Das Röhricht und se ine Bewohner VON DR. GISELA DECKERT Fast alle brandenburgischen Seen werden von Röhrichtgürteln gesäumt. Sie bestehen hauptsächlich aus Schilf, das bis Altschilf. Beide Partner bebrüten in etwa l,5m wechselnd ihre 5-10 mit zahlreichen Fleckchen und Punkten übersäten Eier. Die Jungen werden noch mehrere Täge vom \ü/eibchen auf dem Nest gewärmt, dann folgen sie ihren Eltern auf das \Wasser. Sie füttern, führen und bewachen die Wassertiefe vordringt und daher an flach auslaufenden Ufern besonders breit ausgebildet ist. Röhrichte brauchen viel Licht und wachsen an beschatteten Ufern nur spärlich. Ihr Opti- mum erreichen Röhrichtpflanzen an nährstoffreichen Seen. Sobald aber durch Überdüngung das Gewässer polytroph und trübe wird, geht der Schilfbestand durch Sauerstoffschwund zurück. Etwas länger überlebt der weniger empfindliche Rohrkolben. Nach starkem Rückgang seit den siebziger Jahren, scheint sich jetzt durch Verbesserung der \Tasserqualität der Schilfbestand zu stabilisieren. Es leben zahlreiche Insekten und Spinnen zwischen den Schilfhalmen, im Wasser I(leinkrebse, Insektenlarven, Muscheln, Schnecken und Egel. Fische, Frösche und Ifuöten finden hier Laichplätze. Im \Winter verlärben sich die oberirdischen Teile des Schilfs braun und sterben ab. In die hohlen Halme ziehen sich viele Insek- ten und Spinnen zum Überwintern zurück. Die warme Frühlingssonne erweckt sie aus ihrerWinterstarre zu neuem Leben. Aus den unterirdischen Rhizomen wächst das frische Schilf empor und erreicht erst im Juni seine volle Höhe. Alle Vöge1, die schon im zeitigen Frühjahr brüten, brauchen das Altschilf ab- Jungen etwa 8\Wochen lang. Ende April brütet die Rohrweihe sehr versteckt im breiten Röhrichtsaum. Dieser elegante Greifi'ogel macht Jagd auf I(leinsäuger und Vögel im schaukelndem Flug niedrig über Schilfwälder, Wiesen und Felder. Auch Blässhühner müssen sich vor ihr in acht nehmen. Das \)üeibchen der Rohrweihe bebrütet allein etwa 5 Wochen 3 bis 6 Eier und wird in dieser Zeit vom Männchen mit Nahrung versorgt. Die Jungen können mit 7 \il/ochen schon ein wenig fliegen und sind mit etwa 10 \X/ochen selbstständig. In den letzten l5bis 20Jahren ist der Rohrweihenbestand auf etwa ein Viertel zurückgegan- gen. Die meisten überwintern im Mittelmeergebiet, so dass wahrscheinlich Abschuss als Hauptursache für den Populationseinbruch anzunehmen ist. Enten, Gänse und Höckerschwäne nutzen das Altschilf ebenfalls als Brutplatz. \ü/o es keine Störungen gibt und sich an das Röhricht breite Verlandungszonen als oder Bruchwälder anschließen, beginnt Deckung für ihre Nester. Haubentaucher tragen allerlei \ü/asserpflanzen zu einem großen, oft schwimmenden Haufen zusammen. 3 bis 5 Eier werden vomWeibchen und Männchen abwechselnd 4 \ü/o- der I{ranich schon im April zu brüten. chen lang bebrütet. Nach dem Schlupf verlassen die Jungen das Nest und werden von den Eltern gefürtert und geführt. In den ersten Tägen sitzen die I(üken wohl behütet zwischen den F1üeeln auf 62 dem Rücken der Eltern. Noch früher beginnen Blässhühner mit der Brut im Seine Bestände haben erfreulicherweise zugenommen, so dass man auf Spaziergängen recht häufig die faszinierenden Trompetenrufe vor allem von noch nicht brütenden Junggesellentrupps hören kann. Die positive Bestandsentwicklung mag einerseits darauf beruhen, dass die nassen Röhrichte und Bruchwälder gesetzlich geschützt sind in den letzten Jahren f: und in keiner\ü/eise meht genutzt