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Klinische Studie
Die Behandlung periokulärer Basalzellkarzinome mit Vismodegib
Vismodegib Therapy for Periocular Basal Cell Carcinoma
Autoren
Patienten und Methoden In einer retrospektiven Studie wurden die
M. Keserü, S. Green, S. Dulz
Behandlungsdaten von insgesamt 4 Patienten mit periorbitalem BCC
analysiert, die mit Vismodegib behandelt worden waren. Die Patienten
Institut
waren zu Therapiebeginn im Mittel 87 Jahre alt. Die maximale Tumor-
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum
größe zu Behandlungsbeginn war im Mittel 22,0 mm.
Hamburg-Eppendorf
Ergebnisse Das mediane Follow-up betrug 17 Monate. Die mediane
Lider, plastische Chirurgie, Orbita, Basalzellkarzinom, Vismodegib
Behandlungsdauer war 7,5 Monate. In 75 % konnte eine vollständige
klinische Remission erreicht werden. In 25 % war eine zwischenzeitliche
Größenstabilisierung erzielbar. Die häufigste beobachtete Nebenwir-
Key words
kung waren Muskelkrämpfe.
lids, plastic surgery, orbit, basal cell carcinoma, vismodegib
Schlussfolgerungen Vismodegib bietet eine effektive Behandlungsalternative für Patienten mit periorbitalen BCC, die aus verschiedenen
eingereicht 9. 11. 2016
akzeptiert
Gründen nicht für eine operative Behandlung infrage kommen.
14. 11. 2016
Bibliografie
A B S T R AC T
DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-121606
Background Basal cell carcinoma (BCC) is the commonest periorbital
Klin Monatsbl Augenheilkd 2017; 234: 64–69 © Georg Thieme
tumour. Mohsʼ micrographic surgery and secondary reconstruction is
Verlag KG Stuttgart · New York | ISSN 0023-2165
the therapeutic gold standard for periorbital BCC. In cases of inoperability for any reason, therapeutic alternatives are needed. Since the
Korrespondenzadresse
approval of vismodegib, an orally administered, targeted BCC therapy
Dr. Matthias Keserü
is available. Nevertheless there is little information on the use of
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum
vismodegib for periorbital BCC.
Hamburg-Eppendorf
Patients and Methods In a retrospective study, we analysed the data
Martinistraße 52, 20251 Hamburg
of 4 patients treated with vismodegib since 2014. The patientsʼ mean
Tel.: + 49/(0) 40/74 10-5 23 01, Fax: + 49/(0) 40/74 10-5 49 06
age before starting therapy was 87 years. The mean maximum tumour
[email protected]
diameter was 22.0 mm.
ZU SA MMENFAS SUNG
duration was 7.5 months. In 75 % of patients, complete clinical remis-
Hintergrund Basalzellkarzinome (BCC) zählen zu den häufigsten
sion of BCC was achieved. In 25 % of patients, interim stabilisation of
periorbitalen Tumoren. Der Goldstandard der Behandlung ist eine his-
tumour growth was possible. The most common side effect of therapy
tologisch gesicherte R0-Resektion des Tumors mit anschließender Re-
was muscle spasm.
Results The median follow-up was 17 months. The median treatment
konstruktion der periorbitalen Region. Bei weit fortgeschrittenen Be-
Conclusion Vismodegib is an effective treatment option for patients
funden oder inoperablen Patienten sind alternative Therapiestrategien
with periorbital BCC, in whom surgical treatment is not possible for any
erforderlich. Seit der Zulassung von Vismodegib steht auch eine orale
reason.
Therapie zur Behandlung des BCC zur Verfügung. Für den Einsatz bei
periorbitalen BCC stehen jedoch noch wenige Daten zur Verfügung.
Einleitung
Das Basalzellkarzinom (BCC) stellt mit bis zu 96 % aller Augenlidtumoren die weltweit häufigste periokuläre Malignität dar. Seltener kommt es an den Augenlidern zur Ausbildung von Plattenepithelkarzinomen, Talgdrüsenkarzinomen und malignen Melanomen [1, 2]. Das ultraviolette Licht stellt den wichtigsten Risikofaktor in der Pathogenese des BCC dar. Weit fortgeschrittene BCC
sind mit einer deutlich schlechteren Prognose hinsichtlich vollständiger Resezierbarkeit und Rezidivfreiheit nach Resektion behaftet. Die vollständige chirurgische Resektion mit anschließen-
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der Rekonstruktion stellt den Goldstandard in der kurativen Behandlung des fortgeschrittenen BCC dar.
