Einführung in die Astronomie und Astrophysik I

Werbung
SS 2005
3.2
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
Aufbau und Dynamik der Milchstraße
3.2.1 Entfernungsbestimmungen
3.2.1.1 Jährliche Parallaxe
Die wichtigste Methode zur Bestimmung von Entfernungen zu den nächsten
Himmelskörpern ist die jährliche Parallaxe. Beobachtet man einen nahen Stern
im Laufe eines Jahres, so stellt man eine scheinbare Verschiebung seiner Position im Vergleich mit weit entfernten Sternen fest. Die Verschiebung
beschreibt eine Ellipse mit einer großen Halbachse π und einer kleinen Halbachse π sin β (ekliptische Breite). Mit der astronomischen Einheit a und Abstand des Sterns r ist
sin ≈=
a
.
r
Entfernte
Sterne
Naher
Stern
(3.1)
π
Die Parallaxe π ist der Winkel, unter welchem der Erdbahnradius vom Standpunkt des gemessenen Sterns erscheint. Eine Parallaxe von einer Bogensekunde (1“ oder 1 as) eintspricht einem Abstand r von 206265 Erdbahnradien,
oder 3.08 1016 m, oder 3.26 Lichtjahren.Man verwendet diese Länge als Einheit
Parallaxensekunde (parsec) oder pc. Der nächste Stern (Proxima Cen) hat eine
Parallaxe von 0.“762 und somit eine Entfernung von r = 1.3 pc. Bei gegebener
Parallaxe π ist der Abstand in pc
r=
1[as]
[ pc]