werden und andererseits, dass die Überwinterungsgebiete in Spanien und Portugal ebenfails in geschützten Regionen liegen. Die Rohrdommel, eine Reiherart, braucht strukturreiche sehr breite Röh- richtbestände Dort sucht für die Vegetation angelegt. Bartmeisen sind in den letzten Jahren häufiger geworden und brüten an mehreren Seen im Naturpark Dahme-Heideseen. Die auffälligsten und bekanntesten Vöge1 der Schilfsäume sind aber die Jungenaufzucht. sie auch ihre Nahrung, die aus \Wasserinsekten, Egeln, kleinen Fischen -\ und Fröschen besteht. Die dumpfe Stimme des Männchens klingt wie ein Nebelhorn, die man in ruhigen Nächten bis 5 km weit hören kann. Bei Beunruhigung nimmt die Rohrdommel, besonders das brütende\X/eibchen, Pfahlstellung ein. Sie streckt den Hals hoch und reckt den Schnabel zum Himmel. So kann sie iange unbeweglich verharren. Der braune, dunkel gestreifte Vogel verschmilzt vö1lig mit der Umgebung und ist für Feinde nahezu unsichtbar. Vor 50 Jahren war die Rohrdommel noch ein weit verbreiteter Brutvogel an vielen brandenburgischen Seen. Heute ist sie vom Aussterben bedroht, auch wenn seit einigen Jahren in einigen Gebieten wie der Groß Schauener Seenkette eine Bestandszunahme nachweisbar ist. Wahrscheinlich ist ein ganzer I(omplex von Ursachen für den Rückgang der Art verantwortlich.Viele Brutplätze fi elen durch Rückgang der Schilfbestände aus. Die Trübung des Wassers durch I{einalgen mag die Nahrungssuche erschwert haben. Ein Teil der Population überwintert im Brutgebiet, die durch harte\ü/inter erheblich reduziert werden kann. Der an- Rohrsänger, die in der warmen Jahreszeit die Seeufer mit ihren rhythmisch, etwas rauen schwatzenden Reviergesängen beleben, deren Frequenzen das imWind raschelnde Schilf zu übertönen vermögen. Die größte Art ist der Drosselrohrsänger, kaum kleiner als eine Singdrossel. Der kiet,r, aber oft zu hören. Seine Zehen, mit Abschüssen zu rechnen ist. Große Schilfwälder sind auch Lebensraum der Bartmeise. Sie ist keine wenn das Schilf nur dürftig gewachsen ist. Der ebenfalls unscheinbar bräunlich Meise, sondern gehört in die Verwandtschaft derTimalien, die hauptsächlich in Ostasien verbreitet sind. Dieser lebhafte Vogel klettert äußerst geschickt zwischen gefärbte Teichrohrsänger wirkt wie eine kleine Ausgabe seines größerenVerwand- Teil zieht nach \Wesleuropa, wo mit den Halmen umher, ernährt sich im Frühjahr und Sommer von Insekten und im \ü/inter von Schilfsamen. Mehrere Paare halten zusammen, rufen einander fast ständig Kontaktrufe zu und brüten in lockeren Kolonien. Die Nester werden schon im April gut getarnt, niedrig in der Foto: Dr. J. Deckert Vogel ist nur selten zu sehen, seine kräftige Stimme, das auffällige r,karre karre kiet denen er beim I{lettern die Schilfhalme umkiammert, sind an dicke, kräftige Halme angepasst. Deshalb verschwindet er, dere Die Rohrdommel brütet in großen Schilfbeständen ten. Sein Gesang ist leiser, schwatzender und sehr rhythmisch. Er begnügt sich auch mit weniger kräftigem Röhricht. Beide Arten hängen ihre Nester zwischen mehreren vertikalen Schilftralmen über dem\üasser auf, wo sie vor Mardern und Füchsen weitgehend sicher sind. Das Nest wird sehr sorgfältig und tiefnapfig konstruiert, damit die Jungen bei Sturm 63 nicht herausfallen können. Die beiden Rohrsängerarten brüten sehr spät, weil sie das Emporwachsen des neuen Schilfs abwarten müssen, denn sie hängen das Nest nicht in das vorjährige, brüchige Röhricht. Der