82 arznei-telegramm 9/91 GERMANIUM-WELLE IN DEUTSCHLAND? Das von mir und einigen Bekannten eingenommene Präparat ORGANIC GERMANIUM, das angeblich nach den strengen Maßstäben des japanischen Ministeriums für Volksgesundheit hergestellt wird, wird als nicht toxisch und nicht gesundheitsschädlich bezeichnet (Beipackzettel)... Die Anwendung dieses Mittels (35 mg/Tag) hat bei mir und meinen Bekannten bei starken rheumatischen Beschwerden teilweise gute therapeutische Erfolge erzielt. Nebenwirkungen sind nach 60 Tagen (2 Packungen) bisher nicht aufgetreten. Hinweise zu Nutzen und Risiken wären hilfreich. NN (Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt) Germanium-haltige Präparate (Oxide bzw. organische Verbindungen) sind in Deutschland nicht zugelassen, werden jedoch offensichtlich beworben. Somit scheint nach einem „Germanium-Boom” in den 70er Jahren in Japan und Ende der 80er Jahre in England nun auch in Deutschland die Nachfrage zu steigen. Das erst vor 100 Jahren entdeckte Metall mit Halbleitereigenschaften gehört nicht zu den lebenswichtigen essentiellen Spurenelementen. Die tägliche Aufnahme mit der Nahrung beträgt rund 1 mg. Vergleichsweise hochdosierte Germanium-haltige Präparate werden zur Stärkung des Immunsystems und gegen chronische Erkrankungen wie Krebs, Osteoporose, Arthritis und AIDS angepriesen. Wissenschaftliche Belege für den Nutzen bei diesen Indikationen fehlen.1 Vor der Verwendung hoher Dosen warnten das Britische und Schweizer Arzneimittelkomitee.2 Nach Einnahme von 12 - 250 mg/Tag über 4 bis 36 Monate werden irreversible Nierenfunktionsstörungen beschrieben, die auf direkter toxischer Schädigung der Tubuluszellen zu beruhen scheinen.1,3 Zellnekrosen, die mit Germanium-Anreicherung einhergehen, finden sich auch in Myokard- und Muskelfaserzellen.1 Die NutzenRisiko-Bewertung für Germanium-Präparate ist somit eindeutig negativ (–Red.). 1 2 3 PERUCHE, B. et al.: Pharm. Ztg. 39 (1990), 2562 Scrip 1548 (1990), 30 van der SPOEL, J. E.: Lancet 336 (1990), 117; STRICKER, B. H. CH.: Lancet 337 (1991), 864 HEPARINPROPHYLAXE IN GRAVIDITÄT Eine Schwangere (26. Woche) mit Zustand nach oberflächlicher Thrombophlebitis bei Status varicosis wurde über das hiesige Krankenhaus wegen einer oberflächlichen Venenentzündung auf einmal täglich 7.500 IE Heparin s. c. eingestellt. Ist diese Medikation bei Unsicherheit des Heparins in Bezug auf mögliches BSE-Infektionsrisiko gerechtfertigt? Dr. G. SCHREMPF (Ärztin für Allgemeinmedizin) W-2121 Barnstedt Heparin gilt gegenüber Cumarinderivaten als bevorzugt anzuwendendes Antikoagulans in der Schwangerschaft. Nach Ausschluß mütterlicher Erkrankungen wie Glomerulonephritis, Plazentainsuffizienz und Präeklampsie fanden sich fetale Risiken einer Heparintherapie wie Abort, Unreife, kongenitale Mißbildungen und Totgeburten nicht häufiger als in der Normalbevölkerung.1,2 Unerwünschte Wirkungen bei der Mutter sind Blutungen und Osteoporose nach Langzeittherapie. Die genannte Heparindosis von täglich einmal 7.500 IE subkutan reicht zur Thromboembolie-Prophylaxe nicht aus. Normalgewichtige Patienten sollten täglich 2 x 5.000 IE Heparin erhalten. Darüber hinaus erscheint die Indikationsstellung zweifelhaft. Zustand nach oberflächlicher Thrombophlebitis bei Status varicosis gilt nicht als Indikation für eine längerfristige Heparinisierung. Ein Nutzen dieser Behandlung ist bei der angewendeten Dosierung klinisch nicht belegt. Dies ist bei der Nutzen/Risiko-Abwägung zu berücksichtigen. Bei fehlendem Nachweis eines therapeutischen Nutzens überwiegt das theoretisch gegebene BSE-Infektionsrisiko (vgl. a-t 1 [1991], 2 ; Red.). 1 2 GINSBERG, J. S. et al.: Thromb. Haemost. 