(3.2)
r
Erde
Sonne
Achtung! Häufig wird die Parallaxe in Milli-Bogensekunden (mas) angegeben.
Mit modernen Verfahren kann man trigonometrische Parallaxen mit einer Genauigkeit von einer Milli-Bogensekunde (mas; 0.“001) messen. Die Entfernungen von Sternen bei 100 pc sind also auf 10% genau. Man kennt die ParEinführung_3.2_2005.sxw
Seite 7
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
allaxen von mehr als 105 Sternen, die meisten wurden Anfang der 90er mit dem Satelliten HIPPARCOS astrometrisch und
photometrisch vermessen. Die GAIA-Mission der ESA soll im nächsten Jahrzehnt die astrometrische Präzision nochmal um
zwei Größenordnungen auf 19 Mikro-Bogensekunden (µas) verbessern. Damit lassen sich viele 106 Sterne über die Ausdehnung unserer galaktischen Scheibe vermessen.
Die trigonometrische Parallaxe ist eines der wichtigsten Fundamente der Stellarphysik, und bildet den Fuß der Leiter von Methoden der Entfernungsbestimmung bis in kosmische Distanzen.
3.2.1.2 Photometrische Parallaxen
Kennt man die absolute Helligkeit M eines Sterns, so kann man aus dem Entfernungsmodul m - M seinen Abstand r bestimmen wenn auch die interstellare Extinktion A bekannt ist:
(3.3)
r=100.2m­M 5­ A [ pc] .
M lässt sich abschätzen aus
● physikalische Charakteristika einzelner Sterne, beispielsweise spektroskopische Bestimmung der genauen Position im
HRD. Sehr aufwendig.
● Perioden-Helligkeitsbeziehungen veränderlicher Sterne. Bekanntestes Beispiel: Variable des Typs δ Cep. Wegen ihrer
hohen Leuchtkraft eignen sich Cepheiden für die Bestimmung extragalaktischer Distanzen. RR Lyr – Variable haben einen
gut definierten Mittelwert ihrer Leuchtkraft und eignen sich für galaktische Kugelsternhaufen.
Ein großer Unsicherheitsfaktor ist die Bestimmung der interstellaren Extinktion A.
Die photometrische Eichung eines Ensembles von Sternen konstanter Entfernung, welche einen gewissen Bereich von Spektraltypen abdecken, erlaubt neben der Bestimmung von r auch die Bestimmung der interstellaren Extinktion
(Sternhaufenparallaxe). Dazu wird ein Farb-Helligkeits-Diagramm (FHD) und ein Farb-Farb-Diagramm (FFD) erstellt. Aus
dem FHD werden die Sterne der Hauptreihe ermittelt. Der Vergleich des FFD der Hauptreihensterne mit einem Modell ergibt
den Extinktions-Verschiebungsvektor, und damit A. Der Vergleich des FHD mit dem FHD eines Ensembles von anhand trigonometrischer Parallaxen geeichten Sternen ergibt die absolute Helligkeitsskala des untersuchten Ensembles.
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 8
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
3.2.1.3 Weitere Verfahren
Sternstromparallaxe: Die Eigenbewegung der Sonne
ermöglicht, statistisch mit Hilfe der resultierenden Scheinbewegung die säkulare Parallaxe von geeignet gewählten
Sterngruppen zu ermitteln. Deren mittlere Eigenbewegung
µ führt zu einer mittleren Parallaxe
4.74 µ
p=
,
(3.3)
19.7 sin χ
wobei χ der Winkel zwischen der Sternengruppe und dem
χ
Apex ist.
Diese Methode funktioniert, solange die betrachtete Sternengruppe keine nennenswerte Korrelation der Eigenbewegungen ihrer Mitglieder hat. Eine solche Korrelation kann durch die gemeinsame Entstehung der Mitglieder entstehen. Vom
Standpunkt des Beobachters scheinen die Sterne einem gemeinsamen Punkt an der Himmelskugel (Konvergenzpunkt) zuzustreben. Mißt man die vektorielle Geschwindigkeit der Mitglieder, so läßt sich die Entfernung bestimmen. Man kann mit ihrer
Hilfe insbesondere die Gruppenmitglieder besser identifizieren.
Dynamische Parallaxen erhält man aus der Analyse der scheinbaren und wahren Bewegung von visuellen Doppelsternen und
Bedeckungsveränderlichen. Die Eichung erfolgt über die spektroskopisch bestimmte Sichtliniengeschwindigkeiten und die
Bahnparameter.
3.2.2 Lokales Ruhesystem
Die Änderungen der relativen Sternpositionen in der näheren Umgebung ergibt sich aus der Analyse der Bewegungen der
Sterne. Man kann die Bewegung im Raum aus der spektroskopisch bestimmten Radialgeschwindigkeit
∆λ
vr = c
,
(3.4)
λ0
