Tiere – Staatsbürger Einwohner Souveräne? Überlegungen zur poli.schen Tierrechtstheorie von Donaldson und Kymlicka in „Zoopolis“ TEIL I REKONSTRUKTION Vortrag, Ethik Forum Köln am 10. Mai 2016 Prof. Dr. Wulf Kellerwessel Allgemeine Einordnung und Charakterisierung • Tierrechtstheorie, nicht Tierschutz • Poli+sche Theorie, nicht Tierethik • Tierrechte: Leben, Freiheit von Qual, Bewegungsfreiheit etc. • PoliJsche Rechte der Tiere: nach Status – wie bei den Menschen Staatsbürger Einwohner Souveräne/Staatsbürger anderer Staaten bzw. Territorien 2 Aufbau des Vortrags • Einleitung: Ausgangspunkte und Grundidee • Tiere als Staatsbürger, Bewohner, Souveräne • HausJere • SchwellenbereichsJere • WildJere • KriJsche Diskussionen (einzelner Aspekte) TEIL II – NICHT ENTHALTEN 3 Ausgangspunkte Lage für WildJere bedroht: Habitatsverluste MassenJerhaltung: 56 Mrd. Tiertötungen für Nahrungszwecke Tierversuche PelzJerhaltung 4 Ausgangspunkte Trotz vereinzelter Erfolge der Tierschutzbewegung (Reservate, gesetzliche Regelungen zur Haltung, Transport und Schlachtung): Neuanfang sei nöJg Tierrechte, und zwar nicht nur – wie bisher in Verbindung mit Pflichten für Menschen – negaJver Art, sondern auch posiJver Art je nach Mensch-­‐Tier-­‐RelaJonen Entscheidender Begriff: „Staatsbürgerschac“ (generiert eigene Rechte und Pflichten, vgl. 37 f). 5 Grundidee • WildJere: eigene Gemeinschacen, eigene Territorien „souveräne Gemeinschacen“ -­‐ nicht zu kolonialisieren • SchwellenbereichsJere (wie Kulturfolger): Migranten, Einwohner -­‐ Niederlassungsrecht • HausJere, domesJziert: Vollbürger des je eigenen Gemeinwesens -­‐ Interdependenz mit Menschen, entsprechende Rechte und Pflichten (vgl. 39 f) Folge: HausJere haben mehr Rechte und Pflichten als SchwellenbereichsJere 6 Tiere – Selbstheit – Rechte • „Tiere“ umfasst „alle Tiere mit Bewusstsein bzw. Empfindungsvermögen“ Rechtssubjekte, unverletzliche Rechte (vgl. 47, 77) Schutz vor „Tötung, Versklavung, Folterung, Einkerkerung“ (48) (unverletzliche Rechte ≠ absolute Rechte, d.h. bei Rechtskonflikt durch höhere Rechte übertrumpjar; 49, z.B. Notwehr, Gefahrenabwehr, vgl. 99, 101) „selbst“, erfahren das eigene Leben auf subjekJve Art und Weise (vgl. 59) „Verletzliches Selbst“ (vgl. 61) InterakJonsfähigkeit, Bewusstsein (vgl. 77) (vermeidet Probleme mit Personenbegriff vermeidet Spezieismus -­‐ Tiere nicht zu Zwecken des Menschen auf Erde (vgl. 97) 7 Haustiere - Pflichten -­‐ „Vielmehr haben sie ihre eigene subjekJve Existenz und folglich ihre eigenen gleichen und unverletzlichen Rechte auf Leben und Freiheit“ (97) Verbote für Menschen Warum sollen Haus0ere Pflichten haben gegenüber Menschen und anderen Tieren? „Es besteht das PotenJal zu einer intersubjekJven Beziehung und damit zu verschiedenen Arten von moralischen Pflichten“ (92) 8 Staatsbürgerschaft für Tiere Grundidee: Modell der StaatsbürgerschaK auf Tiere übertragen Mitbürger • Haus.ere • Nutz.ere Einwohner ohne StaatsbürgerschaK • Schwellenbereichs.ere Bewohner eigener Territorien • Wild.ere 9 Staatsbürger – Einwohner, Ausländer – Staatsbürger • Umfassendste Rechte • Insbesondere freier Zugang zum eigenen Staat • PoliJsche Rechte Vollumfängliche Menschenrechte Einwohner (Touristen, Studierende, GeschäKsleute, vor-­‐ übergehend Arbeiter) • Eingeschränktere Rechte • Zugangserlaubnisse • Niederlassung Vollumfängliche Menschenrechte Souverän Bürger anderer Staaten ohne Aufenthalt im Ausland • Eigenes Rechtssystem Vollumfängliche Menschenrechte 10 Tiere als Staatsbürger – auszuräumende Bedenken Staatsbürgerschac: Nebenbedeutung schwinge mit: „akJve poliJsche Beteiligung“ (127) auf den ersten Blick: Tiere dazu unfähig (vgl. 127) aber: akJve Staatsbürgerschac nur „ein Aspekt“ (128) Staatsangehörigkeit Aufenthaltsrecht Volkssouveränität PoliJsche Handlungsfähigkeit letztere für Alltag oc zentral, passt nicht zu Tieren (vgl. 131) aber: schlösse auch Kinder und stark geisJg Behinderte aus (vgl. 132) nicht aber Tourist oder vergleichbare Personen: PoliJsche Handlungsfähigkeit nicht entscheidend und: Tiere seien poliJsch handlungsfähig (vgl. 134); alle staatsbürgerlichen FunkJonen gelten im Grunde auch für Tiere (vgl. 142) 11 Relevante Rela.onen DomesJzierte Tiere InJmität Nähe: wohnen von Menschen in Gesellschac eingeführt selben Gebiet, derselben InsJtuJon unterworfen Menschen Gewisse