61 (1989), 197 GINSBERG, J. S. et al.: Arch. Intern. Med. 149 (1989), 2233 PROBLEME NACH PRODUKTUMSTELLUNG VON XYLOCAIN-SPRAY? Die Firma Astra hat die Zusammensetzung des frigenhaltigen XYLOCAIN Sprays zur Oberflächenanaesthesie umgestellt. Der neue Pumpmechanismus ist im Gebrauch unsicher und schlechter als der frühere. Innerhalb von 3 Wochen kam es in meiner Praxis zum ambulanten Operieren bei 2 kleinen Kindern (3 und 4 Jahre alt), die zur Zahnsanierung in Intubationsnarkose anstanden, postanaesthesiologisch – nach Extubation – zu Larynxreizungen, vielleicht auch Ödembildungen. Beide Kinder mußten stationär in das hiesige Krankenhaus eingewiesen werden. Sie wurden mit Micronephrin-Inhalationen therapiert. Ein Kind wurde nach 2 Tagen und 1 Kind nach 5 Std. entlassen... Dr. E. BERTLING (Anästhesistin) W-8200 Rosenheim Während der XYLOCAIN-Spray Lidocain-Base enthielt (leicht ölig), enthält der Pumpspray Lidocain-Hydrochlorid, d.h. Lidocain in der gleichen Form, wie es in den Injektionslösungen vorliegt. Der Alkoholgehalt ist etwas höher. Aus diesem Grunde konnte auf eine weitere Konservierung durch Cetylpyridiniumchlorid verzichtet werden. Im Gegensatz zum XYLOCAIN-Spray enthält XYLOCAIN-Pumpspray Wasser. Wir gehen davon aus, daß die wässerige Lösung im Blick auf die Vermeidung von Reizungen der Schleimhaut noch günstiger ist als die wasserfreie Zubereitung von XYLOCAIN-Spray, denn beim XYLOCAIN-Spray war das entsprechende Volumen durch die Treibmittel ausgefüllt, die sich beim Aufsprühen sofort verflüchtigt haben... ASTRA Chemicals W-2000 Wedel BLISTERPACKUNGEN MIT HANDICAP? Parkinsonkranke haben Schwierigkeiten mit der Motorik und oft auch damit, Tabletten aus den vielfach sperrigen Blisterpackungen zu drücken. Warum kann man z. B. NACOM Tabl. nicht ebenso in Glas verpackt liefern wie das identische Präparat SINEMET Depot in Schweden? G. PORALLA (Apothekerin) W-7403 Ammerbuch 1 MAKROLID CLARITHROMYCIN (CYLLIND, KLACID) ZUR 5-TAGESTHERAPIE? Bei dem neuen Antibiotikum Clarithromycin (KLACID) erscheint mir besonders fraglich, ob die Angaben der Pharmareferenten der Firma stimmen, daß beispielsweise in praktisch allen Fällen einer Bronchitis und der Exazerbation einer chronischen Bronchitis eine 5-Tages-Therapie mit KLACID als voll ausreichend betrachtet werden kann. Dies ist das Hauptwerbeargument der Firma Abbott. Dr. med. Ch. KÖNIG W-3587 Borken Die beiden Hersteller des neuen Antibiotikums Clarithromycin (Abbott und Lipha) behaupten, das Makrolid führe bereits nach fünf Tagen in 90% zu einem Behandlungserfolg. In der Werbung für CYLLIND heißt es unter anderem: Therapieerfolg bei Pneumonie 100%, bei Tonsillitis 99,2%, bei Tracheitis 95,3% usw. Bei einem Blick in die Studienunterlagen der Praxisprüfung (720 Patienten in 110 Praxen) stellt man fest, daß echte klinische Heilung und lediglich klinische Besserung in einen Topf geworfen werden. Tatsächlich wurden nämlich bei Pneumonie durch 5tägige Therapie nur 52,6%, bei Pharyngitis nur 78,4% und bei Tonsillitis nur 86,1% geheilt, bei den restlichen Patienten blieb die Infektion bestehen und wurde lediglich klinisch gebessert. Dies nützt dem Patienten wenig. Die Infektion besteht schließlich weiter und muß mit einem anderen Antibiotikum bis zur vollständigen Heilung behandelt werden. 122 Patienten mit Tonsillitis und 111 Patienten mit Pharyngitis wurden nur 5 Tage lang behandelt, obwohl man weiß, daß die meisten dieser Erkrankungen durch Viren bedingt sind, und somit eine Antibiotikatherapie überflüssig ist. Wenn aber Bakterien die Erkrankungen verursachen, handelt es sich meist um beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, bei denen jede Antibiotikatherapie 10 Tage dauern muß. Eine 5tägige Antibiotikatherapie erscheint als Kunstfehler. Bei diesem Studiendesign ging es wohl lediglich darum, einen Therapieerfolg des neuen Makrolids innerhalb von nur 5 Tagen nachzuweisen. Bewußt wurde