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 9
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
wobei ∆λ die Wellenlängenverschiebung von der Ruhewellenlänge λ0 ist, sowie der Eigenbewegung µ (proper motion; arcsec
pro Jahr) bestimmen. Die Tangentialgeschwindigkeit vt kann man aus der Eigenbewegung und der Parallaxe p unter
Zuhilfenahme der Bahngeschwindigkeit der Erde (vErde = 2π AU/Jahr = 30 km/s) berechnen mit
v
µ
µ
vt = Erde = 4.74 km s −1 .
(3.5)
2π p
p
In unmittelbarer Sonnenumgebung kann man aus dem Mittelwert der Eigenbewegungen vieler Sterne die Eigenbewegung der
Sonne gegenüber einem Lokalen Ruhesystem (Local Standard of Rest) ermitteln. Es ergibt sich eine Bewegung mit einer Geschwindigkeit von vSonne = 19.7 km s-1 in die Richtung mit Rektaszension α = 18h 0m und Deklination δ = 30° (Apex).
[
]
Die Geschwindigkeiten der Sterne in Sonnenumgebung betragen einige bis einige Dutzend km/s, und sind damit den
Bahnbewegungen der Planeten, insbesondere der Erde, vergleichbar. Die genaue Bestimmung der Radialgeschwindigkeiten
erfordert die Berücksichtigung von Erdrotation und Erdbahnbewegung, sowie die Einflüsse von Mond und Planeten
(Reduktion auf das Baryzentrum des Sonnensystems).
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 10
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
3.2.3 Sternstatistiken
3.2.3.1 Anzahl-Helligkeitsrelation
Erste Hinweise über die Struktur der Milchstraße ergeben sich aus der Analyse der Sternstatistiken - die Zahl N(m) der Sterne
mit einer scheinbaren Helligkeit m. Nach (2.37) nimmt m mit dem Logarithmus der Entfernung zu. Gleichzeitig nimmt die
Zahl der Sterne in einem Volumen mit Radius r proportional zu r3 zu. Hätten alle Sterne dieselbe absolute Helligkeit und wäre
ihre Dichte konstant, so wäre lg N (m) = 0.6m + const. Man mißt eine deutlich schwächeres Anwachsen, welches zurückzuführen ist auf wenigstens einen von zwei Gründen:
• Konzentration der Dichte zur Sonne hin
• Interstellare Absorption
Verteilung Scheinbare Helligkeit
8
7
lg Anzahl
6
5
Beobachtet
Theoretisch
4
3
2
1
0
0
2
4
6
8
10
12
14
Scheinbare Helligkeit [mag]
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 11
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
3.2.3.2 Leuchtkraftfunktion
Im allgemeinen ist N(m) eine Funktion der Dichteverteilung der Sterne D(r), der Leuchtkraftverteilung Φ(M), und der interstellaren Extinktion γ(r). Die Leuchtkraftverteilung gibt die Zahl der Sterne pro Volumenelement mit einer absoluten
Helligkeit im Intervall (M, M+dM) an. Sie ist ein wichtiger physikalischer Parameter, von welchem die Erzeugungsraten der
Sterne als Funktion ihrer Leuchtkraft - und damit der Masse - ermitteln läßt. In der Nähe zur Sonne gibt es keine
Sternentstehungsgebiete. Die gegenwärtige, lokale Leuchtkraftverteilung weicht daher von der initialen Leuchtkraftverteilung
Φ0(M) einer Hauptreihe mit Alter Null ab. Man erhält die initiale Leuchtkraftverteilung aus einer gemessenen Verteilungdurch
Berücksichtigen der Lebensdauer der helleren Sterne.
Verteilung der absoluten Helligkeit
3500
3000
2500
Zahl
2000
1500
1000
500
0
-5
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Abs. Helligkeit
Die Abbildung rechts zeigt die Verteilung der absoluten Helligkeit von 9999 Sternen mit Abständen bis zu 100 pc von der
Sonne. Die Verteilung ist zu geringen Leuchtkräften begrenzt, weil diese Sterne schwer zu finden sind. Der Abfall zu
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 12
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
größeren Leuchtkräften entsteht durch zwei Effekte; die geringere Häufigkeit von Sternen mit großen Massen während der
Entstehung, und deren kürzere Lebensdauer.
Kennt man Φ(M), so kann man aus der beobachteten Helligkeitsverteilung und der Extinktion γ(r) die Sterndichte D(r) bestimmen. Die absolute Helligkeit ist gegeben mit (2.37):
r
r
r
M = m − 5 log
− γ (r ).
(3.6)
10[pc]
Die Zahl der Sterne in einem Volumenelement dV = ωr2dr in der Entfernung r ist
r
r
r 
r
dN ( m) = D( r )Φ m − 5 log
− γ (r ) ⇒
10 pc