Drosselrohrsänger benutzt zum Nestbau alte Schilfblätter, die er, bevor er sie verbaut, ins'Wasser taucht, um sie geschmeidiger zu machen. Zunächst wickelt er etliche so vorbehandelte Blätter mit Hilfe von Schnabel und Füßen rund um 4 bis 5 senkrechte Halme, zieht dann auch Halme quer herüber. Die Mulde formt er, wie fast alle Singvögel, durch strampelnde Bewegungen mit den Beinen. Die Jungen werden mit Insekten und Spinnen gefüttert, die es im Schilf reichlich gibt. Der kleine Teichrohrsänger baut das Nest sehr ähnlich. In unserer Region legt der I(uckuck gern sein Ei bei ihm ab. Der Teichrohrsänger bemerkt den Betrug nicht und zieht aufopferungsvoll den übergroßen Nestling auf. An Seen, die mit Nährstoffen überlastet, durch I(leinalgen stark getrübt oder in der Uferregion mit Fadenalgenwatten bedeckt sind, wird das Rhizom des Schilfs durch Sauerstoffmangel geschwächt und die Festigkeit der Halme vermindert, so dass bei Sturm das Schilf mitsamt den Nestern umgeworfen wird. Dadurch kann es bei Rohrsängern, einschließ1ich Kuckucken, zu erheblichen Verlusten kommen. Das empfindliche Schilf wird aber auch durch einfahrende Sportboote geknickt und nachhaltig geschädigt. Vor allem richten schnell fahrende Motorboote an den Ufern Zerstörungen durch ihre An stärker befahrenen Seen helfen nur Pfähle, die in einigen Metern Abstand vom Ufer als\Wellenbrecher eingerammt werden. So lange Sportboote und Angelkähne einen Abstand von etwa 15 bis 20 Meter von der Schilfkante einhalten, werden die Vogelbruten nicht gestört. Leider muss man immer wieder feststellen, dass Angler ihr Boot an der Schilfkante festmachen und durch ihre Bugwellen an. 64 Anwesenheit stundenlang Vögel, die sie gar nicht bemerkt haben, am Brüten oder Füttern ihrer Jungen hindern. Dadurch kann der Bestand durch diese Rücksichts- losigkeit bis auf einViertel zurückgehen. Über Brutvögel am Ufer freuen sich meist die Besitzer von Seegrundstücken. Dennoch verwehren sie Blässhühnern und Haubentauchern das Brüten, in dem sie aus Ordnungsliebe das nach ihrer Meinung hässliche Altschilf im\Tinter abmähen und mitsamt dort überwinternden Insekten und Spinnen verbrennen. Dadurch wird nicht nur den im zeitigen Frühjahr brütendenVögeln die Deckung entzogen, sondern vor allem Rotkehlchen, Zaunkönigen und Heckenbraunellen lebenswichtige Winternahrung. Begünstigt dagegen werden Stechmücken, die sich an den freigemähten lichten Stellen besonders rasch entwickeln können, zumal manche ihrerWidersacher den Flammen zum Opfer fielen. Auch wächst das Schilfnicht etwa besser, wenn es abgemäht worden ist. Nur wenn auf großen F1ächen dicke umgewehte Schilfmatten über der Wasseroberfläche lagern, kann das neue Schilf nicht durchstoßen. Das kommt gelegentlich an sehr verschmutzten Gewässern mit brüchigen Schilfbeständen vor. Hier wäre ein Mähen sinn- voll. In breiten Röhrichtgürteln mit unterschiedlicher Struktur hat stellenweise lagerndes Schilf durchaus Bedeutung für die Fauna. Hier finden Rohrweihen und lGaniche eine günstige Horstunterlage. Manche Reptilien, Libellen, Vögel oder Säugetiere finden einen Platz, um sich zu sonnen. Auch der Rohrschwirl braucht liegendes Schilf, aufderen Fläche er bevorzugt auflnsektenjagd geht. Dieser kleine unscheinbar gefärbte Rohrsängerverwandte lebt sehr versteckt im Pflan- zendickicht und zeigt sich nur selten und kurz auf der Spitze einer Röhrichtpfl anze.Viele mögen seinen schwirrenden Gesang für das Zirpen einer Heuschrecke halten. a*