Möglichkeiten des Einsatzes funktioneller Ballaststoffe in

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Jánváry, Liv (2006) Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach 45, Nr. 173, 177-179
Möglichkeiten des Einsatzes funktioneller Ballaststoffe in Fleischerzeugnissen
Possible uses of soluble fibre in nutritionally balanced meat products
Liv JÁNVÁRY
Palatinit GmbH, Mannheim
Schlüsselwörter
Funktionelle Lebensmittel – Ballaststoffe – Oligofruktose – Inulin
Key Words
functional food – fibres – oligofructose – inulin
Die Bedeutung ernährungsbedingter Krankheiten nimmt in Deutschland weiter zu. Es besteht
dringender Handlungsbedarf, dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Eine ausgewogene
Ernährung kombiniert mit ausreichend Bewegung ist wichtig für die Gesundheit. Der
Verbraucher ist sich dessen durchaus bewusst und zeigt verstärkt Interesse an gesundheitlich ausgewogenen Produkten. Leider ist es durch Hektik und Stress im Alltag häufig nicht
möglich, sich ausgewogen zu ernähren. Auch die Nachfrage nach Convenienceprodukten
nimmt durch unseren Lebensstil weiter zu. Die Lebensmittelindustrie steht damit vor der
Herausforderung ausgewogene Produkte zu entwickeln, die unter den gegebenen Bedingungen eine ausgewogene Ernährung ermöglichen. Funktionelle Lebensmittel sind im
Handel bereits in großer Zahl zu finden. Hierzu gehören die bekannten probiotischen Milchprodukte, prebiotische Müslis, Backwaren mit Omega-3-Fettsäuren, Produkte zur Senkung
des Cholesterinspiegels und die Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen sowie
Mineral- und Ballaststoffen. Die Anzahl der Lebensmittel, die einen gesundheitlichen
Mehrwert versprechen, ist groß. Wichtig für die Auslobung eines solchen Mehrwerts ist eine
gute wissenschaftliche Absicherung des Zusatznutzens. Wichtig für die Akzeptanz beim
Verbraucher ist, dass die Produkte den vollen Geschmack bieten und der Genuss garantiert
ist.
Funktionelle Lebensmittel sind nicht auf bestimmte Bereiche limitiert. Auch in der Fleischwarenindustrie sind solche Produkte nichts Neues. Viele dieser Erzeugnisse sind jedoch
gescheitert, wodurch die erste Begeisterung in der Branche gedämpft wurde. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass funktionelle Fleischwaren vom Verbraucher durchaus akzeptiert
werden, wenn die Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Eine Reduzierung des Fettgehalts
oder die Anreicherung mit wertgebenden Inhaltsstoffen ist nicht ausreichend. Vielmehr
müssen echte Wellnessprodukte entwickelt werden, die die Genussanforderungen erfüllen
und dem Streben des Verbrauchers nach Gesundheit und Wohlbefinden gerecht werden.
Möglich ist dies durch den Einsatz funktioneller Zutaten, die technologische und ernährungsphysiologische Eigenschaften kombinieren.
Inulin und Oligofructose sind pflanzliche Ballaststoffe. Sie wirken prebiotisch, d. h. sie dienen
als wertvoller Nährstoff für die gesundheitsfördernden Bifidobakterien im Dickdarm, fördern
deren Wachstum und verbessern dadurch die Darmgesundheit. Diese ist eine wichtige Voraussetzung für unser Wohlbefinden. Die gesundheitsfördernden Eigenschaften regelmäßiger
Aufnahme von Inulin und Oligofructose wurden in einer Vielzahl von wissenschaftlichen
Studien belegt.