.
r
∞
r
r 
r 2
N ( m) = ∫ D( r ) Φ m − 5 log
− γ (r )ωr dr
10
pc


0
(3.7)
Die letzte Gleichung ist die Fundamentalgleichung der Stellarstatistik. Die Leuchtkraftfunktion wird in Sonnennähe gemessen, die Extinktion ergibt sich aus Farb-Farb-Diagrammen. Mit Hilfe der Stellarstatistik erreicht man Sterne bis in eine
Entfernung von 1 kpc.
3.2.3.3 Verteilung der Masse
Für Hauptreihensterne ist die spezifische Leuchtkraft L / MStern mit der Sternenmasse MStern durch die Masse-LeuchtkraftBeziehung,
3.5
L~M Stern gegeben, es gilt also ungefähr
L
M Stern
~L0.7
. Genauer kann der Zusammenhang aus dem Verlauf der
MLB hergestellt werden. Man kann mithilfe dieses Zusammenhangs die Massen von Ensembles von Sternen schätzen, deren
Massen nicht direkt (z. B. Als Mitglieder von Doppelsystemen) zugänglich sind.
Die Verteilung der Sternenmassen zum Lebensalter Null wird als ursprüngliche Massenfunktion (initial mass function)
bezeichnet. Ihre Bestimmung ist derzeit eine zentrale Aufgabe der Stellarstatistik.
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 13
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
Initiale Massenfunktion (Aake Nordlund)
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 14
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
3.2.4 Struktur der Milchstraße in Sonnenumgebung
Helle Objekte kann man in größeren Entfernungen messen. Diese umfassen Objekte unterschiedlichen Alters: Sterne frühen
spektralen Typs, H II-Regionen, OB-Assoziationen, offene Sternhaufen, Cepheiden, RR Lyrae-Sterne, Superriesen, Riesen
späten Typs, und Kugelsternhaufen. Die Verteilung junger Objekte deutet eine Strukturierung in einer Umgebung bis zu 4 ... 5
kpc an, welche man als drei Spiralarme der Milchstraße interpretiert. Alte Objekte, wie Kugelsternhaufen, sind nahezu sphärisch um das Zentrum der Milchstraße verteilt. Aus dieser Verteilung wird der Abstand des Sonnensystems vom Zentrum bestimmt; ca. 8.5 kpc.
Sterne in der Ebene der Milchstraße verfolgen nahezu kreisförmige Bahnen um ihr Zentrum, sind i. A. jung und metallhäufig
(2% ... 4%). Die interstellare Materie bewgt sich ebenfalls auf ähnlich kreisförmigen Bahnen. Diese Komponenten ordnet man
der Population I (Scheibenpopulation) zu. Außerhalb der Ebene der Milchstraße gib es einen Halo mit einem Radius von
über 50 kpc. Die Sternendichte ist im Zentrum am größten, dort gibt es wenig interstellare Materie und die Sterne sind bis zu
1010 Jahre alt. Sie enthalten wenig Metalle. Man bezeichnet sie als Population II - Objekte (Halopopulation). Dazwischen
gibt es Untergruppen. Die Populationen entsprechen unterschiedlichen zeitlichen Entwicklungsstufen.
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 15
22.04.05
SS 2005
Einführung_3.2_2005.sxw
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
Seite 16
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
HaloPopulation II
Zwischenpopulation II
Scheibenpopulation
Alte
Population I
Junge
Population I
Typische Vertreter
Unterzwerge,
Langperiodische
Kugelhaufen, RR Veränderliche
Lyr (P>0.4d)
Planet.
Nebel, A-Sterne, Metall- Gas,
Staub,
Novae, helle Rote Zwerge,
klass. Überriesen, T
Riesen
Cepheiden
Tau Sterne
Mittl. Alter
[109 Jahre]
Abstand vom GZ [pc]
>6
6–5
5–2
2 – 0.1
< 0.1
2000
700
400
160
120
Vert. Geschwindigkeit [km/s]
75
25
18
10
8
Metallhäufigkeit
0.003
0.01
0.02
0.03
0.04
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 17
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
3.2.5 Rotation der Milchstraße
3.2.5.1 Differentielle Rotation der nahen Sterne
Die Form der Milchstraße läßt auf einen kohärente kreisförmige Bewegung der Scheibenmitglieder um den Mittelpunkt der
Scheibe schließen. Im allgemeinen wird das Rotationsgesetz V(R) bzw. die auf das Zentrum bezogene Winkelgeschwindigkeit
Ω(R) eine beliebige Funktion des Abstandes R vom Zentrum der Milchstraße sein (differentielle Rotation). Die Milchstraße
rotiert nicht als "fester Körper" mit konstanter Winkelgeschwindigkeit. Dem Holländer Jan H. Oort gelang die Messung des
Rotationsgesetzes in der unmittelbaren Umgebung der Sonne in den zwanziger Jahren. Ein Rotationsgesetz der Form V(R)
führt zu einem deutlichen Muster in den radialen und tangentialen Geschwindigkeiten - bzw. der Eigenbewegungen, welche
von der galaktischen Länge abhängen.
Wir führen galaktische Koordinaten (l,b) - galaktische Länge und Breite - ein (s. Abschn. 1.3.1.5). Ursprung der gal. Länge
ist die Richtung zum Zentrum der Milchstraße (α = 17h 42.4m, δ = -28° 55‘), der Breite die Ebene der Milchstraße. Der
Abstand der Sonne zum Zentrum, ihre Bahn- und Winkelgeschwindigkeit seien mit R0, V0, und Ω0 gegeben, die eines
beliebigen Sterns mit R, V, und Ω. Die beobachtete Radial- und Tangentialgeschwindigkeiten vr und vt ergeben sich nach
etwas Geometrie zu
vr = R0 (Ω − Ω0 ) sin l
,
(3.8)
vt = R0 (Ω − Ω0 ) cos l − Ωr
wobei r die Distanz Sonne - Stern ist. Entwickelt man das Geschwindig-keitsgesetz V ( R) = R ⋅ Ω( R ) in eine Taylorreihe in der
Umgebung der Sonne, so erhält man als erste Näherung
V

 dV 
vr ≅  0 − 
 r cos l sin l = A ⋅ r ⋅ sin 2l

R
dR


 0
R = R0 
V

 dV 
vt ≅  0 − 
 r cos 2 l − Ω 0 r = A ⋅ r ⋅ cos 2l + B ⋅ r

 R0  dR  R = R0 
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 18
(3.9)
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
Zur differentiellen Rotation der Milchstraße.
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 19
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
wobei

