabliertes Verfahren zur Untersuchung des ersten Neurones in der Hörbahn in Hinblick auf Entwicklung, Wachstum und schädigende Einflüsse. In dieser Zellkultur finden sich neben den Spiralganglien und deren Neuriten nicht-neuronale Zellen, die bisher nicht untersucht worden sind. Zur Charakterisierung der nicht-neuronalen Zellen wurden die Gliazell-Marker Connexin29, Glial Fibrillary Acidic Protein (GFAP) und S100-Protein verwendet. Die genannten Antikörper sind dafür bekannt, dass sie von Gliazellen produziert werden. Um die nicht-neuronalen Zellen in Abhängigkeit von den neuronalen Zellen beurteilen zu können, wurden Doppelfärbungen mit Anti-Neurofilament (ANF) durchgeführt, welches selektiv Neuriten anfärbt. Die nicht-neuronalen Zellen waren positiv für das S100-Protein, jedoch negativ für Connexin29 und GFAP. Die nicht-neuronalen Zellen hatten eine spindelförmige Morphologie und wiesen Zellausläufer auf. Somit handelt es sich bei den nichtneuronalen Zellen um myelinisierende Schwannzellen. Des Weiteren hatten die nichtneuronalen Zellen ihr Maximum in der Nähe des Spiralganglion-Explantates. Bei der Doppelfärbung mit ANF zeigte sich, dass die nicht-neuronalen Zellen den Neuriten in seinem Verlauf begleiteten und engen Kontakt zu ihm aufnahmen. Nicht-neuronale Zellen waren in Abwesenheit von Neuriten darstellbar, jedoch wurden keine Neuriten ohne nicht-neuronale Zellen nachgewiesen. Die Erkenntnisse über das Migrationsverhalten der nicht-neuronalen Zellen und die Beziehung zu den auswachsenden Neuriten lassen Rückschlüsse für die Regeneration von Spiralganglienneuriten zu. Die klinische Bedeutung ergibt sich durch die so genannte Cochlea-Implantation, bei der ein intakter Hörnerv die Voraussetzung darstellt und der limitierende Faktor bei der Indikationsstellung ist. Eine weitere klinische Bedeutung liegt in den Krankheitsbildern, die auf Grund einer Störung der Myelinisierung durch Schwannzellen beruhen. 45 6. Literaturverzeichnis Ahmed, Z., Brown, R.A. (1999). Adhesion, alignment, and migration of cultured Schwann cells on ultrathin fibronectin fibres. In: Cell motility and the cytoskeleton, 42, 331–343 Aletsee, C., Mullen, L., Kim, D., Pak, K., Brors, D., Dazert, S.,Ryan, A.F. (2001). The disintegrin kistrin inhibits neurite extension from spiral ganglion explants cultured on laminin. 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