Nähe nicht absichtlich von Menschen in Gesellschac eingeführt Schwellenbereichs-­‐ Menschen Jere Wildlebende Tiere Menschen Eigenes Territorium Keine enge Beziehung 12 Tiere nicht nur WildJere oder Freie Wildbahn HausJere NutzJere VersuchssJere Zoo ForschungsstaJonen (klassische Tierrechtstheorie: In Ruhe lassen) viele Interak0onen wenig Interak0on sondern auch DomesJzierte Tiere SchwellenbereichsJere nicht domesJziert gewisse Abhängigkeit von Menschen gewisse Interdependenz einige Interak0on 13 Einteilung Lebewesen heute Nicht-­‐Bürger empfindungsfähige Tiere Bürger geis.g schwerbehinderte Menschen nicht geis.g schwerbehinderte Menschen Grenze: Speziesgrenze 14 Einteilung nach Donaldson und Kymlicka Fremde Einwohner Bürger anderer Staaten, außerhalb des Staatsgebietes Flüchtlinge, Gäste WildJere Schwellen-­‐ bereichsJere HausJere Grenzen: nicht nach Spezies, sondern RelaJonen Bürger geisJge schwerbehinderte Bürger nicht geisJg schwerbehinderte Bürger HausJere: haben Wohl, können dies ausdrücken = wie geisJg können Beziehungen ausbilden und soziale Normen einhalten schwer Behinderte bei Gestaltung von Bedingungen mitwirken (vgl. 231 f.) 15 Pflichten gegenüber Tieren Wild.ere : Habitatschutz, negaJve Pflichten einzelne Hilfspflichten Schwellenbereichs.ere: nur negaJve Pflichten, da nicht auf Menschen angewiesen (Fuser, Aufenthaltsort) Haus.ere: Angehörige der Gesellschac als Staatsbürger behandeln: Einwohner, Zugehörigkeit (Interessenbeachtung), Wohlbefinden, poliJsche ParJzipaJon durch Präsenz (vgl. 249 ff) auf Menschen angewiesen: Nahrung, Aufenthaltsort, DomesJzierung Abhängigkeit posiJve und negaJve Pflichten, gewisse Nutzung gestaset (gegenseiJge Vorteile) (gegen AboliJonismus) 16 Haustiere als Staatsbürger Basale SozialisaJon -­‐ Tiere haben Anspruch darauf Freizügigkeit und gemeinsamer öffentlicher Raum (gewisses Maß an Bewegungsfreiheit), Anspruch auf Nutzung des Raumes Schutzpflichten – gegenüber Menschen und/oder Tieren sowie weitere Bedrohungen (wie z. B. Krankheiten) Nutzung Jerischer Produkte und Dienste, keine Ausbeutung; Nutzbar: Wolle, Eier Nutzung der Arbeitskrac von Tieren (Hunde, Pferde – Ausbeutung ist zu vermeiden) medizinische Versorgung – aber nicht zur „Verschönerung“, nur zum Nutzen des Tieres Sexualität und Fortpflanzung – Einschränkungen zulässig, aber begründungspflichJg RaubJerverhalten eindämmen bzw. verhindern), Ernährung PoliJsche Vertretung: Tieranwälte 17 Wildlebende Tiere Mitbürgerschac weder wünschenswert noch realisierbar; Tiere ohne Interesse an Bürgerstatus oder an Kontakt mit Menschen; eigene Territorien belassen, souveräne Gemeinschacen -­‐ Tötungen, Verletzungen, Entührungen – Schutz vor Übergriffen durch Menschen Nichtschädigungsgebot negaJve Pflichten für Menschen keine allgemeine Hilfspflicht -­‐ Habitatverlust: Habitate bewahren, keine Vertreibungen, keine AnnekJerungen Souveränitätsrechte für Tiere, Selbstgestaltung stas Fremdregierung, Autonomie, legiJme Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung 18 Wildlebende Tiere -­‐ Territoriale Integrität: OrienJerung am Gegenwartsstand -­‐ Folgeschäden (durch Infrastrukturmaßnahmen z. B. ): Schadensbegrenzungen vorsehen, von Menschen verletzten Tieren helfen, gegebenenfalls versorgen -­‐ PosiJve Eingriffe: Beistandsleistungen -­‐ Problem: Überschneidungen der Territorien, Wanderungsbewegungen wilder Tiere 19 Schwellenbereichstiere SchwellenbereichsJere sind: Kulturfolger, Tiere, die in Städte ziehen, verwilderte heimische Tiere und verwilderte Exoten ohne eigenes Territorium wie wildlebende Tiere, ohne Interesse an Bürgerstatus bzw. Kontakt mit Menschen Präsenz legiJm (außer: gefährliche Tierarten) Aufenthalt ermöglichen Notwehr zulässig nicht domesJziert keine Mitbürger (keine KooperaJon, keine KommunikaJon) 20 Schwellenbereichstiere Einwohner weniger Rechte und Pflichten als domesJzierte Tiere gegebenenfalls: Einwanderung steuern – unter Wahrung grundlegender Rechte (vgl. 504 f.), viele Tiere nicht umsiedelbar SozialisaJon oc nicht möglich Freiheitswahrung Aufenthaltssicherheit Faire Bedingungen der Reziprozität: keine Eingriffe in Räuber-­‐Beute-­‐Beziehungen (Freiheit & Risiko → keine allgemeinen Hilfspflichten) „minimalisJsche […] InterakJon“ (540) gegebenenfalls: PopulaJon regulieren, Eigentum schützen (z. B. gegen Mäuse) ENDE TEIL I 21