Einführung in die Astronomie und Astrophysik I

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SS 2005
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Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
Struktur und Entwicklung der Milchstraße
3.4.1 Allgemeine Struktur der Milchstraße
Die bisher bekannte, allgemeine Struktur unserer Milchstraße gliedert sich in fünf, sich durch ihre Dynamik und Population
unterscheidende Bereiche:
1. Scheibe: Eindeutig ist die Zugehörigkeit unserer Milchstraße zu den Spiralgalaxien, durch die Verteilung der IM under der
Population I in der Scheibe, in welcher immer noch Sterne mit einer Rate von ca. 3 MSonne pro Jahr entstehen. Die Massendichte nimmt radial nach außen exponetiell ab mit einer Skala von ca. 3.5 kpc. Die Skalenhöhe senkrecht zur Scheibe beträgt etwa 0.3 kpc. Innerhalb der Bahn des Sonnensystems mit einem Radius von 8.5 kpc müssen sich ca. 1011 Sonnenmassen befinden, um die Bahngeschwindigkeit der Sterne im lokalen Ruhesystem zu erklären.
2. Zentralbereich (bulge): Die Scheibe umgibt ein sehr dichtes Zentrum, ca. 107 mal dichter als die Sonnenumgebung.
3. Stellarer Halo: die Scheibe ist umgeben von einem großen, diffusen Halo aus alten Sternen und Kugelsternhaufen, welche
die erste stellare Generation repräsentieren. Nach neueren Entwicklungsmodellen sind die Sterne ca. 1.1 1010 Jahre alt dies entspricht ungefähr der Hubble-Zeit (kosmologisches Weltalter). Die Halopopulation bewegt sich in exzentrischen
Bahnen um das galaktische Zentrum. Im Gegensatz zu der Scheibenpopulation sind die Halosterne sehr metallarm.
4. Kern: sehr kompakter und dichter Sternhaufen mit einem Radius von 100 pc sowie der kompakten Radioquelle Sgr A*,
vermutlich ein Schwarzes Loch mit 2.6 106 M .
5. Dunkler Halo: das flache Rotationsgesetz der äußeren Milchstraße wird durch die Existenz einer "galaktische Korona" mit
einem Durchmesser von ca. 100 kpc, welche aus der bislang nicht verstandenen dunklen Komponente ("dark matter") besteht, erklärt. Durch sie kann sich die wahre Masse der Milchstraße durchaus verzehnfachen! Die Natur der dunklen
Komponente ist z. Z. völlig unklar und Gegenstand intensiver Forschungen.
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Stellarer Halo mit
Kugelsternhaufen
Dunkler Halo
Zentralbereich
Scheibe
Kern
Position der
Sonne
Schematische Darstellung unserer Milchstraße.
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3.4.2 Spiralstruktur
Die Verteilung von Sternen der Population I sowie von H II - Regionen weisen auf die Spiralstruktur der näheren Umgebung
der Sonne hin, jedoch ergibt sich kein einheitlichens Bild. Die Ursache der Spiralstruktur ist ein bislang ungelöstes Problem.
Jede Störung der Homogenität einer differentiell rotierenden Scheibe würde sich zu einer Spirale deformieren, allerdings
würde das Muster nach wenigen Rotationen verschwinden. Da Spiralstrukturen in Galaxien häufig vorkommen, muß es einen
Mechanismus geben, der sie aufrechterhält. Nach einer in den sechziger Jahren entwickelten Theorie entstehen sie aufgrund
von Dichtewellen, welche mit der Hälfte der Materiegeschwindigkeit propagieren. Materie benötigt ca. 107 Jahre, um die
Welle zu durchlaufen. In den Spiralarmen ist sie stark komprimiert, dies führt zu vermehrter Sternentstehung. Damit läßt sich
erklären, warum junge Objekte (leuchtkräftige Sterne, H II-Regionen) in den Spiralarmen konzentriert sind.
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3.4.3 Scheibenpopulation, Offene Sternhaufen und Assoziationen
Sterne in der näheren Umgebung der Sonne gehören vorwiegend der galaktischen Scheibe an. Im Hertzsprung-Russell - Diagramm (HRD) bzw. Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) findet man sie vorwiegend auf der Hauptreihe und auf dem Riesenast. Letzterer ist von der Hauptreihe durch eine ausgeprägte Hertzsprung-Lücke getrennt. Ein undifferenziertes HRD
vermischt Sterne vorwiegend unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Masse, und z. T. unterschiedlicher chemischer
Zusammensetzung.
Man erhält spezifische Information, wenn man die Diagramme von Sternen, welche Offenen Haufen und
Assoziationen angehören, untersucht. Durch den gemeinsamen Ursprung während des Entstehungsprozesses befinden sich viele Sterne in Assoziationen und
Haufen. Einige der näheren Haufen sind mit bloßem
Auge auszumachen (Pleiaden), andere sind nur aufgrund statistischer Methoden nachweisbar. Die Hauptmerkmale sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Galaktische (offene) Haufen umfassen zwischen 100
und 1000 Sterne innerhalb von etwa 10 pc, die Dichten
betragen von 0.25 Sterne pc-3 bis 103 pc-3 im Zentrum
(solare Umgebung: 0.1 pc-3). Sie können zwischen 100
und 3000 Sonnenmassen haben und sind gravitationell
gebunden. Man kennt etwa 1000 Haufen. Offene
Haufen umfassen einen breiten Bereich von Typen und
Alter, die Mitglieder eines Haufens haben ein vergleichbares Alter und ähnliche chemische Zusammensetzung.