Die Radiotherapie als sekundäre Therapieoption ist insbesondere in Fällen von ausgedehnten periorbitalen, primär nicht operablen BCC eine wichtige Alternative, die jedoch eine Vielzahl von
Nebenwirkungen in sich birgt, wie bspw. Pigmentstörungen, kontraktile Narben, Keratokonjunktivitis sicca oder Strikturen des
Ductus nasolacrimalis. Seltener werden Weichteil-/Knochennekrosen sowie narbige Lidfehlstellungen angegeben [3].
Eine weitere Behandlungsoption ist eine lokale Kryotherapie,
die jedoch nur für kleinere Tumoren, bei denen eine Resektion
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Schlüsselwörter
▶ Tab. 1 Demografische Daten des Patientenkollektivs.
Patient
Alter (Jahre)
Geschlecht
Tumorlokalisation
max. Tumordurchmesser (mm)
1
94
w
laterales Unterlid
16
2
78
m
nasales Unterlid
23
3
95
w
laterales Unterlid
14
4
81
w
Orbita
35
Mittelwert
87,0
22,0
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auch für Männer unter Therapie, die auf eine Kondompflicht unter
Therapie hingewiesen werden müssen.
Zur Behandlung periorbitaler BCC mit Vismodegib existieren in
der Literatur bisher nur wenige lokalisationsspezifische Daten.
Patienten und Methoden
Die Daten von insgesamt 4 Patienten mit periokulärem BCC, die
seit 2014 in der okuloplastischen Sprechstunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf mit Vismodegib behandelt wurden, wurden retrospektiv anhand der Patientenakten erhoben
und ausgewertet. Die Patienten waren im Mittel zu Therapiebeginn 87,0 Jahre alt (78–95 Jahre). Zwei Tumoren betrafen das
laterale Unterlid, ein Tumor das mediale Unterlid, ein Tumor die
inferiore Orbita. Der maximale Tumordurchmesser vor Therapiebeginn war im Mittel 22,0 mm (s. ▶ Tab. 1).
Patient 1
Eine 94-jährige Patientin stellte sich mit einer breitbasigen, großflächig ulzerierenden Läsion des linken, lateralen Unterlids vor, die
über den lateralen Lidwinkel auf das Oberlid, tarsal auf die bulbäre
Konjunktiva und an die laterale Orbitakante heranwuchs
(▶ Abb. 1 a). Außerdem zeigte sich eine noduläre Läsion mit Madarosis am kontralateralen Oberlid. Die Verdachtsdiagnose eines
BCC wurde an beiden Stellen mittels Biopsie gesichert. Da operative Maßnahmen an beiden Augen aufgrund des hohen Alters und
der eingeschränkten Narkosefähigkeit von den betreuenden Kindern der Patientin ausdrücklich nicht gewünscht wurde und auch
eine Bestrahlung abgelehnt wurde, entschieden wir uns zur Einleitung einer Therapie mit Vismodegib (150 mg tgl.).
Bereits nach 2 Monaten Therapie konnte eine deutliche Regression des BCC verzeichnet werden (▶ Abb. 1 b). Nach 4 Monaten Therapie war der Befund klinisch komplett in Remission
(▶ Abb. 1 c). Aufgrund zunehmender Nebenwirkungen (Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme) wurde die Therapie zu diesem Zeitpunkt vorerst abgesetzt. Nach 7 Monaten ohne Therapie zeigte
sich jedoch ein Rezidiv mit erneuter Tumorprogression am lateralen und nasalen Rand der alten Läsion (▶ Abb. 1 d), sodass erneut
für weitere 4 Monate behandelt wurde. Nach weiteren 7 Monaten
Therapiepause wurde ein erneut 3-monatiger Therapiezyklus erforderlich. Das Follow-up der Patientin beträgt insgesamt 26 Monate. Der Tumor ist zum Ende des Follow-ups in Remission.
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aus bestimmten Gründen nicht möglich oder nicht erwünscht ist,
reserviert bleibt.