Chemisch gesehen ist Inulin ein Fructosepolymer mit einer Kettenlänge von 2-60 Fructoseeinheiten und einem natürlichen Restzuckergehalt von ca. 10 %. Die mittlere Kettenlänge
beträgt ca. 10 Fructoseeinheiten. Standardinulin ist geschmacksneutral bis leicht süß. Durch
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weitere Prozessschritte werden aus diesem spezielle Qualitäten gewonnen. Die Gewinnung
von Oligofructose erfolgt durch partielle enzymatische Hydrolyse. Oligofructose besteht aus
Fructoseketten mit einer max. Kettenlänge von 10. Die Süßkraft steigt mit Abnahme der
Kettenlänge an. Dadurch besitzt Oligofructose mit ca. 30-50 % eine höhere Süßkraft als
Inulin (ca. 10 %). Langkettiges Inulin besitzt eine mittlere Kettenlänge von >20. Es beinhaltet
keinerlei Restzucker und ist vollkommen geschmacksneutral. Dieser langkettige Inulintyp ist
für die Fleischwarenindustrie von besonderem Interesse.
Beim Einsatz von Inulin in Fleischwaren stehen oftmals weniger der ernährungsphysiologische Zusatznutzen als vielmehr die interessanten technologischen Eigenschaften im
Vordergrund. Wellness bei Wurst ist eng mit Fettreduzierung verbunden. Inulin bietet hervorragende Fettersatzeigenschaften, die in den unterschiedlichen Bereichen der Wurstherstellung jeweils optimal genutzt werden können.
Die Fettersatzeigenschaft von Inulin beruht auf einer Partikelgelbildung in wässrigen Systemen. Verantwortlich für diese Gelbildung sind die langkettigen Fraktionen. In Dispersion
kommt es zur Immobilisierung des frei verfügbaren Wassers. Die Strukturierung erfolgt zeitverzögert bei Raumtemperatur. Optimale Fettersatzeigenschaften bietet langkettiges Inulin,
dessen Gelstärke aufgrund der höheren Kettenlänge um ca. 40 % höher ist als die eines
Standardinulins. Die kurzkettige Oligofructose besitzt keine Fettersatzeigenschaften und ist
aus technologischer Sicht für den Einsatz in Wurstwaren nicht von Interesse. Aus rechtlicher
Sicht ist die Zugabe von Inulin in Wurstwaren generell möglich, sofern dies auf der Zutatenliste gekennzeichnet wird.
Die Gelbildung kann in unterschiedlichen Systemen genutzt werden. Eine drastische Fetteinsparung ist beispielsweise bei Brühwurst möglich. Ausgehend von einer bestehenden
Rezeptur kann der Fettgehalt unter Erhalt von Geschmack und Struktur auf deutlich unter
10 % reduziert werden. Unter Berücksichtigung der Vorgaben der deutschen Fleischverordnung und der Leitsätze zur Herstellung von Fleischwaren gibt es generell 2 Vorgehensweisen, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Die Gelbildungseigenschaft von Inulin ermöglicht eine Erhöhung der Schüttung im Verhältnis 1 : 2-3, d. h. pro kg Inulin kann die Schüttung
um 2-3 kg erhöht werden. Im Extremfall kann so eine Brühwurst mit einem Fleischanteil von
lediglich 30 % entwickelt werden. Bei Produkten, die innerhalb der Leitsätze liegen müssen,
ist dies jedoch nicht möglich.
Da in den meisten Rezepturen eine Erhöhung der Schüttung nicht möglich ist, erfolgt die
Einstellung des Fettgehalts mit Hilfe des Austauschs fettreicher Komponenten durch
Magerfleisch. Der Ersatz von 5 % Fleisch durch einen langkettigen Inulintyp garantiert eine
gute Struktur und verhindert das von fettreduzierten Produkten bekannte raue Mundgefühl.
Bereits mit 2 % dieses Inulins können gute Ergebnisse erzielt werden, jedoch steigt der
Effekt mit zunehmender Konzentration weiter an. Eine Zugabe von bis zu 10 % in der
Brätmasse ist aus technologischer Sicht problemlos möglich. Die empfohlene Zugabe von
Inulin pro Verzehrseinheit (je nach Produkt 50-150 g) liegt bei 4-5 g. Um eine optimale
Einbringung in die Brätmasse zu erzielen, erfolgt die Zugabe des Inulins zu Beginn des
Kutterprozesses. Es kann direkt in kristalliner Form eingesetzt werden. Eine Vormischung
des Gels ist nicht erforderlich, wird jedoch teilweise gewählt, wenn die Zugabe aus
prozesstechnischen Gründen erst am Ende des Kutterprozesses erfolgt. Sofern an Stelle
des langkettigen Inulins ein Standardinulin eingesetzt wird, sollte die Zugabe erhöht werden,
um die gewünschte Gelstabilität zu erzielen.
