Mundhöhle, Waldeyersche Rachenring I Andreas Dietz Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Universitätsmedizin Leipzig Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Dietz Sektion Phoniatrie und Audiologie Leitung: Prof. Dr. med. Michael Fuchs Vorlesung Anatomie Waldeyerscher Rachenring • Rachenmandel (Adenoide) • Gaumenmandel (Tonsilla palatina) • Zungengrundmandel (Tonsilla lingualis) • Seitenstränge • Rachenhinterwand Lymphfollikel • Bestandteil der systemischen Immunabwehr (Antigenpräsentation) Physiologie Schluckakt Sprachbildung: Resonanzraum Mundhöhle Oropharynx Nasopharynx Immunabwehr Phasen des Schluckaktes: • • • • orale Vorbereitungsphase orale Phase pharyngeale Phase oesophageale Phase individuell 1 – 1,5 s 1s 8 – 20 s Untersuchungsmethoden • Direkte Untersuchung • Indirekte Spiegeluntersuchung • Palpation Entzündungen der Mundhöhle Stomatogingivitis herpetica Herpes simplex Viren (Immunschwäche) •Spülungen •Lokal Virostatikum Aphthosis Ätiologie unbekannt (frgl Genuss von Nüssen, Zitrusfrüchten) • Kamillan/Myrrhe Spülung • Schmerzmedikation Soor Candida albicans, Aspergillus (Immunschäche, Bestrahung) • lokal Antimykotikum ggf systemisch • Schmerzmedikation Sialolithiasis • Gangschlitzung • Steinextraktion • Antibiose • Sialogoga (saure Drops) • Ggf Submandibulektomie Sialolithiasis Entfernung des Speichelsteins mittels eines Fangkörbchens Sialolithiasis extrakorporale Stoßwellenlithotripsie Zungenveränderungen Glossitis • lokale Spülung • ggf Antibiose Lingua plicata • harmlos Haarzunge • Paraneoplastisches Syndrom • Mangelhafte Mundhygiene • Abbürsten Lingua geografica • harmlos Verletzungen der Mundhöhle Verätzung • Kontrolle Oesophagus • Kortikoide • Mundspülung • Schmerzmedikation Penetrierende Verletzung • Naht bei klaffender Wunde Verätzungen Lauge: Kolliquationsnekrose Säuren: Koagulationsnekrosen Medikamentös (ulzerative Ösophagitis) Emeproniumbromid, Kaliumchlorid, Tetracycline, Carbachol, Chinidin, Eisensulfat, Phenylbutazon Zytostatika: 5FU Klassifizierung Grad I Grad II Grad III Schwellung, Rötung, Ödem Ia: örtlich begrenzt Ib: zirkulär Erosionen, flache Geschwüre, Fibrinbeläge tiefgreifende Geschwüre mit hämorrhagischen Wandnekrosen bis zur vollständigen Gangrän Diagnostik, Therapie Sofort: Frühendoskopie, Magensonde Leicht - mittelgradig: große Mengen Flüssigkeit trinken, Wasser, Milch etc. innerhalb 2 Stunden (ggf. Magenspülung) Schwergradig: Schockbehandlung, Intensivtherapie, ggf. Notoperation bei Perforation Nach 8 Tagen: Kontrollösophagoskopie Cave: Ggf. Frühbougierung (bis max 1,5 cm = 45 Char) Adenoide • bei Kindern häufig vergrößert • behinderte Nasenatmung (Facies Adenoidea) • Tubenbelüftungsstörung • Sero- (Muko)tympanon • häufige Infekte • Schwerhörigkeit,Sprachstörung • Müdigkeit, Gedeihstörung Therapie: Adenotomie, Parazentese, Paukendrainage Adenotomie, Parazentese, Paukendrainage Paukendrainage zur langfristigen Belüftung Tonsillenhyperplasie „Kissing Tonsils“ • Atmungsbehinderung • Schluckstörung • Sprachstörung Therapie: Tonsillektomie Chronisch-hyperplastische Tonsillitis Tonsillitis Chronische Tonsillitis Symptome: - rezidivierende Anginen - zeitweilige oder dauernde Halsschmerzen - Foetor ex ore - vergrößerte Lymphknoten an beiden Halsseiten - unklare Symptomatik (Müdigkeit, Erkältungsneigung, Appetitlosigkeit) Pathogenese: - meist Streptokokken bedingt Diagnose: - Anamnese (rezidivierende akute und subakute Tonsillitiden) - Lokalbefund (schlecht luxierbare Tonsillen, Oberfläche zerklüftet); Spateldruck – Austreten von flüssig eitrigem, grau-gelblichem Material (Exprimat), Rötung des vorderen Gaumenbogens, peritonsillärer Druckschmerz, vergrößerte Kieferwinkellymphknoten - Allgemeinbefund, Anamnese, V. a. fokusbedingte Erkrankung, Blutsenkung, Blutbild Tonsillitis Eine chronische Tonsillitis als Focus: - Rheumatisches Fieber - Glomerulonephritis - Eruptive Psoriasis - chronische Urtikaria - entzündliche Erkrankung der Nerven, der Augen und der Gefäße Es handelt sich hier eher um eine klinische Diagnose. Es gibt Befunde, die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Herderkrankung unterstützen (erhöhter Antistreptolysintiter – höher 400) im Rachenabstrich und Krypteninhalt(betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A), leichte Linksverschiebung im Differentialblutbild und erhöhte BSG. Angina lacunaris Tonsillitis Diagnose: - hohes Fieber - Hals- und Schluckschmerzen - Rötung und belegte Tonsillen - Blutbildkontrolle mit Erhöhung der Entzündungsp. - bei V. a. Dyphterie Abstrich - bei V. a. infektiöser Mononukleose Blutbefund Therapie: - allgemeine Ruhe - Analgetika - weiche oder flüssige Kost - hoch dosiertes Penicillinpräparat für 8 Tage 1.4.6.2 Angina (Pharyngitis) lateralis (Seitenstrangangina) Symptome: Therapie: - besondere Beteiligung der sog. Seitenstränge (Plicae tubopharyngicae) – tritt besonders bei tonsillektomierten Patienten auf - wie bei akuter Angina Tonsillitis Angina herpetica (Herpangina) Symptome: - starke allgemeine Krankheitssymptome (hohes Fieber, Kopfschmerz, Halsschmerzen, Appetitlosigkeit) - vorwiegend Kinder bis zum 15. Lebensjahr - initiale Bläschenbildung, besonders am vorderen Gaumenbogen Pathogenese: - Herpesviren (Inkubation 4 – 6 Tage) Therapie: - Mundpflege Tonsillitis Scharlachangina Symptome: - tief rote Tonsillen und Rachenschleimhaut - Schluckschmerzen - schweres Krankheitsgefühl - Inkubationszeit 3 – 5 Tage - Himbeerzunge Diagnose: - Rötung und Schwellung der Gaumenmandel - Himbeerzunge - kleinfleckiges Erythem des weichen Gaumens DD.: - Diphterie Therapie: - Penicillin - Mundpflege Tonsillitis Diphterie Symptome: - Temperatur um 38 Grad Celsius - leichte Schluckbeschwerden - hoher Puls - Tonsillen mäßig gerötet und geschwollen mit weißlichen bis grau-samtartigen Belägen, die die Tonsillen überschreiten - pseudomembranöse Beläge – beim Abwischen Blutung - süßlicher charakteristischer Mundgeruch (Aceton) - Erreger – Corynebakterien - Inkubation 3 – 5 Tage Diagnose: - bakteriologischer Abstrich (Nativpräparat Ergebnis innerhalb 1 Stunde) - bakteriologische Kultur Ergebnis frühestens nach 10 Stunden - Erregerisolierg. Diagnosesicherung in 2 – 8 Stunden - charakteristische Beläge über die Tonsillen hinausgehend und auf der Unterlagen fest haftend Tonsillitis DD.: - Angina Plaut-Vincent - banale Angina (Beläge auf die Tonsille beschränkt) - infektiöse Mononukleose (Beläge auf die Tonsille beschränkt) - Soor - Agranulocytose - Leukämie - Lues Therapie: - bei begründetem Diphterieverdacht frühestmöglich Antiserum - Antibiotikaschutz - Bettruhe - symptomatische Therapie Tonsillitis Streptokokkenangina • Schmerzen • Allg. Krankheitsgefühl • Fieber • Antibiose • Schmerzmedikation • TE wenn > 3 –4/Jahr Mononukleose (Pfeiffer´sches Drüsenfieber,Kissing disease) • EBV Infektion • Im BB Lymphozytose • Übertragung durch Kuß • ausgeprägte Lymphknotenschwellung • Milz- und Leberschwellung • Antibiose (keine Aminopenicilline) • Schmerzmedikation • ggf „heiße TE“ Monozytenangina Monozytenangina bei Pfeifferschem Drüsenfiber Monozytenangina Infektiöse Mononukleose Symptome: - Fieber - LKS - stark geschwollene, mit Belägen bedeckte Gaumenmandeln, die auf die Gaumenmandeln beschränkt sind - Rhinopharyngitis - starkes Krankheitsgefühl (Kopf- und Gliederschmerz) - Erreger: Epstein-Barr-Virus? - Inkubationszeit 7 – 9 Tage Diagnose: - Lymphknotenschwellung und Angina - charakteristisches Blutbild (häufig Leukopenie und Anstieg der Monozyten) - Schnelltest DD.: - Diphterie - Angina Plaut-Vincent - Scharlach usw. Therapie: - symptomatisch(Mundpflege und fiebersenkende Maßnahmen) - Doxycyclin Angina Plaut-Vincent Tonsillitis Angina Plaut-Vincent (Angina ulceromembranacea) Symptome: - einseitige Schluckschmerzen - homolaterale Schwellung der Kieferwinkellymphknoten - ggf. Ulcus auf der Tonsille mit weißlichem Belag - Foetor ex ore - meist kein Fieber - Belag leicht abwischbar - Übergreifen der Beläge auf Gaumen, Wange und Zahnfleisch möglich - Erreger: Spirillen und fusiforme Stäbchen Diagnose: - typischer, meist einseitiger Tonsillenbefund und einseitige Lymphknotenschwellung sowie Abwischbarkeit der Beläge ohne Blutung - Penicillin für 5 Tage Therapie: Tonsillitis Soor Symptome: - weiße oberflächliche abwischbare, stippchenförmige Auflagerungen mit gering gerötetem Rand Therapie: - Antimykotika Tonsillitis Therapie: - Tonsillektomie Absolute Indikation für eine Tonsillektomie: - chronische Tonsillitis - rezidivierende Anginen - Peritonsillarabszess - tonsillogene Sepsis - V. a. tonsillogenes Herdgeschehen - starke mechanisch, erheblich behinderte Hyperplasie der Gaumenmandel (außer bei Kindern bis zum 8. Lebensjahr, dort bei fehlender Angina-Anamnese – Tonsillotomie - als PE bei V. a. Tumorgeschehen Tonsillektomie Komplikationen bei und nach Angina tonsillares Postanginöse Komplikationen: - rheumatisches Fieber - Endo-, Myo- und Perikarditis - akute Glomerulonephritis Lokale Komplikationen: - Peritonsillarabszess Symptome: - oft mit mehrtägigem beschwerdefreien Intervall nach Angina, rasch zunehmende Schluckbeschwerden - Schmerzen zum Ohr ausstrahlend - Kieferklemme - klossige Sprache - rasche Ausbildung eines schweren Krankheitsbildes - hohes Fieber Komplikationen der Tonsillitis Peritonsillarabszeß • „heiße TE“ • i.v. Antibiose Parapharyngealabszeß • Spaltung und Drainage ggf von außen • i.v. Antibiose Gefahr der Mediastinitis und Sepsis !!! Halsabszeß • Rötung • Erwärmung • Leukozytose • Herdsuche • Bildgebung • Spaltung von außen • i.v. Antibiose Sonderform: •Nekrotisierende Fasziitis Man unterscheidet nach den auslösenden Erregern: nekrotisierende Fasziitis Typ 1: ausgelöst durch aerobanaerobe Mischinfektion, vor allem nach chirurgischen Eingriffen. nekrotisierende Fasziitis Typ 2: ausgelöst durch Streptokokken der Gruppe A Komplikationen der Tonsillektomie • Verletzung von Halsgefäßen (A. carotis ext und int.) • Nachblutung (jährlich versterben in Deutschland 10 –20 Patienten an einer TE Nachblutung) • Geschmackstörung • Schluckstörung (hinterer Gaumenbogen)