Eine konventionelle Chemotherapie als palliative oder adjuvante, strahlentherapiebegleitende Therapie konnte keine verbesserte Überlebenszeit nachweisen. Es zeigte sich, dass eine Cisplatinbasierte Polychemotherapie die effektivsten Ergebnisse lieferte,
jedoch die Handhabung aufgrund der renalen und hämatologischen Nebenwirkungen limitiert ist [4, 5].
Vismodegib (GDC-0449, Erivedge®; Genentech USA, Inc., San
Francisco, CA, USA) ist das erste FDA- und EMA-zugelassene (FDA:
Food and Drug Administration, USA; EMA: Europäische Arzneimittel-Agentur) orale Medikament zur Behandlung des fortgeschrittenen BCC. Vismodegib ist ein Wirkstoff, der die veränderte HhSignalkaskade (Hh: Hedgehog) beim BCC effektiv inhibieren kann
[6, 7]. Der Hh-Signalweg spielt eine wichtige Rolle bei der zellulären Differenzierung und Proliferation. Der Rezeptorkomplex, bestehend aus Smoothened (SMO) und Patched 1 (PTCH1), ist unter
physiologischen Bedingungen inhibiert, da lediglich in der Telophase der Zellteilung es zu einer Hh-Liganden-Stimulation und
dem Verlust der Inhibierung von SMO kommt. Eine Mutation und
onkogene Aktivierung in einem dieser Rezeptormoleküle (PTCH1,
SMO) führt zur Aktivierung von zellulären Genen, die eine Proliferation der Zelle und ein Tumorwachstum propagieren. In Plattenepithelzellen führt dies zur epidermalen Hyerplasie, unkontrolliertem Basalzellwachstum und schlussendlich zum BCC. Eine PTCHMutation konnte in 90 % der BCC und eine SMO-Mutation in ca.
10 % aller BCC nachgewiesen werden [8]. Vismodegib bindet
selektiv an SMO und verhindert dadurch die Transkription von
Genen des Hh-Signalwegs und somit die Proliferation von Tumorzellen [9].
Die klinische Phase-II-Studie (ERIVANCE BCC), bei der 104 Patienten hinsichtlich der Effektivität von Vismodegib untersucht
wurden, zeigte eine Ansprechrate von 30 % bei metastatischen
BCC (95 %-Konfidenzintervall [KI] = 16–48 %; p = 0,001) bzw. 43 %
bei lokal fortgeschrittenen BCC (95 %-KI = 31–56 %; p < 0,001).
Bei 13 Patienten konnte eine komplette Remission des Tumors
nachgewiesen werden [10].
Chang et al. [11] konnten in einer weiteren multizentrischen
Studie mit 119 Patienten eine Ansprechrate von 46,4 % bei lokal
fortgeschrittenen und 30,8 % bei metastasierten BCC aufzeigen.
Die häufigsten Nebenwirkungen in diesen Studien waren Muskelkrämpfe (70,6 %), Dysgeusie (70,6 %), Alopezie (58 %), Diarrhö
(25,2 %). Daneben erfordert die Teratogenität des Wirkstoffs eine
effektive Schwangerschaftsverhütung unter Therapie. Dies gilt
▶ Abb. 1 a Patient 1 vor Therapiebeginn. b Patient 1 nach 2 Monaten Vismodegib-Therapie. c Patient 1 nach 4 Monaten Vismodegib-Therapie.
d Patient 1 in Monat 12 mit Rezidiv am temporalen und nasalen Rand der Läsion. e Patient 1 in Monat 26 zum Ende des Follow-ups.
▶ Abb. 2 a Patient 2: Mediales, ulzerierendes Basalzellkarzinom des linken Unterlid vor Vismodegib-Therapie. b Patient 2: Komplette Remission
(Monat 7) der Läsion mit residuell narbigem Unterlidektropium.
Patient 2
Vorstellig wurde ein 78-jähriger Patient mit einer linksseitigen,
knotig-ulzerierenden, nicht verschieblichen Läsion des medialen
Unterlides. Außerdem bestand ein sekundäres, narbig traktives
Unterlidektropium (▶ Abb. 2 a). Die biomikroskopische Untersuchung zeigte einen beidseits reizarmen vorderen und hinteren
Augenabschnitt. Es ergab sich der hochgradige Verdacht auf ein
össär-infiltrierendes, fortgeschrittenes Basalzellkarzinom. Auf-
66
grund einer bekannten suizidalen Angststörung wurde eine
operative Sanierung des Tumors ausdrücklich abgelehnt. Nach
bioptischer Sicherung der Verdachtsdiagnose eines BCC entschieden wir uns daher zu einem Therapiebeginn mit Vismodegib
(150 mg tgl.).