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Galaktische Haufen : Plejaden (Siebengestirn).
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Assoziationen sind wesentlich lockerer, etwa 100 Sterne innerhalb von 100 pc, die auch nicht dynamisch gebunden sind. Man
erkennt sie als Ansammlung eines seltenen Typs: O-Assoziationen (auffällig viele Sterne des Spektraltyps O) und T- Assoziationen (Ansammlungen von T Tau - Sternen). Die Haufen lösen sich schnell im umgebenden Sternenfeld auf. Man kennt etwa
100 Assoziationen. Beide Typen sind extrem jung, O-Sterne werden nur etwa 106 Jahre alt, und T Tau - Sterne befinden sich
noch im Stadium der Kontraktion (Vor-Hauptreihenstadium). Assoziationen werden offenbar kontinuierlich neu gebildet.
Bezeichnung
Assoziationen
Zahl der
Mitglieder
~101
Offene Haufen
~101 ... ~102
Kugelhaufen
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~105
Art der Sterne
O und B, T Tauri
Bemerkungen
Sehr junge und heiße Sterne
Sterne im Vor-Hauptreihenstadium
Nur durch Eigenbewegungen identifizierbar
ξ Persei, Orion
Bestimmung durch kinematische Parallaxen
Pleiaden, Hyaden
Metallarm
Elliptische Bahnen um galaktisches Zentrum
Hauptreihensterne, wenige
Riesen
Hauptreihensterne nur noch
als späte Typen
Ausgeprägter Riesenast, RR
Lyrae, W Virginis
Tabelle 1: Eigenschaften von Haufen.
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3.4.4 Zentralbereich und Kugelsternhaufen
Neben den metallreichen Sternen der Scheibe gibt es in der Milchstraße eine zweite große Gruppe, die der zentralen sphärischen Komponente. In der näheren Umgebung der Sonne ist sie durch metallarme Unterzwerge (Leuchtkraftklasse VI)
vertreten und tritt auch in Kugelhaufen auf. Ihr FHD unterscheidet sich merklich von dem der Scheibenkomponente. Alle
Sterne der sphärischen Komponente sind sehr alt.
Unterzwerge: fallen im HRD unterhalb der Hauptreihe bei den Spektraltypen F, G und K auf. Sie haben einen UV-Exzess der Wert für (U-B) ist im Vergleich zu (B-V) systematisch heller als bei normalen Hauptreihensternen. Ihre Spektrallinien
sind auffallend schwach ausgeprägt. Quantitative Analysen ergeben Metallhäufigkeiten, die die der Sonne um einen Faktor
10-2 und weniger unterschreiten.
In der Tat sind "Unterzwerge" im Vergleich zu Sternen derselben Leuchtkraft und Effektivtemperatur "zu blau", d. h. im HRD
nach links von der Hauptreihe verschoben. Dieser Umstand lässt sich mit der geringen Ausprägung von Spektrallinien erklären, die bei sonnenähnlichen Sternen zu einer effektiven Verlagerung der spektralen Leuchtkraft zu längeren Wellenlängen
führt.
Kugelsternhaufen enthalten sehr viel mehr Sterne sind im Zentrum 10 mal dichter als offene Haufen und wesentlich älter.
Die Hauptreihe liegt "tiefer" (absolute Leuchtkraft bei gleicher Effektivtemperatur geringer), dies ist auf die geringe Metallhäufigkeit (< 0.1%) zurückzuführen. Der Übergang in den Riesenast bei mittleren Spektraltypen weist auf das hohe Alter von
10 ... 12 109 Jahren hin. Kugelhaufen sind für die Sternentwicklung sehr wichtig. Leuchtkräftige Veränderliche mit bekannten
Perioden-Helligkeitsbeziehungen fungieren als Entfernungsindikatoren.
Kugelhaufen durchdringen auf ihren exzentrischen Bahnen die galaktische Ebene im Mittel alle 108 Jahre ohne erkennbare
Auswirkungen. Kugelsternhaufen haben summarisch folgende Eigenschaften:
•
104 ... 105 Mitgliedssterne
•
102 ... 104 Sterne pc-3 im Zentrum
•
"kleine elliptische Galaxien"
•
Dichteprofile ähnlich denen elliptischer Galaxien (Konzentrationsklasse I ... XII)
•
Integrierte abs. Helligkeiten -5 ≥ MV ≥ -10, Maximum bei -8.5
•
M/L ≈ 1
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•
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Farbindex 0.4 ≤ (B-V) ≤ 0.8, Verteilungsmaximum bei 0.57
Integrierter Spektraltyp F2 ... G5
Im Halo: Unterzwergenspektren, beim Gal. Zentrum eher solare Häufigkeiten
Metallizität (Morgan-Klasse) I (sehr schwach) ... VIII (etwa solar)
Die HRDs / FHDs von Kugelsternhaufen unterscheiden sich von denen der Sterne der Scheibenkomponente:
•
•
•
•
•
•
Es gibt einen ausgeprägten Abknickpunkt ("oberes" Ende der Hauptreihe) schon bei späten Typen, d. h. Kugelsternhaufen sind sehr alt.
