PRAKTISCHE KARDIOLOGIE - JOURNAL BY FAX IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BUNDESVERBAND NIEDERGELASSENER KARDIOLOGEN Redaktion: D. JESINGHAUS, Saarbrücken; I. KRUCK, Ludwigsburg; F. SONNTAG, Henstedt-Ulzburg; N. WITTLICH, Mainz; R. ZIMMERMANN, Pforzheim Für den BNK: N. SMETAK, Kirchheim (Erster Bundesvorsitzender); J.-H. WIRTZ, Dinslaken (Stellvertr. Bundesvorsitzender), F. de HAAN, Solingen 17. Jahrgang 2014; Nr. xx Kaputt ist kaputt?! ‒ Nein, es gibt die myokardiale Erholung Eine große Anzahl schädigender Faktoren kann zu einer Herzinsuffizienz führen, die morphologisch durch einen ungünstigen Ventrikelumbau gekennzeichnet ist. Bei einem Teil der Patienten kommt es nach einer gewissen Zeit dank Therapie oder spontan zu einem Rückumbau. Dies kann bedeuten, dass die Funktion des Myokards sich normalisiert (myokardiale Erholung, mE) oder zumindest gebessert hat (myokardiale Remission, mR). Hierzu einige Erläuterungen: Ungünstiger Ventrikelumbau Er kann Folge eines gestörten Energiehaushaltes (z.B. Ischämie, Tachykardie), toxischer Einflüsse (z.B. Alkohol, Chemotherapie), einer Entzündung (Myokarditis, Peripartum-KMP), einer Druck- oder Volumenüberlastung (z.B. Vitien) sein. Veränderungen gibt es auf folgenden Ebenen: 1. Myokardzelle: Hypertrophie, Änderung der kontraktilen Eigenschaften, β-adrenerge Desensitivisierung, MyofilamentVerlust, gestörter Energiehaushalt, Störungen des Zytoskeletts. Folge: Gestörte Kontraktilität und Relaxation. 2. Extrazelluläre Matrix: Wichtig für die effiziente Anordnung der Myozyten. Es kommt zur Änderung der Kollagen-Menge, -Zusammensetzung und Änderung der Gerüststruktur. Dies führt zur 3. LV-Dilatation und Änderung der Ventrikelgeometrie. Erhöhung der enddiastolischen Wandspannung: Hypoperfusion des Subendokardiums, erhöhter oxidativer Stress mit negativen Folgen. Funktionelle MI. Ein sich selbst verstärkender Teufelskreis ist die Folge. Günstiger Rückumbau Beim Rückumbau bilden sich die Veränderungen, die man beim ungünstigen Ventrikelumbau beobachten konnte, mehr oder weniger vollständig zurück: Ventrikelgröße und -geometrie normalisieren sich. Die nach rechts verschobene DruckVolumenkurve verlagert sich als Ausdruck der gebesserten diastolischen Funktion wieder nach links. Bleibt der Rückumbau auch nach Wegfall einer Therapie bestehen, zeigt dies: Die biologischen Eigenschaften haben sich bleibend geändert. Der Rückumbau wurde bei ganz unterschiedlichen Auslösern der Herzinsuffizienz beobachtet (toxisch, inflammatorisch, Volumenüberlastung, Tachykardie, Revaskularisation) und dürfte auch Ursache für den dann gebesserten klinischen Verlauf sein. ‒ Die zellulären und molekularen Mechanismen der Erholung sind nur unzureichend verstanden. Meist wird eine Rückbildung der Hypertrophie der Myozyten beobachtet. Veränderungen in der Genexpression und im Proteom (Proteinzusammensetzung in der Zelle) weisen in Richtung funktionelle Besserung, und in der Tat beobachtet man eine Zunahme der Kontraktilität der Myozyten. Die Störungen der Textur der extrazellulären Matrix bilden sich zurück (allerdings sind die Daten hierfür spärlich). Die reduzierte Dichte der kleinen Gefäße nimmt wieder zu. Myokardiale Erholung (mE) bzw. myokardiale Remission (mR) Bei einer Myokarditis oder Peripartum-KMP kommt es zu einer spontanen Erholung in 40‒50 %. der Fälle Ähnlich auch bei achymyopathie, nach toxischen Substanzen (C2, Anthrazykline), Ischämie oder Hyperthyreose. Unter LVAD-Therapie wird fast regelmäßig ein Rückumbau beobachtet, aber selten eine vollständige myokardiale Erholung. Der Rückumbau ist Voraussetzung für die mE, hat diese aber nur bei einem Teil der Patienten zur Folge. ME bedeutet somit eine Normalisierung der molekularen, zellulären, myokardialen und linksventrikulären Veränderungen. Abzugrenzen ist hiervon die „myokardiale Remission“, mR. Auch hier findet ein Rückumbau statt, der in diesem Fall aber nicht Freiheit von künftigen Herzinsuffizienz-Ereignissen bedeutet und somit nicht mit einer vollständigen funktionellen Erholung des Herzens einhergeht. Dies ist häufig. Z.B. normalisiert sich die veränderte Genexpression bei HI nur bei 5 % der Gene unter LVAD-Unterstützung. Die maxi-male Kraftentwicklung bleibt geringer als bei gesunden Myozyten (LVAD). Die komplexe dreidimensionale Struktur der extrazellulären Matrix wird nie mehr so, wie sie ursprünglich war. Das Verhältnis von Wanddicke und Kammerdurchmesser normalisiert sich nicht und die Wandspannung bleibt somit erhöht. Ob dies durch Verlust an Myozyten oder Folge der verbliebenen Störung der Textur der extrazellulären Matrix ist, ist unklar. Bei mE ist der Schaden reversibel, bei mR hat es Schäden gegeben, die irreversibel sind (Myoytenverlust, eM, DNAEbene). Ob eine mR oder mE möglich ist, hängt von der Art der Schä-digung ab: Je länger die Dauer, je mehr Myozyten verloren gegangen sind, umso weniger ist eine mE zu erwarten. Zusammenfassung Eine Erholung des geschädigten Myokards ist möglich, sei es vollständig (myokardiale Erholung) oder unvollständig (myokardiale Remission) und dürfte auch Ursache für den normalisierten oder gebesserten klinischen Verlauf sein. Sollte das komplexe und wahrscheinlich auch variable Geschehen, das zur Erholung führt, in Zukunft einmal auf molekularer und zellulärer Ebene besser verstanden werden, könnten sich neue therapeutische Ansätze ergeben. Peter Grooterhorst, Mülheim Literatur: 1. Mann LD et al. (2012) Myocardial recovery and the failing heart. J Am Coll Cardiol 60: 2465-72 2. Nomenklatur: Ventrikelumbau = LV remodeling. Rückumbau = Reverse Remodeling. Myokardiale Erholung (mE) = Myocardial Recovery. Myokardiale Remission (mR) = Myocardial Remission. LVAD: left ventricular assist device. Mechanisches Linksherzunterstützungsystem Bei Rückfragen kontaktieren Sie uns bitte unter der Fax-Nummer 089/570 95 126. Ein wissenschaftlicher Service von SERVIER Deutschland GmbH - Elsenheimerstraße 53 - 80687 München - www.servier.de Amtsgericht München HRB 75665 - Geschäftsführer: Christian Bazantay