Der klinische Befund zeigte nach 8 Wochen eine beginnende
Regression des Befunds mit komplettem Rückgang der Ulzeration
und residualen knotig basaloiden Tumorrändern. Nach 4 Monaten
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Klinische Studie
konnte eine narbige Abheilung in der ehemaligen BCC-Region mit
dem schon vorbestehenden, sekundär narbigen Unterlidektropium dokumentiert werden.
Nach insgesamt 7 Monaten Therapie mit Vismodegib zeigte
sich klinisch eine komplette und stabile Remission des BCC
(▶ Abb. 2 b), sodass die Therapie abgesetzt wurde. Der Patient ist
seither über ein Follow-up von insgesamt 20 Monaten rezidivfrei.
Erste Nebenwirkungen der Therapie im Sinne einer Appetitlosigkeit traten nach 4 Monaten auf. Eine Alopezie wurde nach
6 Monaten beobachtet. Laborchemisch fanden sich während der
gesamten Therapiedauer keine Auffälligkeiten.
Patient 3
Eine 95-jährige Patientin wurde mit einem breitbasigen, großflächigen, knotig-ulzerierenden Tumor des rechten lateralen Unterlids vorstellig. Aufgrund des hohen Alters, einer Demenz und einer
Antikoagulation bei Z. n. Herzklappen-OP war die Operabilität der
Patientin deutlich eingeschränkt. Darüber hinaus wurden operative Interventionen durch die betreuenden Angehörigen abgelehnt.
Wir entschieden uns daher nach eingehender Aufklärung über die
Chancen und Risiken sowie nach bioptischer Sicherung der BCCDiagnose für den Beginn einer Vismodegib-Therapie. Nach insgesamt 4 Monaten Therapie war das BCC klinisch vollständig in
Remission, sodass ein Abbruch der Therapie vereinbart wurde.
Unerwünschte Nebenwirkungen der Therapie wurden, abgesehen
von leichten Geschmacksstörungen und Muskelspasmen, nicht
beobachtet. Die Patientin war nach Therapiestopp über 3 Monate
rezidivfrei. Das Gesamt-Follow-up der Patientin beträgt 7 Monate.
Patient 4
Eine 81-jährige Patientin wurde initial 3 Jahre zuvor mit einem ossär-infiltrierenden Basaliom des medialen Lidwinkels vorstellig.
Daraufhin erfolgte eine radikale zweizeitige Tumorresektion inklusive Osteotomie des Processus frontalis maxillae, Os nasale links
und des Os lacrimale. Bis zur R0-Resektion war eine 2-malige
Nachresektion erforderlich. Anschließend erfolgte eine plastische
Defektdeckung und Lidrekonstruktion mittels Stirnlappen, Wangenrotation und Nasenseptumknorpel. Zwei Jahre später wurde
die Patientin mit einer zunehmenden narbigen Einziehung des rekonstruierten Unterlids vorstellig. Das durchgeführte CT zeigte
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ein Lokalrezidiv des BCC mit intraorbitaler Invasion (▶ Abb. 3 a).
Da die Patientin eine Exenteratio orbitae strikt ablehnte, entschied sich das interdisziplinäre Tumorboard für eine Therapie
mit Vismodegib. Nach 3-monatiger Therapie zeigte sich CT-grafisch eine größenstabile bis geringe Abnahme der Tumormasse
(▶ Abb. 3 b), jedoch musste aufgrund starker Nebenwirkungen
im Sinne von Geschmacksstörungen, Alopezie und Muskelkrämpfen die Therapie nach 3 Monaten pausiert werden. Während der
6-monatigen Therapiepause kam es daraufhin erneut zu einer
CT-grafisch nachweisbaren Tumorprogredienz (▶ Abb. 3 c), was
einen erneuten Therapiestart mit Vismodegib erforderlich machte. Unter erneuter 4-monatiger Therapie war der Befund weiter
progredient, sodass die Therapie abgebrochen und eine Bestrahlung eingeleitet wurde.
Das Follow-up der Patientin beträgt 14 Monate.