1  V0  dV 
−



2  R0  dR  R = R 

0 

1 V
 dV 
B =  0 +


2  R0  dR  R = R0 
A=
(3.10)
die 1. und 2. Oort'schen Konstante sind. Man beachte, daß die mittlere Eigenbewegung der Sterne µ (l ) =
vt
= A cos 2l + B
r
unabhängig von der Entfernung ist.
Die heute gültigen Werte für die Oortschen Konstanten sind A = 15 [km s-1 kpc-1] und B = -10 [km s-1 kpc-1]. Man erhält die
solare Winkelgeschwindigkeit mit
Ω 0 = A − B = 25[km s -1 kpc -1 ] = 8.3 ⋅ 10 −16 [s -1 ] = 2.6 ⋅ 10 -8 [y -1 ]
(3.11)
bzw. die solare Umlaufzeit um das galaktische Zentrum mit 2πΩ 0−1 = 2.4 ⋅ 108 [y]. Seit ihres Entstehens hat die Sonne ca. 20
Umläufe absolviert. Die Summe der Oortschen Konstanten ergibt den lokalen Gradienten der differentiellen Rotation: -A - B
= -5 [km s-1 kpc-1]. Die Umlaufgeschwindigkeit der Sonne läßt sich anhand extragalaktischer Quellen messen und beträgt ca.
V0 = 220 km s-1. Daraus ergibt sich ein Abstand zum Zentrum der Milchstraße von ca. R0 = 8.5 kpc, in Übereinstimmung mit
der Verteilung von Kugelsternhaufen.
3.2.5.2Rotation der interstellaren Materie
Die Radioemission der interstellaren Materie (IM) läßt sich aufgrund der geringen Extinktion bis in große Entfernungen beobachten, sogar vom anderen Ende der Milchstraße. Aufgrund der Spiralstruktur der Verteilung der Materie, welche sich in der
Verteilung der IM widerspiegelt, beobachtet man eine diskontinuierliche Verteilung der Radialgeschwindigkeiten. Eigenbewegungen der IM kann man nicht beobachten. Durch die Annahme, daß Spiralarme über gewisse Distanzen zusammenEinführung_3.2_2005.sxw
Seite 20
22.04.05
SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
hängend sind und durch Messungen der Radialgeschwindigkeiten als Funktion der galakt. Länge lassen sich Karten der
Spiralarme erstellen.
Aus der maximalen Radialgeschwindigkeit als Funktion der gal. Länge kann man V(R) über einen weiteren Bereich von R abschätzen. Das Zentrum rotiert wie ein starrer Körper, ab ca. 1 kpc variiert die Geschwindigkeit zwischen 200 - 250 km s-1.
Weiter außen scheint die Geschwindigkeit weiter zuzunehmen.
Aufgrund der Geschwindigkeit in der Nähe der Sonne ergibt sich nach dem 3. Keplerschen Gesetz eine eingeschlossene
Masse der Milchstraße von
MG =
R0V02
G
≈ 1011 M Sonne
(3.12)
Dies ist eine untere Grenze, da sich jenseits der Sonne sonst ein reines Kepler-Gesetz mit V ( R) ∝ R −1 / 2 ergeben müßte, was
A− B
= 2 ergeben anstatt des empioffenbar nicht der Fall ist. Aus dem Keplerschen Gesetz müßte sich ebenfalls ein Wert für
A+ B
rischen Wertes von 5, ebenfalls ein Hinweis darauf, daß noch ein beacktlicher Teil der Masse der Milchstraße außerhalb der
Sonnenbahn vorhanden sein muß.
Einführung_3.2_2005.sxw
Seite 21
22.04.05
SS 2005
Einführung_3.2_2005.sxw
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
Seite 22
22.04.05
Herunterladen