Seminar HNO-Heilkunde WS 04/05 „Akute eitrige Gaumenmandelentzündung“ Def.: - Tonsilla palatina ist etwa mandelgroß und mandelförmig - Liegt in der Mandelgrube (fossa tonsillaris) zwischen den beiden Gaumenbögen - Größe variabel, besonders bei Kindern - bei Entzündung kann die stark hypertrophierte Mandel das Schlucken behindern Blutversorgung: reichlich durchblutet! Rr. Tonsillares aus Funktion: A. facialis A. maxillaris A. pharyngea ascendens - Bildung von Lymphozyten, Plasmazellen und Immunglobulinen - über die Krypten enger Kontakt zu Antigenen aus der Mundhöhle - zus. mit lymphat. Rachenring: immunspezifische Schutz- und Abwehrfunktion Ätiopathogenese - bakterielle Infektion (oder Superinfektion bei geschwächter Immunlage) - meist ß-hämolysierende Streptokokken der Serogruppe A - selten: Pneumokokken, Haemophilus influenzae - bei Kindern auch Viren - kommt besonders bei größeren Kindern und jugendlichen Erwachsenen vor - nach der Involution des lymphatischen Gewebes selten à dann meist akute Rezidive einer chronischen Tonsillitis Symptome - plötzlicher Beginn mit Schluckbeschwerden - Zeichen einer Infektion (Kopfschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit) - evtl. Hypersalivation - Stiche ins Ohr beim Schlucken Diagnose à Angina catarrhalis Schwellung und Rötung der Mandel à Angina follicularis Schwellung und Rötung ihrer Follikel - später: Fibrinbeläge als Stippchen und Pfröpfe in den Krypten à Angina lacunaris - bei Pneumokokkenangina: auf die Gaumenbögen übergreifende Beläge - zu Beginn: - Ödeme der Gaumenbögen und des weichen Gaumens - druckdolente Halslymphknoten Differenzialdiagnose: Angina PLAUT-VINCENT = Angina ulceromembranacea - Ulzeration einer Tonsille à einseitige Schluckbeschwerden - im Abstrich Nachweis von Treponema VINCENTII und Fusobacterium nucleatum (diese gehören zur normalen Schleimhautflora à fakultativ pathogen) - Therapie: Auswischen des Ulkus mit Chromsäure oder Antibiotikalösung bei schwerem Verlauf: Penicillin G oder Erythromycin 1 CAVE: bei Ulzeration der Tonsille immer Tonsillenkarzinom durch Biopsie ausschließen! Diphtherie - Infektion verursacht durch das Toxin des Corynebacterium diphtheriae - typisch: weißliche, fibrinöse – bei Berührung leicht blutende – Pseudomembranen über die Tonsillen hinausreichend süßlich riechend! - darüber hinaus finden sich Gaumensegellähmung und Nekrosen - Therapie: bei Verdacht (Reiseanamnese, Impfstatus) Diphtherie-Antitoxin und Penicillin G bei Notfall Tracheotomie Infektiöse Mononukleose (PFEIFFER Drüsenfieber) - generalisierte EPSTEIN-BARR-Viruserkrankung des lymphatischen Gewebes - auch hier: verdickte, gerötete Tonsillen, Fibrinbeläge - darüber hinaus Spleno- und Hepatomegalie (Zeichen der systemischen Infektion) - frische Infektion verläuft meist subklinisch - Diagnose: Antikörper-Suchtest im Serum (PAUL-BUNNELL), Nachweis von EBV - Therapie: meist konservativ (kein Ampicillin wg. Gefahr der Ausbildung eines Exanthems!) bei schwerem Verlauf: Tonsillektomie - Komplikation: lebenslange Persistenz von EBV im Organismus à wahrscheinlich assoziiert mit der Entstehung von Burkitt Lymphomen Therapie - in der Regel heilt die Tonsillitis komplikationslos innerhalb 1-2 Wochen ab A. KONSERVATIV - Bettruhe - Analgetika (z. B. analgetisch wirksame Halstabletten) - Antipyretika (z. B. Paracetamol 1g 3 x tgl. rektal) - Antibiotikum (z. B. Penicillin p.o. oder i.v. 1-2 Mega tägl., mindestens 4 Tage Ampicillin 1g 3 x tgl.) bei Kindern auch: Makrolide - antispetische Mundspülung, warme Halswickel B. OPERATIV - strenge Indikation stellen! (OP-Risiko vs. Nutzen) - Tonsillen wichtig für Aufbau des Immunsystems (Antigenkontakt) bei Kindern < 4 Jahre - nur z.B. bei chron. Tonsillitis, rezidivierenden Anginen oder nicht heilenden Abszessen - bei Patienten mit Herzvitien: Endokarditisprophylaxe! - Tonsillotomie (= Mandelkappungen) obsolet! à Vernarbungen und wenig Nutzen - Tonsille wird halbscharf unter Schonung der beiden Muskeln in den Gaumenbögen herauspräpariert und am Zungengrund mit einer Schlinge abgeschnürt - Komplikation: häufig Blutungen (reichliche Durchblutung, Nähe zu größeren Gefäßen) Globusgefühl: kompensat. Hypertrophie d. Lymphgewebes am Zungengrund 2 Komplikationen - Dyspnoe bei Hypertrophie der Tonsillen - bei unvollständiger Heilung à Peritonsillarabszess (Eiteransammlung im Gewebe) - bei chronischem Verlauf kommt es zur ständigen Bekteriämie à Endo-, Myo-, Perikarditis, rheumatisches Fieber, Nephritis (nach Angina lacunaris immer Urinkontrolle!) - Bildung von Immunkomplexen, hyperergische Reaktionen (z.B. Hautentzündungen) 3