Ergebnisse
Die Therapie mit Vismodegib erzielte in 3 von 4 Fällen (75 %) eine
effektive Größenreduktion und vollständige Remission des BCC.
In einem Fall (Patient 4) mit orbitalem BCC-Rezidiv konnte zumindest vorübergehend eine Stable Disease erreicht werden.
In 2 von 4 Patienten war eine wiederholte Gabe erforderlich.
Die initiale Therapiedauer bis zum 1. Therapieabbruch aus verschiedenen Gründen war in 3 von 4 Fällen 4 Monate. Die initiale
Therapiedauer im 4. Fall war 7 Monate und führte bemerkenswerterweise in diesem Fall zu einer dauerhaften Remission ohne Rezidiv über 13 Monate zum Studienende. In 2 von 4 Fällen war eine
wiederholte Gabe nach Rezidiv über den Beobachtungszeitraum
erforderlich.
Das mediane Follow-up betrug 17 Monate (7–25 Monate). Die
mediane Behandlungsdauer betrug 7,5 Monate (4–11 Monate).
▶ Tab. 2 zeigt den Zeitpunkt und die Dauer der Therapie der einzelnen Patienten. Hinsichtlich der unerwünschten Nebenwirkungen standen in unserer Patientengruppe Geschmacksstörungen
im Vordergrund, über welche alle 4 Patienten klagten. 75 % litten
unter Muskelspasmen unterschiedlichen Ausmaßes. 50 % der behandelten Patienten berichteten über Alopezie, Appetitlosigkeit,
Gewichtsverlust und Müdigkeit (s. ▶ Tab. 3).
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▶ Abb. 3 a Patient 4: koronare CT mit ausgedehnter Läsion der medial unteren Orbita vor Vismodegib-Therapie. b Patient 4: koronare CT in Monat 4 mit geringer Regredienz der Tumormasse (Stable Disease) c Patient 4: koronare CT in Monat 10 nach 6 Monaten Therapiepause. Erneute
Tumorprogredienz.
Klinische Studie
▶ Tab. 2 Therapiezyklen der Patienten. X = Monat mit Vismodegib-Therapie.
2
3
4
X
X
X
X
#2
X
X
X
X
#3
X
X
X
X
#4
X
X
X
X
5
X
6
X
7
8
9
10
11
12
13
14
15
X
X
X
X
X
Geschmacksstörungen
X
X
X
X
75 %
50 %
100 %
Gewichtsverlust
50 %
Asthenie
50 %
Appetitlosigkeit
50 %
Müdigkeit
50 %
Diskussion
Vismodegib ist das erste zugelassene, orale Therapeutikum aus
der Klasse der Hedgehog-Signal-Inhibitoren, das zur Regression
der onkogenen Zellproliferation beim BCC führt. Es konnte in multiplen, vorangegangenen Studien und Fallserien ein gutes Ansprechen von fortgeschrittenen BCC und metastasierten BCC auf Vismodegib gezeigt werden. Die Vorteile einer oralen Therapie beim
BCC stellen auch für den okuloplastischen Chirurgen eine interessante Behandlungsalternative dar.
Auch wenn periorbitale BCC aus chirurgisch-technischer Sicht
prinzipiell nur selten wirklich inoperabel sind, so existieren dennoch psychische, soziale und allgemeine Faktoren, die die Operabilität periorbitaler BCC zusätzlich beeinflussen.
Hohes Alter, ein nicht operationsfähiger Allgemeinzustand des
Patienten, aber auch der dringliche Wunsch des Patienten auf den
Verzicht eines operativen Vorgehens erfordern alternative Behandlungsstrategien. Für diese Ausnahmefälle bietet Vismodegib
eine effektive Therapieoption. Die Effektivität der Behandlung belegt auch das hier vorgestellte Patientenkollektiv.
Der okuloplastische Einsatz von Vismodegib bei lokal fortgeschrittenen und invasiven BCC ist aktuell erst in wenigen Fallbeispielen und Fallserien exemplarisch beschrieben [12–14]. Gill
et al. [15] konnten bei 7 Patienten mit lokal fortgeschrittenem
BCC eine komplette Tumorregression in 2 Patienten nachweisen
sowie ein partielles Tumoransprechen in 4 Patienten zeigen. Lediglich bei 1 Patienten kam es zur Tumorprogression unter der
Vismodegib-Therapie. Eine Arbeit von Demirci et al. [16] unter-
68
18
19
20
21
22
23
24
25
X
X
X
26
27
28
Ende
Follow-up
rezidivfrei, Ende Follow-up
Häufigkeit, n = 4
Alopezie
17
rezidivfrei, Ende Follow-up
▶ Tab. 3 Häufigkeit unerwünschter Nebenwirkungen unter
Therapie.