Die Hauptreihe geht ohne Hertzsprung-Lücke kontinuierlich in einen Unterriesenast über.
Der Unterriesenast mündet nach einem Anstieg auf den aufsteigenden Riesenast, dessen hellste Mitglieder absolute Helligkeiten von MV = -2 ... -3 haben. Diese sind erheblich leuchtschwächer als die extrem hellen Blauen Riesen und Superriesen in jungen galaktischen Haufen.
Ein Horizontalast bei MV ≈ +0.5 mit einigen heißen, blauen Sternen mündet von links in den asymptotischen Riesenast,
der etwas oberhalb des Riesenastes liegt.
Horizontalast und asymptotischer Riesenast trennt der Instabilitätsstreifen der RR Lyr - Variablen.
Gelegentliche "blue stragglers" bevölkern die Hauptreihe oberhalb des Abknickpunktes.
Nicht alle Kugelhaufen zeigen diese Systematik mit gleicher Ausprägung. Sie ist schwierig zu vergleichen, da die scheinbaren
Helligkeiten der Hauptreihensterne in Kugelhaufen sehr klein sind und die Anpassung der Hauptreihe erschweren. Der Abstand ∆V1.4 in V für (B-V) = 1.4 zwischen dem Abknickpunkt und dem Horizontalast dient als Indikator für Metallizität. Bei
sehr metallarmen Kugelhaufen (z. B. M92) ist ∆V1.4 etwa 3, bei intermediären Haufen (M3, M5) etwa 2.6 und bei metallreichen Haufen (47 Tuc, M71) 2 oder weniger.
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3.4.5 Das galaktische Zentrum
Die stellare Komponente des zentralen Bereichs der Milchstraße ist durch eine elliptische Wolke aus Sternen ("central
bulge") mit exzentrischen Orbits gekennzeichnet. Sie hat einen Radius von ca. 2.5 kpc in der Scheibe und eine Abplattung
von etwa 0.6. Innerhalb von ca. 1 kpc vom Zentrum nimmt die Dichte ρ(R) wie R-1.8 ab, darüber hinaus mit R-3.7. Der
Zentralbereich enthält helle K- und M-Riesen und Planetarische Nebel. Die Sterne rotieren in dieselbe Richtung wie die
Scheibe, aber langsamer. Die Metallhäufigkeiten reichen von 0.1 ... 3 mal der solaren Metallizität; es gibt also sehr metallreiche Sterne. Im Mittel sind die Sterne des Zentralbereichs jünger als die Halopopulation. Die Gesamtmasse beträgt ca. 1010
Sonnenmassen.
Interstellare Materie gibt es im äußeren Zentralbereich kaum, jedoch steigt die Konzentration von H I und H II nach innen
stark an, so dass es eine flache H II - Region in der Mitte gibt. Die IM führt komplizierte Bewegungen aus.
Das Zentrum der Milchstraße ist Beobachtungen im Sichtbaren gar nicht, dafür aber im IR und Radiobereich zugänglich. In
den innersten wenigen pc befindet sich ein kompakter Sternhaufen und ein Ring aus Molekülwolken. Im Zentrum befindet
sich eine kompakte (R < 20 AU) Radioquelle (Sgr A*), die man bislang im IR nicht identifizierten konnte. Dort zeigt sich der
Kern des extrem dichten Sternhaufens.
Während der letzten sechs Jahre gelang es, die Eigenbewegungen einiger dieser Sterne direkt zu messen. Daraus ergibt sich
ein starker Hinweis auf ein einzelnes ultrakompaktes, massives Objekt mit ca. 2 106 Sonnenmassen. Radiointerferometrische
Beobachtungen weisen darauf hin, dass Sgr A* einen Radius von weniger als eine AU haben muss. Der Schwarzschild-Radius
einer Masse von 2.6 106 MSonne ist 0.05 AU. Kein Objekt außer einem massiven schwarzen Loch würde diese Zustände erklären können.
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Innerster Bereich (ca. 0.1 pc) des Sgr A* - Haufens
(links) und Eigenbewegung der zentralen Sterne
(rechts). Die Position von Sgr A* ist durch den
bschwarzen Stern gekennzeichnet.
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Aus der Eigenbewegung und der Radialgeschwindigkeit
abgeleitete eingeschlossene Masse als Funktion des Abstandes von Sgr A*. Die Beobachtungen lassen sich
durch die Kombination eines Sternhaufens mit etwa 5
105 M und einer kompakten Masse von 2.6 106 M
erklären.
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