Eindrucksvolle Ergebnisse lassen sich durch den Einsatz von langkettigem Inulin auch bei
Kochwursterzeugnissen nachweisen. Ohne den Einsatz weiterer Hilfsstoffe kann der
Fettgehalt auf unter 10 % reduziert werden. Bei der Herstellung von Leberwurst erfolgt der
direkte Austausch von Fett durch eine Inulincreme, wobei 3 kg Fett durch 1 kg Inulin + 2 kg
Wasser ersetzt werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht den Austausch von bis zu 25 %
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Fett. Die Zugabe erfolgt in der Regel in Form eines vorgekutterten Gels, ist jedoch auch in
kristalliner Form möglich. Aufgrund der verzögerten Strukturbildung empfiehlt sich vor der
abschließenden Beurteilung eine Lagerung von mindestens 24 h. Neben der deutlichen
Fettreduzierung bewirkt der Einsatz von Inulin eine Geschmacksabrundung, die insbesondere bei Produkten mit hohem Leberanteil spürbar ist. Zugleich zeichnet sich das
Endprodukt durch optimale Streichfähigkeit aus. Inulin besitzt eine sehr hohe Prozessstabilität und kann daher bei unterschiedlichsten Prozessbedingungen eingesetzt werden.
Aufgrund der guten Hitzestabilität ist auch ein Einsatz bei Konservenware möglich.
Eine Erhitzung ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, so dass auch bei Rohwurst der Einsatz
von Inulin zu überzeugenden Ergebnissen führt. In fettreduzierten Produkten kann durch den
Einsatz von Inulin aufgrund der Reduzierung der Gummiartigkeit eine deutliche Strukturverbesserung erzielt werden. Wirtschaftlich interessant ist der resultierende geringere
Trocknungsverlust bei gleichem angestrebtem aW-Wert bzw. bei vorgegebenem Trocknungsverlust die Verkürzung der Reifezeit.
Obwohl Schinken bereits als fettarmes Produkt bekannt ist, wächst auch hier das Interesse
am Einsatz von Inulin zur weiteren gesundheitlichen Aufwertung. Dies spiegelt das Interesse
von Herstellern und damit der Verbraucher an weiterreichenden Zusatznutzen wider. Die in
den bisher beschriebenen Anwendungen genutzten Fettersatzeigenschaften von langkettigem Inulin sind bei dieser Technologie nicht erwünscht. Die Viskositätserhöhung in der
Lake und die nachfolgende Gelbildung ist nicht nur technologisch problematisch sondern
führt auch zu visuellen Veränderungen des Produkts. Dagegen können mit Standardinulin
optimale Ergebnisse erzielt werden, da dieses bei den für die Auslobung des Mehrwerts
prebiotischer Ballaststoffe erforderlichen Konzentrationen keine Produktveränderungen bewirkt. Aus technologischer Sicht sind der geringere Saftabsatz sowie die Abtrocknung der
Schnittfläche interessant.
Durch den Einsatz von Inulin in Wurstwaren kann somit nicht nur der Fettgehalt signifikant
reduziert, sondern gleichzeitig durch die Ballaststoffanreicherung und Förderung der inneren
Gesundheit ein Beitrag zum allgemeinen Wohlbefinden geleistet werden. Die beschriebenen
Anwendungen spiegeln die Vielzahl der Möglichkeiten wider, die der Einsatz von Inulin in
Fleischwaren bietet. Und damit ist das Ende noch nicht erreicht. Die zunehmende Nachfrage
nach Convenience- und Snackprodukten wurde bereits kurz erwähnt. Dieser Sektor bietet
weitere Möglichkeiten im Rahmen derer Inulin bereits erfolgreich eingesetzt wird.
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