Muskelspasmen
16
Progress unter Vismodegib, Abbruch Vismodegib, Radiatio
suchte bei 8 Patienten mit periokulären und orbitalen BCC die Effektivität von Vismodegib. Dabei konnte in 4 Patienten mit einem
orbital-infiltrierenden BCC nach 7 Zyklen ein partieller Tumorregress mit einer durchschnittlichen Tumorreduktion von 83 %
nachgewiesen werden. Weitere 2 Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen periokulären BCC zeigten nach einer Therapiedauer
von 14 Monaten eine komplette Remission der Befunde. Dies
deckt sich mit unserem Patientenkollektiv, in dem das orbitalinfiltrierende BCC lediglich eine Stabilisierung zeigte und die lokal
fortgeschrittenen BCC der Lider eine vollständige klinische Remission erreichten.
Die hier dargestellte Studie zeigt 3 kurative und einen adjuvanten Therapieansatz mit Vismodegib beim periorbitalen BCC.
In unserem Kollektiv sprachen alle Patienten auf die Vismodegib-Behandlung an (3× Remission, 1× Stable Disease), was im Vergleich zu größeren dermatologischen Studien mit höherer Fallzahl
überdurchschnittlich ist. Dennoch existieren sicher auch Nonresponder bei Patienten mit periorbitalem BCC, die dann anderen
Therapieoptionen zugeführt werden müssen. In 2 von 4 Fällen war
eine wiederholte Gabe nach Rezidiv über den Beobachtungszeitraum erforderlich.
Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils sind Wadenkrämpfe,
Alopezie, Dysgeusie und Gewichtsverlust nicht selten ein Grund
für einen Therapieabbruch. Die durchgeführte Phase-I-Studie für
Vismodegib bei Patienten mit einem Basalzell-Nävus-Syndrom
zeigte eine Therapieabbruchrate von 27 % nach 8 Monaten [17].
Das Nebenwirkungsprofil von Vismodegib war in unserem Patientenkollektiv typisch und hinsichtlich Häufigkeit und Intensität
mit anderen Studien vergleichbar. Insgesamt musste die Therapie
jedoch nur bei 2 der dargestellten Patienten aufgrund der Nebenwirkungen temporär unterbrochen werden. Die 2 anderen Patienten erlebten die Nebenwirkungen als tolerierbar, sodass die Therapie bis zur Tumorremission fortgesetzt werden konnte. Eine sorgfältige Planung, Beratung und Kontrolle bez. der Verträglichkeit
von Vismodegib ist daher unverzichtbar.
Eine Einschränkung der Studie stellen sicherlich die geringe Patientenzahl und das teilweise kurze Follow-up dar, sodass Langzeitdaten über eine dauerhafte Rezidivfreiheit fehlen. Insgesamt
scheint jedoch eine initial langfristigere Gabe von mehr als 4 Monaten auch eine dauerhaftere Rezidivfreiheit zu bewirken (s. Patient 2).
Die Anwendung von Vismodegib für periorbitale BCC stellt sicher auch weiterhin eine Ausnahmeindikation dar. Nichtsdestotrotz erscheint uns die Vismodegib-Behandlung bei eingeschränkter Operabilität aus den verschiedensten Gründen als sinnvoll und
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1
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effektiv. Nicht zuletzt sind es jedoch die hohen Therapiekosten,
die unter sozioökonomischen Aspekten bei der Indikationsstellung beachtet werden müssen. Eine weitere Evaluation der Vismodegib-Therapie bei periorbitalen BCC in prospektiven, kontrollierten Studien ist notwendig, um die Effektivität und den Nutzen von
Vismodegib in der Okuloplastik näher zu prüfen. Auch ein neoadjuvanter Einsatz von Vismodegib ist in Zukunft denkbar und
bietet unter Umständen Vorteile hinsichtlich einer präoperativen
Tumorgrößenreduktion und somit einer vereinfachten Rekonstruktion der periorbitalen Region. Hierzu existieren jedoch noch
keine Studiendaten.
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